Sicher, Herr Kollege Schmitt, das haben Sie vor der Schlußabstimmung getan. Hier dreht es sich um ,die Schlußabstimmung im Innenausschuß. Vielleicht bin ich an die parlamentarischen Gepflogenheiten noch nicht so gewöhnt, aber ich muß sagen, daß ich nach einer solchen Einwendung in der Schlußabstimmung des Innenausschusses nicht zugestimmt hätte, um mir damit die Hand freizuhalten, das Problem bei der letzten Abstimmung im Plenum noch einmal aufzugreifen.
Wenden wir uns nun dem sachlichen Inhalt zu. Der Antrag der SPD, die Anlage mit der Ortszuschlagtabelle neuzufassen, hat bereits dem Innenausschuß vorgelegen. Das geht aus dem Schriftlichen Bericht hervor, in dem ,die vorgelegte Tabelle abgedruckt ist. Es lag noch ein weitergehender Antrag vor, die Tarifklasse IV überhaupt zu streichen, ein Antrag, der ebenfalls abgelehnt und heute nicht von den damaligen Antragstellern erneuert worden ist.
Herr Kollege Wilhelm hat den Ortszuschlag als einen sozialen Bestandteil des Gehalts bezeichnet. Hier muß doch einmal klargestellt werden, was der Ortszuschlag eigentlich ist. Bis 1957 trug er die Bezeichnung „Wohnungsgeldzuschuß" und verleitete immer wieder in der Öffentlichkeit dazu, Beziehungen zwischen diesem Zuschlag und der Miete des Beamten herzustellen. Damals ist aus wohlerwogenen Gründen die Bezeichnung einmütig in „Ortszuschlag" geändert worden. Dieser Ortszuschlag hat heute den Sinn, sowohl die sich aus dem Familienstand ergebenden Unterschiede als auch die Unterschiede auszugleichen, die in der Höhe der Lebenshaltung in den einzelnen Orten nun einmal einfach vorhanden sind. Das ist der Sinn des Ortszuschlags.
Zu dem Antrag, die Ortszuschlagtabelle in der vorliegenden Form in das Gesetz aufzunehmen, darf ich zunächst darauf hinweisen, daß es sich wenn Sie dem Antrag zustimmen, um eine Haushaltsvorlage handelt, die nach § 96 der Geschäftsordnung zunächst einmal P den Haushaltsausschuß zurückzuüberweisen wäre, und damit würden wir die rechtzeitige Inkraftsetzung des Besoldungsänderungsgesetzes zum 1. .Januar 1961 überhaupt gefährden. Das muß zunächst festgestellt werden.
Ein Wort zum Antrag selbst. Er ist damit begründet worden, daß im einfachen und mittleren Dienst eine zusätzliche Aufbesserung der Gehälter notwendig sei, und dafür biete sich der Ortszuschlag in besonderem Maße an. Ich habe dafür Verständnis, aber dazu ist zunächst zu sagen, daß die Verbesserungen, die für den einfachen und mittleren Dienst vorgeschlagen werden, bis zur Besoldungsgruppe A 6, d. h. bis zum Verwaltungssekretär, 12 DM pro Monat betragen sollen, daß aber auch die anschließenden Zuschläge bis zum Oberinspektor um 9 DM aufgebessert werden sollen und daß sogar in den Besoldungsgruppen bis zum Oberregierungsrat von A 11 bis A 14 noch ein Zuschlag von 4 DM vorgenommen werden soll. Die haushaltsmäßigen Auswirkungen würden uns also zu-
7630 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1960
Kühlthau
nächst zwingen, die Vorlage an den Haushaltsausschuß zurückzugeben.
Meine Damen und Herren! Wenn auf die Besoldungsverhältnisse im einfachen Dienst in besonderem Maße hingewiesen wird, so darf ich sagen, daß sich auch unsere Fraktion der Bedeutung des einfachen und des mittleren Dienstes voll bewußt ist und daß wir wissen, daß das Funktionieren des Staatsapparates auch davon abhängig ist, daß genügend Bedienstete des einfachen und des mittleren Dienstes zur Verfügung stehen. Wir wissen zum anderen auch, daß besonders die Bezüge im einfachen Dienst, d. h. vor allem beim Schaffnerpersonal von Bundesbahn und Bundespost, zumal wenn wir sie mit den Verdienstmöglichkeiten in der gewerblichen Wirtschaft vergleichen, relativ unbefriedigend erscheinen. Aber es wird eine Frage einer grundlegenden Überprüfung des Besoldungssystems sein, ob und wie man grundlegende Verbesserungen im einfachen Dienst und entsprechende Verbesserungen im mittleren Dienst für notwendig und möglich hält.
Ich möchte aber, meine Damen und Herren, doch einmal auf etwas anderes hinweisen Ich habe die Besorgnis, daß das, was im Laufe der letzten drei Jahre hier im Hause dankenswerterweise für die Angehörigen des einfachen und des mittleren Dienstes getan worden ist, längst in Vergessenheit geraten ist. Wir haben im Jahre 1957 zunächst die Tarifklasse V beim Ortszuschlag abgebaut und haben andere Verbesserungen beim Ortszuschlag vorgenommen. Sie wissen, daß wir im Frühjahr dieses Jahres den Unterschied zwischen der Tarifklasse IV und der Tarifklasse III halbiert haben. Das macht in Geld ausgedrückt pro Monat 45 DM aus. Das muß hier einmal festgestellt werden. Und ich darf die Kollegen aus dem früheren Beamtenrechtsausschuß daran erinnern, daß wir seinerzeit gewissermaßen hinten herum — der Nichtfachmann konnte es gar nicht erkennen — eine Reihe von zusätzlichen Verbesserungen getroffen haben. Der Herr Bundesfinanzminister hat sie hier wiederholt als „Rankenwerk" zum Besoldungsrecht bezeichnet. Damals, im Jahre 1957, wurden die Beamtengehälter allgemein auf 165 % der Gehälter von 1927 angehoben. Die zusätzlichen Verbesserungen, die ich andeutete, haben dazu geführt, daß die Gehälter im einfachen Dienst bis zu 224 % oer Gehälter von 1927 angehoben wurden, gegenüber der allgemeinen Anhebung von nur 165 %. Die Bezüge dazwischen staffeln sich selbstverständlich Das muß hier doch einmal hervorgehoben werden.
Nachdem vorhin von Herrn Kollegen Wilhelm gesagt worden ist, daß man darauf verzichte, Änderungsanträge zu der allgemeinen Anhebung um 8 % zu stellen, obgleich man weiter gehende Vorstellungen gehabt habe, möchte ich auch dazu noch ein Wort sagen. Meine Damen und Herren, wir haben mit Wirkung vom 1. Juni, bei den Landes-beamten im wesentlichen mit Wirkung vom 1. April, eine Anhebung der Beamtengehälter um 7% zu verzeichnen gehabt. Ich habe mehrfach hier zum Ausdruck gebracht, daß ich Verständnis dafür habe, daß die Beamten damals über diesen Beschluß etwas enttäuscht waren, wobei ich allerdings der Meinung bin, daß sich die Enttäuschung sogar mehr auf die Art der Behandlung des Besoldungsproblems als auf die Höhe der Zulage bezog.
Wir haben diese 7 % mit Wirkung vom 1. Juni für die Bundesbediensteten zugeschlagen, und auf die sich danach ergebenden Bezüge von 107%, gemessen an dem Stande vor dem 1. Juni, sind die 8 % aufgeschlagen worden, so daß heute, bezogen auf den 31. Mai, die Beamtengehälter auf 115,56 % gebracht werden. Die durchschnittliche Anhebung —das alles ist ja im Frühjahr diskutiert worden — betrug 8,8 %. Wenn Sie darauf, auf diese Bruttobezüge, jetzt die 8% beziehen, dann kommen Sie zu einem Vom-Hundert-Satz von 117,5%o der Bezüge vor dem 1. Juni. Damals ist ferner dargelegt worden, daß die Verbesserungen im einfachen Dienst bis zu 11 % betrügen. Wenn Sie auf die 11% die neue Verbesserung beziehen, dann kommen Sie für diese Besoldungsgruppen sogar auf einen Satz von 119,8 % gegenüber dem Stande vom 31. Mai.
Meine Damen und Herren! Die Beamtengewerkschaften haben im Frühjahr übereinstimmend eine Anhebung von 12% gefordert. Wir haben mit Einschluß dieser Anhebung ab 1. Januar nunmehr bei der allgemeinen Anhebung einen Vom-Hundert-Satz von 115,56 % erreicht, bei allen Gruppen eine durchschnittliche Anhebung auf 117,5 % und bei den Spitzenanhebungen im einfachen Dienst auf 119,8%
gegenüber 12%, die im Frühjahr gewünscht wurden. Wäre — und das ist eine Frage, die ich allen Gewerkschaftsvertretern vorgelegt habe —, wenn man die 12 % im Frühjahr zugelegt hätte, heute überhaupt noch Raum dafür, über eine weitere Anhebung der Beamtengehälter zu sprechen?
Herr Kollege Hansing, ich selber habe in den letzten Tagen in einer Beamtenzeitschrift geschrieben, das sei nach meinem Dafürhalten wieder einmal der Beweis dafür, daß alles das, was man bei der Besoldung zu spät tue. doppelt teuer sei; und eine Beamtenkorrespondenz hier aus der Gegend schrieb in den letzten Tagen über diesen Beitrag von mir, wenn man es einmal so rückschauend betrachte, könne man eigentlich vom Beamtenstandpunkt aus nur begrüßen, daß es im Frühjahr danebengegangen sei, denn die Beamten ständen sich nunmehr besser, als es im anderen Falle gewesen wäre. — Das wollte ich im Hinblick auf die Ausführungen, die Herr Kollege Wilhelm gemacht hat, hier einschalten.
Ich darf Sie im Namen unserer Fraktion bitten, den Antrag der SPD-Fraktion, die Ortszuschlagtabelle neu zu fassen, abzulehnen.
Wir stehen zu einer Diskussion des Problems, ob man überhaupt noch vier Tarifklassen, ob man noch drei Ortsklassen im Ortsklassensystem benötigt, in der Zukunft durchaus freimütig zur Verfügung. Heute dreht es sich darum, daß das Besoldungsgesetz so rechtzeitig verabschiedet werden kann, daß es am 1. Januar in Kraft tritt. Ich glaube auch, daß wir uns bei dem Ausmaß der allgemeinen Anhebung der Bezüge mit voller Berechtigung auf das
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1960 7631
Kühlthau
beschränken können, was hier von seiten der Bundesregierung vorgeschlagen und im Bundestagsausschuß für Inneres einstimmig angenommen worden ist.