Rede:
ID0311812600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 39
    1. die: 2
    2. von: 2
    3. Herrn: 2
    4. Meine: 1
    5. Damen: 1
    6. und: 1
    7. Herren,: 1
    8. nach: 1
    9. einer: 1
    10. interfraktionellen: 1
    11. Vereinbarung: 1
    12. wind: 1
    13. jetzt: 1
    14. Sitzung: 1
    15. 13: 1
    16. bis: 1
    17. 15: 1
    18. Uhr: 1
    19. unterbrochen.: 1
    20. Wir: 1
    21. fahren: 1
    22. danach: 1
    23. mit: 1
    24. dem: 1
    25. gleichen: 1
    26. Tagesordnungspunkt: 1
    27. fort.: 1
    28. Bisher: 1
    29. liegen: 1
    30. noch: 1
    31. zwei: 1
    32. Wortmeldungen,: 1
    33. Metzger: 1
    34. unid: 1
    35. Dr.: 1
    36. Deist,: 1
    37. vor.Ich: 1
    38. unterbreche: 1
    39. Sitzung.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 118. Sitzung Bonn, den 22. Juni 1960 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des norwegischen Storting Niels Langhelle . . . . 6798 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Becker, Bausch, Kirchhoff und Frau Wolff 6791 A Mandatsniederlegung des Abg. Dr. Ratzel 6792 A Zusammenstellung über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1959 6791 B Fragestunde (Drucksache 1918) : Frage des Abg. Spies (Emmenhausen) : Fachgemäßes Einlassen von Öltanks Dr. Cartellieri, Staatssekretär 6792 B, 6793 A Spies (Emmenhausen) (CDU/CSU) . 6793 A Frage des Abg. Junghans: Eingliederung des privatisierten Volkswagenwerkes in den bundeseigenen Salzgitter-Konzern Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . . 6793 B Frage des Abg. Leonhard: Fragebogen auf Grund des Gesetzes über eine Betriebszählung in der Land- und Forstwirtschaft Schwarz, Bundesminister 6793 C, 6794 A Leonhard (CDU/CSU) 6794 A Frage des Abg. Mischnick: Krankenversicherungsschutz der Abiturienten bis zum Beginn des Studiums Blank, Bundesminister 6794 B Frage des Abg. Dr. Arndt: Berufung von hauptamtlichen Beamten der Sozialverwaltung als ehrenamtliche Bundessozialrichter Blank, Bundesminister 6794 D Frage des Abg. Josten: Baubeginn für die Kasernenanlage in Mayen Hopf, Staatssekretär 6795 A Frage des Abg. Rehs: Dokumentation der Vertreibung Dr. Nahm, Staatssekretär . . . 6795 B, D Rehs (SPD) 6795 D II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1960 Frage des Abg. Rehs: Deutsche Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten Dr. Nahm, Staatssekretär 6795 D, 6796 B Rehs (SPD) 6796 A, B Frage des Abg. Dr. Mommer: Aufenthalt des SS-Führers Adolf Eichmann vor dessen Festnahme Schäffer, Bundesminister . . 6796 B, C, D Dr. Mommer (SPD) .. . . . . . 6796 C, D Frage des Abg. Dr. Menzel: Auslieferung des ehemaligen Beamten des Auswärtigen Amts Dr. Klingenfuß Schäffer, Bundesminister 6796 D, 6797 C, D Dr. Menzel (SPD) . . . . . 6797 B, D Frage des Abg. Wienand: Verfahren wegen Verdachts der Bestechung gegen Beamte Schäffer, Bundesminister 6798 A Frage des Abg. Dr. Dr. h. c. Friedensburg: Hilfe für die Betriebe des Metallerzbergbaus Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6798 C Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Schutz der deutschen Verkehrsteilnehmer bei durch ausländische Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik verursachten Schäden Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6799 B Frage des Abg. Börner: Lage des nordhessischen Braunkohlenbergbaues Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6799 D, 6800 B Börner (SPD) 6800 B Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Wettbewerbsfähigkeit der Industrie im Lahn-Dill-Gebiet Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6800 C, D Jahn (Marburg) (SPD) 6800 D Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Auswirkungen des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft vom 10. Mai 1960 auf die deutsche Wirtschaft Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6801 A, B Jahn (Marburg) (SPD) 6801 A Frage des Abg. Dr. Mommer: Bilder im deutschen Generalkonsulat in Istanbul Dr. von Brentano, Bundesminister . 6801 C, 6802 A Dr. Mommer (SPD) 6801 D Frage des Abg. Dr. Bucher: Autonomie Südtirols Dr. von Brentano, Bundesminister 6802 A, B Dr. Bucher (FDP) 6802 B Frage des Abg. Dr. Bucher: Äußerungen des Publizisten William S. Schlamm über Staatssekretär van Scherpenberg Dr. von Brentano, Bundesminister . 6802 C Frage des Abg. Erler: Verweigerung der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis in Griechenland für deutsche Staatsangehörige Dr. von Brentano, Bundesminister 6803 A, C Erler (SPD) 6803 B Frage des Abg. Dr. Miessner: Besoldungsneuregelung im öffentlichen Dienst Dr. Anders, Staatssekretär . . . . 6803 D Dr. Miessner (FDP) 6803 D Sammelübersicht 21 ides Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 1891) . . . . . 6804 A Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland, insbesondere zu den Entwicklungsländern (Drucksache 1597) — Erste Beratung — Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6804 A, 6838 B Kalbitzer (SPD) 6807 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . 6812 B Dr. von Brentano, Bundesminister . 6818 C Scheel (FDP) 6821 A Metzger (SPD) . . . . . . . 6828 A Dr. Deist (SPD) . . . . 6830 A, 6845 A Dr. Fritz (Ludwigshafen) (CDU/CSU) 6840 A Dr. Serres (CDU/CSU) 6846 B Schmücker (CDU/CSU) . . 6846 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Juli 1959 mit dem Großherzogtum Luxemburg (Drucksache 1831) — Erste Beratung — 6847 C Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1960 III Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes (Abg. Bauknecht, Bauer [Wasserburg], Struve, Dr. Krone und Fraktion der CDU/CSU, Abg. Walter, Dr. Mende und Fraktion der FDP, Abg. Logemann, Schneider [Bremerhaven] und Fraktion der DP) (Drucksache 1928) — Erste Beratung — 6847 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Einführung des deutschen Rechts auf dem Gebiete der Steuern, Zölle und Finanzmonopole im Saarland (Abg. Gottesleben, BaLdauf, Draeger, Ruland, Dr. Schneider [Saarbrücken], Wilhelm, Bach u. Gen.) (Drucksache 1923). — Erste Beratung — . . . 6847 D Entwurf eines' 'Gesetzes über das Abkommen vom 17. April 1959 mit der Republik Italien betr. Londoner Abkommen zwischen den Nordatlantikvertragsstaaten über den Status ihrer Streitkräfte (Drucksache 1524); Mündlicher Bericht des Auswärt. Ausschusses (Drucksache 1885) — Zweite und dritte Beratung — . . . 6848 B Entwurf eines Gesetzes über eine Fischereistatistik (Drucksache 1626) ; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache 1879) — Zweite und dritte Beratung 6848 C Entwurf eines Gesetzes über eine Schlachtgewichtsstatistik (Drucksache 1625) ; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache 1878) — Zweite und dritte Beratung — Bauereisen (CDU/CSU) . . . 6848 D Entwurf eines Gesetzes über die Durchführung laufender Statistiken im Handwerk sowie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe (HwGStatG) (Drucksache 1547); Berichte des Haushalts- und des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 1828, 1781, zu 1781) — Zweite und dritte Beratung Diebäcker (CDU/CSU) . . . . . 6849 B Dr. Seume (SPD) 6849 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (FDP) (Drucksache 1281) ; Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses (Drucksache 1845) — Zweite Beratung — Rademacher (FDP) 6850 B Dr. Bleiß (SPD) 6850 B Schmücker (CDU/CSU) 6850 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 15 des Grundgesetzes (FDP) (Drucksache 1336) — Erste Beratung — Dr. Dehler (FDP) . . . 6851 A, 6859 A Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 6857 A Dr. Arndt (SPD) . . . . . . . . 6857 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes (SPD) (Drucksache 1871) — Erste Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Bundesministergesetz) (Drucksache 1131) — Erste Beratung — Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 6861 A Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6863 C Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 6864 B Entwurf eines Gesetzes über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Eisenbahnkreuzungsgesetz) (Drucksache 1683) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 6865 B Entwurf eines Gesetzes über Statistiken der Rohstoff- und Produktionswirtschaft einzelner Wirtschaftszweige (Drucksache 1808) — Erste Beratung — . . . . . . 6865 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Juli 1959 mit dem Königreich Afghanistan über den Luftverkehr (Drucksache 1830) — Erste Beratung — . . . 6865 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. September 1959 mit Kanada über den Luftverkehr (Drucksache 1832) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 6865 C Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung des deutschen Weinbaues in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (Abg. Gibbert, Diel, Schlick, Leicht u. Gen.) (Drucksache 1870) — Erste Beratung — 6865 C Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Ladenschlußgesetzes (Abg. Horn, Scheppmann, Diebäcker, Baier [Mosbach] u. Gen.) (Drucksache 1666) — Erste Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ladenschluß (Abg. Odenthal, Lange [Essen], Killat [Unterbach] u. Gen.) (Drucksache 1929) — Erste Beratung — 6865 D Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abg. Dr Oberländer (Drucksache 1860) Ritzel (SPD) 6865 D IV Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1960 Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abg. Rasner (Drucksache 1859) Jahn (Marburg) (SPD) . . . . . . 6866 B Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung von reichseigenen Grundstücken an das Land Berlin für den Neubau der Berliner Philharmonie; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 1677, 1858) . . . 6866 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Verkauf der ehem. Hansa-Mühle in Bremen an die Soja-Gesellschaft Bremen GmbH in Bremen; Mündlicher Berichtdes Haushaltsausschusses (Drucksachen 1657, 1857) 6866 D Nächste Sitzung 6866 D Anlagen 6867 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1960 6791 118. Sitzung Bonn, den 22. Juni 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
  • folderAnlagen
    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Altmaier* 25. 6. Dr. Atzenroth 22.6. Frau Beyer (Frankfurt) 23. 6. Bruns 2. 7. Corterier* 25.6. Demanelmeier 24. 6. Dowidat 24.6. Frau Friese-Korn 22. 6. Gehring 24.6. Geiger (München) 22. 6. Horn 24.6. Jahn (Frankfurt) 2. 7. Frau Kleanmert 2. 7. Koenen (Lippstadt) 24. 6. Dr. Kreyssig 2. 7. Lenz (Brühl) 22. 6. Maier (Freiburg) 2. 7. Pelster 26. 6. Rademacher 22. 6. Rasch 25.6. Dr. Rüdel (Kiel) 26. 6. Ruhnke 26.6. Sander 2. 7. Dr. Siemer 25. 6. Dr. Steinmetz 22. 6. Striebeck 24. 6. Theil (Bremen) 25. 6. Worms 22.6. Dr. Zimmer" 25. 6. b) Urlaubsanträge Dr. Becker (Hersfeld) 2. 7. Döring (Düsseldorf) 2. 7. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dröscher 2. 7. Frau Engländer 2. 7. Dr. Greve 2. 7. Dr. Kempfler 29. 6. Köhler 2. 7. Lücker (München) * 2. 7. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 2. 7. Weinkamm* 2. 7. Frau Wessel 2. 7. Dr. Zimmermann 8. 7. *) für die Teilnahme an der gemeinsamen Tagung des Europäischen Parlaments mit der Beratenden Versammlung des Europarates Anlage 2 Umdruck 667 (neu) Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP, DP zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Durchführung laufender Statistiken im Handwerk sowie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe (HwGStatG) (Drucksachen 1547, 1781) . Der Bundestag wolle beschließen: § 3 Abs. 1 erhält folgende Fassung: „(1) Die Gaststättenstatistik (§ 1 Nr. 2) erfaßt monatlich den Umsatz sowie die Zahl der Beschäftigten." Bonn, den 22. Juni 1960 Dr. Krone und Fraktion Dr. Atzenroth Dr. Starke Dr. Mende und Fraktion Frau Kalinke und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Walter Scheel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion über die Frage der Entwicklungshilfe ist bisher sehr erfreulich verlaufen. Ich habe keinen Unterschied der Meinungen über die vorliegenden Gesetzentwürfe bei den Fraktionen des Hauses festgestellt. Offensichtlich sind wir einer Meinung. Auch die Polemik um die ressortmäßige Verteilung ist durch die Ausführungen des Bundesaußenministers sehr vernünftig beendet worden. Ich bin froh über die Offenheit, mit der die beiden anwesenden Minister über diese Frage mit uns gesprochen haben. Ich bin mit dem Bundesaußenminister der Meinung, daß für die Lösung dieses Problems überhaupt kein besonderes Ressort allein zuständig sein kann. Denn das Entwicklungsproblem erwächst aus einer der Konfliktsituationen, in denen wir leben und die eigentlich unsere ganze Politik bestimmen; sie sind der Politik übergeordnet. Wir sind es in diesem Hause bisher gewöhnt, uns stärker mit der anderen großen Konfliktsituation zu beschäftigen, nämlich mit dem OstWest-Konflikt. Aber ich glaube, das, was der Herr Bundeswirtschaftsminister heute morgen am Anfang gesagt hat, war richtig: wir werden uns in der Zukunft vermutlich mehr und mehr mit dem Konflikt zwischen den industrialisierten und den nicht industrialisierten Völkern oder zwischen den armen und den reichen Völkern befassen müssen.
    Wie ist dieses Problem entstanden? Meine Herren Vorredner, die hier so übereinstimmend über diese Frage gesprochen haben, haben ein fast lückenloses Bild gegeben. Es ist eben die durch die Industrialisierung entstandene soziale Frage — nun nicht im nationalen, sondern im weltweiten Rahmen —, die wir jetzt zu lösen haben. Die Industrialisierung hat nur einem Teil der Länder dieser Erde Vorteile gebracht. Einen anderen, und zwar den zahlenmäßig größeren Teil der Länder dieser Erde hat die Industrialisierungswelle des vorigen Jahrhunderts gar nicht berührt. So ist ein Teil der Nationen reicher geworden, während die anderen Nationen auf ihrem bisherigen Stand stehengeblieben sind.
    In den Industriestaaten — ich glaube, darüber sind wir uns jetzt im ganzen Hause einig; vor einigen Jahren war dies anscheinend noch nicht der Fall — ist die soziale Frage weitgehend gelöst. Wir haben kaum noch differenzierte Auffassungen über dieses Problem. Die soziale Frage hat sich aber in diesem weltweiten Rahmen neu gestellt. Die Kluft zwischen den reichen und den armen Nationen ist in den letzten Jahren nicht etwa geringer geworden, sondern der Abstand vergrößert sich mehr und mehr und ist alarmierend geworden. Das bringt uns dazu, uns mehr als bisher mit diesen Fragen zu befassen.
    Hinzu kommt das Bevölkerungsproblem, das Problem des Bevölkerungszuwachses, explosionsartigen Ausmaßes. Wir haben bisher — ich glaube, Herr Birrenbach hat schon darauf hingewiesen —50 000 Jahre gebraucht, um 2,7 Milliarden Menschen auf dieser Erde zu haben. Nach verhältnismäßig sorgfältigen Berechnungen wird sich diese Zahl in den nächsten 40 Jahren verdoppeln und in weiteren 30 Jahren noch einmal verdoppeln. Das heißt, in den nächsten 70 Jahren wird diese Einwohnerzahl vermutlich vervierfacht sein. Was das heißt, vermögen wir uns in vollem Umfang noch gar nicht vorzustellen.
    Daß uns das vor schwierige politische Aufgaben stellt, meine Damen und Herren, ist völlig klar. Diese ungeheure Bevölkerungsexplosion spielt sich nicht etwa in allen Nationen gleichmäßig ab, sondern im wesentlichen in den Nationen, die wir heute Entwicklungsländer nennen. Diese Länder stehen vor der Aufgabe, einer Entwicklung Herr zu werden, die durch die Hygiene und durch die Medizin entstanden ist. Wir haben ihnen aus humanitären Gründen das Penizillin gebracht, und nun stellen sie mit Recht an uns die Frage: Wer bringt uns die Arbeitsplätze, die wir brauchen, damit dieser Bevölkerungsüberschuß auch wirklich leben kann und nicht nur vegetieren muß?
    Es gibt bei uns viele Stimmen, die sagen: Was kümmert uns das? Afrika, Asien das ist alles sehr weit. Warum reißen wir diese Leute, die vielleicht da unter der Sonne liegen und denen es dabei doch gar nicht so schlecht geht — vielleicht sind sie glücklicher als wir; sie arbeiten nicht viel und haben keine Bedürfnisse, die sie unbedingt befriedigen wollen —, aus diesem Dasein heraus? — Meine Damen und Herren, diese Überlegung kommt zu spät. Denn wir haben diese Kontinente in den vergangenen Jahrhunderten in das einheitliche Machtsystem der Welt einbezogen, das Machtsystem, das wir, die Europäer, geschaffen haben, das System, das die jetzige Struktur der Welt begründet hat. Dieses System veranlaßt uns wegen der Interdependenz aller politischen Verhältnisse auf der Welt, uns mit allen politischen Fragen zu befassen; denn nichts geschieht auf dieser Erde, was nicht auch Reflexe bei uns auslöst. Daß die Fragen, die sich dadurch gestellt haben, sehr schwer zu lösen sind, wissen wir. Gleichzeitig mit diesen sozialen und wirtschaftlichen Fragen ist ja auch noch ein psychologisches Problem und ein politisches Problem gestellt.
    Diese Völker sind — zum Teil ausgelöst durch den zweiten Weltkrieg — in den letzten Jahren und Monaten selbständig, souverän geworden, oder sie werden es noch. Wir erleben das Zeitalter der Entkolonialisierung. Es geht darum, daß wir heute, nachdem die Beziehungen zwischen diesen asiatischen und afrikanischen Völkern bisher durch das Kolonialsystem geprägt worden sind, zu einer Neu-



    Scheel
    ordnung der Beziehungen zwischen den industrialisierten Staaten und diesen neuen souveränen Völkern kommen.
    Das hat eine weitere politische Bedeutung. Wir sind uns in diesem Hause in vielen Diskussionen letztlich darüber einig geworden, glaube ich, daß der Satz von Clausewitz, der Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, im Zeitalter der Atombewaffnung seine Gültigkeit verloren hat. Wenn Sie wollen, gilt also seine Umkehrung: Die politischen Entscheidungen auf dieser Erde müssen alle im politischen Raume getroffen werden, auch die Entscheidungen in den Auseinandersetzungen zwischen den Großmächten. Weil das so ist, steigt natürlich der Einfluß der neuen souveränen Staaten, auch wenn sie wirtschaftlich noch keine große Bedeutung haben, im politischen Raum und nicht zuletzt in den internationalen Organisationen.
    Nehmen wir z. B. die UNO, in der viele politische Entscheidungen von weltweiter Bedeutung getroffen werden. Die UNO hat 82 Mitglieder. Von diesen 82 Mitgliedern — das muß man sich immer vor Augen halten — gehören nur 21 dem sogenannten westlichen Lager an. Neun gehören dem Sowjetblock an, und 52 der augenblicklich 82 Mitglieder gehören den afrikanischen und asiatischen Nationen an, die sich keinem der beiden großen Militärblöcke angeschlossen haben. Sie wissen, daß in diesem Jahre wieder eine ganze Anzahl neuer Nationen hinzutreten wird; denn die Entwicklung in Afrika ist ja in vollem Gange. In der Zukunft werden Sie in jedem Monat neue Mitglieder in die UNO bekommen. Alle werden den Block der 52 non-committed nations verstärken.
    Diese Tatsache hat in der jüngeren und jüngsten Vergangenheit zwischen den beiden großen Militärmächten dieser Erde, nämlich zwischen den Vereinigten Staaten und Rußland, einen Wettbewerb um diese Entwicklungsländer ausgelöst. Von den Rednern der beiden Fraktionen ist heute schon — deswegen will ich das nicht vertiefen — über diesen wirtschaftlichen Wettbewerb, diesen Ländern zu helfen, gesprochen worden. Ich darf nur noch die Entwicklung der jüngsten Zeit etwas verdeutlichen. Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, anzunehmen, daß etwa Amerika und in seinem Gefolge die übrigen Westmächte bei allen jungen Staaten einen großen Vorsprung materieller Art in der gewährten Hilfe hätten. Wenn wir uns einmal die politisch-kritischen Punkte ansehen, müssen wir — zu unserem Erschrecken vielleicht — feststellen, daß die Russen in der Gewährung ihrer absolut viel kleineren Hilfssumme ungewöhnlich geschickt vorgegangen sind. Ich möchte mich auf einen Vergleich beziehen, den die New York Times vor einiger Zeit über die Gewährung von Entwicklungshilfe in 19 ausgesuchten Ländern in der Zeit von 1955 bis 1960 angestellt hat. Die „New York Times" stellt fest, daß die Vereinigten Staaten in dieser Zeit an diese 19 Länder 4,2 Milliarden Dollar wirtschaftliche Hilfe geleistet haben und die Russen in der gleichen Zeit 2,7 Milliarden Dollar. Daneben tritt noch eine militärische Hilfe, die in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt.
    Wenn Sie aber die Hilfeleistungen der letzten fünf Jahre, nämlich von 1955 bis 1960, miteinander vergleichen, dann kommen Sie zu der überraschenden Feststellung, daß in einer ganzen Anzahl von Ländern dieser 19 die Russen absolut mehr Hilfe geleistet haben als die Amerikaner. Ich zähle Ihnen jetzt einmal diese Länder auf, und Sie werden daraus sofort politische Rückschlüsse ziehen können. In folgenden Ländern haben die Russen in den letzten fünf Jahren mehr geleistet als die Amerikaner: Kuba, Guinea, Ägypten und Syrien, also Vereinigte Arabische Republik, Äthiopien, Irak, Jemen, Afghanistan, Nepal, Ceylon und Indonesien. Daß diese Politik der Entwicklungshilfe für die Russen offensichtlich auch politische Früchte getragen hat, kann man nicht leugnen.
    Man darf sich durch diesen Tatbestand aber nicht dazu verleiten lassen, das ganze Problem der Entwicklungshilfe als ein Nebenproblem des Kalten Krieges zu betrachten. Das wäre völlig falsch. Denn in den Augen der Länder, über die wir jetzt reden, stellt sich die Konfliktsituation zwischen Ost und West völlig anders dar als bei uns. Natürlich ist schon rein geographisch das Verhältnis Ost-West in jenen Ländern weitgehend anders als bei uns. Aber auch geistig gesehen ist für sie dieses Verhältnis anders. Erinnern Sie sich bitte daran, daß für einen Inder der Bolschewismus nicht etwa ein geistiges Erzeugnis des Ostens, sondern ein geistiges Produkt des Westens ist. Das dürfen wir nicht vergessen, wenn wir uns in die Rolle dieser Länder hineindenken wollen. Sie betrachten ihre Umwelt anders als wir. Die einfachen Alternativen, wie wir sie hier vornehmlich in Wahlkämpfen anwenden, sind in diesen Ländern völlig unbekannt. Auch für uns geläufige Begriffe wie Besitz, Vermögen und Freiheit haben in diesen Ländern nur eine sehr relative Bedeutung. Denn was heißt für einen Menschen, der außer einem einzigen Kleidungsstück, einem transportablen Bett und vielleicht — eine Konzession an den Kapitalismus, geradezu ein Exzeß — einer Wasserpfeife nichts besitzt, Verteidigung des Eigentums, Verteidigung der individuellen Freiheit, die er eigentlich noch gar nicht recht kennengelernt hat?!
    Wir müssen uns also hüten, die ganze Frage unter dem Aspekt des Ost-West-Konflikts zu sehen. Sonst laufen wir mit tödlicher Sicherheit in die Irre. Was diese Länder suchen, ist Hilfe bei der Lösung ihrer eigenen politischen Aufgabe, und diese politische Aufgabe ist einfach die, ihren Völkern den Anschluß an das immer weiter steigende Lebensniveau der Industriemächte zu verschaffen. Um das zu erreichen, suchen sie zunächst einmal die geeigneten Ordnungsprinzipien. Sie suchen die Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die geeignet ist, den Fortschritt, den sie haben müssen, so schnell wie möglich zu erreichen. Weil es auf dieser Welt mehrere Ordnungsprinzipien gibt, die ihnen bekannt sind, sind wir in einen Wettbewerb hineingedrängt, den wir bestehen müssen. Ich glaube, wir können ihn auch bestehen. Die Resignation, die man bei uns auf diesem Gebiet so häufig findet, ist meiner Auffassung nach völlig ungerechtfertigt. Die Form der Entwicklungshilfe, die wir — der freie



    Scheel
    Westen — begonnen haben, ist nämlich von den Sowjets übernommen worden. Sie haben nicht etwas Neues, etwas Eigenes geschaffen; im Gegenteil, sie haben ihre Entwicklungshilfe in der Methode sklavisch der unseren nachgebildet, nämlich in der Form des Kapitalexports. Es sei nur am Rande vermerkt, daß ein Kapitalexport für einen waschechten Kommunisten eigentlich eine Todsünde ist. Darüber will ich gar nicht reden. Aber selbst eine solche ideologische Todsünde nehmen sie in Kauf, wenn sie vordergründige politische Ziele verfolgen wollen. Wir sind nicht in der Verteidigung, sondern in diesem Punkte sind in der Tat die Kommunisten ideologisch und methodisch in die Verteidigung gedrängt worden. Es gilt nur, sie darin zu halten, sie unter Druck zu setzen.
    Allerdings, muß ich sagen, wenden sie unsere Methode mit viel Geschick an. Sie sind nämlich sehr elastisch in der Handhabung des Kapitalexportes, in der Gestaltung ihrer Zinsen, in den Vereinbarungen über die Rückzahlung. Sie erzählen ihren Partnern nicht, daß sie den niedrigen Zinssatz durch die elastische Vereinbarung über die Rückzahlung doppelt wieder wettmachen; denn dadurch, daß sie den meisten mit Monokulturen — wie soll ich sagen — belasteten Völkern die Rückzahlung durch langfristige Warenverträge erleichtern, entsteht für diese Länder nicht nur ein Vorteil, sondern auch ein Nachteil. Die Preise für die Waren werden ihnen diktiert. Dabei wird der niedrige Zinssatz vielfach kompensiert. Aber immerhin: vordergründig erscheint es sehr elastisch.
    Wir sind also in den Wettbewerb hineingedrängt. Ich meine, wir sollten ihn nicht nur wegen der Überzeugung von der Richtigkeit unserer Idee geradezu herausfordern, sondern auch aus einem anderen Grund. Hinter der ganzen Geschichte steckt eine merkwürdig wohltuende List der Idee. Für die Entwicklungsländer ist es nämlich im Grunde gleichgültig, ob sie Dollar, Mark, französische Franken oder Rubel bekommen. Alles das hat für sie die gleiche — notabene wohltuende — Wirkung, die Völker von Hunger, Not und Elend zu befreien, ihren Lebensstandard zu verbessern. Insoweit haben die Anstrengungen der Russen genau die gleiche Wirkung wie die Anstrengungen auf der Seite des Westens.
    Vergegenwärtigen wir uns einmal, was es heißt, durch materielle Zuschüsse, durch materielle Leistungen den Lebensstandard der Individuen in diesen Ländern zu heben. Wir können dann sogar gewisse Hoffnungen an dieses gesamte Projekt knüpfen. Jemand, dessen individueller Lebensstandard gehoben wird, gewinnt damit gleichzeitig auch ein größeres Maß individueller Freiheit. Sein persönlicher Freiheitsbereich wird ohne Zweifel erweitert. Derjenige, dessen persönlicher Freiheitsbereich erweitert wird, der also die Segnungen auch der materiellen Freiheit selber verspürt, wird bei den Entscheidungen, die er täglich zu treffen hat, in welche Richtung er die Gesellschaftsordnung seines eigenen Volkes entwickelt wissen will, sicher eher in die Richtung der Freiheit gehen wollen als jemand, der ihre Segnungen überhaupt nicht kennengelernt hat.

    (Beifall bei der FDP.)

    Insofern ist die Entwicklungshilfe, von welcher Seite sie auch immer gegeben wird, gleichermaßen positiv. Ich habe mich besonders gefreut über die Feststellung, die der Herr Bundesaußenminister soeben getroffen hat, es gehöre zu den Grundsätzen der Bundesregierung, Entwicklungshilfe auch dann nicht zu versagen, wenn das betreffende Land solche Hilfe von den Sowjets angenommen habe. Das scheint mir ein sehr vernünftiger und guter Grundsatz zu sein.
    Für uns hat das Problem Entwicklungshilfe zwei verschiedene Seiten. Zunächst einmal — ich habe es schon gesagt — ist es auch um der Sicherung unserer Kinder willen notwendig, die Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen. Aber das Problem hat für uns speziell, die wir einen Staat liberaler Prägung haben, noch die zweite Seite, wie wir den jungen Völkern bei der Erreichung ihrer politischen Ziele unter Vermeidung des Zwanges für die Menschen in diesen Ländern — helfen können.
    Es ,gibt zwei Methoden, wirtschaftliche Fortschritte zu machen in einem Lande, das zunächst auf der Basis eines archaischen Zustandes seiner Märkte beginnen muß: die eine Methode, die die Chinesen anwenden, nämlich neben der freiwillig hergegebenen Sparquote den Zwang zu setzen, und eine Methode, 'wie wir sie kennen. Das Problem für die Regierungen dieser jungen Staaten ist ja, durch eine überproportionierte Investitionsquote einen schnelleren Fortschritt in der Hebung des Lebensstandards zu erreichen, als er unter normalen Umständen mäglich wäre. Die überproportionierte Investitionsquote kann man entweder durch Zwang schaffen, nämlich die normale, freiwillig hergegebene Sparquote durch Zwang erhöhen, oder aber man nimmt die freiwillig hergegebene Quote und muß dann den Rest von irgend jemandem bekommen.
    Diese Länder rufen also unsere Opferbereitschaft an; sie richten an uns ¡die Bitte, etwas zu geben, das es den Regierungen dieser Länder möglich macht, eine schnellere Wirtschaftsentwicklung zu erreichen, ohne auf die Menschen in diesen Ländern übermäßigen Zwang auszuüben. Das ist die Aufgabe, vor die wir Bürger Europas und der Industriestaaten gestellt sind, und das ist der Ruf, der an unsere Opferbereitschaft ergeht.
    Die beiden Gesetze, die vorgelegt worden sind — die erste Lesung des einen soll heute abgeschlossen werden —, sind ein Anfang, ein erster Schritt der Bundesregierung zu einer planmäßigen Entwicklungspolitik. Bisher — ich glaube, darüber bin ich mit den Mitgliedern der Bundesregierung völlig einig — gab es noch keine planmäßige Entwicklungspolitik, noch keine klare Linie auf diesem Gebiete. Wir sind zu der Frage der Entwicklungspolitik — das ist soeben in einer Diskussion zwischen Herrn Birrenbach und Herrn Kalbitzer mehrfach erwähnt worden — etwas durch die Hintertür



    Scheel
    gekommen, nämlich auf dem Wege über die Exportförderung.

    (Abg. Dr. Birrenbach: Aber immerhin gekommen!)

    — Ich mache keinen Vorwurf, daß es so ist; denn für uns ist das alles sehr neu. Aber das war der Weg, ,auf dem wir dazu gekommen sind. Zunächst einmal haben wkr im Interesse des Wiederaufbaus unserer .eigenen Wirtschaft Exportförderung betrieben. Wir haben es also einzelnen Gesellschaften ermöglicht, in die Entwicklungsländer, und zwar in steigendem Maße, vornehmlich große Anlagen zu liefern,. In dem Augenblick, wo sich herausstellte, daß die abnehmenden Länder nicht in der Lage waren, diese Anlagen zu bezahlen oder .sofort zu bezahlen, ist die Bundesregierung unter ,dem Druck der über Hermes gegebenen Bürgschaften und Garantien gezwungen gewesen, die nun notleidend gewordenen verhältnismäßig großen Posten zu konsolidieren. Das hat sie dann Entwicklungshilfe genannt.
    Zwischen dieser und einer politisch motivierten Entwicklungshilfe besteht nur ,ein ganz geringer Unterschied. Die politische Entwicklungshilfe setzt auf der Seite der politisch verantwortlichen Stellen eine aktive Handlung voraus. Das ist aber hier nicht der Fall gewesen. Hier lag ,das Aktive vielmehr zunächst bei der ,auf Aufträge bedachten deutschen Firma, die zur Ankurbelung der deutschen Wirtschaft ,diese Aktivität mit Recht an den Tag legte. Um es anders auszudrücken: Wir haben über die Exportförderung ganz über Nacht Milliardenbeträge vorgefunden, die wir im nachhinein als Entwicklungshilfe umdeklariert haben, obgleich das — das muß ich ganz klar sagen — ungerechtfertigt war. Umdeklarieren können wir Sie höchstens, wenn wir dais rein methodisch betrachten. Aber politisch war es keine Entwicklungshilfe. Wenn es politisch im Einzelfall Entwicklungshilfe gewesen ist, dann mehr oder weniger durch Zufall.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat vollkommen klar gesagt, worin der Unterschied liegt. Er liegt darin, daß sich die Entwicklungshilfe streng nach den Bedürfnissen der Wirtschaft des Entwicklungslandes richten muß. Die von uns nachher umdeklarierten Exportförderungsmittel haben sich jedoch primär nach den Bedürfnissen der deutschen Wirtschaft gerichtet. Insofern ist das Gesetz, das uns jetzt vorliegt, in der Tat der Anfang einer gesunden und aktiven planmäßigen Entwicklungspolitik.
    Ich darf vielleicht bei der Gelegenheit etwas zu einer Bemerkung des Herrn Bundeswirtschaftsministers sagen, die er im Zusammenhang mit dem Hermes-Fonds gemacht hat. Er sagte, das sei doch eine großartige Angelegenheit, weil die Verluste praktisch gleich Null gewesen sind. — Herr Minister, das ist ja nun nicht so schwer. Wenn 300 Millionen notleidend werden und dann von der Bundesregierung langfristig konsolidiert werden — sagen wir einmal, auf die nächsten 30 Jahre; in vielen Ländern, ich glaube, ich bin mit Ihnen völlig einig, werden nach den 30 weitere 40 folgen —,

    (Heiterkeit links)

    wenn ich also so konsolidiere und dann sage, ich habe überhaupt keine Verluste gehabt, dann ist das zumindest eine etwas polemische Darstellung der Entwicklung.

    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard: „Ich habe ja die Ziffern, bzw. Werte genannt")

    — Das ist zwar richtig, aber es ist eine etwas polemische Darstellung, wenn ich sage, es ist eine großartige Sache, hier habe ich nie Verluste gehabt, und in Wirklichkeit sind die Verluste vorher herausgenommen worden und stehen jetzt in einem anderen Titel, was wir ja verfolgen können. Deshalb kann ich nicht so betont die Großartigkeit dieser Einrichtung hier hervorheben.
    Es ist hier die Frage gestellt worden: Nach welchen Grundsätzen sollen wir nun, nachdem wir den Rahmen haben, der, glaube ich, alles abdeckt, Entwicklungshilfe betreiben? Lassen Sie mich zunächst sagen, was Entwicklungshilfe nicht sein kann. Ich glaube, das muß hier auch einmal sehr deutlich gesagt werden. Die Entwicklungshilfe ist auf gar keinen Fall eine karitative Angelegenheit, etwa das Stricken wollener Socken für arme Heiden. Es ist auch—und das ist sehr wichtig—keine militärpolitische Frage. Mit dieser Methode haben die Amerikaner bis in die jüngste Vergangenheit hinein sehr schlechte Erfahrungen gemacht, Damit will ich sagen, daß die militärpolitisch besonders wichtigen Länder in der Entwicklungshilfe nicht deswegen besonders bevorzugt werden sollten. Man sollte wirtschaftliche Entwicklungshilfe und militärische Stützungsmaßnahmen ganz klar auseinanderhalten, sonst geraten wir in die Irre.
    Es ist auch — das haben sowohl der Herr Bundeswirtschaftsminister als auch der Herr Bundesaußenminister Gott sei Dank sehr deutlich gesagt — keine Exportförderung für unsere eigene Wirtschaft. Das hat nichts damit zu tun. Es ist einfach die Möglichkeit, den Ländern, die aus politischen und sozialen Gründen eine schnellere Entwicklung in der Wirtschaft dringend brauchen, in der Beratung zu helfen, Herr Dr. Birrenbach ist in der Definition sehr präzise gewesen: nicht etwa nur in der technischen Hilfe, sondern in der umfassenden Beratung. Ich möchte ausdrücklich hinzufügen: Dazu gehört auch die ökonomische, fast möchte ich sagen, ökonomistische und die Finanzberatung, die bisher in vielen Fällen völlig gefehlt hat. Es ist also eine Hilfe auf der Basis der Beratung im umfassenden Sinne.
    Dann erwartet man von uns eine Kapitalhilfe. Ich will in dem Zusammenhang nicht weiter darauf eingehen, ob das verlorene Zuschüsse oder langfristige Kredite und Anleihen sein müssen. Ich bevorzuge das zuletzt Genannte; vielleicht komme ich nachher gerade darauf noch einmal zu sprechen. Aber im wesentlichen ist es natürlich eine Frage unserer Handelspolitik, und das ist erfreulicherweise von allen Fraktionen und von der Bundesregierung hier



    Scheel
    hervorgehoben worden. Ich bin in völliger Übereinstimmung mit dieser Auffassung. Es geht einfach darum, daß wir in der Tat auch auf lange Sicht die Wirtschaftsstruktur unseres eigenen Landes auf diese weltweite Evolution einrichten. Das ist nötig, und unsere eigene Wirtschaft muß sich auf diese Entwicklung einrichten, damit sie selber keinen Schaden erleidet. Im Spezialbereich, in der Landwirtschaft, ist es von großer Bedeutung. Ich glaube, die Kollegen, die in der EWG mitarbeiten, werden bisher vielleicht noch zuwenig die Auswirkung der Entwicklungshilfe auf die Herausbildung einer gemeinsamen Agrarpolitik in Europa beachtet haben.
    Lassen Sie mich ein einziges Beispiel aus meiner jüngsten Erfahrung nennen. Ich bin ja gestern erst aus Madagaskar und von der Insel Réunion zurückgekommen. Ich will diese kleine Insel Réunion nehmen. Diese Insel, die 350 000 Einwohner hat, produziert, von anderen kleinen Dingen abgesehen, nur Zucker. Sie kann nichts anderes produzieren als Zucker, weil es keine andere Pflanze gibt, die auf dieser Insel den jährlich regelmäßig auftretenden Taifunen Widerstand leistet. Die Insel kann also nur Zucker produzieren, sonst nichts. Wenn sie die 350 000 Einwohner erhalten will, muß sie ihre Zuckerproduktion absetzen können, und zwar in steigendem Maße absetzen können. Ergo muß sich, da diese Insel der EWG assoziiert ist, der Gemeinsame Markt in Europa mit diesem Phänomen auseinandersetzen und diesem Tatbestand bei der Ausarbeitung einer gemeinsamen Agrarpolitik in Europa in irgendeiner Form Rechnung tragen.
    Meine Damen und Herren, ich habe an einem Beispiel gezeigt, inwieweit in der Zukunft die Struktur unserer Gesamtwirtschaft dieser weltweiten Evolution Rechnung tragen muß. Das Entscheidende an dieser ganzen Frage ist aber nun, daß wir ein Verhältnis der Partnerschaft — auf völlig gleicher Ebene — zu den Völkern finden; denn das Kolonialzeitalter ist endgültig vorbei. Wir müssen die Zusammenarbeit mit diesen Menschen neu organisieren. Das ist schwierig. Schwierig ist schon der Versuch, die zivilisatorischen Errungenschaften, die doch auch das Produkt einer Kultur sind, auf andere Räume mit anderen Kulturen zu übertragen, ohne daß diese Räume den jahrhundertelangen Entwicklungsprozeß mitgemacht haben. Da gibt es natürlich Friktionen; das müssen wir dabei berücksichtigen.
    Und noch eines ist dabei zu berücksichtigen. Entwicklungshilfe im wirtschaftlichen Raum kann überhaupt nur dann positive Wirkungen haben, wenn sie Hand in Hand geht mit einer gesunden sozialen Evolution in diesen Gebieten, die in ihren sozialen Strukturen zum Teil sehr, sehr weit zurückliegen. Es ist einfach unmöglich, die technischen Errungenschaften unserer Zivilisation auf Länder zu übertragen, die in ihrer ganzen Sozialordnung noch dem Mittelalter angehören. Die Hilfen haben dann keinen positiven Effekt. Wir müssen es ganz offen aussprechen, daß solche sozialen Evolutionen mit unseren wirtschaftlichen Hilfen Hand in Hand gehen müssen. Sie müssen nebeneinander hergehen mit den nationalen Evolutionen und Revolutionen, die diese Länder jetzt alle durchmachen, um über das Stadium des Nationalismus — das ist einfach nicht zu umgehen — zur Kooperation mit gleichberechtigten Partnern aus dem Bereiche der hochindustrialisierten Mächte zu kommen.
    Unsere amerikanischen Freunde haben hier sehr viel aus der Vergangenheit gelernt. Sie werden sich daran erinnern, daß gerade in den ersten Jahren die Entwicklungshilfe der Amerikaner sehr konservierend war, sehr am alten hing, wenn ich einmal die Sozialstruktur der bedachten Länder betrachte. Das hat sich Gott sei Dank geändert. Das war auch notwendig. Sonst laufen uns die Russen, die sehr viel Geschick dafür haben, sich mit dynamischen Kräften in diesen Ländern zu verbinden, gerade auf diesem Gebiet davon.
    Wir müssen auch wissen, daß der Freiheitsbegriff, an dem wir so hängen, um deswillen wir das alles machen, in diesen Ländern im Augenblick noch nuanciert ist. Die nationale Freiheit, die kollektive Freiheit steht gegenwärtig eben noch vor der individuellen Freiheit. Das ist der Grund dafür, daß sich das alles noch auf einem verhältnismäßig schwankenden demokratischen Boden abspielt. Sie erleben die Entwicklung über Demokratien zu halbautoritären Gebilden einfach deshalb, weil die Dinge noch nicht organisch gewachsen sind. Wir müssen die Gefahren kennen und ihnen ins Auge sehen.
    Lassen Sie mich bitte an dieser Stelle folgendes einfügen. Es ist hier von Entwicklungshilfen die Rede. Ich verstehe das so, daß damit nicht allein die Kapitalhilfen gemeint sind, sondern das ganze Bukett der Entwicklungshilfen. Eine Entwicklungshilfe braucht auch nicht in jedem Falle eine Unterstützung zur Durchführung der Industrialisierung zu sein. Nicht bei allen Ländern, die unterentwickelt sind, ist es vordringlich, zu industrialisieren. Man muß hier zwischen sehr bevölkerten, überbevölkerten und weniger bevölkerten Ländern unterscheiden. . Sehr viele der weniger bevölkerten Länder müssen zunächst einmal ihre Landwirtschaft verbessern, dann — entsprechend den Bedürfnissen eines organisch wachsenden inneren Marktes — kleine Transformationsindustrien und kleine Konsumgüterindustrien gründen. So können sie zu einer organischen Aufwärtsentwicklung kommen. Es wäre völlig falsch, diesen Ländern künstliche Gebilde industrieller Natur von oben her aufpfropfen zu wollen. Das müssen wir ganz klar sehen.
    Die vorliegenden beiden Gesetzentwürfe schließen einige Lücken, die bisher bestanden. Herr Professor Erhard hat von den mondialen Einrichtungen gesprochen, die wir haben, um Kapitalhilfe zu leisten.
    Für die rein kapitalmäßigen Maßnahmen haben wir auf der Weltebene die Weltbank und die IFC. Jetzt soll die IDA hinzutreten. Es ist hier von einem der Kollegen begründet worden, warum das so ist. Im Hause besteht wohl Einmütigkeit darüber, dieser Organisation beizutreten.
    Ich möchte hier einmal fragen — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat darüber nicht gesprochen —, welche Absichten bezüglich der Einschaltung des ERP-Vermögens in diese Entwicklungspolitik und
    6826 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 118, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1960
    Scheel
    bezüglich der Mobilisierung öffentlicher Mittel für diese Entwicklungspolitik bestehen. Das vorliegende Gesetz regelt diese Fragen nicht. Wir werden auf diese beiden Punkte noch zu sprechen kommen. Dabei muß ich sagen, daß die Mobilisierung öffentlicher Mittel limitiert ist. Die Mobilisierung des ERP-Fonds ist nicht allein von uns abhängig; sie kann nur in Übereinstimmung mit den Vereinigten Staaten von Amerika vorgenommen werden. Diese Tatsache gebietet es, daß wir hier erst Kontakt aufnehmen. Ich habe aber keine Befürchtungen, daß wir nicht Übereinstimmung erzielten. Auch die Bestrebungen der Vereinigten Staaten laufen in die gleiche Richtung wie unsere.
    Es gibt aber noch eine weitere Ebene, und darauf möchte ich kurz zu sprechen kommen. Wir haben auch die Verpflichtung, in regional begrenztem Rahmen Entwicklungspolitik zu betreiben. Man kann Entwicklungspolitik weder nur weltweit noch nur national — unter bilateralen Gesichtspunkten —treiben. Es gibt auch eine regionale Struktur- und Entwicklungspolitik. Ich verweise darauf, daß gerade die Amerikaner neben den weltweiten Institutionen, die unter starkem amerikanischen Einfluß stehen, für den gesamtamerikanischen Kontinent inneramerikanische Institutionen geschaffen haben.
    Hier stellt sich die Frage — Herr Birrenbach hat darauf hingewiesen —, ob es für uns nicht notwendig ist, gewisse Prioritäten zu schaffen. Wir müssen uns überlegen, ob wir nicht — gemeinsam mit unseren europäischen Partnerstaaten und Nachbarn — Europa, Afrika und den Vorderen Orient als Prioritätsraum zu betrachten haben. Ich will über diese Prioritäten jetzt nicht weiter sprechen. Die Frage könnte bei der außenpolitischen Debatte noch diskutiert werden. Ich möchte aber dazu — im Zusammenhang mit der Verpflichtung, die wir innerhalb der EWG haben — etwas ganz Konkretes sagen.
    Wenn wir über Entwicklungshilfen sprechen, dürfen wir nicht vergessen, daß wir in den EWG-Verträgen auch große Verpflichtungen materieller Art übernommen haben. Wir zahlen im Rahmen der EWG innerhalb von fünf Jahren nahezu 1 Milliarde DM als verlorenen Zuschuß. Diese Beträge werden von der EWG als Entwicklungshilfen eingesetzt. Wir müssen uns dafür interessieren, in welcher Form diese Summen verwendet werden. Ereignisse der jüngsten Zeit demonstrieren uns eine gewisse Schwierigkeit, die in der Verwendung der auch von uns mitaufgebrachten Mittel zu bestehen scheint.
    Sie alle haben in der Presse von dem Ausscheiden des in der EWG für diese Frage zuständigen Generaldirektors, eines deutschen Beamten — des Herrn Dr. Allardt —, gelesen und von der Tatsache, daß er durch einen Nachfolger ersetzt worden ist. Daran sind in der deutschen Presse vielfache politische Kombinationen geknüpft worden. Ich glaube, hier ist nicht der Platz, die politische Seite dieser Frage zu diskutieren. Wir werden in Kürze sicherlich Gelegenheit dazu haben. Aber ich möchte jetzt eine spezielle Seite dieses Problems anschneiden. Denn ich glaube, daß bei der Regelung der Nachfolgeschaft das Auswärtige Amt vielleicht nicht ganz die Delikatesse bewiesen hat, die angebracht gewesen wäre.
    Es handelt sich um zweierlei. Sie wissen, daß der bisherige Inhaber dieser Position, Herr Dr. Allardt, Botschafter der Bundesrepublik in Indonesien gewesen ist. Ich habe in Afrika aus der Presse plötzlich entnommen, daß sein Nachfolger ein Generalkonsul ist, der jetzt noch in Algier Dienst tut. Ich muß Ihnen offen gestehen: ich habe mich in dem Augenblick gefragt, ob es einen guten Eindruck auf die dem Gemeinsamen Markt assoziierten Länder macht, wenn das Niveau des verantwortlichen Beamten bei der Neubesetzung — wenn auch rein formal — nicht gewahrt wird, und ich frage weiter: halten Sie es für unsere sich entwickelnden Beziehungen zu Schwarzafrika für günstig, daß der amtierende Generalkonsul in Algier mit dieser Aufgabe betraut worden ist? Ich habe den Eindruck — das spreche ich ganz offen aus —, daß hierbei offensichtlich nicht die Zurückhaltung und die Delikatesse gewahrt worden sind, die man hätte erwarten können.

    (Abg. Kalbitzer: Sehr wahr!)

    Ich möchte noch einen Punkt streifen, der heute nicht behandelt worden ist. Es handelt sich um die Auswirkung der Entwicklungshilfe auf unser Wirtschaftsgefüge, auf unser Währungsgefüge. Denn gerade das Beispiel der USA — es ist von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister Erhard erwähnt worden — zeigt doch, daß die Entwicklungshilfe natürlich auch eine Auswirkung auf unsere Währungssituation hat. In diesem Zusammenhang hat der Bundeswirtschaftsminister von dem Problem der Bindung der Kredite an Lieferungen aus dem hergebenden Lande gesprochen. Ich möchte sagen, Herr Minister: diese Frage sollte man nicht prinzipiell beantworten — da kann es keine prinzipielle Antwort geben —, sondern diese Frage kann man nur von Fall zu Fall beantworten. In der Tat gibt es dabei Möglichkeiten, unsere jeweilige Währungssituation positiv zu beeinflussen.
    Ich will damit sagen: wenn wir Devisenüberschüsse haben, wie es jetzt der Fall ist, wäre eine Bindungsklausel natürlich vollkommen abwegig. Im Gegenteil, so möchte ich fast sagen, sollte man sehr viel Freiheit in der Verwendung der Mittel lassen. Wenn wir aber einmal — was die Vereinigten Staaten jetzt erleben — einen zu starken Abfluß unserer Devisen haben, habe ich überhaupt keine Bedenken, eine solche Bindungsklausel in die Verträge aufzunehmen. Denn letzten Endes ist das, was die Staaten bekommen, in jedem Fall zu ihrem Nutzen.
    Ein zweites Problem, das nicht geklärt worden ist, betrifft die Frage: wieviel wollen wir denn aus Steuermitteln einmal leisten? Es ist auch nicht geklärt worden: wieviel kann denn unser Kapitalmarkt überhaupt leisten? Manchmal besteht die irrtümliche Auffassung, wir seien ein kapitalreiches Land. Das ist ein Irrtum. Wir haben ja keinen nennenswerten Kapitalüberschuß. Was wir haben, sind



    Scheel
    Devisenbestände. Das darf man nicht verwechseln. Wir sind kein Kapitalüberschußland.

    (Abg. Dr. Deist: Womit finanzieren Sie eigentlich die Investitionen?)

    — Unsere Investitionen, Herr Dr. Deist, sind ja doch nicht unberechtigt, sie sind doch nötig! Wir haben keinen Kapitalüberfluß, sondern sind ein Land, das manchmal — wenn ich die zurückliegende Zeit betrachte — nur mit Mühe seine notwendigen Investitionen finanziert. Es wäre auch falsch, wenn wir den Entwicklungsländern jetzt den Eindruck vermittelten, wir hätten Kapitalüberfluß. Unsere eigenen Kapitalquellen sind limitiert. Das heißt nicht, daß sie gleich Null seien. Aber sie sind limitiert, und, man muß sich darüber unterhalten, wieweit man den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen kann und wie die Mittel aufgebracht werden sollen. Denn es besteht ja doch die Gefahr, Kredite auf einem Wege zu mobilisieren, auf dem unsere Währung in höchste Gefahr gebracht werden könnte.
    Ich möchte also gleich sagen: was immer wir an Kapitalhilfen aus öffentlichen Mitteln oder aus dem Kapitalmarkt geben, darf nur nach gesunden währungspolitischen Gesichtspunkten finanziert werden, nur so, daß die Stabilität unserer Währung auch nicht im geringsten beeinflußt wird. Das scheint mir der Grundsatz für den ganzen Komplex wirtschaftlicher Überlegungen bei der Entwicklungshilfe zu sein. — Ich wollte diese Frage am Schluß noch einmal erwähnen, weil es mir schien, daß sie in der Diskussion noch nicht ausreichend behandelt worden ist.
    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im wohlverstandenen beiderseitigen Interesse — ich glaube, darüber sind wir uns alle einig
    müssen wir den Entwicklungsländern schnell und wirkungsvoll helfen. Wir müssen die Überlegenheit unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung beweisen, eine Überlegenheit, von der wir ja überzeugt sind; denn wir haben sie im eigenen Lande gegen jede andere Wirtschaftsordnung verteidigt. Den Beweis für ihre Überlegenheit können wir aber, glaube ich, nur dann antreten, wenn wir auch das Maß an ideeller und materieller Opferbereitschaft zeigen, das nötig ist, um unseren Partnern auf der anderen Seite unseren festen Willen vor Augen zu führen.
    Unser Dilemma — leider! — ist nun — ich glaube, das ist von entscheidender Bedeutung —, daß es die private Wagnisbereitschaft in der Wirtschaft, die unsere eigene Industrialisierung im vorigen Jahrhundertgeschaffen hat, bei uns doch nicht mehr in idem Maße wie damals gibt. Der Ruf nach der Staatssicherheit ist auch in unserer Wirtschaft stärker und stärker geworden. Keiner will mehr ein Wagnis übernehmen. „Nur keine Experimente!", meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ja das Schlagwort unserer Zeit.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Wie kann ich denn erwarten, daß Völker, die jetzt,
    nachdem sie unabhängig und frei geworden sind,
    neu ihre wirtschaftliche unid ihre politische Geschichte beginnen wollen, sich unsererGesellschaftsordnung zuwenden, wenn ich ihnen nicht ad oculus demonstriere, daß ich bei der Verbindung mit ihnen auch ein Wagnis einzugehen bereit bin?
    Ich sage daher: es kann der liberalen Idee — und Sie wissen, daß ich dieser Idee sehr anhänge -
    nicht widersprechen, wenn ich heute, weil die private Wagnisbereitschaft nicht ausreichend vorhanden ist, zusätzlich zu einer maßvollen Art der Zwangskapitalbildung komme, praktisch also durch den Staat Mittel auftreiben lasse, um sie in die Entwicklungsländer hineinzugeben, um dort Aufgaben zu erfüllen, .die erfüllt werden müssen. Nicht um Märkte zu erobern, wollen wir das tun und wollen wir Entwicklungspolitik treiben, sondern um Mitmenschen auf dieser Welt zu befreien — zu befreien: ein wahrhaft liberaler Grundsatz! — von Hunger, Not und Elend, ihnen Freiheit und Menschenwürde zu bringen. Hierzu muß der aus der liberalen Tradition kommende europäische Bürger Stellung nehmen; er kann dieser Frage nicht ausweichen. In den Ländern Asiens und Afrikas hat sich unsere Idee zu bewähren. Aber auf diesem Feld ist auch ihre Ausstrahlung in die Gesellschaft ides Ostens möglich. Wir haben nicht nur in den non-committed-Räumen, in den Räumen zwischen den Machtblöcken, unsere Bewährungsprobe zu bestehen, wir haben hier auch eine Gelegenheit, aggressiv mit unserer freiheitlichen Idee in die Gesellschaft des Ostens hineinzuwirken; denn idas ist die Nahtstelle, an der sich einmal die Entwicklung der gesamten Gesellschaftsordnung der Welt orientieren wird. Im Jahre 1950 hat Herr Toynbee in Chikago in einer Rede, die er über diese Fragen gehalten hat, folgendes gesagt:
    Der wird einmal das Gesicht der Welt bestimmen, dem es gelingt, die Völker Asiens und Afrikas zu seinen Freunden zu machen.
    Das heißt doch nichts anderes, als daß sich in den immer mehr sich annähernden Gesellschaftsordnungen auf dieser Welt derjenige durchsetzen wird, der den stärksten Einfluß hat, der in den Entwicklungsländern eine aktive, wirkungsvolle Entwicklungspolitik betreibt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung wind jetzt die Sitzung von 13 bis 15 Uhr unterbrochen. Wir fahren danach mit dem gleichen Tagesordnungspunkt fort. Bisher liegen noch zwei Wortmeldungen, von Herrn Metzger unid Herrn Dr. Deist, vor.
Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.01 Uhr bis 15.03 Uhr.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard Jaeger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Die unterbrochene Sitzung ist wiederaufgenommen.
    Wir fahren fort in der Aussprache zu Punkt 3 der Tagesordnung. Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.