Rede von
Dr.
Friedrich
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Verteidigungsminister, Ihre beredte Klage darüber, daß noch keine Notstandsgesetzgebung vorliegt, richtet sich einzig und allein gegen die Bundesregierung.
Ich will Ihnen das ganz kurz mit wenigen Sätzen erklären. Am 30. Oktober 1958 hat der Bundesinnenminister in Stuttgart in einer Rede seine Konzeption über eine Notstandsgesetzgebung dargelegt. Im November 1958 hat der Herr Bundeskanzler the Ministerpräsidenten der Länder zusammengebeten, um mit ihnen über diese Frage zu sprechen, und am 23. Januar 1959 hat der Bundesinnenminister die Landesinnenminister zusammengerufen, um darüber zu sprechen. In diesen zwei Jahren ist nichts erfolgt, bis zum 20. April dieses Jahres nichts. Zwei Jahre haben Sie verstreichen lassen.
Entscheidend ist nun, meine Damen und Herren, daß Sie sich auf Gedanken festgelegt haben, die mit unserer Verfassung nicht in Einklang stehen. Ich darf mich doch wohl auf Äußerungen wie die des CSU-Ministers Dr. Haas oder des CDU-Innenministers Dr. Wolters berufen, die im Rechtsausschuß und Innenausschuß des Bundesrates die Meinung vertreten haben, dieser Gesetzentwurf' sei indiskutabel. Er verstößt — in verfassungsrechtlicher und verfassungspolitischer Hinsicht — gegen die Verfassung. Dann ist es aber doch nicht die Schuld der Opposition, wenn bis heute nichts vorliegt. Die Anklage richtet sich vielmehr gegen Sie, Herr Verteidigungsminister, und gegen Ihren Kollegen, der als Vertreter des Innenministers neben Ihnen sitzt. Hier sitzen doch die beiden Schuldigen, die nicht das Notwendige getan haben.
Sie sagen: Wir sind durchaus der Meinung, daß diese Frage geregelt werden muß. Was haben Sie getan? Sie haben nichts getan, um sie zu regeln.
— Sehr interessant! Warum hat die CDU keinen
Gesetzentwurf eingebracht?
Offiziell hat die CDU-Fraktion mit der SPD-Fraktion im Dezember Verbindung aufgenommen. Die
Verhandlungen wurden Ihrerseits sehr schleppend geführt, und das Ergebnis war sehr dünn.
— Das ist Ihre Aufgabe und die Aufgabe der Bundesregierung. Hier trifft genau das zu, was der Verteidigungsminister soeben gesagt hat. Er hat gesagt, er müßte angeklagt werden, wenn er nicht initiativ werde. Er ist nicht initiativ geworden. Also klagt er sich selber an, denn er hat nichts getan.
Ganz charakteristisch ist, daß der Herr Verteidigungsminister hier sagt: „Treuherzig hat der Vertreter der Opposition seine Bedenken geltend gemacht." Nein, Herr Verteidigungsminister, so kann man diese Verfassungsprobleme nicht verniedlichen, so dürfen Sie das nicht anfassen. Das ist der Grund, warum wir Angst und Sorge haben. Sie wollen die Sache verniedlichen, Sie haben gar kein Gefühl dafür, wo ein Rechtsstaat seine Grenzen hat.
— Natürlich, das ist doch so. Wollen Sie nicht die Sorge mit uns teilen, hier eine Lösung zu finden, die vernünftig ist?
6914 Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1930
Dr. Schäfer
— Ich glaube, Sie haben sich mit dem Problem nicht befaßt. Lesen Sie doch einmal nach, was im Bundesrat gesagt worden ist! Wenn Sie sich nicht damit befassen, sind Ihre Zwischenrufe dementsprechend zu werten.
Wir sind der Auffassung — ich sage das in aller Klarheit und bitte, das zur Kenntnis zu nehmen —, daß die Verantwortung für das ganze Haus besteht. Wir haben diese Verantwortung nie bestritten. Wir haben uns immer bereit erklärt, über diese Frage nicht nur zu reden, sondern sie auch mit zu regeln. Von Ihnen wurde aber keine Initiative ergriffen. Der Vorwurf, den der Minister erhoben hat, richtet sich gegen ihn selber. Dann darf man aber nicht den Weg beschreiten, durch die Hintertür das machen zu wollen, was man zuvor vergessen hat.