Herr Kollege Dr. Deist, ich habe Sie so verstanden, wie ich es soeben vorgetragen habe. Wenn ich mir vor Augen halte, daß Herr Kollege Dr. Heinemann und Sie nun wirklich vergeblich versucht haben, mir klarzumachen, daß die „Deutsche Volksaktie", wie Herr Dr. Heinemann es gesagt hat, mittelbar eine Aktie sein soll, dann — ich muß es Ihnen offen sagen — komme ich als Jurist nicht mehr mit. Denn in meinen Augen ist die „Deutsche Volksaktie", so wie Sie es konstruiert haben, letzten Endes nichts weiter als ein Investmentzertifikat. Wenn Sie das nun Volksaktie nennen, will ich mich mit Ihnen nicht streiten.
Aber Sie haben nicht klar juristisch zum Ausdruck gebracht, daß Ihre Volksaktie, d. h. das Zertifikat der Beteiligung an der sogenannten Deutschen Nationalstiftung, eben keine Aktie ist; denn die Deutsche Nationalstiftung ist keine Aktiengesellschaft, an der man mit einer Aktie beteiligt sein könnte. Das sind, finde ich, auf Ihrer Seite unklare, verwaschene Darlegungen, die mich dazu gebracht haben, Sie so zu verstehen, daß es letzten Endes auf die juristische Konstruktion nicht ankomme. Ich finde, daß es sehr darauf ankommt!
Ich bin zum Beispiel auch der Meinung, daß die Entwicklung, die in der CDU zur „Volksaktie" hin stattgefunden hat, indem man letzten Endes entgegen den ursprünglichen Plänen darauf verzichtet hat, einen besonderen Volksaktientyp zu schaffen, im Sinne der juristischen Klarheit, im Sinne der Klarheit der Unternehmensverfassung der Aktiengesellschaft nur zu begrüßen ist.
Ich habe dann allerdings heute morgen von Herrn Kollegen Dr. Barzel eine Andeutung gehört, bei der ich gleich von vornherein sagen will: Es ist möglich, daß ich sie mißverstanden habe. Vielleicht sagt Herr Professor Burgbacher oder Herr Kollege Dr. Barzel nachher noch etwas Näheres dazu. Herr Kollege Dr. Barzel sagte nämlich, daß man sich überlegen müsse, ob man nicht bei den Ausschußberatungen doch vielleicht die Volskaktie in das Aktienrecht einbauen solle. Ich finde, das wäre
recht bedenklich und tendiert vielleicht in die Richtung, doch wieder einen besonderen Aktientyp als Volksaktie zu schaffen, wie es ursprünglich in der Anfangszeit geplant war.
Aber nach der Zwischenfrage von Herrn Dr. Deist war ich davon abgekommen. Die Diskussion hat insofern eine Schlagseite bekommen, die ich nicht für gut halte, als irgendwie an Neidgefühle, an Ressentiments appelliert wird. Ich glaube empfehlen zu sollen, ja ich möchte sogar darum bitten, die Reform des Aktienrechts wirklich ganz nüchtern, ruhig als juristische Angelegenheit durchzuführen und ihr nicht etwa diesen Trend zu geben: Dies ist ein Gesetz gegen die Großen und für die Kleinen und für den Mittelstand. So ist das gar nicht, wenn man auch vielleicht in weiten Kreisen der Bevölkerung zu solchen Auffassungen neigt.
Ein Konzern, ein ganz großes Unternehmen ist doch nicht böse per se. Es mißbraucht seine Macht nicht in jedem Falle. Jeder von uns ist sich doch darüber klar, daß wir im Zeitalter der Automation, im Zeitalter ,des Atoms ganz sicherlich große Unternehmungen brauchen werden, denen allein die Möglichkeiten zur Verfügung stehen, diese technischen Entwicklungen voranzutreiben oder diesen technischen Entwicklungen zu folgen.
Was wir alle nicht wollen, ist der Mißbrauch der Macht, der Mißbrauch ,der Konzentration. Dagegen ist nichts zu sagen. Ich meine aber, daß auf anderen Rechtsgebieten das Entsprechende getan werden muß. Man kann mit Hilfe des Wettbewerbsgesetzes, mit Hilfe der Steuergesetze eingreifen, für Ordnung sorgen und die Dinge in die richtige Bahn lenken. Was ich befürchte bei den Plänen, die Herr Dr. Deist in Hannover vorgetragen hat, bei den Absichten, die man dem Godesberger Programm der SPD und letztlich auch auf dem Arbeitnehmersektor der CDU Aufsätzen in der „Sozialen Ordnung" — der Zeitschrift unseres Herrn Kollegen Katzer, die hier schon zitiert worden ist — entnehmen kann, ist, daß hief die Kräfte sitzen, die solche Mißbräuche über die Eigentumsordnung bekämpfen wollen. Das halte ich nun eben einmal für grundsätzlich falsch; das Eigentum ist nach Art. 14 und Art. 19 des Grundgesetzes geschützt, gleichgültig ob groß oder klein: wir können keinen Unterschied machen. Der Maßstab der Größe zieht beim Eigentum nicht. Wir sollten uns bemühen, auf den anderen Sektoren in dieser Richtung etwas zu tun. Dazu gehört natürlich auch eine vernünftige, ordentliche Fassung des Aktiengesetzes, um seine Funktion sicherzustellen, damit nicht etwa auch noch durch das Aktiengesetz ausdrücklich zu Konzentrationen angereizt wird.
Bei dem ganzen Konzernproblem kann man nicht einfach sagen: :der Konzern ist schlecht, weil er groß ist. Es gibt zufällige Konzernverbindungen, und es gibt Konzernverbindungen, die organisch geschaffen werden. Ich stehe auf dem Standpunkt: wenn jemand zufällig in zwei verschiedenen Unternehmungen Mehrheiten besitzt und wenn die beiden Unternehmungen keinen Kontakt miteinander haben, so ist eine ganz andere Behandlung am Platze, als wenn eine Firma auf der anderen aufbaut und beide sich zusammenschließen.
7672 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1960
Dr. Dahlgrün
Ein anderer Gesichtspunkt. Es ist hier von der Notwendigkeit gesprochen worden, die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ähnlichen Vorschriften zu unterwerfen. Gut, wenn jemand eine Aktiengesellschaft in eine GmbH umwandelt, nur um es leichter zu haben, so lasse ich mit mir darüber reden. Es gibt aber auch andere Fälle. Ich will Ihnen nur zeigen, daß es nicht immer das Bestreben ist, auszuweichen, Machtkonzentrationen zu bilden. Ich könnte Ihnen Produktionszweige nennen, in denen z. B. die Form der Aktiengesellschaft wegen der Bilanzierung einfach nicht tragbar ist, wo man historisch und aus sachlichen Gründen seit jeher die Form der GmbH gewählt hat, weil die Zollfragen und die Lagerhaltung, die in das Fachgebiet solcher GmbHs hineinspielen, gar keine andere Rechtsform zulassen.
Ich möchte noch die Frage der EWG erörtern, weil sie vielleicht nicht ganz klar herausgekommen ist. Herr Kollege Dr. Barzel hat sie bereits angesprochen. Nach meiner Überzeugung kommen wir — und das stützt meine These, daß die Aktienrechtsreform nüchtern, unabhängig von irgendwelchen Ressentiments durchgeführt werden sollte — im Raum der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Sektor des Aktienrechts nicht zu Rande, wenn wir in den nationalen Aktiengesetzen irgendwelche besonderen nationalen Ziele verfolgen. Wir kommen nur zu einer einheitlichen europäischen Lösung — ganz langsam, es wird ein sehr schwieriger, weiter Weg sein —, wenn diese nationalen Aktiengesetze wirkliche Ordnungsgesetze sind, die man dann möglicherweise aufeinander abstimmen kann. Ich will es Ihnen nur an einem Beispiel klarzumachen versuchen, worin ich sachlich nichts gegen das Verbot der Bildung von Rücklagen in bestimmten Fällen, unter bestimmten Umständen sagen will. Aber ein solches Verbot in einem Aktiengesetz ist international überhaupt nicht unterzubringen, weil es anderswo nicht vorhanden ist. Wir werden uns also auch mit Rücksicht auf die Entwicklung im europäischen Wirtschaftsraum in den Ausschüssen sicherlich noch sehr genau und sehr sorgfältig über solche Fälle unterhalten müssen und darüber, wie dieses Aktiengesetz in Zukunft auszusehen hat.