Rede von
Dr.
Herwart
Miessner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Dazu kann ich nichts sagen. Ich habe nur die Beratungen im Innenausschuß mitgemacht, und im Innenausschuß sind die Anträge gestellt und von beiden Fraktionen ausführlich begründet worden. Daher kann man nicht davon überrascht sein, daß diese Anträge noch einmal gestellt werden. Sie können sich nachher, wenn mein Kollege Kühn den anderen Antrag hinsichtlich des Termins des Inkrafttretens begründet, von ihm übrigens noch einmal dasselbe sagen lassen, was ich Ihnen soeben gesagt habe.
Nun haben Sie, Herr Kühltau, es für richtig befunden, noch einmal mit einem Schlenker auf die allgemeine Besoldungssituation hinzuweisen. Das hatten wir an sich nicht vor. Darüber muß nunmehr ich meine Verwunderung äußern. Da Sie es aber getan und die Situation so dargestellt haben, als bekämen die Beamten heute mehr, als ihnen überhaupt zusteht,
muß ich Ihnen jetzt folgendes sagen. Die Beamtenbesoldung hat sich nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 nach der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zu richten. Die letzte Änderung der Beamtenbesoldung erfolgte im Frühjahr 1957. Das ist der klare Ausgangspunkt. Seit dem Jahre 1957 hat sich das durchschnittliche Volkseinkommen — Herr Kühlthau, hören Sie mir bitte zu! — um genau 18,7 % erhöht. Nachdem die Beamten im Juni dieses Jahres 7 % — bzw. im einfachen und im mittleren Dienst im Durchschnitt 9 % — Erhöhung bekommen hatten, standen noch etwa 10% offen. Das ist die Situation heute. Diese 10% sind die Forderung des Deutschen Beamtenbundes, und diese Forderung wird durch die jetzige allgemeine Anhebung um 8% in etwa auch erfüllt, da diese Erhöhung per Saldo — ich glaube, da sind wir mit Ihnen einig — durch ge-
7632 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1960
Dr. Miessner
wisse Zurechnungen etwas mehr als 8% ausmacht. Damit haben also — damit, Herr Kühlthau, darf ich nun auch meinerseits dieses Thema abschließen — die Beamten tatsächlich das bekommen, was der durchschnittlichen Einkommensverbesserung in unserem Volke seit 1957 entspricht. Wir hatten an sich nicht die Absicht, die Dinge noch einmal zu behandeln. Ich habe es in dieser kurzen Form auch nur getan, weil auch Sie mit ein paar Sätzen darauf zu sprechen gekommen sind.
Jetzt geht es hier aber um den Antrag der SPD-Fraktion, der darauf hinausläuft, im einfachen und im mittleren Dienst, nämlich bis zum Sekretär —d. h. bei 80 % der Beamtenschaft —, den Ortszuschlag, also das, was man früher als Wohnungsgeld bezeichnete, etwas mehr anzuheben. Die FDP-Fraktion hat im Innenausschuß einen im Ergebnis ähnlichen Antrag gestellt. Dies geht auch aus dem Schriftlichen Bericht des Berichterstatters hervor.
Im Ausschuß wurde von dem Vertreter der Bundesregierung, Herrn Staatssekretär Anders, gesagt, daß man gegen die Verbesserung des Ortszuschlages, insbesondere in den Tarifklassen III und IV, Bedenken habe, weil sie in etwa einer Nivellierung gleichkäme. Wir haben uns mit dieser Frage sehr ausführlich und sachlich auseinandergesetzt. Ich glaube, es ist notwendig, daß ich hier den Gedankengang wiederhole, den ich dort zum Ausdruck gebracht habe.
Auch wir sind der Meinung, daß man bei allgemeinen Besoldungsaktionen grundsätzlich nicht einer Nivellierung das Wort reden soll. Aber wir meinen, daß der Ortszuschlag ebenso wie das Kindergeld gewissermaßen der „Sozialteil" des Gehalts ist. Wenn man hierbei anders verfährt als bei dem Grundgehalt, so glauben wir nicht, daß man dann schon sorgenvoll auf eine gefährliche Nivellierung hinweisen muß. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 11. Juni 1958 festgelegt, daß den Beamten entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards ein angemessener Lebensunterhalt zu gewähren ist.
Nunmehr erhebt sich die Frage: Wie sieht ein Vergleich der Beamten von den unteren Dienstgraden an bis zum Sekretär einschließlich mit den entsprechenden wirtschaftlich schwächeren Teilen der übrigen Bevölkerung aus? Besoldungsmäßig spricht man hier von dem sogenannten „Spannungsverhältnis" zwischen dem einfachen und dem höheren Dienst. Meine Damen und Herren, wir müssen uns bei ,der Behandlung dieses Problems fragen, wie dieses „Spannungsverhältnis" in der privaten Wirtschaft aussieht. Da glaube ich aus der Beobachtung des Lebens feststellen zu dürfen, daß sich auch in der freien Wirtschaft als eine normale Folge des höheren Lebensstandards eines Volkes die wirtschaftlich schwächeren Teile stärker verbessern als die oberen Schichten eines Volkes. Das ist doch ,das ganze Problem. Daß ,das so ist, ist eben, ich möchte sagen, eine erfreuliche Folge eines allgemein gehobenen Lebensstandards. Das heißt
— ich glaube das ganz objektiv feststellen zu dürfen —, daß infolge eines allgemein gehobenen Lebensstandards in den letzten zehn Jahren der wirtschaftliche Unterschied zwischen den Schichten mit unterem Einkommen und denjenigen mit höherem Einkommen kleiner geworden ist, ,daß sich also diese Differenz in der breiten Masse unseres Volkes zusammengeschoben hat. Man muß diese Feinheiten der wirtschaftlichen Entwicklung einmal erkennen und aussprechen.
Wenn man nun mit einer allgemeinen prozentualen Anhebung arbeitet, dann ist damit in diesem „Spannungsverhältnis" nichts verändert. Wir sind aber der Meinung, daß man bei der Festsetzung des sogenannten Sozialteils ides Gehalts, wie es der Ortszuschlag ist, der auch sonst eingetretenen Entwicklung, die ich eben schilderte, Rechnung tragen sollte. Dann muß man eben für die sozial schwächsten Teile der Beamtenschaft, also für den ,einfachen und mittleren Dienst, etwas mehr tun als für die darüberstehenden Beamten. Dann erreicht man dasselbe Ergebnis wie in der freien Wirtschaft, daß nämlich — besoldungsrechtlich ausgedrückt — ,das Spannungsverhältnis etwas zusammenschrumpft. Das ist nicht eine verwerfliche Nivellierung, sondern eine Angleichung an die Verhältnisse der Einkommensentwicklung in den übrigen Teilen unseres Volkes und entspricht damit den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts.
Nachdem diese Grundsätze seit dem 11. Juni 1958 so deutlich vor uns stehen und diese Gedanken des Bundesverfassungsgerichtes auch von der Bundesregierung in ihrer schriftlichen Begründung ausdrücklich anerkannt worden sind, vermögen wir nicht einzusehen, welche sachlichen Gründe einer stärkeren Anhebung im Sozialteil des Gehalts bei den Tarifklassen III und IV des Ortszuschlages ernsthaft entgegenstehen sollten. Wir haben unseren im Ausschuß gestellten Antrag auf volle Beseitigung der Tarifklasse IV hier nicht wiederholt. Wir stimmen aber dem Antrag der SPD zu, weil er im Ergebnis auf dasselbe herauskommt.