Herr Kollege Ritzel, da muß Ihnen ein Irrtum unterlaufen sein! Dann müßten Sie doch rote Salbe sagen!
Lassen Sie mich zu der Hauptfrage zurückkehren, ob es denn nicht möglich ist, den finanzschwachen Landgemeinden und Städten, den finanzschwachen Gemeinden und Gemeindeverbänden durch die Verbesserung des Finanzausgleichs zu helfen. Ich möchte diese Frage bejahen. Wir sollten uns dort, wo wir eine größere Anzahl von finanzschwachen Gemeinden und Gemeindeverbänden haben, an die zuständigen Länder halten, damit ein wirkungsvoller Finanzausgleich herbeigeführt wird. Das ist das Primäre. Das Primäre ist nicht die Hilfe des Bundes, sondern die Hilfe der Länder durch einen Finanzausgleich.
Um die Länder wenigstens einigermaßen gleichzustellen, haben wir den vertikalen und den horizontalen Finanzausgleich. Er hat seine Erfolge gehabt. Darüber hinaus gibt es noch sehr viele Sonderzuweisungen, die praktisch einem Finanzausgleich nahekommen. Ich darf Sie daran erinnern, Herr Kollege Heiland — was beispielsweise Herr Dr. Vogel heute morgen erwähnt hat —, daß in einem so charakteristischen Länderhaushalt, wie es der Landwirtschaftshaushalt des Bauernlandes Niedersachsen ist, der Hauptanteil aus Bundesmitteln geleistet wird und ein geringerer Teil aus ordentlichen und außerordentlichen Mitteln des Landes. Das passiert in einem Land, das hauptsächlich landwirtschaftlich orientiert ist, und unter Berücksichtigong dessen, daß die Landwirtschaft wie die Kultur geradezu eine Domäne der Länderverwaltung ist.
Sie sehen daraus, daß neben dem vertikalen und horizontalen Finanzausgleich noch „Finanzausgleiche" zugunsten der Länder stattfinden. Genauso ist es auch bei den Gemeinden. Wenn Sie sich in den kleineren Landgemeinden umsehen, werden Sie feststellen, daß auch dort manches geschieht. Das ist erfreulich, aber es geschieht manches eben auch mit Hilfe des Bundes. Ich erinnere an die Landgemeinden, in denen Wirtschaftswege gebaut werden. Dazu tun die Länder wenig. Die Landgemeinden, die diese Wirtschaftswege wegen der Struktur ihrer Landwirtschaft nötig haben, erhalten die Hauptunterstützung aus Bundesmitteln. Ich erinnere ferner an den Straßenbau. Bitte bedenken Sie — Sie können das in dem vor Ihnen liegenden Etat nachsehen —, daß für die Ortsdurchfahrten — das sind doch in der Hauptsache wohl kommunale Angelegenheiten, die mit dem Bau von Bundesstraßen und Bundesautobahnen zusammenhängen — in der Zeitspanne von 1959 bis 1962 588 Millionen DM aus Bundesmitteln gezahlt werden.
Denken Sie ferner an die Ortumgehungen, deren Schaffung teilweise wohl auch zu den Aufgaben gehört, für die die Gemeinden zuständig sind, wobei ihnen der Bund wesentlich hilft.
— Ortsumgehungsstraßen haben, auch wenn ihre Schaffung rechtlich nicht zu den Gemeindeaufgaben gehörte, zumindest für die Gemeinden eine wirtschaftlich große Bedeutung. Das sind Aufgaben, die wir, bevor es diese Regelung gab, in Gemeinden auch schon als Gemeindeaufgaben durchgeführt haben. Für die Ortsumgehungen gibt es in den Jahren 1959 bis 1962 rund 650 Millionen DM aus Bundesmitteln, und für die Aufstufung von Landstraßen I. Ordnung gibt es in diesem Zeitraum weitere 400 Millionen DM. Rechnen Sie das alles zusammen, so ergeben sich 1,5 Milliarden DM. Das sind schließlich keine kleinen Beträge, die vom Bund zugunsten der Gemeinden direkt und indirekt gegeben werden.
Wenn Sie auf das achten, was sich in den Gemeinden abwickelt, finden Sie vieles, was aus dem Bundesjugendplan mitfinanziert wird. Sie finden ferner den Wohnungsbau, der in der Hauptsache aus Bundesmitteln finanziert wird, und Sie finden Sportstätten, die ebenfalls mit Zuschüssen des Bundes errichtet werden.
Warum sage ich das? Nur deshalb: es gibt zwar keinen Finanzausgleich zwischen Bund und Gemeinden, wie mit Recht hervorgehoben wurde, aber es gibt eine ganze Reihe von Hilfen, die der Bund den Gemeinden gewährt.
Sie wissen, daß die Gemeindebetriebe von der Umsatzsteuer freigestellt worden sind. Auch diese Maßnahme könnte etwa hierher gehören. Ich will aber diese Dinge nicht zu weit ausspinnen.—Herr Kollege Heiland, Sie haben damit geschlossen, daß Sie gesagt haben, daß einmal wieder eine ,,freie autonome Gemeinde" da sein möge. Das ist die Gemeinde, die früher Freiherr vom Stein gemeint hat, das ist die Gemeinde, die selbst beschließt, welche Aufgaben sie zu erfüllen und welche Ausgaben sie zu leisten wünscht, und die ihrerseits bereit ist, die Mittel, die dafür nötig sind, aus eigener Kraft aufzubringen. Das ist die autonome freie Ge-
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, der, 5. Oktober 1960 7347
Dr. Conring
meinde, das ist die klassische Selbstverwaltung, wie wir sie früher einmal gehabt haben.
Aber die Zeiten sind wohl leider vorbei.
— Das wollte ich gerade mit den Worten sagen: die Zeiten sind wohl vorbei. Ihr Freund Heiland forderte in seiner Apotheose aber eine „autonome Gemeinde." Ich habe den Eindruck, daß diese Zeiten leider vorbei sind.
-- Das kann man sehr bedauern, denn die klassische Selbstverwaltung hat in ihrer Zeit wirklich hervorragendes geleistet.
Aber vergessen Sie bitte nicht, daß auch heute noch die Aufgaben und Ausgaben in der Hauptsache von den Gemeinden bestimmt werden, daß aber die Einnahmen nicht mehr in vollem Umfange aus der eigenen Finanzkraft der Gemeinden aufgebracht werden. Ein großer Teil der Einnahmen kommt von oben in Gestalt von Finanzzuweisungen durch den Steuerverbund innerhalb der Länder, durch Bundeszuweisungen usw.
Sie wissen, daß von der bürgerlichen Seite — wenn ich einmal so sagen darf — der bescheidene Versuch gemacht worden ist, wieder eine Verbindung zwischen den Ausgaben und der Aufbringung der Mittel aus eigener Kraft herzustellen. Derjenige, der die Ausgaben beschließt, sollte durch sie auch belastet werden. Dieser Versuch ging also wenigstens in der Richtung der klassischen Selbstverwaltung. Er ist aber von Ihrer Seite abgelehnt und mit dem berühmten Wort der „Negersteuer" diffamiert worden. Das war nicht gut. Auf die Höhe kam es bei dieser Steuer nicht an. Es kam nur darauf an, daß diejenigen, die zur Zeit nichts unmittelbar in den Gemeindesäckel zahlen, weil sie keinen Grundbesitz haben und weil sie keine Gewerbesteuer abzuführen haben, in irgendeiner geringen, praktisch kaum fühlbaren Weise belastet werden, damit sie wenigstens — in einer Relation mit den anderen Gemeindesteuern — gleichzeitig mit den Ausgabebeschlüssen sich auch selber belasten müssen. Ich glaube, wir brauchen darüber nicht zu reden; diese Form der Selbstverwaltung — --
— Nein es handelte sich um eine gewisse Anlehnung an die klassische Selbstverwaltung. Sie haben das aber nicht gewollt. Ich glaube deshalb nicht mehr recht, daß wir zu einer Selbstverwaltung zurückkehren können, die sich an der klassischen Selbstverwaltung orientiert. Ich wollte damit sagen, daß die Apotheose von Herrn Heiland mir wenig real zu sein scheint.
Im übrigen, Herr Kollege Heiland, sagten Sie, die Gemeinden seien nicht so sehr diejenigen, denen man des Bauvolumens wegen Vorwürfe machen dürfe. Sie sehen aus der Finanzübersicht, daß im Jahre 1958 — nur hierfür liegt die Zahl vor — Ausgaben für Verwaltungsbauten in Höhe von insgesamt 6,7 Milliarden DM vorhanden waren; davon entfielen auf den Bund rund 1 Milliarde, auf die Länder 1,3 Milliarden und auf die Gemeinden und Gemeindeverbände 4,2 Milliarden DM.
— Ich habe nicht behauptet, daß das Luxus sei. Ich wollte nur darauf aufmerksam machen — der Herr Bundesfinanzminister hat das auch schon gesagt —, daß zwei Drittel der öffentlichen Bauausgaben auf die Gemeinden entfallen. Das ist kein Vorwurf, das ist so. Wenn das aber so ist, müssen Sie wohl auch daran denken, daß von dort aus eine Konjunkturbremsung hätte ausgehen können. Aber ich weiß genau wie Sie, Herr Heiland, daß wir alle reichlich ungeduldig sind; wir müssen alles gleichzeitig und sofort machen. Das ist genau das, was nicht allenthalben so zu sein brauchte und was natürlich dazu beiträgt, die Konjunktur immer wieder zu erhitzen. Man kann sich auch auf den Standpunkt stellen, daß man alles etwas geduldiger und nacheinander machen kann.