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ID0313205300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 132. Sitzung Bonn, den 11. November 1960 Inhalt: Abg. Lautenschlager tritt in den Bundestag ein 7541 A Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (Drucksache 1693) 7541 A Begrüßung einer Arbeitsgruppe der Beratenden Versammlung des Europarates . 7541 B Fragestunde (Drucksachen 2193, 2195) Frage des Abg. Meyer (Wanne-Eickel) : Leistungen der Versorgungsanstalt Post Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 7541 B, D Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . 7541 C, D Frage des Abg. Enk: Zustellung von Telegrammen an Sonntagen nach 13 Uhr Dr.-Ing. e. h. Herz, Staatssekretär 7542 A, B Enk (CDU/CSU) 7542 A Spies (Emmenhausen) (CDU/CSU) 7542 B Frage des Abg. Enk: Entscheidung über Zustellung von Telegrammen an Sonntagen nach 13 Uhr Dr.-Ing. e. h. Herz, Staatssekretär 7542 C Enk (CDU/CSU) 7542 C Frage des Abg. Enk: Zustellung von dringenden Telegrammen an Sonntagen Dr.-Ing. e. h. Herz, Staatssekretär . 7542 D Enk (CDU/CSU) . . . . . . . . 7542 D Frage des Abg. Büttner: Gesetzlich unbegründete Mieterhöhungen Dr. Ernst, Staatssekretär . . 7543 A, C, D Büttner (SPD) 7543 B, D Frage des Abg Dr. Bucher: Inanspruchnahme von Grundstücken durch die Bundesvermögensstelle Tübingen für eine Ölfernleitung Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . 7544 A, B Dr. Bucher (FDP) 7544 B Frage des Abg. Dr. Mommer: Erhöhung der Bahntarife für Arbeiterzeitkarten Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 7544 C, D Rimmelspacher (SPD) 7544 D Frage des Abg. Felder: Pegnitz als Garnisonstadt Hopf, Staatssekretär 7545 A Felder (SPD) . . . . . . . . 7545 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1960 Frage des Abg Felder: Bahnunterführung südlich des Bahnhofes Bubenreuth und Abbruch der Brücke über den Ludwig-Donau-Main- Kanal 7545 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Regelung der Sonntagsarbeit (Drucksache 2134) Lenz (Trossingen) (FDP) . 7546 C, 7564 C Blank, Bundesminister . . 7549 D, 7552 D, 7554 D Brand (CDU/CSU) . . . . . . . 7550 D Sträter (SPD) . . . . . . . . . 7551 A Mischnick (FDP) . . . . 7553 B, 7559 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 7555 A Junghans (SPD) . . . . . . . 7561 A Behrendt (SPD) 7562 D Horn (CDU/CSU) 7565 A Dr. Schellenberg (SPD) . . . . 7565 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . 7565 D Anlagen 7567 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1960 7541 132. Sitzung Bonn, den 11. November 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 131. Sitzung Seite 7513 B Zeile 2 statt „21.": 31. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach 11. 11. Frau Albertz 11. 11. Dr. Atzenroth 11. 11. Bach 18. 11. Dr. Bechert 11. 11. Behrisch 11. 11. Bergmann 11. 11. Dr. Birrenbach 11. 11. von Bodelschwingh 11. 11. Dr. Böhm 11. 11. Dr. Bucerius 11. 11. Dr. Burgbacher 11. 11. Cramer 11. 11. Dr. Deist 11. 11. Demmelmeier 18. 11. Drachsler 11. 11. Eilers (Oldenburg) 11. 11. Dr. Franz 11. 11. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 11. 11. Funk 30. 11. Dr. Furler 11. 11. Frau Dr. Gantenberg 11. 11. Geiger (München) 11. 11. Dr. Gleissner 11. 11. Dr. Greve 11. 11. Illerhaus 11. 11. Dr. Jordan 11. 11. Dr. Kanka 11. 11. Frau Kettig 11. 11. Koenen (Lippstadt) 11. 11. Kriedemann 11. 11. Kurlbaum 11. 11. Leber 11. 11. Lücker (München) 11. 11. Maier (Freiburg) 31. 12. Frau Dr. Maxsein 11. 11. Mensing 11. 11. Dr. Menzel 31. 12. Frau Meyer-Laule 11. 11. Dr. Mommer 11. 11. Neuburger 11. 11. Dr. Philipp 11. 11. Pietscher 11. 11. Pohle 30. 11. Rademacher 11. 11. Rasner 11. 11. Dr. Rüdel (Kiel) 11. 11. Ruhnke 11. 11. Dr. Schmid (Frankfurt) 11. 11. Schneider (Hamburg) 11. 11. Schultz 11. 11. Dr. Serres 11. 11. Seuffert 11. 11. Stenger 18. 11. Wacher 11. 11. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Wagner 11. 11. Weimer 11. 11. Frau Welter (Aachen) 11. 11. Wendelborn 11. 11. Werner 11. 11. Wittrock 11. 11. Worms 11. 11. Zoglmann 11. 11. b) Urlaubsanträge Gewandt 19. 11. Stahl 18. 11. Anlage 2 Umdruck 718 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Regelung der Sonntagsarbeit (Drucksache 2134). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Sonntagsarbeit in der eisenschaffenden Industrie eingeschränkt wird. Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten: 1. Die Einschränkung der Sonntagsarbeit darf weder zu einer Arbeitszeitverlängerung noch zu einer Lohneinbuße führen. 2. Springerschichten, deren Wiedereinführung erhöhte Unfallgefahren und unzumutbare Belastungen für die beteiligten Arbeitnehmer und ihre Familien mit sich bringen würde, sind zu vermeiden. Die zur Einschränkung der Sonntagsarbeit erforderlichen Maßnahmen sollen mit den Tarifpartnern abgestimmt werden, damit sich die Anpassung im sozialen und betrieblichen Bereich reibungslos vollzieht. Bonn, den 11. November 1960 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 719 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Regelung der Sonntagsarbeit (Drucksache 2134). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. eine Untersuchung über Art, Ausmaß und Gründe der Sonntagsarbeit in allen Bereichen 7568 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1960 von Wirtschaft, Verkehr und Verwaltung durchzuführen und dem Bundestag über das Ergebnis alsbald zu berichten; 2. dem Bundestag auf Grund der Untersuchungsergebnisse Maßnahmen zur Einschränkung der Sonntagsarbeit in den einzelnen Bereichen von Wirtschaft, Verkehr und Verwaltung vorzuschlagen. Ziel dieser Maßnahmen soll sein, die Sonntagsarbeit allgemein auf jenes Mindestmaß zu beschränken, das im Interesse des Gemeinwohls notwendig ist. Bonn, den 11. November 1960 Ollenhauer und Fraktion Anlage 4 Umdruck 720 Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Regelung der Sonntagsarbeit (Drucksache 2134). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, von einer Regelung der Sonntagsarbeit in der Eisen-und Stahlindustrie im Wege der Rechtsverordnung Abstand zu nehmen. Bonn, den 11. November 1960 Lenz (Trossingen) und Fraktion
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    Rede von Hans Lenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion der Freien Demokraten betreffend die Regelung der Sonntagsarbeit soll dem Hohen Hause Gelegenheit geben, zu einer Frage Stellung zu nehmen, die die Öffentlichkeit seit Monaten bewegt. Nachdem in den vergangenen Jahren die Landesregierungen die Ausnahmegenehmigungen für die Eisen- und Stahlindustrie immer wieder verlängert haben, ist das Problem durch die Ankündigung des nordrhein-westfälischen Sozialministers, er werde für die Zeit nach dem 31. Oktober 1960 eine Ausnahmegenehmigung nicht mehr erteilen, zu einer der wichtigsten innenpolitischen Streitfragen geworden, zu einer Streitfrage, zu der sich nicht nur Arbeitnehmer und Arbeitgeber des betroffenen Industriezweiges äußern, sondern zu der vor allen Dingen die Kirchen eine eindeutige Stellungnahme abgegeben haben. Schließlich ist durch die Diskussion im Rundfunk, im Fernsehen und in der Presse weiten Kreisen der Bevölkerung das Für und Wider nahegebracht worden. Die Stellungnahmen des Arbeiterflügels der CDU, die Haltung der Bundesregierung und der Landesregierung Nordrhein-Westfalen geben Anlaß zu der Befürchtung, daß im Grunde nicht allein die Regelung der Sonntagsarbeit in der Stahlindustrie zur Debatte steht, sondern daß mit der beabsichtigten Rechtsverordnung, die die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen kann, eine grundsätzliche Neuregelung der Sonntagsarbeit angestrebt wird.
    Es wäre deshalb zu begrüßen gewesen, wenn die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung vorgelegt hätte, um dem Parlament Gelegenheit zur Entscheidung in dieser uns alle bewegenden Frage zu geben. Die Bundesregierung hat es aus Gründen, die wir nicht kennen, vorgezogen, von der gesetzlichen Ermächtigung in der Gewerbeordnung Gebrauch zu machen und eine Rechtsverordnung vorzubereiten. Angesichts dieses Sachverhalts hat es meine Fraktion für notwendig gehalten, diese Große Anfrage einzubringen, damit der Deutsche Bundestag seine Auffassung in dieser Frage zum Ausdruck bringen kann und damit die Bundesregierung Gelegenheit erhält, ihre Meinung zu den vielschichtigen Problemen der Sonntagsarbeit darzulegen.
    Bevor ich zur Begründung unserer Großen Anfrage im einzelnen übergehe, erlauben Sie mir vorab einige grundsätzliche Bemerkungen. Alle Fraktionen dieses Hohen Hauses stehen auf dem Boden



    Lenz (Trossingen)

    unserer Verfassung. Durch Art. 140 des Grundgesetzes ist der Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung Bestandteil unseres Verfassungsrechts geworden. Diese Bestimmung lautet:
    Der Sonntag und die staatlichen anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.
    Diese Bestimmung unserer Verfassung muß der Ausgangspunkt aller Betrachtungen des Problems der Sonntagsarbeit sein, und wir sollten uns für die Diskussion gegenseitig zugestehen, daß wir es mit der Verwirklichung dieser Bestimmung alle gleichermaßen ernst und ehrlich meinen.
    Die Kirchen haben Stellung genommen. Mir scheint jedoch, daß diese Stellungnahmen der christlichen Kirchen je nach Bedarf ausgelegt und verwendet werden, so daß es zweckmäßig ist, uns das ins Gedächtnis zurückzurufen, was aus der Sicht der Konfessionen zur Sonntagsarbeit zu sagen ist.
    Die evangelische Kirche hat sich an die Auffassung Luthers erinnert, der die Frage des Sonntags mehr pragmatisch und nicht dogmatisch betrachtete. In seinem Großen Katechismus heißt es in den Erläuterungen zum dritten Gebot:
    Solchs aber
    — gemeint ist der Feiertag —
    ist nicht also an Zeitgebunden, wie bei den Juden, daß es müsse eben dieser oder jener Tag sein, 'denn es ist keiner an sich selbst besser denn der andere, sondern sollt wohl täglich geschehen, aber weil es der Haufe nicht werten kann, muß man je zum wenigsten einen Tag in der Woche dazu ausschießen.
    Dieser Grundhaltung entspricht die Stellungnahme, die im „Evangelischen Pressedienst" vom 21. Oktober 1960 veröffentlicht ist. Dort heißt es — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
    1. Die Sachverständigen der Evangelischen Kirche in Deutschland haben um des Menschen willen immer um die Freistellung des Sonntags von aller vermeidbaren Arbeit gebeten. Aus diesem Grunde haben sie auch ständig in den Beratungen an die Verantwortlichen die Frage gestellt, ob und inwieweit die vollkontinuierliche Arbeitsweise vermeidbar sei. Sie haben zum Ausdruck gebracht, wirtschaftliche Gründe dürften für die Zulassung von Sonntagsarbeit nur dann ausschlaggebend sein, wenn ihre Beachtung für die Gesamtwirtschaft unerläßlich ist.
    2. Sie haben es immer wieder abgelehnt, eine Entscheidung darüber zu fällen, welche Gründe im einzelnen zwingend sein könnten, die vollkontinuierliche Arbeitsweise aufrechtzuerhalten. Dies zu entscheiden, halten sie für eine Aufgabe der unmittelbar verantwortlichen staatlichen Stellen, in deren Entscheidungsfreiheit sie nicht eingreifen wollen.
    Erlauben Sie mir, hier die Feststellung zu treffen, 1 daß diese Art, die Meinung der evangelischen Kirche zum Ausdruck zu bringen, zugleich aber die unmittelbare Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit der staatlichen Stellen zu respektieren, ein Musterbeispiel für eine korrekte Abgrenzung des staatlichen und des kirchlichen Bereiches ist.
    In der Stellungnahme heißt es weiter:
    3. Sie haben seit langem die Regierungsstellen, Sozialpartner und Sozialpolitiker gebeten, zu entscheiden, welcher Ausfall an Produktion gesamtwirtschaftlich tragbar ist und wie sich eine Schichtplanregelung verwirklichen läßt, die die beteiligten Arbeitnehmer und ihre Familien nicht einer neuen Belastung durch Vermehrung von Springerschichten aussetzt.
    Soweit die Stellungnahme der evangelischen Kirche.
    Die Stellungnahmen von katholischer Seite, die zu der uns heute beschäftigenden Frage vorgebracht werden, scheinen mir nicht ganz einheitlich zu sein, und gewiß hat in der Diskussion mancher, ohne dazu autorisiert zu sein, auf Grund der Überschrift in der Enzyklika „Quadragesimo anno" vor dem Abschnitt 41, wo von der Machtvollkommenheit der Kirche über Gesellschaft und Wirtschaft die Rede ist, ohne das rechte Verständnis für das, was nach dieser Überschrift folgt, einen Autoritätsanspruch geltend gemacht, der alle anderen Argumente unbeachtlich erscheinen lassen will. Ein Blick in unsere westeuropäischen Nachbarländer, ein Blick nach Belgien, nach Frankreich, nach Italien und nach Spanien macht uns deutlich, daß dort produziert wird wie bei uns jetzt und daß sich dort katholische Christen nicht durch die nach dem gegenwärtigen Stand der Technik notwendige Produktionsweise in ihrem Gewissen als katholische Christen belastet fühlen.
    Wir sollten hier der Versuchung widerstehen, handfeste Ziele der Tagespolitik wie etwa die Forderung nach einer Profilierung 'der christlichen Arbeitnehmerschaft und einer Durchsetzung der Forderung des Christlich-Sozialen Arbeitnehmerkongresses 1960 um jeden Preis mit Argumenten zu unterstützen, die wir aus anderen Ländern noch nicht gehört haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Ich habe mit tiefer Erschütterung von dem Inhalt eines Telegramms Kenntnis genommen, das die katholischen Verbände und Organisationen im Bistum Münster am 21. Oktober 1960 an den Herrn Bundeswirtschaftsminister gerichtet haben. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitiere ich aus diesem Telegramm, um Ihnen zu zeigen, wie man die Frage der Sonntagsarbeit nicht behandeln sollte:
    Die katholische Bevölkerung hat kein Verständnis dafür, .daß nach einer jahrelangen gründlichen Diskussion der Probleme plötzlich für die Bundesregierung neue Gesichtspunkte auftauchen können, die diese Verzögerung oder gar einen weiteren Schwebezustand rechtfertigen. Die katholischen Verbände und Organisationen im Bistum Münster können für sich in



    Lenz (Trossingen)

    Anspruch nehmen, daß sie bisher nicht nur aufs engste mit der Bundes- und Landesregierung zusammengearbeitet haben, sondern auch bei allen bisherigen Wahlen eine unersetzliche staatsbürgerliche Vorfeldarbeit geleistet haben. Die Arbeitsgemeinschaft muß aber in aller Klarheit darauf hinweisen, daß einer solchen Zusammenarbeit die Vertrauensgrundlage entzogen ist, wenn Bundesregierung und CDU-Führung einem weiteren Mißbrauch des Sonntags in der Stahlindustrie Vorschub leisten. Die katholischen Verbände und Organisationen würden in diesem Falle ihre Glaubwürdigkeit nicht nur bei ihren Mitgliedern, sondern auch bei allen aufrechten Katholiken verlieren. Das gleiche würde die CDU bedenken müssen, solange sie den Anspruch erhebt, eine christliche Partei zu sein. Die Arbeitsgemeinschaft erwartet daher, daß die von Bundesminister Blank vorgelegte Verordnung über die Sonntagsarbeit in der Stahlindustrie unverzüglich und unverändert in Kraft gesetzt wird.
    Wir sollten uns gegenseitig zugestehen, meine Damen und Herren, daß wir die Auffassungen und Argumente der Kirchen mit allem Ernst prüfen, wir sollten darüber aber nicht unsere Aufgabe vergessen, nämlich zu entscheiden, welche Gründe zwingend sein können, die vollkontinuierliche Arbeitsweise aufrechtzuerhalten, sie noch einige Jahre aufrechtzuerhalten oder sie fallenzulassen.
    Zur Begründung unserer Anfrage im einzelnen habe ich folgendes zu sagen.
    Die Frage 1 lautet:
    Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Regelung der Sonntagsarbeit in der Eisen-und Stahlindustrie volkswirtschaftliche Gesichtspunkte, insbesondere die Notwendigkeit der Erhaltung der Produktionskapazität, und die sich aus Frage 2 ergebenden Interessen der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen hat?
    Wir halten eine verbindliche Auskunft der Bundesregierung hierzu für notwendig, weil in der öffentlichen Diskussion immer wieder der Versuch unternommen worden ist, den Befürwortern der kontinuierlichen Arbeitsweise unter den gegenwärtigen technischen Bedingungen zu unterstellen, daß ihr eigentliches Motiv das Gewinnstreben der betroffenen Unternehmen sei. Wer indessen die Argumente genau prüft, wird feststellen, daß diese Frage eigentlich keine Rolle spielt.
    Ich möchte für meine politischen Freunde hier erklären, daß ein größerer oder kleinerer Gewinn in der Stahlindustrie für unsere Entscheidung, für unsere Überlegungen kein Gesichtspunkt ist. Uns geht es um etwas anderes. Wir halten es aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht für tragbar, daß in diesem Augenblick die deutsche Produktionskapazität vermindert wird. Zunächst einmal wäre es zu begrüßen gewesen, wenn die Bundesregierung, bevor sie Pläne verwirklicht, die eine Einschränkung unserer Stahlkapazität zur Folge haben müssen, mit den Vertragsstaaten der Montanunion Verbindung aufgenommen hätte, um zu prüfen, ob dort eine ähnliche Regelung geplant wird. Wir sind allerdings überzeugt, daß eine solche Anfrage nicht Argumente für, sondern gegen die geplante Rechtsverordnung erbracht hätte.
    Zweitens, in der Auseinandersetzung zwischen Ost und West spielt die Kapazität der Stahlproduktion eine entscheidende Rolle, und der Ausfall einer Produktion von 3 Millionen t Stahl schwächt die Position der freien Welt. Darüber dürfte kein Zweifel bestehen. Der zur Zeit zu befürchtende Produktionsausfall wird in dem Maße größer werden, in dem sich die Tagesproduktion steigert. Schließlich sollte auch nicht übersehen werden, daß die Wettbewerbslage der deutschen Stahlindustrie gegenüber anderen Industriestaaten, in denen entsprechende gesetzliche Verbote fehlen, erheblich gefährdet würde.
    Drittens, ein wesentlicher Gesichtspunkt: unser Bemühen um eine wirksame Hilfe für die Entwicklungsländer. Es bewegt uns jeden Tag, und es bewegt alle Fraktionen dieses Hauses jeden Tag. Der von mir behauptete Produktionsausfall wird von niemandem ernstlich bestritten werden können. Experten des Bundeswirtschaftsministeriums und der Stahlindustrie haben errechnet, daß schon eine achtstündige Betriebsruhe in den Siemens-Martin- und Elektro-Werken praktisch zu einer mehr als 16stündigen Produktionsunterbrechung führen müsse. Die von der Bundesregierung geplante gesetzliche Regelung würde einen Produktionsausfall bei Siemens-Martin- und Elektro-Werken von 1,8 Millionen t jährlich und an Thomas-stahl von 1,2 Millionen t jährlich zur Folge haben. Der Gesamtausfall von 3 Millionen t entspricht 10 O,10 der Gesamterzeugung. Ich will davon absehen, hier die technischen Gründe für den genannten Produktionsausfall im einzelnen zu schildern, weil ich hoffe, daß die Bundesregierung bei ihrer Argumentation von einem Produktionsausfall von 3 Millionen t Rohstahl jährlich ausgehen wird.
    Ich darf zusammenfassen. Wir möchten von der Bundesregierung gern eine konkrete Antwort auf die Frage haben, ob sie angesichts der Produktionsbedingungen in den anderen Montanländern, ob sie angesichts der Produktionsbedingungen in den Industriestaaten der Welt im allgemeinen und ob sie angesichts der Bedeutung der Stahlproduktionskapazität der freien Welt im Zeichen des unseligen Ost-West-Gegensatzes und im Hinblick auf unsere Bemühungen um eine Ausweitung der deutschen Entwicklungshilfe die von ihr beabsichtigte Regelung glaubt verantworten zu können.
    Ein maßgeblicher Gesichtspunkt für uns sind die Belange der betroffenen Arbeitnehmer. Wir möchten deshalb nicht nur volkswirtschaftliche Gesichtspunkte, sondern zugleich auch die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt sehen. In der Frage 2 fragen wir deshalb die Bundesregierung nach dem Inhalt eines von der Sozialforschungsstelle der Universität Münster vorgelegten Forschungsberichts, und mit Frage 3 schließlich wollen wir wissen, ob die Bundesregierung bereit ist, diesen Forschungsbericht der Öffentlichkeit zu übergeben. Ich darf es ganz offen sagen: wir hätten es begrüßt, wenn uns die Bundesregierung die Fragen 2 und 3 erspart



    Lenz (Trossingen)

    hätte. Wir haben inzwischen erfahren, daß die Landesregierung Nordrhein-Westfalen der Bundesregierung den genannten Bericht zugeleitet hat. Warum die Regierung in Düsseldorf dem nordrhein-westfälischen Landtag und der Öffentlichkeit den Bericht bisher vorenthält, haben wir hier nicht zu untersuchen. Wir sind aber sicher, daß diese Frage im Landtag zur Sprache kommen wird. Wir hätten es für angemessen gehalten, wenn das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in die öffentliche Diskussion jene beachtlichen Argumente eingeführt hätte, die sich aus dem Münsteraner Gutachten ergeben. Ich bitte Sie, Herr Minister, uns die Begründung für die Geheimhaltung des Berichts zu ersparen, die der Herr Arbeits- und Sozialminister von Nordrhein-Westfalen in einer Sendung des Westdeutschen Rundfunks vorgebracht hat. Herr Minister Grundmann hat dort erklärt, der genannte Bericht habe zwar den größten Teil des erhobenen Materials, nicht aber die ganze Problematik behandelt, die von einer wissenschaftlichen Veröffentlichung zu erwarten ist. Es bedürfe noch einer weiteren Zusammenarbeit zwischen der Forschungsstelle und der Fachabteilung seines Hauses, bevor der Bericht reif zur Veröffentlichung sei.
    Mir sind aus der Presse inzwischen wesentliche Teile dieses Berichts bekanntgeworden, und ich halte sowohl Begründung wie Ergebnis für überzeugend. Ich gestehe selbstverständlich dem Herrn Minister Grundmann zu, daß er darüber anderer Meinung ist. Aber dann sollte man den Erlaß der Rechtsverordnung so lange zurückstellen, bis der Bericht jene Veröffentlichungsreife erlangt hat, die Herr Minister Grundmann für notwendig hält. Wir werden dann Gelegenheit haben, diese wichtige Unterlage bei unseren Beratungen heranzuziehen.
    Ich möchte aber doch dem Hohen Hause das, was schon jetzt als Ergebnis der Arbeiten der Sozialforschungsstelle der Universität Münster bekannt ist, nicht vorenthalten. Der Bericht dieser Stelle stellt nach einer Übersicht der Verteilung der Erwerbspersonen fest, daß die Sonntagsarbeit in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Verkehrswesen nicht umstritten ist. Der öffentliche Dienst und der Handel scheiden automatisch aus der Überlegung aus. Im Baugewerbe steht die Sonntagsarbeit nicht zur Debatte; die Produktionsmethoden und die technischen Einrichtungen machen eine kontinuierliche Arbeitsweise nicht notwendig. Es könnten deshalb in diesem Sektor wirklich nur ökonomische Gründe vorgebracht werden, die aber — darüber sind sich alle Beteiligten klar — eine Sonntagsarbeit nicht rechtfertigen können. In der deutschen Industrie haben zur Zeit etwa 80 % aller Erwerbstätigen den Samstag und den Sonntag frei. Es ist nicht zu befürchten, daß die durchlaufende Arbeitsweise eingeführt wird. Das Gutachten sagt:
    Wer einmal die Arbeitssituation der Fünf-Tage-
    Woche erreicht hat, ist nicht mehr bereit, seine Arbeitskraft für den Sonnabend, geschweige denn für den Sonntag zur Verfügung zu stellen.
    Zu der uns hier interessierenden Frage der kontinuierlichen Arbeitsweise darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten das Gutachten wie folgt zitieren:
    Jedes Aufreißen dieses lückenlosen Systems (etwa durch eine acht- oder mehrstündige Unterbrechung der Schmelzzeiten am Sonntag) bedeutet die Öffnung von Schleusen für Arbeitszeitverhältnisse, die mit der fortschreitenden Humanisierung des Betriebslebens, insbesondere in den schwerarbeitenden Berufen, nicht mehr vereinbar sind. Die deutlich ausgesprochene Befürchtung der Arbeiter selbst gegenüber einer solchen Regelung der Arbeitsweise (Rückverlegung von Reparaturen und anderen Arbeiten in die entsprechenden Arbeitszeitlücken, Vermehrung der Überstunden, Schwierigkeiten bei der Wiederaufnahme der Schmelzen am Sonntagabend oder Montag früh usw.) basiert auf einer jahrzehntelangen eigenen Berufs- und Betriebserfahrung und darf deshalb nicht übersehen werden.
    Gegen derartige Folgen helfen weder strenge gesetzliche noch rechtliche Vorschriften, weil die technische, wirtschaftliche und soziale Verflochtenheit des Hüttenprozesses ihre eigenen autonomen Durchsetzungskräfte hat. Lückenhafte Schichtpläne können lediglich zur zunehmenden Belastung mit Überstunden und Sonntagsarbeit führen. Die in der Vergangenheit durch das Springersystem entstandenen zahlreichen betrieblichen und sozialen Störungen müßten im Falle einer Beseitigung der lückenlosen Schichtfolge automatisch wieder lebendig werden.
    Auf Grund dieser Erwägungen befürchtet die Sozialforschungsstelle Münster folgende Wirkungen der Aufhebung der kontinuierlichen Arbeitsweise:
    1. Entnormalisierung des Arbeitslebens und der Freizeit durch Unregelmäßigkeit und Unübersehbarkeit der Schichtfolge sowie durch erneuten Anreiz zur Ableistung von Überstunden und Sonntagsarbeit.
    2. Gefährdung der sozialen Stabilität der Schichtbelegschaften durch das wieder eingeführte Springersystem oder die wechselhafte Zusammensetzung der Schicht.
    3. Störung der außerbetrieblichen sozialen Sparten, besonders der Familien, infolge ungeregelter Arbeitsweise und nicht voraussehbare Schichteinteilung.
    Nach unserer Auffassung sind diese Ergebnisse der Forschungsstelle Münster doch so beachtlich, daß eine gesetzliche Änderung der Bestimmungen über die Sonntagsarbeit nicht ohne eingehende Prüfung aller Gesichtspunkte vorgenommen werden darf. Wir erwarten deshalb, daß die Bundesregierung in der Antwort auf unsere Große Anfrage eingehend zu allen hier vorgebrachten Argumenten Stellung nimmt und daß sie zugleich auch diejenigen Teile des Berichts der Sozialforschungsstelle würdigt, die ich Ihnen, meine Damen und Herren, aus Zeitgründen oder weil sie mir selbst nicht bekannt sind, vorenthalten mußte.



    Lenz (Trossingen)

    Wir haben es begrüßt, daß die Sozialpartner in der Eisen- und Stahlindustrie von sich aus bemüht waren, die Sonntagsarbeit so weit einzuschränken, wie es unter den gegenwärtigen technischen Verhältnissen irgend möglich ist. Wir sollten die bis zum 30. Juni 1965 vorgesehene Regelung nicht stören, sondern abwarten, welche technischen Möglichkeiten sich im Jahre 1965 bieten, etwa das LD-
    Blasstahlverfahren, um dem von uns allen erstrebten Ziel einer Eliminierung der Sonntagsarbeit näherzukommen.
    Man kann auch den von den Arbeitnehmern vorgebrachten Bedenken nicht mit dem Hinweis begegnen, ,daß der Arbeitnehmer den durch die geplante Regelung verursachten Verdienstausfall von durchschnittlich 100 DM selbst in Kauf nehmen muß. Ebenso falsch wäre es jedoch, den vollen Lohnausgleich zu fordern. Wir können uns nicht vorstellen, daß die Bundesregierung die Absicht hat, durch ihre Rechtsverordnung in die Tarifhoheit der Sozialpartner der Eisen- und Stahlindustrie einzugreifen und nicht übersehbare Auswirkungen auf die allgemeine Arbeitszeitpolitik zu verursachen. Wir würden es deshalb auch begrüßen, wenn die Gewerkschaften eindeutig erklärten, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt für sie die Forderung nach dem vollen Lohnausgleich keine akzeptable Alternative sei; denn letztlich würde sich der volle Lohnausgleich bei verminderter Kapazität als erneute Ankurbelung der Lohn-Preis-Spirale auswirken mit allen nachteiligen Folgen, die dann auch die Arbeitnehmer der Stahlindustrie zu tragen hätten.
    Aber — und das möchte ich hier noch einmal feststellen — uns geht es hier wirklich nicht um die materielle Seite. Diejenigen, die heute mit besonderem Nachdruck nach einer Änderung der Gewerbeordnung rufen und sich dabei betont von einer materiellen Betrachtungsweise hinsichtlich unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse distanzieren, würden wir gern an unserer Seite sehen, wenn wir vor den kommenden Bundestagswahlen ,dagegen angehen, daß allein der materielle Wohlstand Kriterium ,der Wahlentscheidung sein soll.

    (Beifall bei ,der FDP.)

    Im letzten Teil unserer Anfrage, in den Fragen 4 und 5, beziehen wir uns auf das Gutachten, mit dem Professor Forsthoff zu der Frage Stellung genommen hat, ob durch eine Rechtsverordnung auf Grund des § 105d der Gewerbeordnung das Recht zur Vornahme von Reparaturarbeiten, das in § 105c Abs. 1 Ziffer 1 der Gewerbeordnung ausdrücklich zugestanden ist, aufgehoben oder seine Ausübung von Bedingungen abhängig gemacht werden kann. Wir bitten die Regierung, vor dem Hohen Hause zu den Argumenten, die von Professor Forsthoff vorgebracht werden, im einzelnen um eine Stellungnahme. Vor allem interessiert uns, wie die Bundesregierung die Aussichten eines Rechtsstreites beurteilt, in dem der von Professor Forsthoff bejahte Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird. Wir können uns nicht vorstellen, daß die Bundesregierung es auf einen solchen Rechtsstreit ankommen lassen will, nachdem ein angesehener Lehrer des Verwaltungsrechts die geplante Rechtsverordnung in diesem
    Punkte für unzulässig und' einen sich daraus ergebenden Schadensersatzanspruch für begründet hält.
    Ich möchte zum Schluß unserer festen Zuversicht Ausdruck verleihen, daß es in absehbarer Zeit gelingen wird, unter Ausnutzung der technischen Entwicklung die Stahlproduktion so umzustellen, daß die Frage der Sonntagsarbeit in diesem Teil der Wirtschaft nicht mehr zur Diskussion steht. Die Vereinbarungen der Tarifpartner, die für die Zeit ab 1 Juli 1965 eine Neuregelung der Arbeitszeit vorsehen, geben uns die Gewißheit, daß die Unternehmen der Stahlindustrie bis zu diesem Zeitpunkt die notwendigen technischen Voraussetzungen schaffen werden.
    Es ist nicht einzusehen, warum gerade in diesem Zeitpunkt hier und jetzt so einschneidend durch eine Rechtsverordnung in die Stahlproduktion eingegriffen werden soll. Und — wenn ich das sagen darf — es scheint uns auch angemessen zu sein, daß die wichtige Frage der Sonntagsarbeit durch ein Gesetz, das im Deutschen Bundestag und in seinen Ausschüssen beraten werden kann, geregelt wird. Wir werden dann in diesen Ausschüssen die Möglichkeit haben, mit allen Beteiligten — mit der Industrie, mit den Arbeitnehmern und mit den Kirchen — einen Weg für eine befriedigende Lösung zu suchen.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Theodor Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe der Begründung des Herrn Kollegen Lenz entnommen, daß er noch eine ganze Reihe von Zusatzfragen stellt. Ich halte mich bei der Beantwortung der Großen Anfrage an die der Bundesregierung schriftlich gestellten Fragen, weil wir natürlich nur diese und die Antwort darauf im Kabinett beraten bzw. beschließen konnten. Wenn Sie, Herr Kollege Lenz, wofür ich volles Verständnis habe, diesen Fragenkomplex noch ausweiten wollen, gibt es sicher die Möglichkeit — wenn Sie so wollen — einer zweiten Großen Anfrage. Die Antwort, die ich jetzt gebe, ist von der Bundesregierung beschlossen; wir werden uns bemühen, auf die gestellten Fragen präzise und konkret zu antworten.
    Unter 1 fragen Sie, ob die Bundesregierung die Auffassung teile, daß die Regelung der Sonntagsarbeit in der Eisen- und Stahlindustrie volkswirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen habe. Dazu sage ich folgendes.
    Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß volkswirtschaftliche Gesichtspunkte und die Interessen ,der betroffenen Arbeitnehmer bei der Regelung der Sonntagsarbeit, auch in der Eisen- und Stahlindustrie, mitberücksichtigt werden müssen, Nach Sinn und Zweck des § 105 d Abs. 1 der Gewerbeordnung und ,des Art. 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 139 der Weimarer Verfas-



    Bundesarbeitsminister Blank
    sung dürfen Produktionsarbeiten an Sonn- und Feiertagen außer in dem vom Gesetz als Beispiel gegebenen Fall, daß die Arbeiten ihrer Natur nach eine Unterbrechung oder einen Aufschub nicht gestatten, allerdings nur insoweit zugelassen werden, als sie aus gewichtigen volkswirtschaftlichen Gründen erforderlich sind.
    Sie fragen unter 2 nach dem Forschungsbericht der Universität Münster. Ich darf darauf folgendes antworten.
    Die Sozialforschungsstelle an der Universität Münster hat einen Forschungsbericht vorgelegt, und zwar dem Herrn Arbeits- und Sozialminister des Landes Nordrhein-Westfalen, von dem der Forschungsauftrag erteilt worden ist. Soweit der Bundesregierung bekannt geworden ist, enthält der Bericht eine Gegenüberstellung der Auswirkungen der kontinuierlichen Arbeitsweise mit 42 Wochenstunden und der davor üblichen Arbeitsweise mit 53 bis 56 Wochenstunden. Die Nachteile der letztgenannten Arbeitsweise — also der früheren mit 53 bis 56 Wochenstunden — hätten sich jedoch nach Auffassung der Bundesregierung auch in anderer Form als durch Übergang zum kontinuierlichen Betrieb vermeiden lassen.
    Unter Punkt 3 fragen Sie, ob wir diesen Bericht der Öffentlichkeit übergeben wollten. — Eine Entscheidung, so lautet die Antwort, über die Veröffentlichung des Berichts kann von der Bundesregierung nicht getroffen werden, da sie den Forschungsauftrag nicht erteilt hat. Im übrigen beziehe ich mich I auf meine Antwort zu Frage 2. Aber schon jetzt möchte ich Ihnen außerhalb der von der Bundesregierung beschlossenen Antwort sagen, daß sich selbst die Verfasser und der wissenschaftliche Leiter der Sozialforschungsstelle gegen eine derzeitige Veröffentlichung aussprechen — ich habe das schriftlich bei mir —, weil dieser Bericht wissenschaftlich noch nicht fertig sei.
    Unter Punkt 4 stellen Sie die Frage nach dem Gutachten von Herrn Professor Dr. Forsthoff aus Heidelberg. Ich darf darauf antworten: Der Bundesregierung ist das von Professor Dr. Forsthoff erstattete Gutachten über die Rechtsfragen zur Neuregelung der Sonntagsarbeit bekannt. Die Eisen- und Stahlindustrie, für die es erstattet war, hat es uns selbstverständlich zugänglich gemacht.
    Nun darf ich die Frage 5, ob die Bundesregierung die Rechtsauffassung des Herrn Professor Dr. Forst-hoff teile, beantworten. Die Bundesregierung teilt die Rechtsauffassung des Herrn Professor Dr. Forst-hoff nicht, so daß Folgerungen aus dieser Auffassung nicht zu ziehen sind. Sie hat nicht die Absicht, § 105 c Abs. 1 Nr. 3 der Gewerbeordnung in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 105 d der Gewerbeordnung zu ändern und die Beschäftigung mit Reparaturarbeiten an Sonntagen zu verbieten. Sie ist jedoch der Auffassung, daß im Interesse der Arbeitnehmer die Beschäftigung mit Produktionsarbeiten in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 105d der Gewerbeordnung unter der Voraussetzung zugelassen werden kann, daß Reparaturarbeiten an Sonntagen während einer bestimmten Zeit tatsächlich nicht vorgenommen werden. Die Berechtigung zu einer solchen Regelung ergibt sich daraus, daß nach § 105 d Abs. 1 der Gewerbeordnung die Zulassung von Produktionsarbeiten im Ermessen des Verordnungsgebers steht und daß nach § 105 d Abs. 2 der Gewerbeordnung die Zulassung von Produktionsarbeiten an Bedingungen geknüpft werden kann.
    Damit habe ich die Antwort der Bundesregierung gegeben. Gestatten Sie mir, daß ich noch einen oder zwei Sätze anhänge.
    Herr Lenz, Sie haben gesagt, Sie wüßten nicht, weshalb sich die Bundesregierung entschlossen habe, diesen Komplex durch Rechtsetzung zu regeln. Die Gründe sind jedermann offenbar. Es sind folgende. Der rechtliche Charakter der Ausnahmegenehmigungen, die auf Grund des § 28 der Arbeitszeitordnung in den verschiedensten Wirtschaftszweigen seit Jahren erteilt werden, ist höchst problematisch. Bei näherer Betrachtung werden Sie mir selber zugeben, daß die Frage, ob der § 28 der Arbeitszeitordnung überhaupt noch geltendes Recht sei, mehr als zweifelhaft ist.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr richtig!)

    Zweitens: Wir haben seit Jahren nicht nur mit den Kirchen, wie das hier immer dargestellt wird, sondern in einer in meinem Ministerum eigens dafür gebildeten Kommission mit allen Beteiligten, also mit der Stahlindustrie, mit den Gewerkschaften, mit den beiden Kirchen, über diese Frage gesprochen.
    Der dritte Grund ist der, daß sich verschiedene Landesregierungen — das Beispiel Nordrhein-Westfalen zeigt es — im Bewußtsein der Fragwürdigkeit der Rechtsgrundlage weigern, in der Zukunft noch Ausnahmegenehmigungen auf Grund des § 28 der Arbeitszeitordnung zu erteilen. Die damit eintretende Rechtsunsicherheit zwingt die Bundesregierung, die gehalten ist, das Grundgesetz zu achten und zu verteidigen, zur Rechtsetzung, um die Rechtssicherheit wiederherzustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)