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    Deutscher Bundestag 119. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1960 Inhalt: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. deutsche Kulturarbeit im Ausland (Drucksache 1555) Kühn (Köln) (SPD) . . . 6869 B, 6894 C Dr. von Brentano, Bundesminister . 6878 B Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . . 6885 D von Mühlen (FDP) 6891 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksache 1423); Erster Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1893) — Zweite Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Paßgesetzes, des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes und zur Aufhebung des Gesetzes über die Meldepflicht der deutschen Staatsangehörigen im Ausland (Drucksache 1423); Zweiter Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1894) — Zweite Beratung — Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . . 6869 B, 6898 B, 6899 B, 6904 B Merten (SPD) . . 6897 A, 6897 D, 6898 D, 6899 D, 6900 C, 6902 D, 6906 A, 6908 B, Strauß, Bundesminister . 6897 B, 6900 A, 6901 B, 6907 A, 6909 A, 6911 B Dr. Jaeger (CDU/CSU) . . 6903 B, 6914 B Dr. Dr. Heinemann (SPD) . 6904 A, 6905 B Dr. Schäfer (SPD) . . . . 6910 B, 6913 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 6911 A Rasner (CDU/CSU) 6915 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes (Drucksache 1898) — Erste Beratung — . . . 6915 D Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes (Bundespolizeibeamtengesetz — BPolBG) (Drucksache 1425) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 1840 [neu]) — Zweite und dritte Beratung —Kramel (CDU/CSU) 6915 D Dr. Schäfer (SPD) 6916 A Nächste Sitzung 6916 D Anlagen 6917 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1960 6869 119. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1950 Stenographischer Bericht Beginn: 15.06 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1960 6917 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 24. 6. Altmaier* 25. 6. Bauer (Würzburg)* 25. 6. Dr. Becker (Hersfeld) 2. 7. Frau Beyer (Frankfurt) 23. 6. Fürst von Bismarck* 25. 6. Dr. Brecht 24. 6. Brüns 2. 7. Corterier* 25. 6. Dr. Dahlgrün 23. 6. Demmelmeier 24. 6. Frau Döhring (Stuttgart) 24. 6. Döring (Düsseldorf) 2. 7. Dowidat 24. 6. Dröscher 2. 7. Eilers (Oldenburg) 24. 6. Frau Engländer 2. 7. Etzenbach 24. 6. Even (Köln) 23. 6. Gehring 24. 6. Geiger (Aalen) 24. 6. Gerns* 25. 6. Dr. Greve 2. 7. Günther 24. 6. Häussler 23. 6. Heiland 24. 6. Heye* 25. 6. Höfler* 25. 6. Horn 24. 6. Frau Dr. Hubert* 25. 6. Jacobi 24. 6. Jacobs* 25. 6. Jahn (Frankfurt) 2. 7. Dr. Kempfler 29. 6. Frau Klemmert 2. 7. Koenen (Lippstadt) 24. 6. Köhler 2. 7. Dr. Kreyssig* 2. 7. Kiihn (Bonn) 23. 6. Kühn (Köln)* 25. 6. Lücker (München)* 2. 7. Maier (Freiburg) 2. 7. Dr. Meyer (Frankfurt) 24. 6. Mischnick 23. 6. Paul* 25. 6. Pelster 26. 6. Frau Pitz-Savelsberg 23. 6. Rasch 25. 6. Frau Dr. Rehling* 25. 6. Frau Renger* 25. 6. Dr. Rüdel (Kiel) 26. 6. Ruhnke 26. 6. Sander 2. 7. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schmidt (Gellersen) 24. 6. Schneider (Hamburg) 24. 6. Dr. Schneider (Saarbrücken) 23. 6. Schoettle 24. 6. Schröder (Osterode) 24. 6. Schüttler 23. 6. Schütz (München)* 25. 6. Seidl (Dorfeis)* 25. 6. Dr. Serres* 25. 6. Dr. Siemer 25. 6. Stauch 23. 6. Striebeck 24. 6. Theil (Bremen) 25. 6. Frau Vietje 23. 6. Dr. Wahl* 25. 6. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 2. 7. Weinkamm* 2. 7. Frau Wessel 2. 7. Wittmer-Eigenbrodt 24. 6. Dr. Zimmer* 25. 6. Dr. Zimmermann 8. 7. b) Urlaubsanträge Bergmann* 2. 7. Berkhan* 2. 7. Birkelbach* 2. 7. Dr. Birrenbach* 2. 7. Dr. Burgbacher* 2. 7. Deringer* 2. 7. Engelbrecht-Greve* 2. 7. Dr. Dr. h. c. Friedensburg* 2. 7. Dr. Furler* 2. 7. Geiger (München)* 2. 7. Hahn* 2. 7. Illerhaus* 2. 7. Dr. Kopf* 2. 7. Lenz (Brühl) * 2. 7. Dr. Lindenberg* 2. 7. Margulies* 2. 7. Metzger*. 2. 7. Müller-Hermann* 2. 7. Odenthal* 2. 7. Dr. Philipp* 2. 7. Frau Dr. Probst* 2. 7. Richarts* 2. 7. Scheel* 2. 7. Dr. Schild* 2. 7. Schmidt (Hamburg)* 2. 7. Dr. Starke* 2. 7. Storch* 2. 7. Dr. Sträter* 2. 7. Frau Strobel* 2. 7. *) für die Teilnahme an der gemeinsamen Tagung des Europäischen Parlaments mit der Beratenden Versammlung des Europarates 6918 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. .Juni 1960 Anlage 2 Umdruck 668 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksachen 1423, 1893). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 1. Zu Nr. 4 § 6 Abs. 7 wird gestrichen. 2. Zu Nr. 4 Dem § 6 wird folgender neuer Absatz 8 angefügt: „ (8) Auf die Gesamtdauer der Wehrübungen wird der geleistete Kriegsdienst angerechnet." 3. Folgende Nr. 4 a wird eingefügt: ,4a. § 8 Abs. 2 erhält folgende neue Fassung: „ (2) Der Bundesminister für Verteidigung kann im Einzelfall Wehrdienst, der in fremden Streitkräften vor dem 31. Dezember 1945 geleistet wurde, auf den Wehrdienst nach diesem Gesetz ganz oder zum Teil anrechnen. Der Bundesminister für Verteidigung soll Wehrdienst, der in fremden Streitkräften nach dem 31. Dezember 1945 geleistet wurde, auf den Wehrdienst nach diesem Gesetz anrechnen, wenn der Wehrdienst auf Grund gesetzlicher Vorschrift geleistet wurde oder wenn der Bundesminister für Verteidigung ihm vorher zugestimmt hatte." 4. Zu Nr. 8 In § 13 Abs. 2 wird im ersten Satz das Wort „Vorschlag" durch das Wort „Antrag" ersetzt. 5. Zu Nr. 9 § 13 a Abs. 2 erhält folgende Fassung: „(2) Durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates wird bestimmt, 1. welche Jahrgänge der Wehrpflichtigen für Dienstleistungen im zivilen Bevölkerungschutz vorgesehen sind und nicht zum Wehrdienst herangezogen werden, 2. aus welchen sonstigen Jahrgängen die Wehrpflichtigen für Dienstleistungen im zivilen Bevölkerungsschutz vorgesehen werden können, die wegen ihrer beruflichen Tätigkeit, ihres militärischen Ausbildungsstandes und ihrer Ausbildung oder geplanten Verwendung für diesen Dienst erforderlich sind." 6. Zu Nr. 14 § 21 a Abs. 5 wird ersatzlos gestrichen. 7. Zu Nr. 18 Der bisherige Wortlaut der Nr. 18 erhält die Bezeichnung Buchstabe a; folgender Buchstabe b wird angefügt: ,b) Dem § 26 wird folgender Absatz 8 angefügt: „(8) Zur unentgeltlichen Vertretung von Wehrpflichtigen vor den Prüfungsausschüssen und Kammern für Wehrdienstverweigerer oder einem Verwaltungsgericht sind auch zugelassen Beauftragte a) einer Vereinigung, die von einer Landesregierung für solche Betreuung von Wehrdienstverweigerern anerkannt ist oder b) einer Kirche oder anerkannten Religionsgemeinschaft." ' 8. Zu Nr. 31 In § 47 b Nr. 1 erhält Satz 2 folgende Fassung: „Die kreisfreien Städte oder der Landkreis sind vor der Entscheidung zu hören." 9. Zu Nr. 31 § 47 c wird ersatzlos gestrichen. Bonn, den 22. Juni 1960 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 670 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Merten, Schultz, Probst (Freiburg) und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksachen 1423, 1893) . Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 1. In Nr. 10 wird folgender Buchstabe vor a eingefügt: ,vor a) Absatz 2 wird folgender Satz 2 angefügt: „Die Erfassung kann, insbesondere bei Wehrpflichtigen kriegsgedienter Jahrgänge, auch durch schriftliche Befragung durchgeführt werden." 2. In Nr. 10 erhält Buchstabe b folgende Fassung: ,b) Nach Absatz 4 wird folgender Absatz 5 anfügt: „ (5) Die anläßlich der Erfassung entstehenden notwendigen Auslagen der Wehrpflichtigen tragen die Länder. Sie erstatten auch den Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung. Borin, Donnerstag, den 23. Juni 1960 6919 durch die Erfassung entstehenden Verdienstausfall für diejenigen wehrpflichtigen Arbeitnehmer, die nicht unter das Arbeitsplatzschutzgesetz fallen." 3. Nach Nr. 12 wird folgende Nr. 12a eingefügt: ,12a. § 19 Abs. 8 wird folgender 'Satz angefügt: „Einem wehrpflichtigen Arbeitnehmer, der nicht unter das Arbeitsplatzschutzgesetz fällt, wird auch der durch die Musterung entstehende Verdienstausfall erstattet." 4. In Nr. 17 erhält Buchstabe c folgende Fassung: ,c) Absatz 4 Nr. 3 wird wie folgt ergänzt: „Dabei findet § 19 Abs. 8 Satz 2 und 3 entsprechend Anwendung." ' 5. In Nr. 23 erhält § 36 Abs. 2 Satz 2 folgende Fassung: „Sie unterliegen der Wehrüberwachung von der Prüfung ihrer Verfügbarkeit an." Bonn, den 23. Juni 1960 Dr. Jaeger Merten Schultz Probst (Freiburg) Frau Ackermann Balkenhol Bazille Berkhan Börner Draeger Eschmann Gerns Günther Heix Herold Josten Dr. Kliesing (Honnef) Kreitmeyer Kunst Lenze (Attendorn) Paul Pöhler Wienand
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich von Brentano


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)













    Sie haben z. B. die Vorträge in Kairo erwähnt und haben einige Themen genannt. Ich habe mir gerade den Bericht vom 15. Juni geben lassen und möchte daraus von den Themen, die im letzten halben Jahr behandelt worden sind, doch hoch folgende nennen: „Die deutsche Malerei des 20. Jahrhunderts", „Meine Erfahrungen als Praktikant in der deutschen Industrie", „Einführung in die arabische Musik", „Ich komme gerade von. Berlin zurück", „Eindrücke aus einer Reise nach Afghanistan", „Vorschau auf das Fernsehen in Ägypten", „Berliner Filmfestspiele", „Deutsche Malerei des 20. Jahrhunderts — die Künstler ,des Blauen Reiters' ", „Thomas Mann und das Problem des Künstlers", „Das Theater in Deutschland", „Das Fernmeldewesen in Deutschland", „Franz Werfel", „Bericht über die Ausstellung Documenta 1959 ", „Wie Deutschland die Jahre nach dem letzten Weltkrieg überstand", „Gedanken zur Ausbildung des technischen Nachwuchses in Deutschland", „So sah ich Deutschland", „Wege des deutschen Films in der Nachkriegszeit". Natürlich sind auch andere Themen dabei: „Die Pyramiden und Gräber des alten Ägyptens", „Das Sankt-Katharina-Kloster auf Sinai".
    Meine Damen und Herren, ich glaube, wenn Sie selbst die Aufgabe hätten, solch ein Vorlesungsverzeichnis zusammenzustellen, dann wäre es für Sie auch nicht ganz einfach, die richtigen Themen zu finden, weil zu den Themen auch immer die richtigen Redner gefunden werden müssen. Es ist ja nicht so, daß der Leiter eines Kulturinstituts über ein umfassendes Wissen wie ein Lexikon verfügt und sich selbst für alle diese Dinge zur Verfügung stellen kann. Er muß Sprecher und Redner in dem Institut finden, und das beschränkt die Themenwahl.
    Sie haben dann das Kulturinstitut in Madrid genannt und haben gesagt, ein dort behandeltes Thema sei gewesen: „Die vier abendländischen Figuren Faust, Hamlet, Don Quichote und Don Juan". Gut, aber in Madrid wurde weiter über folgende Themen gesprochen: „Das Bild und die Wirklichkeit in der ; Dichtung von Franz Kafka", „Robert Musil und der europäische Roman", „Das Problem von Arbeit und Entspannung in der deutschen Auffassung", „Gabriela Mistral und ihre Dichtung", „Der Wiederaufbau der Stadt Berlin", „Thomas Mann und die Kunst des Leitmotivs", „Die Situation der deutschen Universität", „Zur Struktur des modernen deutschen Romans", „Die Bildungsidee bei Thomas Mann", „Der Mensch in der modernen Medizin", „Die Wiener Schule und die zeitgenössische deutsche Musik — Berg, Schönberg, Webern". Da kann man ja nun nicht sagen, daß das alles verstaubte Themen seien.

    Bundesminister Dr. von Brentano
    Ich glaube, Sir sehen an dieser Auswahl, daß man sich in diesen Instituten -- sicherlich mit wechselndem Erfolg, ich gebe das zu — auch Mühe gibt, die Menschen mit der Gegenwart Deutschlands in in gendeiner Weise in Verbindung zu bringen.
    Ich wiederhole — ich hatte schon manches Gespräch darüber —: Was geschieht und was nicht Geschieht, hängt nun einmal weitgehend davon ab, ob man die entsprechenden Referenten zur Verfügung stellen kann. Das sind entweder Referenten, die im Lande leben, oder Referenten, die auf irgendwelchen Reisen dorthin kommen, mit denen man also mehr oder weniger zufällige Vereinbarungen treffen muß. Denn es ist ja unmöglich, diese Kulturinstitute etwa so auszustatten, daß sie sich für ihre Veranstaltungen jeweils die besten Referenten aus Deutschland kommen lassen könnten.
    Gerade in Kairo — ich habe mir den Bericht von Kairo einmal herausgelegt — zeigt sich die Aktivität eines größeren Kulturinstituts, und ich möchte es hier als Beispiel nennen. Im Haushaltsjahr 1959/60 fanden dort 184 Veranstaltungen mit 27 200 Besuchern statt. Diese Veranstaltungen gliederten sich in 59 Vorträge, 9 Rezitationsabende, 25 Konzerte, 5 Schallplattenabende, 43 Spielfilm- und 35 Kulturfilmvorführungen und 1 Kunstausstellung.
    In Barcelona ich nenne es, weil es ein kleineres
    Kulturinstitut ist — fanden im gleichen Zeitraum 39 Veranstaltungen statt: 14 Vorträge, 7 Konzerte, 10 Filmabende, 2 Kunstausstellungen und 6 Theateraufführungen. Allein die Bibliothek dieses Instituts wurde von über 17 000 Interessenten besucht.
    Meine Damen und Herren! Ich glaube, wenn ich diesen Bericht gebe, sagen zu dürfen: Es steckt eine ungeheure Menge an Arbeit hinter dieser Leistung. Überall, wo wir jetzt sind, hat die Arbeit ja erst or wenigen Jahren begonnen; und in allen diesen Ländern begegnen wir auch noch — dort mehr, dort weniger — gewissen Ressentiments, gewissen Vorbehalten. Ich bin der letzte, der nun sagen wollte, daß alles das, was in diesem Bereich geschehen ist, einwandfrei sei, und ich bin der letzte, der sagen würde, man könnte es nicht in allen Bereichen verbessern. Deshalb bin ich für jede kritische Anregung nur dankbar. Ich glaube aber, ich darf, ohne zu übertreiben, sagen: Was die Kulturabteilung in den letzten Jahren aufgebaut hat und was von den Kulturinstituten draußen geleistet wird, ist, alles in allem gesehen, wirklich gut und erfreulich. Ich habe auch eigentlich noch an keiner Stelle bei meinen Auslandsbesuchen eine ernsthafte Kritik gefunden. Natürlich habe ich kritische Bemerkungen über den einen oder anderen Beamten gehört, und ich bin mir ganz klar darüber, daß nicht alle Kulturreferenten ihrer Aufgabe voll gewachsen sind. Natürlich habe ich auch Kritik an einzelnen Veranstaltungen gefunden, ich habe auch kritische Bemerkungen über die Art der Durchführung einzelner Veranstaltungen gehört. Wenn ich aber der Sache nachgegangen bin, meine Damen und Herren, habe ich eigentlich immer wieder sagen müssen: Man hätte es vielleicht auch anders machen können; aber falsch war es nicht.
    Sie haben als Beispiel die Bach-Gesellschaft in Rom erwähnt. Sehen Sie, ich halte es eigentlich für eine sehr gute Sache, daß wir dort einen — allerdings ungewöhnlich qualifizierten — Mann als Leiter der Deutschen Bibliothek hatten — Sie kennen ihn auch: Herrn Dr. Raffalt —, dem es gelungen ist, eine Bach-Gesellschaft zu gründen, die heute ausschließlich — auch finanziell — von Italienern selbst getragen wird und die eine ganze Anzahl von ausgezeichneten Kammerkonzerten veranstaltet hat, die zuerst in den Räumen der Deutschen Bibliothek und dann, weil diese viel zu klein geworden waren, so viel ich mich erinnere, in den großen Sälen des Capitols veranstaltet wurden. Ich finde es eine ausgezeichnete Form, daß es hier einem Menschen gelungen ist, ein solches Interesse für die Musik Bachs und seiner Zeitgenossen zu wecken, daß eine von wirklich guten Menschen getragene deutsch-italienische Gesellschaft entstanden ist. Das ist natürlich kein Ersatz für Kulturpolitik. Aber wenn das eine Ausstrahlung einer bewußten Kulturpolitik ist, dann kann ich nur sagen: Wir haben Grund, das aufrichtig zu begrüßen. Gerade wenn solche Initiative entfaltet wird, kann man registrieren, ob die Kulturarbeit in diesem Lande wirklich schon Wurzeln geschlagen hat. Das gilt für das Beispiel, das ich eben nannte.
    Ein weiterer Punkt, von dem auch Sie schon gesprochen haben, ist die Förderung und Verbreitung der deutschen Wissenschaft durch die Entsendung von Professoren, Lektoren und Dozenten. Ich kann hier nur sagen, daß wir unser Menschenmöglichstes tun, um zusammen mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, mit dem Wissenschaftsrat, mit der Konferenz der Kultusminister und mit der Rektorenkonferenz jedesmal wieder eine Lösung zu finden. Aber das wird von Mal zu Mal schwieriger; denn es ist kaum mehr möglich, qualifizierte Wissenschaftler zu finden, die bereit und in der Lage sind, für zwei, drei Jahre ins Ausland zu gehen. Selbstverständlich spielt dabei auch die Frage ihrer materiellen Sicherung eine Rolle, aber es müßte möglich sein, diese Frage zu lösen. Bisher ist keine generelle Lösung dafür gefunden worden. Wir stehen vor der Schwierigkeit, die jungen Universitätslehrer, die jungen Professoren, die einen Ruf erhalten, zu überreden, diesen Ruf anzunehmen; denn sie laufen Gefahr, ihren Lehrstuhl an ihrer Stammuniversität in ihrer Heimat zu verlieren. Ich will gar nicht auf Einzelheiten eingehen. Ich habe schon manchmal darüber verhandelt und Gespräche mit den Kultusverwaltungen der Länder geführt. Oft habe ich großes Verständnis gefunden. Manchmal hat man mir aber auch gesagt: Wenn der Mann weggehen will, muß er es auf seine eigene Kappe nehmen. Der Lehrstuhl kann nicht unbesetzt bleiben; wir werden ihn dann anders besetzen. Und dann sagt mir der Mann: Ich kann natürlich nicht für drei Jahre ins Ausland gehen, wenn ich weiß, daß inzwischen mein Lehrstuhl besetzt wird; denn ich habe keinerlei Garantie dafür, daß ein Lehrstuhl in meiner Fakultät frei sein wird, wenn ich wiederkomme.
    Hier müssen wir die Zusammenarbeit auch mit den Kultusverwaltungen der Länder fördern. Ich
    6884 Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode -- 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1960
    Bundesminister Dr. von Brentano
    sagte bereits: Es ist sehr viel besser geworden, und wir haben immer wieder großes Verständnis gefunden; aber wir haben auf diesem Gebiet natürlich keine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit. Sie wissen, daß wir keine originären Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Kulturpolitik besitzen.
    Ein weiteres Mittel der Kulturarbeit sind — ich erwähnte es schon — Buchausstellungen, Gastspiele und insbesondere das weite Gebiet der Musik, weil die Musik im Ausland am leichtesten ankommt; sie setzt keine Sprachkenntnisse voraus.
    Wir haben eine Reihe von Ausstellungen in Vorbereitung, z. B. eine technische Ausstellung, die aus den Beständen des Deutschen Museums in München zusammengestellt wird und die Entwicklung der Technik im letzten Jahrhundert schildern soll. Sie wird insbesondere in den Entwicklungsländern gezeigt werden. Für das Jahr 1960 haben wir insgesamt sechs große und 17 kleinere Kunstausstellungen geplant — zum Teil sind sie schon durchgeführt —, die in etwa 35 Ländern gezeigt werden. Ferner beteiligt sich die Bundesrepublik an den internationalen Biennalen in Venedig und in Salzburg sowie an der Ausstellung des Europarats in Paris. Wir haben vor, vier Gegenausstellungen aus den Entwicklungsländern in der Bundesrepublik zu zeigen.
    Vor allem sind wir bemüht, auf dem Gebiet des Funks, des Films und des Fernsehens eine stärkere Aktivität zu entfalten. Heute schon gehen in etwa 40 Länder Bänder hinaus mit deutschen Rundfunksendungen, insbesondere mit Musik und Vorträgen. Die Nachfrage auf diesem Gebiet ist sehr stark und kaum zu befriedigen. Ich ließ mir jetzt sagen, daß der Filmbestand unserer Auslandsvertretungen schon etwa 200 Titel in etwa 10 000 Schmalkopien umfaßt. Etwa ein Fünftel ,dieser Filme liegt auch in englischer, spanischer oder französischer Synchronisation vor. Weiterhin gehen jeweils 200 Schmalkopien der Monatsschau „Deutschlandspiegel" in deutscher, französischer, englischer und spanischer Fassung an die Auslandsvertretungen. Ein neu hergestellter abendfüllender Film „Begegnung mit Deutschland" ist in etwa 100 Kopien und in 5 Sprachfassungen an die Auslandsvertretungen verteilt worden. Der Bestand an Spielfilmen ist allerdings noch sehr gering. Aber ich glaube, die Gründe kennen Sie auch. Die Produktion an guten Spielfilmen ist in Deutschland beklagenswert gering.
    Zu der Kulturarbeit gehört natürlich auch die Durchführung des Gästeprogramms, die Einladung von Ausländern in die Bundesrepublik. Wir laden, wie Sie wissen, Einzelgäste und Gruppen ein. Wir laden ein aus den Vereinigten Staaten, laus Frankreich, aus England, aus Finnland, aus der Vereinigten Arabischen Republik, aus Birma, aus Brasilien, aus Afrika, aus der Türkei. Der Deutsche Akademische Austauschdienst, der mit uns Hand in Hand arbeitet, erwartet im Jahre 1960 97 Gruppen mit insgesamt etwa 2650 Teilnehmern aus 23 Ländern.
    Ein besonderes Kapitel, über das ich mich allerdings hier nicht im einzelnen auslassen möchte, bilden die deutschen Auslandsschulen. Die Hälfte des gesamten Kulturetats wird zur Zeit für den Wiederaufbau des deutschen Auslandsschulwesens verwendet. Hier stellen sich Fragen. die wir einmal grundsätzlich diskutieren sollten. Die meisten dieser Schulen sind zunächst als Privatschulen deutscher Auswanderer in den letzten 100-120 Jahren entstanden. Sie haben dann etwa von 1900 ab Zuschüsse von Deutschland ,gefordert. Diese Zuschüsse sind jetzt nach dem zweiten Weltkrieg so hoch geworden, ,daß sie den Hauptanteil der Gesamtausgaben für die deutschen Auslandsschulen überhaupt ausmachen. Auf der anderen Seite haben sich in den letzten Jahren manche Dinge v ei ändert, vor allem in Südamerika, wo der Schwerpunkt dieser Schulen lag. Denn .die Staaten Südamerikas haben, nachdem sie ein stärkeres Nationalbewußtsein entfaltet haben, auch gewisse Änderungen vorgenommen. Es ist dort nicht mehr möglich, die eigentlichen deutschen Schulen aufrechtzuerhalten, Schulen also mit deutscher Unterrichtssprache und mit deutschen Lehrplänen. Wir haben auch nicht die Absicht, dort eine falsche Volkstumspflege zu entwickeln. Aber die Auslandsschulen in diesen Ländern haben damit einen anderen Charakter angenommen. Sie sind heute eigentlich ein Teil des Schulwesens des Gastlandes.
    Wir sollten uns fragen, ob wir auf unbestimmte Zeit hinaus diese Last tragen wollen, ob wir nicht die erheblichen Mittel, die dort laufend investiert werden müssen, besser in anderen Bereichen verwenden. Das heißt nicht, daß ich dafür plädiere, etwa alle Schulen in absehbarer Zeit zu schließen oder die Zahlung der Zuschüsse einzustellen. Aber wir müssen vielleicht eine Auswahl vornehmen und prüfen, wo es noch wirklich sinnvoll ist, Schulen zu unterhalten. Die übrigen Schulen sollten wir den zuständigen Ländern ganz in die Hand geben. -Das ist eine Frage, die ich nur stelle, die ich nicht beantworten möchte. Aber ich bin mir darüber klar, daß sie eine Antwort verlangt. Denn die Last, die wir mit diesen Schulen tragen, wird — ich wiederhole es — von Jahr zu Jahr größer. Ich glaube, daß der kulturelle Effekt nicht ganz im richtigen Verhältnis zu der Leistung steht, die wir erbringen.
    Das ist aber ein Problem, das sich bei unserer Kulturarbeit überhaupt stellt. Die Planung der Kulturarbeit muß immer langfristig geschehen, und die Wirkung der Kulturarbeit kann immer erst nach gewissen Zeiträumen übersehen werden. Ich denke zum Beispiel an die Verbreitung der deutschen Sprache durch eine deutsche Schule. Die Wirkung zeigt sich erst, wenn die ersten Schüler diese Schule verlassen haben und beruflich tätig geworden sind, also nach 20 oder 30 Jahren. Deswegen lege ich auch so großen Wert darauf, daß wir in der Kulturabteilung langfristig planen. Gerade Herr Ministerialdirektor Sattler hat in wiederholten Aussprachen mit Recht darauf hingewiesen, daß es für seine Arbeit unerläßlich ist, langfristig zu planen, daß er also in der Lage sein muß, soweit es das überhaupt gibt, auch in die Zukunft zu planen, daß er wissen muß, was ihm auch in den kommenden Jahren etwa zur Verfügung steht. Nur ein kleiner Teil der Aufgaben des kulturellen Bereichs, soweit er die Auslandsarbeit betrifft, gestattet eine Planung von



    Bundesminister Dr. von Brentano
    heute auf morgen. Ein Gastspiel laßt sich noch innerhalb kurzer Zeit durchführen. Aber schon die Planung einer Ausstellung verlangt Wochen, Monate und manchmal Jahre. Die Errichtung einer Schule oder die Errichtung eines deutschen Kulturinstiuts verlangt mindestens den gleichen Zeitraum für die Planung. Deswegen — ich wiederhole es — scheint mir eine langfristige Planung unerläßlich zu sein.
    Natürlich muß diese Planung auch eine gewisse Beweglichkeit offenlassen. Ich kann in diesem Bereich niemals heute eine Planung aufstellen, an die ich morgen unbedingt gebunden bin. Wir müssen auch der Entwicklung genügend Rechnung tragen. Wir müssen in der Lage sein, das, was wir gestern für richtig gehalten haben, heute neu zu gestalten. Das sind Fragen, auf die ich hier im einzelnen nicht eingehen will.
    Ich kann nur wiederholen, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung diese besonderen Aufgaben sehr ernst nimmt und daß insbesondere das Auswärtige Amt und das kann ich auch von mir persönlich sagen — sich völlig darüber im klaren ist, daß hier ein ganz besonders wichtiges Gebiet von uns zu bearbeiten ist. Diese Arbeit ist wirklich für das Zusammenleben der Völker, für das Verständnis anderer Völker für Deutschland, aber auch für das Verständnis Deutschlands für andere Länder von außerordentlicher Bedeutung. Ich sagte schon, wir sind sehr glücklich, daß die Mittel im laufenden Haushaltsjahr um über 50 % erhöht worden sind.
    Wir versuchen — um auch das zu sagen — natürlich auch, uns in technischer Beziehung zu entlasten, damit diese Mittel sinngemäß und zweckmäßig verwendet werden. Wir können nicht alles allein vom Auswärtigen Amt aus bearbeiten. Deswegen haben wir eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, mit dem Goethe-Institut in München, mit dem Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart, mit der Carl-Duisberg-
    Gesellschaft, mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, mit dem Pädagogischen Austauschdienst und mit anderen Institutionen. Diese Arbeitsteilung hat sich bewährt.
    Auch ich habe mir schon Gedanken darüber gemacht, ob man etwa dem Beispiel Großbritanniens folgen und so etwas gründen sollte wie das, was man dort „British Council" nennt. Ich glaube nicht, daß bei uns die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Ich halte es für besser, daß wir weiterhin so verfahren, wie wir es jetzt tun, daß wir uns also auch in Zukunft dieser Institute bedienen. Ich will, soweit es geht, Einzelaufgaben vom Auswärtigen Amt abgeben.
    Dafür ein Beispiel! Sie haben sich mit Recht darüber beschwert, daß Schwierigkeiten bei der Besoldung von Auslandslehrern entstanden sind. Damit haben wir viel Ärger gehabt, ich weiß es. Wir haben uns neulich darüber unterhalten und uns entschlossen, die ganze Besoldung der Auslandslehrer an das Bundesverwaltungsamt in Köln abzugeben. Wir sind der Meinung, dort sind die richtigen Leute, die das machen können. Bei uns ist das in der Kulturabteilung immer nur so als Annex geführt worden. Es bedeutet für Leute, die sonst mit diesen Dingen nichts zu tun haben, eine ungeheure Zumutung, sich da einzuarbeiten. Dabei entstehen höchst unerwünschte Verstimmungen. Auch ich habe Briefe von Lehrern bekommen und kann sagen, ich habe durchaus begriffen, daß die Leute böse waren, wenn das eine oder andere nicht klappte, wenn die Abrechnungen nicht kamen oder das Geld zu spät überwiesen wurde. Wie gesagt, wir versuchen da- durch, daß wir diese Aufgaben nach Möglichkeit abgeben, auch hier das Amt entsprechend zu entlasten.
    Meine Damen und Herren, abschließend kann ich nur sagen, ich bin weit davon entfernt, hier zu behaupten, alles, was im Bereich der ausländischen Kulturarbeit geschehe, sei vorbildlich. Aber ich glaube wohl sagen zu dürfen, daß wir uns in den vergangenen Jahren bemüht haben, immer weiter aufzubauen. Ich bin sehr glücklich — ich sage das hier ohne jede Einschränkung —, daß ich in der Person des neuen Leiters der Kulturabteilung, in Herrn Ministerialdirektor Sattler, einen ausgezeichneten Mitarbeiter gewonnen habe. Ich habe den Eindruck, daß er mit großer Energie und großem Verständnis an diese schwierige Aufgabe herangeht. Unsere Zusammenarbeit ist ausgezeichnet.

    (Beifall.)

    Ich glaube, er wird sich auch in der Zusammenarbeit mit dem Bundestag jederzeit so bewähren, daß Sie, wenn die Mittel bewilligt werden sollen, gebefreudiger werden als seither.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich muß zunächst einmal feststellen, ob eine Aussprache gewünscht und ausreichend unterstützt wird. Ich darf dazu um Ihr Handzeichen bitten. Ich muß mindestens 30 Hände sehen. —Das dürften 30 sein. Wir treten in die Aussprache ein. Dazu hat sich zunächst Herr Dr. Martin gemeldet.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Berthold Martin


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den Reden, die wir heute gehört haben, den beiden Reden von Herrn Kühn und der des Herrn Außenministers, sind so ungefähr alle Punkte angeschnitten worden, die es in der auswärtigen Kulturpolitik zu bedenken gibt. Trotzdem scheint mir, daß wir noch nicht dahin gelangt sind, wohin wir meiner Meinung nach mit dieser Aussprache kommen sollten. Herr Kühn hat gesagt, daß über Kulturpolitik im Ausland seit langem nicht mehr gesprochen worden ist. Es wäre also heute, wie er gesagt hat, unsere Aufgabe, einmal einiges zu den Grundlinien und zu den Grundsätzen unserer kulturellen Beziehungen zum Ausland zu sagen. Das ist bis jetzt noch nicht genügend geschehen.
    Herr Kühn, im Grunde genommen hat die letzte Aussprache über auswärtige Kulturbeziehungen im Deutschland im Jahre 1928 stattgefunden, und zwar anläßlich einer Rede, die Stresemann damals



    Dr. Martin
    im Reichstag gehalten hat. Ich habe diese Rede soeben noch einmal durchgelesen und muß sagen, daß es anscheinend weder unter dem Mond noch im Bundestag immer Neues gibt; denn die Fragen, die Sie hier angeschnitten haben, Herr Kühn, und die den Herrn Außenminister beschäftigten, sind in dieser Rede in einer eigentümlichen und, wie ich glaube, tiefgreifenden Weise behandelt worden. Ich darf Ihnen mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Präsidenten einiges aus dieser Rede zitieren. Es heißt darin:
    Ich möchte aber in bezug auf eine Frage für die zukünftige Gestaltung des Etats eine Forderung anmelden. Es ist oft behauptet worden, daß im Auswärtigen Amt die Abteilung VI, die Kulturabteilung, als der Train angesehen wurde, zu dem hochgeborene Herren ungern hingingen. Wenn ich irgend jemand im Auswärtigen Amt kennte, der diese Auffassung verträte, dann würde ich der Meinung sein, daß er damit zum Ausdruck bringt, daß er sich selbst für das Auswärtige Amt nicht eignet.
    Herr Kühn, Sie haben das bei weitem nicht so gut gesagt wie Herr Stresemann.

    (Heiterkeit und Zurufe.)

    Er fuhr fort:
    Denn wenn in irgendeiner Zeit, so haben diese kulturellen Fragen für Deutschland — nicht nur in kultureller Beziehung, sondern auch in außenpolitischer Beziehung — jetzt eine ganz ungemein große Bedeutung.
    Die heutige Debatte hätte einen Sinn, wenn der seit dem Jahre 1928 unternommene Versuch endlich gelänge, der Kulturpolitik im Ausland den ihr zustehenden Rang zu geben. Dann würde die heutige Debatte eirien positiven Zweck erfüllen. Ich meine, wir sollten das versuchen. Herr Kühn, es hat keinen Sinn, wenn Sie, dem seelischen Mechanismus eines Mannes, der zur Opposition gehört, folgend, sagen, die Fehler lägen bei der Regierung. Das ist in dieser Sache nicht wahr. Herr Kühn, es geht um die Tatsache, daß weite und weiteste Kreise für dieses Thema innerlich einfach nicht zu engagieren sind. Die Regierung kann tun und lassen, was sie will, sie kann den schönsten Apparat aufbauen, sie kann ihn perfektionieren, wie sie will, — wenn nicht vom Studenten bis hinab zu der Wirtin, die das Zimmer vermietet, und quer durch unser ganzes Volk die nötige Bereitschaft da ist, werden diese Bemühungen umsonst sein. Wir können uns natürlich sehr viel vorhalten. Ganz bestimmt ist in den Instituten dieses und jenes geschehen, und man kann leicht sagen, in dem anderen ist etwas anders geschehen. Aber das ist im Grunde genommen ein Verfahren, das uns in der Betrachtung der Dinge nicht weiterbringt, sondern eher aufhält.
    Wir haben von der CDU im Januar 1959 eine Anfrage an die Regierung gerichtet, die inhaltlich dasselbe besagt wie das, was die Große Anfrage der SPD jetzt wiederholt, die hier zur Aussprache geführt hat. Wir haben damals gefragt:
    Welche Beiträge hat die Bundesregierung bisher zur Förderung der kulturellen Beziehungen leisten können?
    Welche Unterstützung findet die Bundesregierung bei diesen Bemühungen durch die Länderregierungen?
    Von welchen Grundsätzen läßt sich die Regierung bei der Pflege ihrer kulturellen Beziehungen zum Ausland leiten?
    Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung bei der Pflege der kulturellen Beziehungen zum Ausland gemacht?
    Das ist im Grunde genommen dieselbe Fragestellung, die Sie heute vorgetragen haben.
    Wir haben uns ein Bild über die tatsächlichen Leistungen verschafft. Der Herr Minister hat das heute in extenso vorgetragen. Wir haben aber auch nach der Organisation und nach der Konzeption einer Kulturpolitik im Ausland gefragt. Wir haben dazu die Arbeit der Franzosen, der Engländer, der Amerikaner und der Russen analysiert, uns die Zahlen vergegenwärtigt und uns gefragt, was wir selber tun können. Nach meiner Meinung kommt es für den Bundestag und die Regierung darauf an, in diesem Jahr die Phase des Aufbaus abzuschließen und sich zunächst einmal in der Organisationsform festzulegen. Ich teile nicht die Meinung, daß man damit noch warten könne, denn hier haben wir es mit einem Gegenstand zu tun — ich werde das nachher noch ausführen —, der keine Verzögerung mehr verträgt. Wir sollten diese Diskussion heute und hier abschließen.
    Zweitens sollten wir eine Konzeption entwickeln, die, wie Bruno Werner gesagt hat, aus der Phase des Dilettantismus herausführt und unsere kulturellen Beziehungen auf langfristige Planungen zu stellen vermag.
    Und schließlich kommt man auch in der Kultur und gerade in ihr nicht ohne Geld aus. Wir haben uns also darüber zu äußern, was wir auf diesem Gebiet zu tun bereit sind.
    Unsere Kleine Anfrage spricht mit Bedacht und bezeichnenderweise nicht von Kulturpolitik, nicht von Kulturdiplomatie, nicht von Kulturpropaganda, auch nicht von Kulturarbeit, sondern von ,,Kulturbeziehungen zum Ausland". In der Wahl des Wortes haben wir bereits eine Antwort auf eine Frage gegeben, die Herr Kühn heute in diesem Hause gestellt hat, die Frage nämlich, wie sich denn kulturelle Beziehungen zum Ausland zur Außenpolitik überhaupt verhalten. Ich würde sagen, sie sind ein Teil der auswärtigen Beziehungen, und deswegen haben wir das Wort gewählt. Sie stehen im Rahmen der Außenpolitik, nicht losgelöst von ihr, aber doch so, daß den besonderen Bedingungen und Voraussetzungen der Kulturpolitik Rechnung getragen werden kann.
    In allen führenden Staaten ist heute bei der Kulturpolitik im Ausland in bezug auf Organisation und Finanzen das Außenministerium führend. Das ist der Fall auch bei den Lösungen, die uns als freiheitliche angeboten werden, etwa beim British



    Dr. Martin
    Council, bei der Alliance Française. Diese Organisationen operieren keineswegs im leeren Raum; nein, sie haben eine durch Tradition und Konvention gesicherte Beziehung zur Außenpolitik und stellen nicht etwa den Prototyp einer völlig freien Organisation dar. Auf der einen Seite ist es so, daß das Auswärtige Amt die Führung der Außenpolitik übernehmen muß, weil es sich um eine große politische Verantwortung handelt. Es stimmt, daß sich Bundestag und Auswärtiger Ausschuß die Dinge nicht aus der Hand nehmen lassen können. Auf der anderen Seite ist es aber doch auch völlig richtig, daß Kulturpolitik — die Wortzusammenstellung, meine Damen und Herren, weist schon darauf hin — unter anderen Bedingungen steht, und zwar unter solchen, die es notwendig machen, daß der freie Bereich herangezogen wird. Der Staat kann weder im Inland noch im Ausland von sich aus Kulturpolitik machen. Er ist dabei darauf angewiesen, das, was schöpferische, geistig tätige Menschen spontan schaffen, zu übernehmen. Er ist also auf die Mitwirkung von Theatern, Orchestern, Museen, Universitäten, Vereinen, Organisationen und dergleichen mehr angewiesen. Solche Organisation der Kultur kann man nicht einfach in die Hände nehmen, ohne sie zu schädigen. Man braucht ihre Hilfe und ihre Mitwirkung. Ich bin sehr wohl der Meinung, daß bei einer Ordnung der Kulturpolitik im Ausland darauf Rücksicht zu nehmen ist. Ich werde gleich noch sagen, wie.
    Das Problem kompliziert sich in Deutschland ganz außerordentlich, weil dem Bund, dem eine klare Kompetenz für auswärtige Kulturpolitik gegeben ist, selbst keine Kompetenz im Inland für den Bereich der Kultur gegeben ist. Hierfür sind die Länder zuständig. Überlegt man sich das Ganze, so sieht man, daß die auswärtige Kulturpolitik in ihrer Wirksamkeit von dem ungemein komplizierten Organismus der deutschen Kultur abhängig ist.

    (V o r sitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

    Herr Dr. Sattler hat es zu tun mit den elf Landesministern, mit der Ständigen Konferenz der Kultusminister, mit der Rektorenkonferenz, mit neun sehr einflußreichen Organisationen, die aus dem Haushalt finanziert werden. Die Zahl der Organisationen, die gebraucht werden, beträgt etwa 100. Es ist klar, daß in dieser Situation das Bedürfnis aufgetreten ist, einmal mit einer ordnenden Hand in dieses Gestrüpp der Zuständigkeiten hineinzugehen.
    Seit 1957 gibt es in Deutschland eine Diskussion darüber, wie man die Kulturpolitik im Ausland wirkungsvoller gestalten könne durch organisatorische Straffung, wie man ein System entwickeln könne, in dem die Grundverantwortung von Regierung und Parlament für die Grundsätze, für die Richtlinien gewahrt ist, bei der aber gleichzeitig der freie Sektor des kulturellen Schaffens in angemessener Weise zur Geltung kommen kann. Einer unserer Kulturattachés hat die Bildung einer, wie er sich ausdrückt, mächtigen Organisation, mit großen finanziellen Mitteln ausgestattet und frei von allen ministeriellen Bezügen, nach dem Vorbild des „British Council" vorgeschlagen. Er meint, nur so sei es möglich, aus dem Gestrüpp der Zuständigkeiten herauszukommen. Er fürchtet sogar, daß sich die deutsche Kulturpolitik im Ausland in Überschneidungen, in Zuständigkeiten, Kompetenzen und dergleichen Dingen totlaufen könne.
    Die Diskussion ist dadurch abgekürzt worden, daß die Kultusministerkonferenz in ihrer 70. Plenarsitzung am 8. Februar 1959 beschlossen hat, all diese Vorstellungen abzulehnen, auch die Vorstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die ich hier nicht diskutieren will, auch die weitergehenden Vorstellungen von Herrn Professor Richter, einen eigenen Staatssekretär im Bundeskanzleramt zur Straffung der Organisation zu bestellen. Ich würde es für falsch halten, wenn man diesen Gedanken für erledigt erklärte. Verstehe ich es recht, dann ist der Gedanke von Werner, von Richter und von Steltzer weitgreifender. Ihnen geht es darum, die freien schöpferischen Kräfte des kulturellen Lebens zur Geltung zu bringen.
    Ich glaube, daß das ein legitimes Anliegen ist. Wir haben deshalb in langen Überlegungen versucht, in dieser Situation Klarheit zu schaffen und, wie ich glaube — Herr Kühn deutete es schon an —, jetzt eine Situation geschaffen, die, wie mir scheint, in glücklicher Weise die beiden Prinzipien staatliche Führung und freie Initiative in eine gute Ordnung gebracht hat. Bis zum Jahre 1962 — das ist die Verfügung des Bundesaußenministers — werden alle Kulturzentren im Ausland in die Obhut des Goethe-Instituts überführt sein und damit nicht mehr der staatlichen Reglementierung, sondern der freien Initiative des Goethe-Instituts zur Verfügung stehen. Daß freie Initiative beim Goethe-Institut kein leeres Wort ist, geht daraus hervor, daß sich diese Institution zu 53,4 % aus eigenen Einnahmen finanziert. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß eine Organisation mit diesem Rückhalt ein echter Partner der Abteilung VI des Auswärtigen Amtes zu werden vermag.
    Es ist dafür gesorgt worden, daß eine Fülle von Verwaltungsarbeit, die die Abteilung VI bisher belastet hat, delegiert wird. Ab 1. Juli werden die Besoldung der Lehrer, die Zahlung von Beihilfen, die Gratialzahlungen und dergleichen an die Bundesverwaltung beim Innenministerium delegiert sein. Dadurch werden — das war eine Ihrer Forderungen — viele Kräfte in dem Amt selbst für größere Aufgaben frei.
    Der Herr Bundesminister hat in den letzten Tagen den von Ihnen erwähnten Herrn Raffalt durch Asien geschickt, um für jedes einzelne Institut studieren zu lassen, wie man die Dinge am besten macht. Wenn sich das Goethe-Institut so entwickelt und nachdem die großen Organisationen, DAAD, VDS etc., die dem Amt zur Verfügung stehen, sich zu einer Arbeitsgemeinschaft für kulturelle Beziehungen mit dem Ausland zusammengeschlossen haben, haben wir de facto ein Äquivalent für den British Council, freilich eins, das aus deutschen Erfahrungen und auf deutschem Boden gewachsen ist und dem gegenwärtigen Zustand unserer Arbeit entspricht.
    Meine Damen und Herren, wenn wir heute eine Ideal- und Endlösung suchten, so würden wir in Zu-



    Dr. Martin
    ständigkeitsdiskussionen hineingeraten, die eine ernsthafte Gefährdung der auswärtigen Kulturpolitik bedeuten würden.
    Ich glaube, die Frage des Personals in der Kulturarbeit muß hier besonders betont werden. Sie haben sie schon angesprochen, vielleicht mit etwas anderen Akzenten. Vor zwei Jahren hat Herr Dr. Thiele eine Studie über die Ausbildung der Kulturattachés vorgelegt, und ich muß sagen, daß sie in vielem die Situation genau beschreibt. Wenn wir der Auffassung sind, daß Kulturpolitik im Ausland heute eine ganz wesentliche Aufgabe ist, dann müssen wir ganz konkrete Schritte unternehmen. Die Wertung der Kulturpolitik im Ausland und die Wertung der Mitarbeiter im Amt und in den Botschaften hängt einfach von ihrer Laufbahn, von ihrer Vorbildung und von ihren Aufstiegschancen ab. Es hat gar keinen Zweck —gerade in der Kulturpolitik sollte man das nicht tun —, Leute mit Idealen hochzuzurren und sie im übrigen, was das Materielle angeht, unten zu lassen. Es ist klar, daß ein Kulturattaché eine ganz andere Ausbildung braucht als ein durchschnittlicher Diplomat. Es ist heute üblich, daß Diplomaten Englisch und Französisch sprechen. Sie haben den „Häßlichen Amerikaner" erwähnt, Herr Kühn, aus dem man ja unter anderem lernen kann, daß die ganze Diplomatie auf der Erde Englisch und Französisch spricht. Die Amerikaner haben angegeben, daß es bei ihnen nur drei Botschafter gibt, die eine Landessprache sprechen. Es ist ganz unmöglich, heute Kulturpolitik zu treiben, wenn man nicht die Sprache des Landes kennt. Es ist ganz unglaubwürdig, wenn man sagt, man macht Kulturpolitik auf der Stufe des Austausches und in Partnerschaft, und nicht gleichzeitig bereit ist, das zu lernen, worin die Kultur ihr Gehäuse hat, nämlich die Sprache. Es ist völlig unsinnig, etwas anderes anstreben zu wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man kann aus Gründen der Sprache einen Kulturattaché nicht vom Osten nach dem Westen und vom Norden nach dem Süden schicken. Es ist niemandem zuzumuten, z. B. Burmesisch zu lernen und dann in Washington zu landen, wo er höchstens Seltenheitswert hat. Das heißt ganz schlicht, daß ein Kulturattaché sich persönlich für eine Lebensaufgabe entscheiden muß und daß er beispielsweise im asiatischen oder im afrikanischen Raum bleibt. Anders ist es nicht möglich, die Kultur eines solchen Raumes in sich aufzunehmen und die Sprache zu beherrschen. Das begrenzt freilich die Möglichkeit der Versetzbarkeit der Kulturattachés; aber das würde ich in Kauf nehmen.
    Der andere Einwand, Herr Außenminister, daß Diplomaten rundum gebildet sein müssen, macht in diesem Zusammenhang keinen tiefen Eindruck. Ein solcher Attaché muß natürlich etwas von Völkerrecht, vom Protokoll etc. wissen. Ich bin in dieser Beziehung etwas konservativer als Herr Kühn, weil ich glaube, daß man durchaus formvollendet essen kann, ohne Reaktionär zu sein, — —

    (Abg. Kalbitzer: Wir essen auch nicht mit den Fingern!)

    — Das habe ich nie behauptet, Herr Kalbitzer; das war ein Ausrutscher.
    Was hier gesagt worden ist, war jedoch kein Einwand. Das ist in der ganzen Welt so. Man hat sich hier mit dem zu trösten, was Burckhardt gesagt hat: In der Wissenschaft muß man sich spezialisieren; man muß an einer Stelle Spezialist sein, und man soll an möglichst vielen Stellen, damit man die Ubersicht nicht verliert, ein guter Dilettant sein.
    Ich bin fest überzeugt, daß der Erfolg der Kulturarbeit in hohem Maße davon abhängig ist, ob wir bereit. fähig und willens sind, eine solche Sonderausbildung der Kulturattachés in dem eben umrissenen Sinne zu riskieren. Ob das über Universitäten, Institute oder das Auswärtige Amt selber geht, ist eine Frage, die dahingestellt bleiben mag.
    Ganz am Rande will ich sagen — um das aufzunehmen, was Herr Kühn hier ausgeführt hat und womit ich einverstanden bin —: es geht hier darum, die gesamte Einstellung zu dieser Frage zu ändern. Das betrifft primär das diplomatische Corps. Es ist keine kulturelle Betätigung, wenn ein Botschafter Möbel oder seltene Teppiche sammelt. Es kommt darauf an, daß das Bewußtsein, daß 50 % seiner Aufgaben kulturpolitischer Natur sind, einen Botschafter nicht verläßt. Ich würde meinen, daß wir uns sehr energisch darum zu kümmern haben, daß wir in dieser Frage von der Exekutive nicht im Stich gelassen werden.
    Damit möchte ich den ersten Teil beenden und zusammenfassend sagen: was an Organisation empirisch entwickelt worden ist, scheint mir eine l gute und wirksame Form zu sein. Es hat keinen Sinn, in dieser Sache mit Idealvorstellungen zu operieren.
    Das gilt auch für die zweite Frage, welche Konzeption bei unseren kulturellen Beziehungen gültig sein soll. Die Abteilung 6 des Auswärtigen Amtes hat unter ihren verschiedenen Direktoren — unter demselben Minister — sehr klug gehandelt, als sie mit Rücksicht auf die geistige Situation Deutschlands nach 1945 und die politische Situation in Europa und in der Welt zunächst einmal abgewartet hat, was geschah. Angesichts der ungeheuren Hypotheken, die auf unserem Lande lasteten, war das richtig. Die Überraschung dieser Zeit war, daß ein Bedürfnis nach deutscher Kultur in einem Ausmaß vorhanden war, wie wir es uns nicht haben vorstellen können. Hier ist ein Vergleich mit der Weimarer Republik ganz interessant. Stresemann sagte in der soeben schon einmal zitierten Rede:
    Ich warne Sie vor einem anderen. Vielleicht
    geht 'das über meinen Ressortstandpunkt hin-
    aus. Ich sehe mit Schrecken, wie die Zahl der
    ausländischen Studenten in Deutschland gegen-
    über ,der früheren Zeit zurückgegangen ist.
    Die Weimarer Republik, meine Damen und Herren, hatte damit zu kämpfen, überhaupt Studenten nach Deutschland zu bekommen, während wir heute — welcher Wandel der Zeiten! — von der immer noch steigenden Zahl von Studenten fast erdrückt werden. So ist es auch auf all den anderen Gebieten gegangen.



    Dr. Martin
    Die Gestalt der gegenwärtigen Kulturarbeit ist im Grunde genommen die Frucht dieser zehn Jahre, in denen es gelang, primär zunächst mit den Mitteln 'der Politik, 'dann mit denen der Wirtschaft, dann mit denen der Information und schließlich mit denen der Kultur Vertrauen in der Welt zurückzugewinnen. Es ist doch erstaunlich, daß ein völlig zerschlagenes Land nach so kurzer Zeit — seit 1952 besteht diese Abteilung wieder 400 Schulen in Gang gebracht hat und alles das erreicht hat, was Sie heute von dem Herrn Minister gehört haben.
    Aber ich will mich damit nicht um die kritischen Fragen herumdrücken, die Herr Kühn hier vorgelegt hat. Er verlangt Trennung von Propaganda und Kulturpolitik, eine sorgsame Handhabung der Kulturpolitik innerhalb ;der Außenpolitik und plädiert, wenn ich ihn recht verstanden habe — ich bitte, mich zu korrigieren —, für eine gewisse Autonomie der Kulturpolitik, die Sie, Herr Kollege, wohl aus dem Begriff der Kultur selbst ableiten.
    Ich möchte hier vor einem warnen, nämlich davor, daß wir auch in dieser Frage allzu theoretisch sind. Die Dinge stehen so, daß die Bundesrepublik Deutschland, Europa und der Westen in der Kulturpolitik überhaupt keine Wahl haben, sondern auf dem internationalen Felde gestellt sind und gefragt sind, ob sie mit ihrer Kultur überleben wollen oder ob sie dem Ansturm einer ganz anderen Zivilisation nachgeben wollen. Das ist die Frage. Wir stehen vor einem ungeheuren Anprall sowjetischer Kulturpolitik und sowjetischer Kulturpropaganda. Die große Frage, die gestern hier besprochen worden ist und die ich nur anzurühren brauche, ist, ob in diesem weltweiten Ringen die Afrikaner und Asiaten den Weg finden nicht in eine kapitalistische Welt, sondern zu einer Entwicklung ihrer eigenen afrikanischen oder asiatischen Persönlichkeit, die soweit auf unsere Grundkonzeption von Kultur zurückgreift, daß ein Zusammenleben, eine Partnerschaft mit diesen Erdteilen möglich ist.
    Es ist so, wie wenn ein Weltgespräch stattfände. Wer sich ausschließt, ist nicht da. Überall gibt es dieselben Fragen, die durch die Technik hervorgerufen worden sind, Fragen, die durch die Massennot in Afrika und Asien hervorgerufen worden sind, Fragen der inneren Auseinandersetzung mit einer technisierten Welt, überall in Ost und West dieselben Fragen, aber in charakteristisch verschiedener Weise die kulturelle Antwort auf diese Frage. Darauf kommt es an, und das möchte ich Ihnen jetzt sagen, Herr Kühn. Ich will versuchen, das zu formulieren.
    Der Bolschewismus handelt in seienr gesamten Politik uniform, ob er Wirtschaft treibt, militärisch agiert, kulturpolitisch handelt, sozial vorgeht, immer handelt er nach der anthropologischen Voraussetzung, daß der Mensch das Ergebnis der Produktionsverhältnisse ,und der gesellschaftlichen Situation sei und einen eigenen Daseinswert gar nicht habe, während der Westen den Kern des christlich-antiken Erbes festgehalten hat, nach dein die Personalität des Menschen ein eigener und sinnstiftender Vollzug ist. Ob wir Wirtschaftspolitik treiben oder etwas anderes tun, immer liegt das zugrunde, immer handelt ,es isich darum, daß im Osten zentralistisch, planwirtschaftlich, im Westen personalistisch, dezentral, marktwirtschaftlich gehandelt wird.
    Insofern gibt es ganz in der Tiefe der Politik keine unterschiedliche Begründung mehr. Alle diese Weisen politischen Handelns werden durch ,den kulturellen Willen zusammengefaßt. Ich bejahe hundertprozentig, was Bruno Werner gesagt hat: Es geht in der kulturpolitischen Arbeit um die Erhaltung, uni die Bewahrung, um die Verteidigung der eigenen Kultur angesichts der aufsteigenden Völker Asiens und Afrikas und angesichts des Bolschewismus. Meine Damen und Herren, das muß man im Auge haben, wenn man die Auseinandersetzung beschreiben will, um die es hier geht.
    Nun muß ich Herrn Kühn etwas Schmerzliches antun. Er hat bei seinen Ausführungen über eine Konzeption der Kulturpolitik — er hat sehr viele Bemerkungen dazu gemacht — gesagt, es komme darauf an, die Kulturpolitik zu demokratisieren. Nun, Herr Kühn, da sind Sie einige Pferdelängen hinter mir zurück, und zwar aus folgendem Grund. Auf der großen Tagung in Bergneustadt, auf der sich die Sozialdemokratische Partei über eine kulturpolitische Konzeption klarzuwerden versuchte, hat .gerade Carlo Schmid eine Ansicht von Kultur vorgetragen, die dem, was Sie wollen, nicht entspricht. Er sagte, er wolle unter Kultur nicht mehr verstehen als die Dinge, die dem Menschen eine Bereicherung seines Wesens zubringen, die ihm nicht durch das, was er schon hat, sowieso zuwachsen. Damit ist nicht gesehen, ,daß Arbeit ein Medium der Bildung ist. Das zu sagen, meine Damen und Herren, ist Ihnen dort nicht gelungen, Ich möchte Ihnen folgendes sagen: gerade bei der Arbeit in den unterentwickelten Ländern — da gebe ich Ihnen recht — kommen wir mit Mozart und Schiller allein nicht durch, sondern dort kommt es darauf an, zu zeigen, das die anthropologischen Voraussetzungen, die hinter unserer Kulturpolitik und unserer Politik stehen, es den Afrikanern und Asiaten sehr wohl möglich machen, ein sozialökonomisches Modell zu finden, das es ihnen erlaubt, in Freiheit und ohne den Terror des Bolschewismus ihre spezifischen Probleme zu lösen.
    Wilfried Böll hat den Ausführungen von Carlo Schmid widersprochen — wie Sie sicherlich gelesen haben werden — und hat selbst, sozialkritisch nach allen Seiten operierend, viel Gescheites gesagt. Aber zu einer Konzeption verdichtet sich das nicht.
    Ich will das hier nicht ausführen. Wenn wir, meine Damen ,und Herren, von der Konzeption einer Kulturpolitik reden, dann meinen wir selbstverständlich, daß es darauf ankommt, für jeden Kontinent, für jedes Land ein eigenes Modell, eine eigene Konzeption der Kulturpolitik darzubieten.
    Nun möchte ich noch eine Kritik von Ihnen aufnehmen. Sie haben gesagt, es sei über Bismarck geredet worden. Schön und gut, Herr Kühn. Ich möchte Sie auf eine Schwierigkeit aufmerksam machen. In der ganzen Diskussion werden uns immer die Engländer und Franzosen als die Leute



    Dr. Martin
    vorgeführt, die in großartiger Weise Kulturpolitik machen. Für den einen von den beiden stimmt das auch. Diese Kulturpolitik hat aber zur Voraussetzung, daß ,diese Länder eine ungebrochene Tradition haben und über ein unbestrittenes Geschichtsbild verfügen.
    Da nun seit 1945 die Revision des Geschichtsbildes als ein dringendes Anliegen in Deutschland bezeichnet worden ist, Herr Kühn, dürfen Sie doch um alles in der Welt nicht kritisieren, wenn wir vom Boden der Bundesrepublik aus — die auf dem Prinzip der Freiheit steht — auch im Ausland unsere Betrachtungen über Bismarck anstellen. Sie wissen so gut wie ich, daß uns die Geschichtsschreibung über Bismarck meistens Negatives im Ausland eingetragen hat, und wir haben sehr wohl ein Interesse daran, in angemessener Weise über Bismarck zu reden.
    Meine Damen und Herren, ich will das jetzt nicht ausführen, will aber in Ergänzung dessen, was der Herr Außenminister gesagt hat, noch einige Betrachtungen zum Haushaltsplan unter dem Gesichtspunkt eines internationalen Vergleichs anstellen. In der Literatur geistert die Behauptung, daß die Franzosen 115 Millionen für Kulturpolitik im Ausland ausgäben. Diese Zahl ist falsch. Wir haben in London und in Paris die genauen Zahlen erhoben und mit unserem Haushaltsplan verglichen. Es wird Sie interessieren, zu erfahren, was wir dabei festgestellt haben. Es ergab sich, daß gegenwärtig die Bundesrepublik 94,2 Millionen, England 76,8 Millionen und
    Frankreich 72,3 Millionen ausgeben. Rein zahlenmäßig liegt also das, was die Bundesrepublik für diese Zwecke ausgibt, gegenwärtig über dem, was die Engländer und die Franzosen ausgeben. Es ist aber auch interessant, die Pläne näher aufzugliedern. Kulturpersonal, Betriebskosten, kulturelle Einrichtungen kosten uns 49,6 Millionen, die Engländer 53,9 Millionen, die Franzosen 46,6 Millionen. Sehr interessant ist der Vergleich bei den Studenten. Unsere gesamten Aufwendungen für Studenten betragen 13,9 Millionen, die der Engländer 10,1 Millionen, die der Franzosen 5,5 Millionen.
    Es ist hier schon gesagt worden, daß die Bundesrepublik heute fast das erste Ausbildungsland ist. Auch dazu noch die Zahlen: England hat 15 000 Studenten, Amerika 47 000, die Sowjetunion 40 000 — und die Bundesrepublik 21 000, wobei zu bemerken ist, daß wir relativ und absolut den größten Anteil aus den Entwicklungsländern haben. Das heißt, die kommende Führungsschicht der Entwicklungsländer studiert zu einem großen Teil in der Bundesrepublik Deutschland. Das spricht nicht dafür, daß die deutsche Wissenschaft so im argen liegt, wie immer gesagt worden ist.
    Aber wir sind auf diese Fragen nicht ausreichend vorbereitet. Ich will die kulturpolitischen Fragen an unseren Universitäten in diesem Zusammenhang nicht erörtern. Ich meine etwas anderes: ich glaube, das Dringendste wäre, die Wissenschaft an den Universitäten so darzubieten, daß sie von vornherein den afrikanischen und asiatischen Studenten erlaubt, Wissenschaft, die an sich für Europa und Deutschland gedacht ist, auf ihre eigenen Länder anzuwenden. Ich glaube, es ist notwendig, daß wir uns an unseren Universitäten intensiver mit der Sozialpsychologie und der Psychologie dieser Länder beschäftigen. Wenn Sie die Literatur durchsehen, stellen Sie fest, daß es heute in Deutschland kaum einen Menschen gibt, der die Psychologie von Asiaten und Afrikanern, die plötzlich mit einer fremden Kultur konfrontiert werden und in ihr leben müssen, wissenschaftlich beherrscht. Ich kenne in ganz Deutschland nur einen einzigen jungen Dozenten, dem ich persönlich von Herzen alles Gute wünsche und den wir mit aller Intensität unterstützen sollten.
    Meine Damen und Herren! Die wichtigste Frage für die Studenten ist das Wohnen. Es wird jetzt damit angefangen, für sie Studentenwohnheime zu bauen; im Haushaltsplan steht ein Betrag für diesen Zweck. An allen Universitäten gibt es jetzt hauptamtliche Betreuer, die sich damit beschäftigen. Es gibt einen Kreis für Interkontinentale Kontakte. Es gibt den Deutschen Akademischen Austauschdienst. Es gibt sehr erfahrene Leute, die sich mit der ganzen Problematik beschäftigen. Aber das genügt nicht; die Lösung dieser Aufgabe kann nur gelingen, wenn jeder mitspielt. Es klingt pathetisch, ist aber so: hier steht eine nationale Aufgabe vor uns, vor jedermann, vor Lieschen Müller genauso gut wie vor Herrn Professor Schulze, die es zu lösen gilt, und wir müßten, wo immer wir können, eine Bereitschaft dafür auslösen. Es müßte in unserem Lande einen bestimmten Elan der Menschenliebe und der persönlichen Zuwendung geben. Dann wäre auf diesem Gebiet, wie ich glaube, fast alles gewonnen. 20 000 Menschen, die zurückgehen, und nehmen wir an, sie gehen zurück mit einem positiven Ergebnis, mit durchgreifenden Erinnerungen, die sich wieder melden in den Entscheidungen, die sie später als Politiker oder als was immer zu fällen haben — das ist ein Reversoir, das schlechterdings unendlich ist.
    Ich will noch Stellung nehmen zu der Frage der Schwerpunkte. Ich habe gesagt, die große Zahl der Studenten ist ein natürlicher Schwerpunkt. Den können wir uns nicht auswählen. Wir sollten froh sein, daß wir ihn haben.
    Danach kommt man auf das schon angeschnittene Problem: Kulturinstitute im Ausland — deutsche Schulen im Ausland. Alle Fachleute in England und in Frankreich und die Menschen mit Erfahrung sind der Überzeugung, daß Sprachwerbung das Wesentliche, das Grundlegende in der Kulturpolitik im Ausland ist. Wir waren nach dem Kriege pessimistisch und hatten kaum noch Hoffnung, daß die deutsche Sprache sich durchsetzen lasse. Wir haben aber erleben dürfen, daß nach dem Kriege in Amerika in den High Schools Deutsch als Pflichtfach eingeführt worden ist. Wir haben die Freude gehabt, zu sehen, wie in Dänemark eine in Vorbereitung befindliche Schulreform, die Deutsch abschaffen wollte, auf Fürsprache des Auswärtigen Amtes verhindert werden konnte. In diesen Tagen kommen dänische Lehrer nach Deutschland. In Kairo wird in vielen Schulen, vor allem auch in den Gewerbeschulen, Deutsch gelehrt. Es gibt in der ganzen Welt ein



    Dr. Martin
    großes Bedürfnis nach der deutschen Sprache. Deshalb entsteht das Problem, ob wir mit Kulturinstituten oder mit Schulen arbeiten sollen. Meine Damen und Herren, eine ungeheuer schmerzliche Wahl für jeden, der weiß, welche segensreiche Wirkung deutsche Schulen im Ausland haben! Noch vorgestern hat mir ein griechischer Parlamentarier, der liquide deutsch sprach, gesagt, die deutsche Schule in Athen sei doch etwas Großartiges, und wir sollten in verstärktem Maße zurückkommen. Was sind aber 30, was sind 50, was sind 60 Abiturienten gegenüber den Zahlen, die der Herr Außenminister uns vorgetragen hat! Was bedeuten sie gegenüber der Tatsache, daß in dem letzten Jahr 200 000 Exemplare des vom Auswärtigen Amt erstellten oder geförderten Lehrbuchs der Deutschen Sprache verkauft worden sind, und was bedeuten sie gegenüber Zehntausenden, die täglich in unseren Instituten Deutsch lernen! Ich muß Ihnen gestehen: eine ungeheuer schmerzliche Wahl. Aber ich glaube, daß unsere Zeit kurz bemessen ist, daß wir auf Wirkung gehen sollten und das etwas kurzfristiger wirkende Instrument kräftiger handhaben sollten; das heißt, daß wir die Institute ausweiten sollten.
    Das Dritte, das von kapitaler Bedeutung ist ist das Gästeprogramm. Dazu nur einige Worte. Wer Asien und Afrika kennt und die Menschen dort mit dem feinen seelischen Unterscheidungsvermögen, der weiß, daß die persönliche Ansprache, der persönliche Kontakt, und wenn er nur vier Wochen dauert, entscheidend sein kann für das ganze Leben. Ich würde deshalb sagen, daß wir dem Gästeprogramm eine intensive Beachtung widmen sollten.
    Ich will damit schließen, nicht ohne eine sogenannte grundsätzliche Bemerkung zu machen, die ich Ludwig Dehio verdanke. Tacitus hat einmal die Zeit nach der Schreckensherrschaft Domitians beschrieben und gesagt, die Besten seien unter der Hand des Tyrannen gefallen, die anderen seien unter langer Unterdrückung geistig müde geworden, und es sei leichter, Geist zu unterdrücken, als Geist wieder zu erwecken. Meine Damen und Herren, alles das, was wir erleben, ist akademisch und theoretisch, wenn dahinter nicht die Überzeugung steht, daß dieses Land und dieses Volk auch heute noch eine produktive Kulturnation ist, daß wir im Geistigen eine Zukunft haben. Das ist die Haltung, die Tacitus bei der Betrachtung dieser Situation eingenommen hat. Er schließt nämlich seinen Bericht mit dem Satz: Nunc demum redit animus — Endlich kommt der Geist doch wieder zurück!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)