Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit einigen Argumenten der Kollegen der Opposition auseinandersetzen. Bevor ich das tue, will ich sozusagen den Degen senken und drei Dinge als höchst erfreulich bezeichnen. Das erste ist — in der Tat beachtlich —, daß uns allen die unkorrigierten Protokolle des SPD-Parteitages in Hannover zur Verfügung stehen, das zweite ist, daß wir es begrüßen, daß innerhalb der großen Oppositionspartei ernsthafte Überlegungen über eine Reform ihres politischen Programms im Gange sind, und das dritte ist — gleichzeitig auch eine Anerkennung für uns —, daß dabei Begriffe, die bisher in unserem
Vokabular standen und von Ihnen hart angegriffen! wurden, nämlich die Begriffe des breit gestreuten Personeneigentums und der Volksaktie, nunmehr von Ihnen der Ehre ihrer Erwähnung gewürdigt werden.
Herr Kollege Heinemann, ich habe in diesem Hause schon einmal gesagt, man solle uns mit solchen Fragen wie Ahlener Programm nicht unnötig reizen, wenn man, wie der Volksmund sagt, selbst im Glashaus sitzt. Denn sehen Sie, meine Damen und Herren, von unserem Ahlener Programm ist heute noch sehr viel mehr übrig als von dem Programm, das Sie zur Zeit der Geburt des Ahlener Programms vertreten haben, heute noch übrig ist.
Im übrigen möchte ich auf die Ausführungen meines Kollegen Katzer an dieser Stelle — ich glaube, es war bei der Konzentrationsdebatte — verweisen, in denen er gesagt hat, der tragende Grundsatz des Ahlener Programms, der Kampf um die Herbeiführung des machtverteilenden Prinzips, sei heute noch nach Auffassung der Fraktion gültig. Das möchte ich hier wiederholen, und unsere Bemühungen z. B. um die Frage der Konzentration mögen Ihnen das auch beweisen. Wie schwierig die Durchführung dieses Grundsatzes deis machtverteilenden Programms ist, wissen wir; aber wir haben noch diesen Grundsatz, während Sie doch — was ich teils kritisch, teils anerkennend bemerken möchte — dabei sind, Ihre Grundsätze zu revidieren.
Sie dürfen uns auch nicht übelnehmen, daß wir neben der Anerkennung dieser Bemühungen eine kritische Aufmerksamkeit behalten. Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie nach der letzten Bundestagswahl, die Sie verloren haben, sozusagen in eine Erforschung Ihrer Erkenntnisse eingetreten wären und mit den neuen Erkenntnissen in diesem Bundestag gekämpft hätten, dann würden wir mit sehr viel weniger Kritik den neuen Erkenntnissen begegnen, als wir ihnen begegnen müssen, nachdem Sie erst ausgerechnet das Jahr vor der Bundestagswahl zur Reform Ihrer Überlegungen benutzt haben.
Es ist noch ein weiterer Unterschied zwischen den Programmfragen. Wir haben sicherlich nicht alle Begriffe des Ahlener Programms wortwörtlich realisiert. Ich habe gesagt, bei welchem Grundsatz wir alle bleiben. Wir haben aber in diesen Jahren erwiesenermaßen eine für das deutsche Volk erfolgreiche Politik gemacht, während erwießenermaßen die Ablehnung unserer Vorlagen durch Sie und Ihre eigenen Vorlagen keine produktive Folge für das deutsche Volk gehabt haben. Das ist ja wohl auch der tiefste Grund Ihrer Reformbemühungen.
Es ist gesagt worden, man solle diese unkorrigierten Protokolle nicht ohne weiteres benutzen oder nicht unnötig benutzen.
Ich gehe weitgehend mit dieser Auffassung einig.
Ich würde, wenn irgendein Delegierter redlicher
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1960 7673
Dr. Burgbacher
Art aus seinem Bezirkshorizont etwas gesagt haben sollte, was uns von der CDU heute bei einer Vorlesung besondere Freude machen würde, es nicht für fair halten, das zu zitieren. Wenn aber bedeutende Männer Ihrer Partei wie der Professor Schiller und unser Kollege Seuffert uns in vielen Beziehungen hei ihrer Kritik auf Ihrem Parteitag aus dem Herzen gesprochen haben, dann ist es, glaube ich, nicht unfair, wenn man darauf auch hier von diesem Platze aus eingeht. Es würde mich reizen, speziell das, was der Professorenkollege Schiller gesagt hat, mehr oder weniger zu zitieren; aber ich will mich auf einiges wenige beschränken.
- Herr Kurlbaum, wir werden ja mit noch größerem Interesse als dem, womit wir das unkorrigierte Protokoll gelesen haben, das korrigierte lesen.
— Ja, Sie sehen, ich bin dabei, Herr Kollege. —Auf der einen Seite, sagt Schiller — ich bitte um Erlaubnis, zu verlesen, Herr Präsident — „wird ganz deutlich mit einer ganz normalen klassischen fiskalischen Maßnahme gearbeitet und wird schlicht und ergreifend eine Vermögensabgabe, eine Kapitalabgabe, eingerichtet; und dann soll nun diese große Investment-Gesellschaft, genannt ,,Nationalstiftung", auf der Grundlage dieser Papiere arbeiten. Das verstehe ich einfach nicht. Denn dann kommt eben der Verkauf von neuen Zertifikaten. Hier wird dieselbe Sache zweimal bezahlt."
,,Einmal hat es das Unternehmen unzweifelhaft bezahlt, indem es eine Steuer oder irgendetwas ähnliches, eine öffenliche Pflicht- oder Zwangsabgabe entrichtet hat, oder die andere Sache"
— sagt Schiller —, „man benutzt tatsächlich die Idee der Investment-Gesellschaft, die hier nur äußerlich benutzt worden ist. Dann ist es so, daß eine Investment-Gesellschaft Zertifikate ausgibt, dafür Beträge einnimmt und daraus Wertpapiere kauft, nicht auf dem Wege der öffentlichen Abgabe geschenkt bekommt, sondern Wertpapiere kauft und diese eben als Deckungsgrundlage benutzt."
Ich will das Programm der SPD übrigens nicht „Deist-Plan" nennen, ich will es „Hannover-Plan" nennen. Ich will Sie damit aber nicht kränken, Kollege Deist, sondern will damit nur meiner starken Vermutung, daß es sich bei dem Plan um ein Kompromißprodukt handelt, Ausdruck geben.
— Leider auch!
— Ja, jeder hätte seine Ideen gern in Reinkultur ausgeführt!
— Ja, es fragt sich nur, ob der Kompromiß die Geburt aus der Begegnung zweier normaler Menschen oder zweier ganz verschiedener Lebewesen ist, und Ihr Kompromiß sieht doch sehr danach aus, daß er die Geburt aus der Begegnung des Sozialismus, lies: Kollektivismus, mit unserer anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsauffassung ist und daß er deshalb die Gefahr in sich trägt, weder das eine noch das andere ganz zu sein.
— Ja, es gibt sehr viele schöne Worte.
Ich will von den Bedenken des Kollegen Seuffert hinsichtlich inflationärer Wirkung nichts sagen. Ich möchte nur sagen, er meint es so, daß eine inflationäre Wirkung eintreten kann, wenn etwas zweimal bezahlt wird. So ist sein Diskussionsbeitrag wenigstens aufgebaut.
Herr Kollege Deist, ich kann mich nicht ganz dem Vergnügen entziehen, auch Sie zu zitieren: „Aber, Genossinnen und Genossen,"
— ich zitiere, um mich keinem Verdacht auszusetzen, korrekt und vollständig —
wir sollten auch nicht übersehen, daß ein solcher Vorschlag auch andere Menschen ansprechen soll, die wir bei einer Wahl mitberücksichtigen müssen.
die wir, ich möchte das einschränken, nicht nur bei einer Wahl berücksichtigen müssen, sondern die eine Partei, wenn sie ein politisches Gesamtbild der Wirtschaftsordnung schaffen will, mitberücksichtigen muß.
— Ja, wir sind ganz damit einverstanden. Aber es hat furchtbar lange gedauert, bis Sie entdeckt haben, daß Sie unser Wirtschaftsbild mitberücksichtigen müssen.
Noch einmal sagt Kollege Deist bei der Überlegung über die Bezeichnung Volksaktie:
Aber verlaßt euch darauf, natürlich haben wir einige Feststellungen darüber getroffen, und gerade aus diesen Feststellungen sind wir zu der Überzeugung gekommen, jedenfalls diejenigen, die bei uns vorgeben, etwas davon zu verstehen, und dafür da sind — ich verstehe von Demoskopie zuwenig und will gar nicht allzuviel verstehen; aber diejenigen, die diese Dinge untersuchen, waren der Meinung —, daß jedenfalls propagandistisch diese Bezeichnung nicht falsch ist.
7674 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1960
Dr. Burgbacher
Ja, davon sind wir überzeugt.
Ich trage das bewußt etwas freundlich vor. An der Sachlichkeit des Inhalts ändert sich aber dadurch nichts.
Lieber Kollege Deist, jetzt wird es aber ernster. Sie haben in Ihren Ausführungen gesagt:
Die deutsche Volksaktie verspricht eine gute, nachhaltige Rendite,
— in Ordnung! —
weil sie sich nämlich auf die Ertragslage der Großwirtschaft stützt,
— auch noch nach Ihrem Plan in Ordnung! —
und sie ist ein Anteilspapier, das für den Berechtigten eine Teilnahme am Vermögen der Gesamtwirtschaft darstellt."
Herr Kollege Deist, sehen Sie, hier scheiden .sich die Geister! Wir kennen keinen Eigentumsbegriff als Anteil am Gesamtvermögen einer Volkswirtschaft! Das ist nach unserer Auffassung realisierter Sozialismus.
Wir kennen nur ein Bach- und personenbezogenes Eigentum!
Wir kennen nur ein Eigentum, das nicht nur Chancen, sondern auch Risiken enthält!