Rede von
Franz
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen, soweit ich sehe, am Ende der Debatte des ersten Durchganges des Haushalts.
— Damit bin ich durchaus einverstanden. Ich sehe es sehr gern, wenn weiter diskutiert wird. Ich glaube aber, Sie haben einen Anspruch darauf, daß ich wenigstens in einigen globalen Zügen auf die Diskussion eingehe, und deswegen habe ich mich zum Wort gemeldet.
Ich weiß, daß mit der heutigen Debatte die Problematik, die heute hier aufgezeigt worden ist und die ich vorige Woche aufgezeigt habe, nicht erledigt ist. Im Gegenteil, es ist ja der Sinn des Haushalts, daß wir die gesamte Konzeption, die darin niedergelegt ist, im Haushaltsausschuß gemeinsam noch einmal durchdiskutieren und durchprüfen.
Ich werde, da der Herr Präsident heute morgen gebeten hat, die Diskussion nicht allzu lange auszudehnen, weil man gern noch Zeit für Ausschußarbeit gewinnen möchte, auf Einzelfragen der Einzelpläne nicht besonders eingehen. Das ist ohnehin ein Thema, das beim zweiten Durchgang noch einmal ausführlich diskutiert werden wird; da wird Gelegenheit sein, noch zu vielen Ihrer Gedanken Stellung zu nehmen. Ich möchte nur ein paar Gedanken zu einigen Grundfragen darlegen, die hier diskutiert worden sind.
Zu dem Thema „Fristen" und „Zeit der Behandlung" möchte ich auch von mir aus zum Ausdruck bringen — ich habe es in der Rede nicht getan und möchte es hier nachholen —, daß ich durchaus
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Bundesfinanzminister Etzel
Verständnis und Respekt vor dem Wunsche des Parlaments habe, für die Dinge, die hier zu diskutieren sind, hinreichend Zeit zu haben. Wir werden deswegen vielleicht 'nicht rechtzeitig fertig werden; darin stimme ich Herrn Kollegen Schoettle zu. Ich sehe darin noch keine Tragödie; wir haben ja für die Übergangszeit eine Regelung. Wir sollten in der Tat einmal überlegen, ob man nicht zu neuen Konzeptionen kommen muß, um dem Parlament in den künftigen Beratungen die Zeit zu geben, die man braucht, um den Haushalt so zu beraten, wie man das möchte. Ich habe da ein paar Ideen; wir können das noch einmal diskutieren.
— Nein, genau das meine ich auch. Wir könnten aber doch gewisse Konzentrationen in der Arbeit vornehmen. Ich denke nicht an einen Zweijahreshaushalt; das schwebt mir nicht vor; aber man könnte doch gewisse Komplexe, die man jeweils für zwei Jahre behandeln könnte, aussieben und nur die Grundsatzfragen jedes Jahr erörtern. Das scheint mir eine Überlegung zu sein, die wir diskutieren könnten.
Ich möchte nun, meine Damen und Herren, ein paar Gedanken dazu sagen, daß hier von einigen Rednern, vor allen Dingen von den Herren der Opposition — denen ich gern eine ritterliche und sachliche Fechtweise anerkennen will —, einiges kritisiert worden ist, was die Höhe des Haushalts betrifft.
Nun stehe ich wieder vor dem Erlebnis, das ich schon das vorige Mal hier gehabt habe: daß nämlich die Fraktionen in der Beurteilung der Konjunktur im wesentlichen übereinstimmen, aber über notwendige Maßnahmen eine gespaltene Meinungsdarbietung haben. So sind die Herren, die heute hier reden, aus dem Sachzusammenhang, aus der Sacharbeit, aus der Kenntnis der Probleme heraus der Meinung, man müßte hinsichtlich der Ausgaben eine Grenze halten. Überschreitungen dieser Grenze der Ausgaben haben nun einmal Bedeutung hinsichtlich der Freiheit, von der ich gesprochen habe. Je mehr Steuern ich nehmen muß, um so mehr schränke ich die Freiheit ein. Sie haben aber auch Bedeutung hinsichtlich der Konjunktur. Gut; diese Gedanken, die hier heute geäußert worden sind, unterstreiche ich. Ich wäre sehr froh — Herr Kollege Starke ist, glaube ich, nicht mehr da —, wenn in der Tat das Haushaltsvolumen entscheidend eingeschränkt werden würde.
Aber, meine Damen und Herren — und vor allen Dingen: meine Herren aus den Fraktionen —, ich glaube, das ist eine Angelegenheit, die — ich wiederhole es, ich habe es früher schon gesagt — zunächst einmal in allen Fraktionen durchgesetzt werden muß. Die Höhe des Haushalts von knapp 45 Milliarden DM ist doch nichts anderes als das Ergebnis idavon, was dieses Hohe Haus beschlossen hat — und ich glaube, daß das Hohe Haus, soweit das Volumen von 45 Milliarden DM besteht, jedenfalls nach der heutigen Konzeption in den
Grundzügen auch will, daß wir diese 45 Milliarden auszugeben haben, daß wir also Staatsleistungen in dieser Größenordnung zu erbringen haben.
— Herr Atzenroth, ich werde gleich etwas zu Ihrer Fraktion sagen, einen Augenblick, da werden Sie selbst überrascht sein.
Es ist heute früh etwas über die Höhe der Verteidigungslasten gesagt worden. Ich habe aber nach der Rede des Herrn Kollegen Wehner den Eindruck gehabt, daß auch da eine Wandlung eingetreten ist, daß man wenigstens in der Grundsatzkonzeption die Verteidigung will, daß man dafür Geld ausgeben will. Ich will damit nicht sagen, daß man kritiklos das, was wir Ihnen vorgeschlagen haben, übernehmen soll; selbstverständlich nicht; das soll Punkt für Punkt, wie das Gesetz es befiehlt, geprüft werden. Aber an sich sind doch die Leistungen, die sich in diesen 45 Milliarden repräsentieren, nicht nur von der Regierung beschlossen worden — das war der gedankliche Fehler, den Herr Kollege Starke machte —, sondern von Regierung und Parlament.
Ich habe eine Arbeit fertigen lasssen, meine lieben Freunde — ich bitte, mir darüber nicht böse zu sein —, die die Opposition betrifft, die aber doch ganz interessant ist und Aufschluß gibt über das, was geschehen würde, wenn man alle Wünsche erfüllt hätte, die, nun zwar nicht gerade von den Herren, die hier im Saale sitzen, aber doch von den Fraktionen im großen Kreise geäußert worden sind. Wenn ich davon meine Fraktion ausgenommen habe, dann ganz einfach deswegen, weil wir das, was wir gewollt haben, dank unserer Mehrheit auch haben durchsetzen können; aber nicht mehr! Es ist auch ganz natürlich, daß es für die Opposition leichter ist, Anträge zu stellen, als für die die Regierung tragenden Parteien. Das ergibt sich aus dem Wesen der Opposition. Daraus will ich nichts herleiten. Aber ich habe hier Aufstellungen. Ich bin gerne bereit, sie Ihnen zu geben. Ich will sie Herrn Kollegen Schoettle und will sie Herrn Kollegen Lenz gern zustellen — ich muß sie noch abschreiben lassen —mit allen Anlagen. Da haben wir eine interessante Arbeit gemacht.
— Ja? Ich mache es zum erstenmal.
— So? Das habe ich noch nicht gehört. Aber es ist etwas Erstaunliches, was ich da festgestellt habe; es wird Sie sehr beruhigen, Herr Schoettle: Ihre Fraktion hat weniger Wünsche gehabt als die Fraktion der FDP,
wenigstens per Saldo. Ich gebe Ihnen das einmal in
den wichtigsten Dingen an. Ich habe nicht jede Kleinigkeit genommen; das lohnt ja gar nicht. Die Er-
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füllung der wichtigsten Wünsche, die von Ihrer Fraktion vorgebracht und die entweder abgelehnt wurden oder noch in den Ausschüssen sind, würden das Haushaltsvolumen des Haushaltsjahres 1961 absolut, also ohne Saldo — auf die Deckung komme ich noch — um rund 7 Milliarden DM erweitern. Ihre Saldierungsvorschläge würden 4 Milliarden DM ausmachen. Es wären also im Saldo auch 3 Milliarden DM mehr. Wir hätten dann einen um 3 Milliarden DM — von denen war heute morgen in anderem Zusammenhang die Rede — höheren Haushalt; er wäre jetzt nicht 45, sondern 48 Milliarden DM hoch.
— Ich weiß, daß das für Sie, die Sie hier sitzen, gar keine einfache. Angelegenheit ist. Natürlich haben alle Damen und Herren, die in den Sonderausschüssen arbeiten, ihre Sonderwünsche und haben nicht die Gesamkonzeption, die wir haben, nur dürfen wir nicht übersehen, daß solche Dinge da sind und daß bei dem Geben und Nehmen im Spiel der Kräfte diese Dinge vorangetrieben werden. Es ist doch so, daß immer einer den anderen überbietet: „Wer bietet mehr?" Es war ein typisches Bild bei den Mehraufwendungen für die Kriegsopfer. Dort wurden die Jahre 1959 his 1961 3 Milliarden, dort (zur SPD) für den gleichen Zeitraum 1,6 Milliarden mehr verlangt. Jedenfalls haben die Regierung und die Regierungsparteien insgesamt weniger gewollt, als dort gewollt wurde.
Jetzt kommt aber eine sehr interessante Zahl, Herr Atzenroth. Ich sage das gar nicht im Sinne des Angriffs; das ist ganz natürlich. Ich habe auch die Wünsche Ihrer Partei zusammenstellen lassen, — es ist eine sehr sorgfältige Arbeit, die so angelegt ist: Inhalt des Antrags, Nummer der Drucksache, und was das finanziell bedeutet, — —
— Einverstanden; streichen Sie den.
— Einverstanden.
— Wenn ich die Wünsche, die die FDP hier für das Haushaltsjahr 1961 auf den Tisch gelegt hat, haushaltsmäßig betrachte, soweit sie abgelehnt sind und soweit sie noch in den Ausschüssen sind, so würden das 5 Milliarden mehr ausmachen. Sie haben im vorigen Jahr einen Ausgleichsvorschlag gemacht — Herr Lenz hat darauf Bezug genommen —, nämlich die Steueransätze um 1 Milliarde zu erhöhen, aber dafür wurde von Ihnen gleichzeitig vorgeschlagen, Herr Atzenroth, die Umsatzsteuer entsprechend zu senken. Das hebt sich gegenseitig auf.
Hers Starke, Sie haben einen Vorschlag zur Konjunktur gemacht. Wenn Sie diesen Vorschlag ernst meinen, dann muß zunächst einmal in den Fraktionen Nachdruck darauf gelegt werden, daß die Ausgabenwünsche zurückgeschraubt werden, dann darf nicht eine Fraktion die andere hochtreiben, sondern dann muß aus dem Gefühl der Verantwortung — sie ist heute von allen Rednern betont worden — gesagt werden: Diese 45 Milliarden DM sind eine ganze Menge, diesen Betrag sollten wir nicht wesentlich überschreiten. Das ist unser Anliegen. Die Verantwortung dafür, daß wir jetzt einen Haushalt mit „nur" 45 Milliarden DM behalten, liegt nicht nur bei der Regierung und nicht bei der Opposition allein, sondern bei uns allen. Das sollten wir einmal sehen, und das sollten wir herausstellen. Das ist der Grund, warum ich das Thema überhaupt hier aufgegriffen habe.
Dann sind heute — direkt und indirekt — schon einige zusätzliche Wünsche angeklungen. Herr Kollege Vogel hat das schon erwähnt; ein Wunsch betraf die Wissenschaft. Heute morgen kam am Rande !die Frage der Erhöhung der Beamtengehälter auf. Wir haben also auch hier noch eine Problematik, die rich ganz offen zugebe und die wir in den Haushaltsberatungen diskutieren müssen. Herr Kollege Lenz, sich kann Sie beruhigen: ich habe nicht die Absicht, diese Problematik in 'den letzten Tagen gewissermaßen nachzuschieben, sondern diese Fragen sollen während der Haushaltsberatungen, während der Zeit, die wir haben, in ;dem Geist, den wir im Haushaltsausschuß kennen, gemeinsam diskutiert werden.
Dann ist von Ihnen, Herr Lenz, gesagt worden, ,der Haushalt sei nicht vollständig. Sie wollen die 250-Millionen-Ermächtigung für die Vorratsstellen im Haushalt haben. Das ist eine Rechtsfrage. Ich bin nichtganzihrer Meinung. Aber das können wir später diskutieren.
Die zweite große Frage, nachdem wir über die Höhe ;gesprochen haben, ist ;die Frage des antizyklischen Verhaltens des Bundeshaushalts in der Form, wie sie Herr Schoettle, oder in der Form, wie sie Herr Starke zur Diskussion gestellt hat. Herr Starke, lich bin ;der Meinung, es hat keinen Zweck, ,den Bundesfinanzminister von der Bundesregierung isolieren zu wollen. Der Bundesfinanzminister ist ein Teil der Regierung. Auch er trägt an der Regierungsverantwortung mit, und 'er bekennt sich auch zu dieser Regierungsverantwortung. Es ist nicht so — wie heute hier mehrfach aufgeklungen ist —, als ob ;die Regierung keine Vorstellungen hätte. Im Gegenteil, wir ,diskutieren ;diese Dinge, und zwar mit sehr viel Fundus und sehr viel Gründlichkeit, und da kommt eine ganze Anzahl von den Gedanken wieder, die Sie von der FDP heute vorgetragen haben; die liegen ja in der Luft. Ich habe seit der Rückkehr aus ,dem Urlaub — ich glaube, es war der 1. September — den ,größten Teil meiner Zeit mit dieser Aufgabe verbracht. Ich glaube, daß wir, sobald unser Kollege Erhard wieder da ist, in der Tat mit einem Bild herauskommen werden.
Die Frage ist also: muß sich der Bund antizyklisch verhalten oder nicht? Herr Starke hat gesagt, der öffentliche Haushalt, ;der Bundeshaushalt sei das wichtigste Element der Konjunktur und der Konjunkturbeeinflussung. Herr Starke, ich bestreite Ìhnen nicht, daß der Bundeshaushalt ein sehr wichtiger Faktor ist. Ich bestreite aber, daß er der wichtigste Faktor ist. Ich habe nicht zu Unrecht gesagt, die Hauptverantwortung für die Währung — das ist ja das Entscheidende für die Konjunktur — liegt
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bei der Bundesbank. Aber wir müssen mit ihr zusammenarbeiten, wir können sie nicht isolieren. Nun haben Sie gesagt, Siegehen von den Gagebenheiten ,aus, der Finanzminister tut zwar das Seine, aber ,die Bundesregierung selbst muß handeln.
Ich habe zunächst — aber ich muß das nachträglich zurücknehmen — an das hübsche Wort von Shakespeare gedacht, als Sie das Handeln so herausstellten: „Gewaltige Dinge will ich tun, was —das weiß ich nicht, doch soll die Welt davon sprechen."
So wollen wir nicht handeln, sondern -wir wollen wirklich etwas Vernünftiges schaffen.
Nun ist die Frage: hat denn der Bundeshaushalt — da komme ich auf die Bemerkung von Herrn Schoettle zurück — etwas zur antizyklischen Beeinflussung getan, und sind die Gedanken, die Herr Schoettle vorgetragen hat, akzeptabel? Ich glaube, Herr Schoettle, wir sollten uns über Ihre Gedanken doch noch einmal sehr gründlich unterhalten. Ich sage Ihnen ganz freimütig: ich halte Ihre Gedanken, wenn sie realisiert werden können, für ein Element zusätzlicher Beeinflussung des Konjunkturauftriebs. Darüber wollen wir sprechen, das muß diskutiert werden. Es ist aber, glaube ich, doch einfach nicht denkbar, daß gesagt wird, wie Sie zunächst gesagt haben, die Steuermehreinnahmen im ordentlichen Haushalt werden zur Deckung des außerordentlichen Haushalts herangezogen; das sei zwar nicht gegen das Haushaltsrecht, aber doch ganz unüblich, da sei etwas nicht in Ordnung. Ich glaube, so haben Sie sich ausgedrückt.
— Ja, für die Ausmaße können der Bundesfinanzminister und die Regierung nicht, sondern es ist das Wesen der Konjunktur, daß sie diese Ausmaße entwickelt.
Wenn Sie verlangen, daß wir uns antizyklisch verhalten, dann müßten Sie, so meine ich, auch verlangen und uns die Möglichkeit geben, daß wir uns elastisch verhalten, damit wir, wenn plötzlich mehr Steuern da sind, diese nicht zu zusätzlichen Ausgaben benutzen, sondern lieber die von Ihnen bereits beschlossenen und bewilligten Ausgaben im Extraordinarium durch das Ordinarium decken. Dann bleibt das Gesamtvolumen des Haushalts dasselbe. — Doch, Herr Heiland, das ist so. Wenn Sie die Deckung im ordentlichen Haushalt vornehmen, dann bekommen Sie die Situation, wie wir sie heute haben, das ist ein großes Problem.
Eine Anleihe, die beim letzten Sparer, also echt untergebracht wird, ist konjunkturpolitisch im allgemeinen neutral. Es erfolgt zwar eine Nachfrageverlagerung, indem der Nachfrager, der Sparer, nicht mehr Konsumgüter verlangt, sondern die öffentliche Hand dafür meinetwegen Investitionen vornimmt. Das gebe ich zu. Aber soweit die Anleihen im Bankenapparat untergebracht werden, dienen sie der Geld- und Kreditschöpfung und haben damit einen zusätzlichen inflationären Effekt.
Ich habe zu meinem Erstaunen und zu meinerFreude gelesen, daß am Montag meine letzte Bundesanleihe zu 6 1/2 % mit 101 notiert worden ist. Man fragt erstaunt: Was ist da passiert? — Ja, das Ausland hat Interesse gezeigt! — Sehen Sie, wenn Sie jetzt an den Kapitalmarkt gehen und das Ausland zeigt Interesse, dann bekommen Sie zusätzliche ausländische Gelder, die die Bundesbank entsprechend der gegebenen Situation in D-Mark umtauschen muß. Das fördert die importierte Inflation und Sie erhöhen damit die Nachfrage nach Gütern. Sie würden damit also konjunkturell nicht beruhigend, sondern anregend wirken. Das ist doch die Konsequenz, wenn die Mehreinnahmen, meinetwegen sehr großen Mehreinnahmen, wie Herr Schoettle heute morgen vorgeschlagen hat, nicht zur Deckung des außerordentlichen Haushalts herangezogen werden, sondern zu anderen Zwecken.
Nun hat Herr Schoettle gesagt: Nicht stillegen, sondern investieren, meinetwegen auf dem Gebiet der Wissenschaft. — Wenn Sie aber für die Wissenschaft investieren, dann heizen Sie damit die Investitionskonjunktur noch zusätzlich an. Sie müssen Apparate kaufen und Universitätsgebäude bauen usw. usw. Alles sind also zusätzliche Ausgaben, die unsere volkswirtschaftliche Kraft heute einfach nicht mehr schafft und die die Preisschraube anregen und nicht stillegen.
Sie sprachen auch davon, das Geld in die Entwicklungshilfe zu geben. Das wäre eine Möglichkeit, über die wir irgendwann einmal diskutieren wollen. Wir haben uns eine Menge Gedanken darüber gemacht. Das hat zwei Seiten. Einmal ist es der Vorschlag, für Entwicklungszwecke etwas zu tun, wozu wir sicherlich alle ein Ja sagen müssen; das ergab die Diskussion heute einwandfrei. Zum zweiten hat es einen konjunkturellen Aspekt. Wenn ich die Gelder vorübergehend im Bankapparat stillege und so zwei, drei Jahre vergehen lasse, müssen vorübergehend neutralisierende Effekte eintreten. Wenn das Geld dann aber sehr schnell herausgeht und dazu führt, daß im Bumerang-Effekt wieder Bestellungen auf die deutsche Wirtschaft zukommen, dann bedeutet das eine Erhöhung der Ausfuhr und damit eine zusätzliche Aktivierung der Zahlungsbilanz. Hier befinden sich also viele ernste Probleme, die wir diskutieren sollten.
Ich bin bei der Kritik des Haushalts 1959 wegen der anderthalb Milliarden DM Mehrausgaben von Herrn Lenz angegriffen worden. Herr Lenz, ich habe
es schon gesagt — Sie haben es irgendwie anerkannt, glaube ich —, daß von den 1,5 Milliarden
Mehrausgaben 1,2 Milliarden sich einfach Ihrer und meiner Einwirkungsmöglichkeit entziehen. Da können Sie sagen, das hätte man voraussehen können. Einer der Redner sagte: Es kam plötzlich auf uns zu, und 10 Minuten später sagte er: Warum hat man es nicht vorausgesehen? Diese Entwicklung war also nicht vorauszusehen. — Wenn man von den 1,5 Milliarden diese 1,2 Milliarden, die außerhalb unserer Einflußmöglichkeiten liegen, abzieht, bleibt gegenüber dem Soll ein faktisches Mehr von 300 Millionen DM. Ich darf mir einbilden, das bedeutet, daß wir ziemlich genau ins Schwarze getroffen haben.
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Sie haben dann gesagt, die 6 % Zuwachs des Sozialprodukts, die wir für 1961 einkalkuliert haben, genügten vielleicht nicht. Ich habe ja zugesagt, dieses Problem im Oktober noch einmal zu überprüfen. Sie haben verlangt, daß dann eine Ergänzung gemacht wird. Das liegt im Rahmen der Zusage, die ich soeben gemacht habe. Ich werde also nicht wieder in den letzten Minuten mit diesen Dingen kommen. In dieser Hinsicht können Sie beruhigt sein.
Es ist die Frage diskutiert worden, ob der außerordentliche Haushalt noch einen Sinn habe. Ich möchte sagen, daß ich den Anregungen zustimme. Wir sollten diese Trennung gar nicht mehr machen, Herr Kollege Schoettle. Das Problem außerordentlicher Haushalt/ordentlicher Haushalt scheint mir ein Problem zu sein, das heute anders als früher zu sehen ist. Wenn ich mich geistig mit diesen Dingen beschäftige, mache ich vor mir selber diesen Unterschied schon lange nicht mehr, mid nur so komme ich zu einem Ergebnis. Die zwei Rangierbahnhöfe führen nicht zu klaren Rechnungen, sondern eher zu einer Unklarheit.
Herr Kollege Lenz, Sie haben mir heute morgen etwas unterstellt, und ich war davon persönlich etwas betroffen. Sie haben gesagt, ich hätte verschwiegen — das Wort „verschwiegen" fiel —, daß die Minderausgaben des Haushalts 1959 nicht nur durch Streichungen, sondern auch ganz automatisch entstanden seien. Ich habe mir daraufhin noch einmal die Haushaltsrede angesehen. Ich habe die Formulierung gebraucht: „Der Mehrbetrag von 300 Millionen DM — und das andere — ist durch Weniger-ausgaben an anderer Stelle gedeckt worden." Unter dem Begriff „Weniger-ausgaben" fallen ja sowohl automatische Ausfälle wie Streichungen. Ich bitte das doch zur Kenntnis zu nehmen.
Sie haben heute morgen in Ihrer Kritik gesagt, diese Ausgaben entfielen alle automatisch, es sei keine Härte und keine Elastizität notwendig, um den Haushalt 1959 auszugleichen. Sie haben dabei Minderausgaben bei den Gehältern, bei der Bundesschuld und bei der allgemeinen Finanzverwaltung addiert. Offenbar haben Sie dabei aber übersehen, daß die Minderausgaben bei den Personalkosten im wesentlichen auf den Verteidigungshaushalt entfallen und daß sie sich infolge des dem Verteidigungsminister eingeräumten Gesamtplafonds für den Bundeshaushalt nicht entlastend auswirken können.
Sie scheinen mir weiter übersehen zu haben, daß im Einzelplan 60 gerade im Hinblick auf den erwarteten Minderbedarf bei der Bundesschuld und der allgemeinen Finanzverwaltung eine Minderausgabe von 500 Millionen DM veranschlagt war, wodurch die von Ihnen genannten Minderausgaben bereits entsprechende Berücksichtigung gefunden haben. Die Ziffern, die Sie genannt haben, sind bei einer näheren Nachrechnung — ich will das gerne mit Ihnen tun — nicht zu halten.
Sie haben dann die wichtige Frage an mich gerichtet, wie ich einen etwaigen Mehrbedarf finanzieren wolle. Ich gebe Ihnen eine ganz einfache Antwort: Der Mehrbedarf muß entweder durch Mehreinnahmen oder durch Kürzungen finanziert werden. Überdie Frage, welche Mehrausgaben wir erwarten, werden wir uns im Laufe der Verhandlungen der nächsten Monate unterhalten müssen.
Zu dem Problem der Ausgabenreste haben Sie gesagt, daß die Restetilgung ja im Haushalt vorgesehen sei. Im Nachsatz haben Sie dann aber wohl gesagt, ein Teil sei allerdings darüber hinaus getilgt worden. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dieses Mehr war im Haushaltsjahr 1959 die Kleinigkeit von einer Milliarde DM, und das ist das, was ich in der Haushaltsrede gesagt habe; 200 Millionen DM im Haushalt des Verteidigungsministers und 800 Millionen DM mehr Tilgung im allgemeinen Haushalt. Zu Ihrer Beruhigung möchte ich auch noch sagen: Diese Reste sind für keine anderen Ausgaben benutzt worden als für die sie bewilligt waren; die Reste sind also genau für die Ausgaben benutzt worden, für die eine Bewilligung vorlag. Das ist mir heute auf meine Rückfrage noch einmal ausdrücklich von dem Sachbearbeiter meines Hauses bestätigt worden.
Ich muß auch dabei bleiben, Herr Kollege Lenz, daß die 1,7 Milliarden DM, die wir für 1961 mehr im Verteidigungshaushalt haben, die Folge vertraglicher Verpflichtungen sind. Die vertraglichen Verpflichtungen sehen natürlich nicht so aus, daß gesagt ist, ich müsse in diesem Jahr 1,7 Milliarden DM mehr geben, natürlich nicht. Aber ich habe mich verpflichtet, im Rahmen des NATO-Bündnisses einen Beitrag zu leisten. Die NATO muß doch planen. Sie plant nach dem berühmten MC-70-Plan. In diesem MC-70-Plan ist genau vorgesehen, welche Verbände aufgestellt werden, welcher Umfang in welchem Zeitraum notwendig ist. Nun ergeben sich Ausgaben. Da diese Ausgaben im Verteidigungsausschuß abgestimmt worden sind, ist, meine ich, doch genügend von dem getan, was man billigerweise von mir und von uns verlangen kann.
Ein Wort, Herr Kollege Heiland, zu den Gemeindefinanzen. Ich sehe natürlich den Zusammenhang zwischen den Finanzbedürfnissen der finanzschwachen Gemeinden und den Problemen, die die Gewerbesteuer stellt. Dieser Zusammenhang ist in meinen Überlegungen und Verhandlungen einkalkuliert. Mehr möchte ich in diesem Augenblick nicht sagen. Im Grundsatz stimme ich Ihnen zu, daß diese Probleme natürlich gelöst werden müssen. Es ist auch klar — auch darin stimme ich zu —, daß es wünschenswert wäre, den Gemeinden wieder die finanzielle Selbstverantwortung zu geben. Das war die alte gute Verwaltung. Nur aus der Verantwortung heraus kann man richtig handeln. Wenn man Gelder einnimmt und keine Verantwortung hat, sondern die Mittel aus Zuweisungen erhält, ist die Reaktion auf die Ausgaben natürlich eine total andere, als wenn die Ausgaben gleichzeitig vor den Gemeindemitgliedern vertreten werden müssen. Das sollten wir alle gemeinsam anstreben. Da sind wir im Grundsatz keineswegs verschiedener Meinung.
Das Problem Entwicklungshilfe ist hier angeführt worden. Ich habe es in meiner Haushaltsrede betont vorsichtig behandelt. Ich habe einmal dargestellt, was wir schon tun. Ich glaube, das sollten wir ruhig laut sagen; denn wir leisten da schon etwas. Ich habe aber auch zugegeben, daß da ein Mehr ge-
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schehen muß. Wie das geschieht, ist ein Problem für sich. Wenn Sie Haushaltsmittel ansetzen wollen, müssen sie — das darf ich vor einem Hause sagen, das zu einem Teil mit Mitgliedern des Haushaltsausschusses besetzt ist — auch im Haushalt gedeckt werden, wieder nach der These: Entweder durch Mehreinnahmen oder aber durch Kürzungen. Eine andere Möglichkeit sehe ich hier nicht. Der Wunsch, Steuermittel einzusetzen, hat doch Auswirkungen nach der Einnahmenseite oder nach der Kürzungsseite. Die Theorie des Bettuches kann, wie ich immer wieder feststelle, doch nicht gelten, nämlich daß der Mann, dem es oben kalt wird, plötzlich die Bettdecke nach oben zieht, ohne zu bedenken, daß er kalte Füße bekommt. So geht das nicht; man muß doch immer die Zusammenhänge sehen.
Gerade die einmal klarzumachen, war mein Versuch in der Haushaltsrede. Die Finanzpolitik muß heute -- gerade wegen des hohen Anteils am Sozialprodukt — Rücksicht nehmen auf Bedürfnisse der äußeren Sicherheit und der inneren Sicherheit der Volkswirtschaft, auf das Wachstum des Sozialprodukts und was alles damit zusammenhängt, einschließlich der Geldwertstabilität, kurz, sie muß elastisch sein. Ich glaube, diese Fragen werden uns hier noch eine Zeitlang beschäftigen.
Das Problem Subventionen ist ein leidvolles Problem. Herr Kollege Schoettle, ich habe gar nichts von meinen früher hier geäußerten Meinungen zurückzunehmen. Ich stimme Ihnen zu. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß das Problem Subventionen einmal begrifflich zurechtgerückt werden muß. Kein Mensch war doch so unsinnig, zu glauben, daß die Zuwendungen zur Rentenversicherung Subventionen seien, die man etwa kürzen könne. Diese Meinung habe ich keine Sekunde lang vertreten. Heute wird aber dieser Betrag friedlich in die Subventionssumme aufgenommen. So sieht die Sache nicht aus. Ich bin dem Haushaltsausschuß sehr dankbar, daß er einen Unterausschuß gebildet hat, der gemeinsam einmal mit uns das Problem, wo und was gemacht werden könnte, zu untersuchen hat.
Es ist dann kritisiert worden, daß wir für den Grünen Plan nur eine Globalziffer angesetzt haben. Das scheint mir aber doch sehr natürlich zu sein. Denn solange der Grüne Plan a) noch nicht ganz festgestellt ist und b) in diesem Hohen Hause der Bericht nicht vorliegt, stoßen wir hier auf Probleme besonderer Art. Das hängt natürlich auch mit den Fristen zusammen. Die Zusammenhänge müssen wir selbstverständlich aufklären.
Meine Damen und Herren, damit bin ich am Ende dessen, was ich noch zusätzlich sagen wollte. Ich möchte allen Rednern, die heute hier gesprochen haben, für die sachliche und ritterliche Diskussion — Herr Starke hat mich ja besonders ritterlich behandelt — danken. Ich meine nur, wir, die wir vor dem Volke die Verantwortung für die Finanzen tragen, sind damit dafür verantwortlich, daß das, was wir politisch wollen, finanziell — selbstverständlich auf der Grundlage einer stabilen Geldwährung — zu tragen ist.
Ich meine, wir sollten die Diskussion so sachlich halten, wie es nur irgend geht. Wir müssen die Zusammenhänge zwischen den Forderungen nach Staatsleistungen und den Staatslasten sehen. Jede Staatsleistung erfordert eine Staatslast. Ich habe in meiner ersten Haushaltsrede von der Kuh gesprochen, die nicht im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken werden kann. Wir müssen die Kuh, wenn wir sie hier melken wollen, auch hier auf Erden füttern. Das auch bei der weiteren Arbeit zu bedenken, ist meine Bitte an das Hohe Haus, die ich hier abschließend vortragen möchte.