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ID0311810900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 118. Sitzung Bonn, den 22. Juni 1960 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des norwegischen Storting Niels Langhelle . . . . 6798 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Becker, Bausch, Kirchhoff und Frau Wolff 6791 A Mandatsniederlegung des Abg. Dr. Ratzel 6792 A Zusammenstellung über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1959 6791 B Fragestunde (Drucksache 1918) : Frage des Abg. Spies (Emmenhausen) : Fachgemäßes Einlassen von Öltanks Dr. Cartellieri, Staatssekretär 6792 B, 6793 A Spies (Emmenhausen) (CDU/CSU) . 6793 A Frage des Abg. Junghans: Eingliederung des privatisierten Volkswagenwerkes in den bundeseigenen Salzgitter-Konzern Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . . 6793 B Frage des Abg. Leonhard: Fragebogen auf Grund des Gesetzes über eine Betriebszählung in der Land- und Forstwirtschaft Schwarz, Bundesminister 6793 C, 6794 A Leonhard (CDU/CSU) 6794 A Frage des Abg. Mischnick: Krankenversicherungsschutz der Abiturienten bis zum Beginn des Studiums Blank, Bundesminister 6794 B Frage des Abg. Dr. Arndt: Berufung von hauptamtlichen Beamten der Sozialverwaltung als ehrenamtliche Bundessozialrichter Blank, Bundesminister 6794 D Frage des Abg. Josten: Baubeginn für die Kasernenanlage in Mayen Hopf, Staatssekretär 6795 A Frage des Abg. Rehs: Dokumentation der Vertreibung Dr. Nahm, Staatssekretär . . . 6795 B, D Rehs (SPD) 6795 D II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1960 Frage des Abg. Rehs: Deutsche Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten Dr. Nahm, Staatssekretär 6795 D, 6796 B Rehs (SPD) 6796 A, B Frage des Abg. Dr. Mommer: Aufenthalt des SS-Führers Adolf Eichmann vor dessen Festnahme Schäffer, Bundesminister . . 6796 B, C, D Dr. Mommer (SPD) .. . . . . . 6796 C, D Frage des Abg. Dr. Menzel: Auslieferung des ehemaligen Beamten des Auswärtigen Amts Dr. Klingenfuß Schäffer, Bundesminister 6796 D, 6797 C, D Dr. Menzel (SPD) . . . . . 6797 B, D Frage des Abg. Wienand: Verfahren wegen Verdachts der Bestechung gegen Beamte Schäffer, Bundesminister 6798 A Frage des Abg. Dr. Dr. h. c. Friedensburg: Hilfe für die Betriebe des Metallerzbergbaus Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6798 C Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Schutz der deutschen Verkehrsteilnehmer bei durch ausländische Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik verursachten Schäden Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6799 B Frage des Abg. Börner: Lage des nordhessischen Braunkohlenbergbaues Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6799 D, 6800 B Börner (SPD) 6800 B Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Wettbewerbsfähigkeit der Industrie im Lahn-Dill-Gebiet Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6800 C, D Jahn (Marburg) (SPD) 6800 D Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Auswirkungen des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft vom 10. Mai 1960 auf die deutsche Wirtschaft Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6801 A, B Jahn (Marburg) (SPD) 6801 A Frage des Abg. Dr. Mommer: Bilder im deutschen Generalkonsulat in Istanbul Dr. von Brentano, Bundesminister . 6801 C, 6802 A Dr. Mommer (SPD) 6801 D Frage des Abg. Dr. Bucher: Autonomie Südtirols Dr. von Brentano, Bundesminister 6802 A, B Dr. Bucher (FDP) 6802 B Frage des Abg. Dr. Bucher: Äußerungen des Publizisten William S. Schlamm über Staatssekretär van Scherpenberg Dr. von Brentano, Bundesminister . 6802 C Frage des Abg. Erler: Verweigerung der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis in Griechenland für deutsche Staatsangehörige Dr. von Brentano, Bundesminister 6803 A, C Erler (SPD) 6803 B Frage des Abg. Dr. Miessner: Besoldungsneuregelung im öffentlichen Dienst Dr. Anders, Staatssekretär . . . . 6803 D Dr. Miessner (FDP) 6803 D Sammelübersicht 21 ides Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 1891) . . . . . 6804 A Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland, insbesondere zu den Entwicklungsländern (Drucksache 1597) — Erste Beratung — Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6804 A, 6838 B Kalbitzer (SPD) 6807 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . 6812 B Dr. von Brentano, Bundesminister . 6818 C Scheel (FDP) 6821 A Metzger (SPD) . . . . . . . 6828 A Dr. Deist (SPD) . . . . 6830 A, 6845 A Dr. Fritz (Ludwigshafen) (CDU/CSU) 6840 A Dr. Serres (CDU/CSU) 6846 B Schmücker (CDU/CSU) . . 6846 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Juli 1959 mit dem Großherzogtum Luxemburg (Drucksache 1831) — Erste Beratung — 6847 C Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1960 III Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes (Abg. Bauknecht, Bauer [Wasserburg], Struve, Dr. Krone und Fraktion der CDU/CSU, Abg. Walter, Dr. Mende und Fraktion der FDP, Abg. Logemann, Schneider [Bremerhaven] und Fraktion der DP) (Drucksache 1928) — Erste Beratung — 6847 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Einführung des deutschen Rechts auf dem Gebiete der Steuern, Zölle und Finanzmonopole im Saarland (Abg. Gottesleben, BaLdauf, Draeger, Ruland, Dr. Schneider [Saarbrücken], Wilhelm, Bach u. Gen.) (Drucksache 1923). — Erste Beratung — . . . 6847 D Entwurf eines' 'Gesetzes über das Abkommen vom 17. April 1959 mit der Republik Italien betr. Londoner Abkommen zwischen den Nordatlantikvertragsstaaten über den Status ihrer Streitkräfte (Drucksache 1524); Mündlicher Bericht des Auswärt. Ausschusses (Drucksache 1885) — Zweite und dritte Beratung — . . . 6848 B Entwurf eines Gesetzes über eine Fischereistatistik (Drucksache 1626) ; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache 1879) — Zweite und dritte Beratung 6848 C Entwurf eines Gesetzes über eine Schlachtgewichtsstatistik (Drucksache 1625) ; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache 1878) — Zweite und dritte Beratung — Bauereisen (CDU/CSU) . . . 6848 D Entwurf eines Gesetzes über die Durchführung laufender Statistiken im Handwerk sowie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe (HwGStatG) (Drucksache 1547); Berichte des Haushalts- und des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 1828, 1781, zu 1781) — Zweite und dritte Beratung Diebäcker (CDU/CSU) . . . . . 6849 B Dr. Seume (SPD) 6849 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (FDP) (Drucksache 1281) ; Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses (Drucksache 1845) — Zweite Beratung — Rademacher (FDP) 6850 B Dr. Bleiß (SPD) 6850 B Schmücker (CDU/CSU) 6850 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 15 des Grundgesetzes (FDP) (Drucksache 1336) — Erste Beratung — Dr. Dehler (FDP) . . . 6851 A, 6859 A Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 6857 A Dr. Arndt (SPD) . . . . . . . . 6857 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes (SPD) (Drucksache 1871) — Erste Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Bundesministergesetz) (Drucksache 1131) — Erste Beratung — Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 6861 A Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6863 C Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 6864 B Entwurf eines Gesetzes über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Eisenbahnkreuzungsgesetz) (Drucksache 1683) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 6865 B Entwurf eines Gesetzes über Statistiken der Rohstoff- und Produktionswirtschaft einzelner Wirtschaftszweige (Drucksache 1808) — Erste Beratung — . . . . . . 6865 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Juli 1959 mit dem Königreich Afghanistan über den Luftverkehr (Drucksache 1830) — Erste Beratung — . . . 6865 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. September 1959 mit Kanada über den Luftverkehr (Drucksache 1832) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 6865 C Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung des deutschen Weinbaues in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (Abg. Gibbert, Diel, Schlick, Leicht u. Gen.) (Drucksache 1870) — Erste Beratung — 6865 C Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Ladenschlußgesetzes (Abg. Horn, Scheppmann, Diebäcker, Baier [Mosbach] u. Gen.) (Drucksache 1666) — Erste Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ladenschluß (Abg. Odenthal, Lange [Essen], Killat [Unterbach] u. Gen.) (Drucksache 1929) — Erste Beratung — 6865 D Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abg. Dr Oberländer (Drucksache 1860) Ritzel (SPD) 6865 D IV Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1960 Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abg. Rasner (Drucksache 1859) Jahn (Marburg) (SPD) . . . . . . 6866 B Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung von reichseigenen Grundstücken an das Land Berlin für den Neubau der Berliner Philharmonie; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 1677, 1858) . . . 6866 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Verkauf der ehem. Hansa-Mühle in Bremen an die Soja-Gesellschaft Bremen GmbH in Bremen; Mündlicher Berichtdes Haushaltsausschusses (Drucksachen 1657, 1857) 6866 D Nächste Sitzung 6866 D Anlagen 6867 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1960 6791 118. Sitzung Bonn, den 22. Juni 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
  • folderAnlagen
    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Altmaier* 25. 6. Dr. Atzenroth 22.6. Frau Beyer (Frankfurt) 23. 6. Bruns 2. 7. Corterier* 25.6. Demanelmeier 24. 6. Dowidat 24.6. Frau Friese-Korn 22. 6. Gehring 24.6. Geiger (München) 22. 6. Horn 24.6. Jahn (Frankfurt) 2. 7. Frau Kleanmert 2. 7. Koenen (Lippstadt) 24. 6. Dr. Kreyssig 2. 7. Lenz (Brühl) 22. 6. Maier (Freiburg) 2. 7. Pelster 26. 6. Rademacher 22. 6. Rasch 25.6. Dr. Rüdel (Kiel) 26. 6. Ruhnke 26.6. Sander 2. 7. Dr. Siemer 25. 6. Dr. Steinmetz 22. 6. Striebeck 24. 6. Theil (Bremen) 25. 6. Worms 22.6. Dr. Zimmer" 25. 6. b) Urlaubsanträge Dr. Becker (Hersfeld) 2. 7. Döring (Düsseldorf) 2. 7. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dröscher 2. 7. Frau Engländer 2. 7. Dr. Greve 2. 7. Dr. Kempfler 29. 6. Köhler 2. 7. Lücker (München) * 2. 7. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 2. 7. Weinkamm* 2. 7. Frau Wessel 2. 7. Dr. Zimmermann 8. 7. *) für die Teilnahme an der gemeinsamen Tagung des Europäischen Parlaments mit der Beratenden Versammlung des Europarates Anlage 2 Umdruck 667 (neu) Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP, DP zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Durchführung laufender Statistiken im Handwerk sowie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe (HwGStatG) (Drucksachen 1547, 1781) . Der Bundestag wolle beschließen: § 3 Abs. 1 erhält folgende Fassung: „(1) Die Gaststättenstatistik (§ 1 Nr. 2) erfaßt monatlich den Umsatz sowie die Zahl der Beschäftigten." Bonn, den 22. Juni 1960 Dr. Krone und Fraktion Dr. Atzenroth Dr. Starke Dr. Mende und Fraktion Frau Kalinke und Fraktion
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    Rede von Hellmut Kalbitzer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sozialdemokraten haben um die Aussprache schon in der ersten Lesung gebeten, weil sie glauben, daß das nützlich ist. Schon die einleitenden Worte des Herrn Wirtschaftsministers haben gezeigt, daß es nützlich ist, die Gelegenheit zu einer gründlichen Aussprache über die politischen Fragen, die wir gegenüber den Entwicklungsländern zu lösen haben, und über die Gesamtpolitik diesem größeren Teil der Welt gegenüber zu benutzen.
    Schon zu Anfang möchte ich sagen, daß, so interessant und so positiv einzelne Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers von mir bewertet werden, ich es aufs tiefste bedauern muß, daß von seiten der Regierung nicht der Vertreter der Bundesregierung hier anwesend ist, den das nach unserer Meinung in erster Linie angeht, nämlich der Herr Bundesaußenminister. Wenn Sie, Herr Profes-



    Kalbitzer
    sor Erhard, hier als Vizekanzler gesprochen hätten, würde ich das als glücklich akzeptieren. Da Sie aber nur als Wirtschaftsminister gesprochen haben, muß ich sagen, daß das Problem von vornherein nicht in seiner Gänze ins Auge gefaßt worden ist.

    (Bundesminister Dr. Dr. h. c. Erhard: Der Bundesaußenminister ist mit mir einig!)

    Die Frage der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ist ein wichtiger Aspekt der Gesamtfrage, aber sie ist nicht der Aspekt schlechthin. Ich werde auf die Notwendigkeit der Konzentration dieser Arbeit auch von seiten der Bundesregierung noch weiter eingehen.
    Weil es sich hier aber um eine grundsätzliche Aussprache handelt, möchte ich zum Problem selber noch etwas ergänzen. Die Bevölkerung unserer Erde hat sich im 20. Jahrhundert bis jetzt ungefähr verdoppelt. Die Technik, der Fortschritt, hat den Wohlstand in dem Teil der Welt, der industrialisiert ist, in unerhörtem Maße gesteigert. Aber das bedeutet nicht, daß Technik, Industrie und Wohlstand etwa der ganzen Menschheit zugute gekommen sind. Im Gegenteil, der Durchschnitt der Erdbevölkerung ist heute in einer elenderen Lage als vor 60 Jahren. Im Durchschnitt der Erdbevölkerung haben die Menschen heute weniger Kalorien zu essen als vor zwei Generationen. Die Schaffung von Arbeitsplätzen im Weltmaßstab ist hinter der Bevölkerungsvermehrung zurückgeblieben, und die Wohlstandssteigerung in den Industriestaaten hat im Weltdurchschnitt nicht die Verelendung in dem größeren Teil der Erde, Asien, Afrika und Lateinamerika, überflügeln können.
    Diese völlige Verkehrung der Gewichte bedeutet für unsere heutige Generation, für die mittlere Generation, daß wir noch eine totale Veränderung der Weltpolitik und der menschlichen Gesellschaft als Ganzes erleben. Die Entwicklungsländer als der zahlenmäßig weit überwiegende Teil der Menschheit werden zu einer eigenen weltpolitischen Kraft wenden, weniger durch ihre in herkömmlicher Art gesehene militärische Stärke als vielmehr durch die unerhörte Masse. Hier wird sich in der Politik zeigen, daß die Quantität in eine Qualität umschlägt und daß das moralische Recht dieser Menschen, die ohne ihr eigenes Verschulden im Elend leben, zu einer weltpolitischen Kraft wird. Es ist unsere Aufgabe als Deutsche, auf dieses moralische Recht der Menschenmassen einzugehen und alles zu tun, sie aus idem — wie man es schon genannt hat — Teufelskreis des Elends herauszuführen.
    Diese Entwicklung in weiten Teilen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas findet natürlich auch ein erweitertes Betätigungsfeld für die Austragung der augenblicklich unsere Politik beherrschenden ostwestlichen Gegensätze. Dabei wird in der deutschen Öffentlichkeit ein Faktor sehr leicht verkannt. Es ist nicht so, daß heute die Sowjetunion und der Ostblock in der Frage der Entwicklungspolitik etwas mehr täten oder weiter wären oder eine längere, ältere Konzeption hätten als der Westen. Im Gegenteil, das erste Land, das sich mit Entwicklungspolitik wirklich fundiert befaßt hat, waren die Vereinigten Staaten ,als das industriell am weitesten entwickelte
    Land. Seit dem zweiten Weltkrieg haben sie als erste den ökonomischen und politischen Problemen der Entwicklungsländer Aufmerksamkeit gewidmet. Die Sowjetunion ist an dieses Problem erst sehr viel später herangetreten, und zwar nach dem Tode Stalins, etwa im Jahre 1954. Erst dann hat sie die eigene Rolle der Entwicklungsländer in der Weltpolitik erkannt. Sie hat )allerdings aus dieser Erkenntnis schnell und gründlich politische Schlußfolgerungen .gezogen. Im Gegensatz dazu haben die Vereinigten Staaten von Amerika in den letzten Jahren ihre Politik gegenüber den Entwicklungsländern offenbar nicht von dem Geist der wirtschaftlich und gesellschaftlich fortschrittlichen Entwicklung dieser Massen leiten lassen, sondern sie haben in weiten Teilen der Welt, besonders in Asien, ihre Politik gegen die sozial fortschrittlichen Elemente gemacht, und es hat deshalb in diesen Teilen Asiens in der letzten Zeit schwere Rückschläge für die westliche Politik gegeben.
    Die Politik der Bundesrepublik in dieser Frage stammt etwa aus dem Jahre 1955, als wir Sozialdemokraten als erste den Vorschlag machten, 50 Millionen DM für technische Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen. Damals war die Regierung noch nicht so weit, das Problem anzufassen. Das Parlament hat damals den fortschrittlicheren Part gespielt. Das Parlament hat die Bundesregierung gepreßt, in dieser Richtung etwas zu tun, und ich hoffe, daß .das Parlament auch weiterhin diese Rolle spielen und in der Frage der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern alles mögliche tun wird, was wir zu tun nur in der Lage sind.
    Nun lassen Sie mich zu der vorliegenden Drucksache 1597 kommen. Schon auf der ersten Seite scheint mir der Fehler zu liegen, den ich eingangs moniert habe, daß nämlich das Auswärtige Amt bei diesem Gesetzentwurf gar nicht genannt wird, geschweige denn, daß es etwa die Federführung hätte. Wir sind grundsätzlich der Meinung, daß die Frage der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern eine Frage der Außenpolitik und deshalb des Auswärtigen Amtes ist. Dais bedeutet in gar keiner Weise, daß wir etwa dem einen Ministerium eine höhere Qualifikation als einem anderen zuerkennen. Wenn man zu dem Schluß käme — ich spreche im Konjunktiv —, daß das Auswärtige Amt im Augenblick für diese Arbeit absolut ungeeignet sei, so müßte nach unserer Meinung das Auswärtige Amt eben so weit aufgebaut werden, daß es dazu in der Lage ist. Man kann aber diese Frage der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern nicht dem Wirtschaftsministerium überlassen, weil — und darauf hat der Herr Bundeswirtschaftsminister ja dankenswerterweise hingewiesen — kulturelle und gesamtpolitische Fragen wesentliche Rollen spielen.

    (Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen] : Beide miteinander!)

    Die Entwicklungspolitik wird augenblicklich in der Bundesregierung — soweit wir haben in Erfahrung bringen können — von wahrhaftig allen Ministerien bis auf ein einziges behandelt. Mit Ausnahme des Justizministeriums sind augenblicklich



    Kalbitzer
    alle Bundesministerien mit Entwicklungspolitik befaßt. Ja, es ist, soweit ich informiert bin, vor einiger Zeit vorgekommen, daß sich der Herr Staatssekretär des Ministeriums für Zusammenarbeit mit dem Bundesrat eine Rede über Entwicklungspolitik hat konzipieren lassen. Nun, wenn das dessen persönliche Sorge wäre, — in allen Ehren; aber wenn er das als eine in sein Amt reichende politische Aufgabe ansieht, ist es mir ein Indiz dafür, daß die Frage der Entwicklungspolitik in dieser Bundesregierung überhaupt nicht koordiniert ist, daß dort keine Führung und keine Spitze vorhanden ist.
    Aber auch innerhalb des Auswärtigen Amtes, das nach unserer Meinung die Leitung dieser Politik haben müßte, werden so gut wie alle Abteilungen mit diesen Fragen befaßt. Soweit man aus den gegebenen Übersichten ersehen kann, ist nur in einer Abteilung, der handelspolitischen Abteilung, eine Unterabteilung wirklich ausschließlich mit diesem Thema befaßt. Der Leiter dieser Unterabteilung, ein Mann, der sich alle Mühe gibt, wie ich glaube und hoffen will, hat kraft Amtes, kraft seiner Position in der Beamtenhierarchie gar nicht die Möglichkeit, auch nur eine andere Abteilung des eigenen Ministeriums, geschweige denn ein anderes Ministerium in irgendeiner dieser Fragen, die ihm zur Bearbeitung zugewiesen werden, anzuweisen, so daß vielleicht zwar eine übermäßige Arbeitskraft für die Lösung dieser Fragen eingesetzt wird, aber diese Arbeitsleistungen sich nicht nur quer durch das ganze Auswärtige Amt, sondern quer durch die gesamte Bundesregierung erstrecken. Das hat zur Folge, das zum Schluß niemand weiß, was der andere tut. Ein langfristiges Konzept für die Entwicklungspolitik besteht also zur Zeit offensichtlich nicht.
    Wir haben in diesen Ländern selbstverständlich diplomatische Vertretungen, die offiziell mit diesen Arbeiten befaßt sind. Hier besteht also wenigstens der Teil eines Apparates, der für die Entwicklungspolitik eingesetzt werden muß. Auf Grund einiger Erfahrung müssen wir allerdings sagen — ich will das nicht generalisieren —, daß die Beamten des Auswärtigen Dienstes in Afrika, Asien und Lateinamerika für diese Aufgaben zum großen Teil einfach nicht vorbereitet sind. Es ist gesagt worden, sie seien dazu nicht geeignet. Ich möchte mich diesem Urteil nicht anschließen; man kann das nämlich so lange noch nicht behaupten, solange den Beamten diese Aufgaben wirklich noch nicht gestellt worden sind. Soweit wir sehen, hat der Auswärtige Dienst in dem größeren Teil der Welt mehr Aktivität in der Veranstaltung von Parties mit europäischen oder nordamerikanischen Diplomaten entfaltet als in der menschlichen und politischen Begegnung und Zusammenarbeit mit den Vertretern der Völker, zu denen die Beamten entsandt sind. Gerade darauf kommt es aber für unsere Diplomatie entscheidend an.
    Lassen Sie mich nun zu den einzelnen Paragraphen der Drucksache kommen. Als erstes fällt mir auf, daß die Höchsbeträge für Exportförderung, wie sie bisher vom Parlament immer festgelegt wurden, nicht mehr in dem Gesetzentwurf eingesetzt sind und daß außerdem die Pflicht zur Berichterstattung über den Stand der Exportkredite jetzt fehlt. Wenn der Gesetzentwurf in dieser Form durchkäme, wäre eine Übersicht über die Vorgänge noch weniger als bisher möglich. Das müßte als erstes wieder in das Gesetz hinein, was man auch sonst zu dem Entwurf sagen mag.
    Zur Exportförderung muß im übrigen einiges etwas pointierter gesagt werden, als es der Wirtschaftsminister gesagt hat. Dadurch, daß man die Exportförderung, die die Bundesrepublik wie alle anderen Industriestaaten schon seit zehn Jahren betreibt, umfirmiert, daß man ihr ein anderes Etikett aufklebt, wird sie noch keine Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern. Natürlich haben die Entwicklungsländer von den Exportkrediten im ersten Augenblick einen Vorteil gehabt. Deshalb haben sie die Exportkredite ja auch schnell in Anspruch genommen. Aber auf lange Sicht sind die Exportförderungskredite ein ungeeignetes Mittel für die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern. Die Exportförderungskredite, wie wir sie bisher hatten, waren, wie schon erwähnt wurde, auf vier oder fünf Jahre begrenzt; aber die Waren, die damit geliefert wurden, waren ganze Fabriken oder sonstige langfristige Investitionsanlagen, die erst nach zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren richtig in Betrieb kommen und daher auf jeden Fall auch erst nach solch langen Fristen rentierlich und damit amortisierbar werden. Die bisherige Praxis war so, daß wir langfristige Investitionsmittel, zum Beispiel Elektrizitätswerke, große Anlagen verschiedenster Art, die auf vier, fünf Jahre kreditiert wurden, ins Ausland gaben. Die Länder, von denen wir sagen, sie seien Entwicklungsländer und daher wirtschaftlich nicht so auf dem Quivive wie wir selbst, dachten natürlich: Na, die Deutschen werden schon wissen, daß diese langfristigen Anlagen auch langfristig finanziert werden müssen. Nach vier oder fünf Jahren mußten sie dann erleben, daß die Deutschen das überhaupt nicht wußten, sondern recht naiv taten und diese langfristigen Investitionen kurzfristig bezahlt haben wollten. Daraus sind in der Vergangenheit eine ganze Reihe politischer Verärgerungen und Verstimmungen erwachsen. Deshalb kommt es ganz wesentlich darauf an, daß langfristige Investitionen durch langfristige Kapitalexporte unterstützt werden. Wir müssen diesen Ländern Kapitalien geben, die sie in den Stand setzen, das, was sie für ihre Industrialisierung brauchen, so zu amortisieren, wie es der Stand ihrer Entwicklung ermöglicht. Deshalb sollte in Zukunft die Betonung nicht auf der Exportförderung, sondern auf dem Kapitalexport in die Entwicklungsländer liegen. Das ist das, was dieser Teil der. Welt braucht, der sich erst aufbaut, der ökonomisch oft 100 oder 150 Jahre hinter uns herhinkt. Der Kapitalexport muß aber zu bestimmten Bedingungen vor sich gehen, auf die ich jetzt eingehen will.
    Gut und schön wäre es, wenn, wie in der Begründung des Gesetzentwurfes steht, die private Wirtschaft sich für diese Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern voll bereit fände. Auf deutsch hieße das, daß die private Wirtschaft pro Jahr etwa 2 Milliarden DM Kapital in die Entwicklungsländer
    6810 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn; Mittwoch, den 22. Juni 1960
    Kalbitzer
    exportieren müßte. Ich habe alle Achtung vor denjenigen hier im Hause, die glauben, daß die private Wirtschaft diese 2 Milliarden DM in diese Länder exportiert. Jeder, der das will, hat meine Sympathie und würde auch meine politische Unterstützung haben. Wenn ich die Dinge aber real betrachte, muß ich feststellen, daß eine solche Forderung, einen wesentlichen Teil des Kapitalexports in die Entwicklungsländer der privaten Wirtschaft zu überlassen, nichts anderes als reine Ideologie für den deutschen Hausgebrauch ist. Das läßt sich keinesfalls in die Wirklichkeit umsetzen. In der Realität muß nämlich zu einem wesentlichen Teil die öffentliche Hand die Voraussetzungen für diesen Kapitalexport schaffen. Wenn sich privates Kapital für diesen Kapitalexport, von dem Sie sprechen, findet, dann ist das sehr gut. Andernfalls muß das Kapital durch die öffentliche Hand zur Verfügung gestellt
    werden.
    In unserer Warenbilanz haben wir seit zehn Jahren einen erheblichen Exportüberschuß. Gesamtwirtschaftlich gesehen ließen sich deshalb die Kapitalexporte in der von mir soeben genannten Höhe — 2 Milliarden DM — durchaus {ermöglichen. Es genügt alber nicht, daß ein Kapital von 2 Milliarden DM in diese Länder exportiert wird.
    Hier tauchen zwei Fragen auf, ,auf die auch der Herr Bundeswirtschaftsminister schon eingegangen ist. Die erste Frage ist: wer bürgt für die Risiken, die ganz zweifellos in diesen Kapitalexporten liegen? Schon hier muß der Bund so eintreten, wie er das bisher bei !den Exportkrediten getan hat. Die zweite Frage lautet: wie hoch sollen die Zinssätze sein?
    Der letzte Punkt ist leider sehr entscheidend. Die deutschen Zinssätze von etwa 7 % sind auf dem Weltmarkt bei der Konkurrenz billigerer westlicher Länder und bei der entscheidenden Konkurrenz der Sowjetunion und anderer Ostblockländer einfach unrealistisch. Wir können für das Exportkapital keine höhere Verzinsung als im Durchschnitt 2 bis 4 % — im Ausnahmefall 5 % — erwarten. Bei der Lage des heutigen Kapitalmarktes muß daher die öffentliche Hand die Zinsen künstlich auf einen solchen Weltdurchschnitt herunterschleusen. Andernfalls wird man der von Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister, so glänzend dargestellten Notwendigkeit, die für die deutsche Wirtschaft besteht, nicht gerecht. Wenn wir das wollen, was Sie dargestellt haben, dann müssen wir leider auch diesen harten Tatsachen ins Auge sehen.
    In dem Gesetzentwurf ist eine weitere Bedingung für die Kapitalexporte enthalten. Zwischen der Bundesrepublik und dem Empfängerland des Kapitals soll ein Vertrag über die Behandlung ausländischen Kapitals abgeschlossen werden. Selbstverstandlich sollte man derartige Verträge schließen. Ich möchte nur das Haus vor einem übermäßigen Optimismus in dieser Frage warnen. Ich möchte feststellen, daß ein solcher Vertrag über die Behandlung deutschen Kapitals irgendwo in der Welt nur so lange durchführbar, nur so lange durchsetzbar ist, wie sich dieses Land in einer stetigen Aufwärtsentwicklung befindet. Aber wir müssen natürlich realistisch mit politischen und wirtschaftlichen Rückschlägen rechnen und dürfen deshalb derartige Vertrage nicht etwa als eine wirkliche Sicherheit ansehen. Die Charta für das Kapital, wie sie von Herrn Abs schon vor Jahr und Tag vorgeschlagen worden ist, ist zwar gutgemeint, aber weltpolitisch gesehen nicht von besonderer Wirksamkeit.
    Der Gesetzentwurf, wie er uns heute vorliegt, wird nur als ein Instrument der Wirtschaftlichkeit aufgefaßt. Eine solche Auffassung ist zwar gut und schön. Aber sie ist zu eng, sie umfaßt nicht die gesamte Problematik. Nötig sind allgemeine Überlegungen über den Kapitalexport, auch über seine Zielrichtung und seine Ausmaße.
    Hierzu darf ich, um nicht nur meine Meinung zum besten zu geben, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums zitieren. Der Wissenchaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums, dieses Gremium von Professoren, hat, veröffentlicht am 12. Februar 1960 im Bulletin, zu dieser Problematik als letztes folgendes gesagt:
    Der Beirat ist der Auffassung, daß die Bundesrepublik ihre bisherige Politik punktueller und zum Teil mehr oder weniger zufälliger Maßnahmen zur Entwicklungsförderung nicht fortsetzen sollte. Vielmehr bedarf es der Aufstellung eines längerfristigen Gesamtprogramms.
    Für dieses längerfristige Gesamtprogramm sprechen nach Ansicht des Gremiums der Professoren eine große Zahl von Notwendigkeiten, die von der Bundesregierung bisher leider mit Stillschweigen übergangen worden sind. Eine dieser Notwendigkeiten, die auch in dem Bericht erwähnt ist, möchte ich hier offen nennen.
    Wir haben seit vielen Jahren erhebliche Warenexportüberschüsse. Das galt im allgemeinen und gilt im Volk noch heute als ein besonders gutes wirtschaftliches Zeichen. Sicher haben wir uns bis zur Mitte der fünfziger Jahre über diese Exportüberschüsse nur freuen können. Aber dieses Glück wird eines Tages zu einem Elend, und in dieser Situation sind wir heute. Heute exportieren wir relativ zuviel. Wir sollten zwar immer mehr exportieren, aber der Export muß durch einen entsprechenden Import, durch einen entsprechenden Umfang an Einfuhren aus den Entwicklungsländern gedeckt werden. Mit anderen Worten: man muß den Entwicklungsländern mehr wirtschaftliche Chancen als bisher geben, damit sie das, was sie bei uns kaufen, was sie für ihren Aufbau dringend nötig haben, mit Waren bezahlen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Beirat, den ich vorhin zitiert habe, wie heute auch der Bundeswirtschaftsminister haben die Wörter „Wirtschaftshilfe" und „Entwicklungshilfe" reichlich oft gebraucht. Ich muß sagen, daß auch ich selber bis vor einiger Zeit die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern als eine „Hilfe" bezeichnet habe. Ich muß jetzt sagen — und sage das durchaus auch als Selbstkritik —, daß die Bezeichnung „Hilfe" für die Vorgänge, die wir heute diskutieren, im besten Falle ein frommer



    Kalbitzer
    Selbstbetrug ist. Es ist keine „Hilfe", wenn wir in Wirklichkeit ebenso aus eigenem Interesse wie im fremden Interesse handeln. Es schändet niemanden, wenn er aus eigenem Interesse wirtschaftliche Zusammenarbeit will. Nur darf man diese wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht mit der moralischen Qualität der „Hilfe" höher werten, als sie moralisch gesehen ist. Deshalb möchte ich vorschlagen, daß man in dieser Beziehung im allgemeinen Sprachgebrauch nicht mehr das Wort „Hilfe" verwendet, sondern von „Zusammenarbeit" dort spricht, wo es sich um eine solche handelt. Das ist bei mir keine Stilfrage. Bekanntlich haben die Entwicklungsländer für die Form, in der die Zusammenarbeit — die noch viele Schwierigkeiten bereitet — erfolgt, ein sehr feines Empfinden. Die Entwicklungsländer nehmen uns die Bezeichnung „Hilfe" dort nicht ab, wo es sich eben um handfeste beiderseitige Interessen handelt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es gibt Gebiete der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern, wo das Wort „Hilfe" angebracht ist. Ich meine aber, wir sollten die Bezeichnung „Hilfe" auf die menschliche Bezirke beschränken, d.h. sie nur dort verwenden, wo es es sich darum handelt, daß Wissenschaftler, Techniker, Lehrer und andere Fachleute aus den Industrieländern, Europäer und Nordamerikaner, in die Entwicklungsgebiete gehen, wobei sie wirklich etwas Eigenes opfern und mitbringen, um in diesen Ländern dem wirtschaftlichen und dem gesellschaftlichen Aufbau zum Durchbruch zu verhelfen.
    In der Tat, es genügt nicht, daß man finanziell, mit Kapital hilft; hinzukommen muß — und das muß mehr als bisher von der deutschen Öffentlichkeit beachtet werden — die menschliche Zusammenarbeit mit diesen Ländern.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es genügt nicht, daß wir nur als Techniker nach Indien oder in arabische Länder, oder wo sonst in der Welt große Projekte durchgeführt werden, gehen, uns dort nur als Fachleute betätigen, ohne menschliche Beziehungen zu der einheimischen Bevölkerung zu pflegen. Wir müssen die bisher rein technischen Beziehungen zu einer echten Begegnung auch im Menschlichen erweitern. Nur wenn es sich um solche Art der Zusammenarbeit handelt, darf man mit Recht von „Hilfe" sprechen.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.)

    Zusammenarbeit bedeutet natürlich nicht, daß wir Kredite und Kapitalien für die Entwicklungsländer gewissermaßen „blind" geben sollten; wir haben nicht nur ein Recht, sondern — auch im Interesse der empfangenden Länder selbst — die Pflicht, dauernd zu kontrollieren, daß dieser Kapitalstrom, der sich jetzt erst entwickeln muß, auch in die richtigen Kanäle des Aufbaues geleitet wird und sich nicht etwa in irgendwelche korrumpierten Seitenkanäle verflüchtigt. Die Kapitalien, die wir hergeben müssen, und die engere Zusammenarbeit, auf die wir es anlegen müssen, geben wir zur Entwicklung dieser Völker, und wir geben sie an die Regierungen dieser Völker, weil sie die legitimen Vertreter dieser Völker sind. Insofern muß die Zusammenarbeit natürlich über die Regierungen gehen. Das schließt nicht aus, daß private Initiative der Zusammenarbeit mehr als bisher Tatsache werden müßte.
    Aber auch wo es sich um Beziehungen von Regierung zu Regierung handelt, sollten wir die Beziehung zu einer Regierung, mit der wir diese Zusammenarbeit pflegen, nicht etwa im Interesse eines einzelnen dieser Staatsmänner oder etwa deshalb fördern, weil uns eine aktuelle Politik dieser speziellen Regierung besonders interessiert; vielmehr müssen wir stets den objektiven Zweck der Entwicklung im Auge behalten. Es darf deshalb z.B. nicht so sein, wie es vor einiger Zeit mit der Türkei gegangen ist. Ich war für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei in der Vergangenheit, bin es heute und hoffe es auch in Zukunft bleiben zu können. Aber der Herr Bundeskanzler hat, als ihn die Fachleute bereits in bezug auf das Schicksal der Regierung Menderes gewarnt haben, noch kurz vor deren Ende die Gewährung eines erheblichen Kredits an diese — inzwischen gestürzte und dem Vergessen anheimgegebene — Regierung befohlen, geradezu gegen die deutschen Dienststellen, die diese Kredite normalerweise zu übermitteln hatten; und das macht den Eindruck, als ob der deutsche Regierungschef nicht so sehr Interesse an der Zusammenarbeit mit der Türkei als speziell Interesse an der Zusammenarbeit mit Herrn Menderes gehabt habe. Es würde mich freuen, wenn ich in diesem Punkt falsch liegen sollte und wenn das dementiert werden könnte; aber ich möchte auf die Gefahren, die es in dieser Richtung immer wieder gibt, ausdrücklich hinweisen.

    (Mg. Schmitt-Vockenhausen: Wie steht es mit dem Haushaltsrecht?)

    — Die Frage des Haushaltsrechts werden wir, denke ich, wenn die Sache in der Etatberatung zur Sprache kommt, natürlich nochmals aufrollen.
    Unsere Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern leidet noch unter einer anderen politischen Schwäche, nämlich darunter, daß sich die deutsche Bundesregierung in mehreren Fällen nicht im direkten Interesse und in direkten Beziehungen mit diesen zum großen Teil ja neu entstehenden, aus dem Kolonialismus sich befreienden Ländern zusammenfindet, sondern daß wir in den Beziehungen zu diesen neuen Ländern Rücksicht nehmen auf die Länder in Europa, die sich früher mit Unrecht Mutterländer genannt haben und sich heute noch anmaßen, in den jetzt :unabhängig gewordenen Ländern Vorrechte zu haben. Darunter haben z. B. unsere Beziehungen zu Ländern wie Guinea gelitten. Darunter leiden unsere Beziehungen zu Indonesien und Togo, worüber noch ein besonderes Wort zu sagen sein wird.
    Wir dürfen das Ziel unserer Bemühungen bei dieser Zusammenarbeit nicht aus dem Auge verlieren. Es gilt, die Freiheit der neu entstehenden, sich neu formierenden, neu in die Weltpolitik eintretenden Länder und Mächte zu entwickeln. Ohne eine Hebung ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lage kann es in diesem Teil der Welt auf die Dauer keine Freiheit geben. Hieraus ergibt sich das



    Kalbitzer
    ungeheure finanzielle Ausmaß unserer Verpflichtung. Das gilt für alle Teile der Welt. Ich möchte offen sagen, daß wir Sozialdemokraten uns freuen, daß die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der arabischen Welt, mit Indien und allen anderen Ländern Asiens sowie mit Lateinamerika ein Steinchen ist, um diesen Ländern ihre Freiheit und also ihren wirtschaftlichen Aufbau zu garantieren.
    Wir sollten auch klarmachen, daß wir mit unserer finanziellen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit keinerlei imperialistische Eroberungen oder auch, wie die moderne Methode wäre, indirekte Infiltrationen wollen. Wir wollen diese Zusammenarbeit, damit die Länder sich aus freien Stücken entscheiden können, welchen Weg sie und ihr Volk gehen wollen. Wir wollen nicht, wie es die Kommunisten und wie es die Sowjets wollen, etwa ideologisch-politische Eroberungen. Wir lehnen diesen Weg ab, weil wir glauben, daß jedes Volk, wenn es soviel wirtschaftliche Bewegungsfreiheit hat, daß es auch seine Politik selber bestimmen kann, der Freiheit die Chance geben wird.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Preusker.)

    Deshalb glauben wir, wir können mit der Bundesregierung den vorliegenden Gesetzentwurf zusammen umformen, damit er — nachdem das, was wir in den vergangenen fünf, sechs Jahren gemacht haben, nur Flickwerk oder „punktuelle Einzelmaßnahmen" waren — ein wirklicher Anfang, ein, wirklicher Start wird für eine Gesamtstruktur einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der gesamten Welt.

    (Beifall bei der .SPD.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Birrenbach.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Birrenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ichglaube, alle Parteien dieses Hauses stimmen darin überein, daß die Hilfe für die unterentwickelten Länder eine der zentralen Aufgaben unserer Zeit ist. Von den 82 Mitgliedern der Vereinten Nationen gehören heute nahezu 60 zu den Entwicklungsländern. Daraus erhellt die eminent politische Bedeutung dieses Problems. Das jährliche Durchschnittseinkommen in den Entwicklungsländern liegt bei etwa 120 Dollar — in den südostasiatischen Ländern ist es noch niedriger — gegenüber einem durchschnittlichen Per-capita-Einkommen in den industrialisierten Ländern von 800 Dollar, ja von 2000 Dollar in den Vereinigten Staaten. Das ist ein ernstes Symptom. Die Entwicklung der letzten zehn Jahre ist trotz aller Hilfe — und die Hilfe ist sehr beträchtlich gewesen — eigentlich nur ernster geworden. Die Steigerung des Nettoeinkommens in der Zeit von 1950 bis 1957 betrug im Durchschnitt in Großbritannien, der Bundesrepublik und der Schweiz etwa 360 Dollar, während sie in den unterentwickelten Ländern 10 Dollar per capita und pro Jahr ausmachte. Die Kluft zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsgebieten ist also größer, nicht kleiner geworden. Das rapide Wachstum der Bevölkerung bei verringerter Sterblichkeit und unausreichende Wachstumsquoten sind die Ursachen dieses erschreckenden Phänomens. Das sind alarmierende Zeichen, die uns alle in der westlichen Welt zum Handeln zwingen.
    In diesem Zusammenhang ist das Wort vom Klassenkampf der Völker gefallen. In den industriealisierten Ländern der westlichen Hemisphäre haben wir den Klassenkampf zum großen Teil im Verlauf des letzten Jahrhunderts überwunden. Es ist unsere Aufgabe, die geschichtliche Herausforderung anzunehmen und den Versuch zu machen, einen ähnlichen Ausgleich zwischen den Völkern der Not und den Völkern des Reichtums und des Wohlstandes zu finden. Die Revolutionierung der Verkehrsverhältnisse in der Welt gestattet heute nicht mehr, in Ländern und Kontinenten zu denken. Frieden und Wohlstand, in gewissen Grenzen, sind unteilbar. Wir alle sind Teile einer Welt. Das letzte Jahrhundert hat uns in dieser Hinsicht eine grausame Lehre erteilt, die wir nicht überhören sollten.
    Was uns alle, insbesondere uns alle in der Bundesrepublik, mit jenen Ländern verbindet, ist die Idee der Selbstbestimmung. In der Periode von 1940 bis 1950 haben 800 Millionen Menschen ihre Unabhängigkeit erhalten. Seit 1950 ist auch der größte Teil Afrikas unabhängig geworden. Alle diese neuen und freien Nationen werden Verständnis dafür haben, daß eine alte, historische Nation wie die deutsche für die von einem kolonialen Besatzungsregime unterdrückten 17 Millionen in der Ostzone das gleiche Recht der Selbstbestimmung in Anspruch nimmt. Das Streben nach Selbstbestimmung ist heute in der Welt eine der gewaltigsten Kräfte. Nur in und mit diesem Strom können wir immer wieder unser Anliegen geltend machen, das kein nationales, sondern ein europäisches und gleichzeitig ein eminent menschliches ist.
    Das Gefühl, daß es notwendig ist, den Entwicklungsländern zu helfen, wird aus Quellen gespeist, die nicht nur utilitaristischer Natur sind. Das sollten wir nicht übersehen. Die kulturellen und religiösen Grundlagen der westlichen Welt gestatten es ihr einfach nicht, dieser Entwicklung gegenüber passiv zu bleiben. Es ist daher eine der Grundvoraussetzungen für den Erfolg der Entwicklungshilfe überhaupt, daß sie ohne jede politische Bedingung gegeben wird.
    Man sollte aber auch nicht übersehen, daß die Hilfe nicht nur im Interesse der Empfangsländer, sondern ebenso im Interesse der Industriestaaten der westlichen Welt liegt. Die Erschließung von Absatzmärkten, Rohstoffquellen und die Industrialisierung fördern die Verflechtung dieser Länder in den Gesamtprozeß der Weltwirtschaft und kommen indirekt den gebenden Volkswirtschaften nach Überbrückung der Anlaufperiode wieder zugute. Wenn aber die Hilfe wirksam sein soll, muß sie im Zeichen echter Partnerschaft erfolgen. Beide, Empfänger und Geber, müssen an jenem Projekt zusammenarbeiten. Jeder hat dabei seinen Anteil zu übernehmen, so daß ,das Gesamtwerk, das später entsteht, ein Gemeinschaftswerk ist.



    Dr. Birrenbach
    Damit Sie sich ein Bild machen können, wie groß das Problem in Wirklichkeit ist, gestatten Sie mir, einige Zahlen zu nennen, die der Sonderfonds der Vereinten Nationen kürzlich publiziert hat. Das Gesamteinkommen der sogenannten Entwicklungsländer beläuft sich auf jährlich 120 Milliarden Dollar oder mehr als 500 Milliarden DM. Die jährliche Kapitalbildung in diesen Ländern betrug in den letzten Jahren ca. 9 Milliarden Dollar pro Jahr, von denen 6 Milliarden aus den Steuergeldern der Länder und 3 Milliarden aus der Auslandshilfe geflossen sind.
    Diese Hilfe ist, wie ich gezeigt habe, unzureichend gewesen. Um das Einkommen dieser Länder nur um 1 % zu erhöhen, bedürfte es nach den gleichen Berechnungen in den kommenden zehn Jahren eines Einsatzes von zusätzlichen 30 Milliarden Dollar.
    Bei dieser gewaltigen Größenordnung des Problems müssen wir die Aufgabe in ihrer gesamten Vielschichtigkeit sehen. Wir haben die personellen und materiellen Mittel aufzubringen, die zur Bewältigung dieser Aufgabe notwendig sind, und wir haben dafür Sorge zu tragen, daß die vorhandenen Mittel rationell eingesetzt werden.
    Dabei ergeben sich eine Reihe von grundsätzlichen Fragen. Man darf nicht übersehen, daß die Entwicklungsländer einerseits unter dem Bevölkerungsdruck und andererseits unter der Peitsche der Konkurrenz totalitärer Regimes die Entwicklung vom Agrarstaat mittelalterlicher Struktur zum modernen Industriestaat in einem Zeitraum durchzumachen versuchen, der ungleich dem ist, in dem die westlichen Länder den Prozeß ihrer Industrialisierung vollzogen haben. In der augenblicklichen politisch krisenhaften Entwicklung ist der Zeitfaktor nun einmal von entscheidender Bedeutung. Wenn man das Tempo übersteigert, wenn die Entwicklung unorganisch wird, kann sie niemals zu dem Ergebnis führen, das jene Völker erhoffen. Darum werden wir sie immer wieder darauf aufmerksam machen müssen, daß die großen westlichen Länder dieses Problem unter anderen Voraussetzungen in nahezu einem Jahrhundert gelöst haben und daß sie, die Entwicklungsländer, das gleiche Problem nicht in einem Jahrzehnt lösen können.
    Was die Entwicklungsländer von den hochindustrialisierten Ländern unterscheidet, ist — darauf muß man immer wieder hinweisen — die völlig andere Ausgangslage. Sowohl der politische als auch der wirtschaftliche Unterbau sind nicht vergleichbar. In den meisten Entwicklungsländern fehlen die Grundlagen einer staatlichen Struktur, die sich organisch von der Gemeinde bis zum Staat aufbaut, sowie ein ausgebildeter Beamtenstab auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens. Es fehlt ein Erziehungssystem von den Grundschulen bis zu den Universitäten und Technischen Hochschulen. Es fehlen eine moderne Industriearbeiterschaft ebenso wie die Unternehmer und das erforderliche Industriekapital. Zudem müssen die für einen wirtschaftlichen Aufbau unentbehrlichen Infrastrukturen errichtet werden, die effektive Investitionen überhaupt erst möglich machen. Ich denke dabei an Straßen, Bahnen, Energiebetriebe, Bewässerungsanlagen, Staudämme, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, Technische Hochschulen usw. Die natürlichen Reichtümer dieser Länder sind zum Teil unbekannt, da bisherige geologische und landwirtschaftliche Untersuchungen noch unzureichend sind. Das ist die andere Seite des Problems, das ich Ihnen am Beginn meiner Rede an Hand statistischer Angaben aufgezeigt habe.
    Wie kann dieses Problem gelöst werden? Es gibt drei grundsätzliche Hilfestellungen, die die westliche Welt leisten kann. Die erste ist die Beratungshilfe, die über die rein technische Hilfestellung weit hinausgeht und das gesamte Gebiet umfaßt von der Beratung bei der Entwicklung staatlicher Institutionen bis zur Planung wirtschaftlicher Projekte und der Führung von Betrieben. Die zivilisatorische Leistung einiger Kolonialreiche — das möchte ich Herrn Kalbitzer antworten; etwa in Indien und Nordafrika — sollte dabei nicht vergessen werden. Dieser ersten Aufgabe nehmen sich nationale wie internationale Institutionen an. Ich denke dabei vor allem an die Sonderorganisationen der UNO, an die Landwirtschaftsorganisation, an die Weltgesundheitsorganisation, an die UNESCO, an die Internationale Arbeitsorganisation, an den Sonderfonds und andere. Die Bundesrepublik hat den Entwicklungsfonds des Auswärtigen Amts geschaffen, aus dem seit 1956 bereits 290 Millionen DM bereitgestellt und zum Teil schon verausgabt sind für technische Lehranstalten, Ingenieurschulen, Lehrwerkstätten, Gewerbeschulen, Musterfarmen und Musterbetriebe, für den Einsatz von Sachverständigen als Regierungsberater oder technische Sachverständige, für Stipendien, für Praktikanten der Bundesrepublik, für Projektierungen und Planungen. Für das Rumpfetatjahr 1960 sind weitere 52,5 Millionen DM angesetzt, die einen wichtigen Beitrag zur Lösung des überaus schwierigen Problems darstellen. Viel mehr noch wird in Zukunft geschehen müssen. Aber der Anfang ist gemacht.
    Auf diesem Gebiete verfügt die Bundesrepublik auf Grund ihres Wiederaufbaues über Erfahrungen, die in allen überseeischen Ländern geschätzt werden. Der Platz, den in diesem Rahmen die neugegründete Entwicklungsstiftung einnehmen kann, soll dabei nicht unerwähnt bleiben.
    Die zweite Aufgabe ist die finanzielle Hilfe, d. h. dazu beizutragen, die unzureichende Kapitalbildung der Entwicklungsländer so weit zu erhöhen, daß die dringendsten Investitionsaufgaben gelöst werden können. Diese Aufgaben stellen sich in den Entwicklungsländern aber in besonderer Form, einmal in dem Aufbau der sogenannten Infrastrukturen wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Natur, zum andern in den produktiven Investitionen, also dem Aufbau von wirtschaftlichen Betrieben, seien sie nun industrieller oder landwirtschaftlicher Natur. Der besondere Charakter dieser Investitionsformen verlangt eine besondere Art der Hilfe. Die Finanzierung von Infrastrukturprojekten kann der Natur der Sache nach nur langfristiger Art sein. Die Bedingungen über Amortisation und die Verzinsung solcher Kredite müssen, damit das Budget und die Zahlungsbilanzen dieser Länder nicht in völlige Un-



    Dr. Birrenbach
    ordnung geraten, sehr großzügig sein. Dem Einsatz der privaten Industrie sind dabei natürlich Grenzen gesetzt. Wenn irgendwo, so ist hier eine öffentliche Hilfe notwendig.
    Im Verlauf der vergangenen Jahre hat sich immer gezeigt, daß reine Schenkungen in den Empfängerländern nicht das Echo finden, das man in den Geberländern erwartet hat. Insbesondere die Vereinigten Staaten haben in dieser Richtung einige Erfahrungen gemacht, die man sich zunutze machen sollte. Eindeutig unentgeltliche Leistungen sind sinnvoll auf den Sektoren der Beratungs- und der Kapitalhilfe für gewisse Infrastrukturen insbesondere kultureller und sozialer Art. Es können sich aber auch Sonderprojekte ergeben, wie idas von dem Bundeswirtschaftsminister erwähnte Indus-Projekt.
    Bei den produktiven Investitionen soll rund muß die Privatindustrie einen entscheidenden Beitrag leisten, da niemand qualifizierter ist als sie, unter vollkommener Anpassung an die Verhältnisse des Landes die dortigen Entwicklungsaufgaben zu meistern. Bei den außerordentlichen Risiken wirtschaftspolitischer Natur in diesen Ländern bedeuten die Exportgarantien der Staaten eine unentbehrliche Unterstützung der privaten Industrie. Darüber hinaus ist es aber erforderlich, daß die Privatindustrie sich in den unterentwickelten Ländern selbst mit eigenen und direkten Kapitalinvestitionen engagiert, für die idas Haushaltsgesetz des Jahres 1959 erstmals in Art. 18, idas neue Haushaltsgesetz für das Jahr 1960 in Art. 23 die Basis für eine Garantie geschaffen haben. Ich glaube, daß Herr Kalbitzer unrecht hat, wenn er meint, daß auf diesem Wege eine Hilfe nicht denkbar sei. Allein die Tatsache, daß über Investitionen der Privatindustrie Musterbetriebe, Pilot plants, Musterfarmen gegründet werden, ist von viel größerer Bedeutung als der monetäre Umfang der Projekte.
    Welche der Aufgaben, die sich hier bieten, auf nationaler, regionaler oder universaler Basis gelöst werden muß, hängt von idem Typ der Hilfe, dem Charakter der Empfängerländer und schließlich von der Art und Größe dieser Länder, zum Teil aber auch von dem Grad ihrer politischen Gefährdung ab. Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen auf dieses Problem einzugehen, darauf, ob im Einzelfall die übernationale der nationalen Hilfe oder unigekehrt vorzuziehen ist. Aber eines ist entscheidend: Diese Hilfen können das gewaltige Problem nur lösen, wenn sie koordiniert zum Einsatz gelangen, wenn dieser Einsatz einerseits auf einer eindeutigen Planung der Ressourcen der zu entwickelnden Länder beruht und andererseits auf Grund der Möglichkeiten erfolgt, die den Industrieländern zur Verfügung stehen. Wenn idas nicht geschieht, ist die Hilfe umsonst. Nicht nur das; eine unzureichende Hilfe in diesem Sinne könnte politische Konsequenzen haben, die unübersehbar sind. Gerade hier ist große Vorsicht am Platze, und nichts wäre gefährlicher, als gewissermaßen das Füllhorn der Gaben uneingeschränkt über diese Länder auszugießen. Jedes Projekt muß einzeln geprüft werden, und wenn es der Prüfung standhält, dann müssen die notwendigen Mittel für seine Finanzierung gefunden werden. Jeder andere Weg ist gefährlich, gefährlich angesichts der Größe ides Problems und gefährlich angesichts der Knappheit der zur Verfügung stehenden Mittel.
    Bei diesen Projekten muß man daran denken, daß die Entwicklungsländer in erster Linie jene wirtschaftlichen Möglichkeiten ausbauen und industriell verwerten sollten, die ihnen die Natur geschenkt hat. Nahezu alle diese Länder sind Agrarländer. Es ist bekannt, daß, wenn sich ein Agrarland unorganisch schnell industrialisiert, nicht nur die Exporte leiden — weil die Landwirtschaft weniger Erträge abgibt —, sondern auch Zahlungsbilanzdefizite eintreten, die später das Aufbauproblem nahezu unlösbar machen. Darum ist es besser, auf Grund der Gegebenheiten unter Berücksichtigung der Standortverhältnisse organisch eine Industrie aufzubauen, Kaufkraft zu schaffen und so langsam eine Arbeiterschaft, einen Mittelstand heranzubilden, der in der Lage ist, später jene Schicht zu ersetzen, die in den industrialisierten Ländern den Aufbau der Industrie vollzogen hat. Auch hier gibt es keine Wunder. Daß in jenen Ländern, wo keine derartige Mittelschicht besteht, in der Anfangsentwicklung der Staat eine sehr entscheidende Rolle spielen wird, wer wollte das leugnen? Aber entscheidend ist nicht diese Tatsache. Entscheidend ist, wohin die Planung führt, ob die Planung zur reinen Staatswirtschaft geht oder ob sie darauf abgestellt ist, die natürlichen Produktivkräfte der Länder zu entwickeln und so den organischen Aufbau einer neuen Gesellschaft möglich zu machen.
    An Institutionen für diese Koordination fehlt es nicht. Ich glaube, daß in diesem Rahmen der OECD eine ganz besondere Rolle zukommt.
    Angesichts der Größenordnung des Problems muß man dem Gedanken nähertreten, daß man nicht allen gleichzeitig helfen kann. Wer allen hilft, hilft keinem. Darum drängt sich der Gedanke einer gewissen Schwerpunktbildung immer mehr auf. Das bedeutet nicht, daß einzelne Länder von der Hilfe ausgeschlossen werden sollen und die andern Länder für alle Zeit bevorzugt werden. Im Gegenteil! Aber eine gewisse Sequenz ist hier notwendig. Sie ist vielleicht schmerzlich, aber sie ist das Gebot der Stunde; denn —. ich sage es noch einmal — nichts wäre schlimmer als eine nicht ausreichende Industrialisierung, ohne daß die notwendigen volkswirtschaftlichen Grundlagen dafür gegeben sind.
    Der Einsatz sollte schwerpunktmäßig erfolgen, und zwar sollten diese Schwerpunkte in Gemeinschaft mit der ganzen westlichen Welt ausgewählt werden. Die westliche Welt wird aber nicht wie die Sowjets daran denken, nach rein politisch-strategischen Gesichtspunkten und unter politischen Bedingungen Hilfe zu bringen. Manchmal sieht es so aus, als sei die Hilfe des Ostblocks spektakulärer als die des Westens. Das liegt aber ganz einfach daran, daß die Sowjetunion ihren Einsatz an politischen Brennpunkten und oft unter ganz dramatischen Umständen vornimmt. Wenn Sie die realen Zahlen vergleichen, dann können Sie sehen, daß der Westen keinen Grund hat, sich zu schämen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni' 1960 6815
    Dr. Birrenbach
    Überlegen Sie, daß die Vereinigten Staaten allein in den Jahren nach 1945 über 26 Milliarden Dollar — das sind also mehr als 100 Milliarden DM — den Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt haben. Demgegenüber beträgt die Hilfe der Sowjetunion ganze 2,9 Milliarden Dollar! Über den Colombo-Plan allein sind mehr als 1,8 Milliarden Pfund — ich wiederhole: Pfund! — an Entwicklungsländer geflossen. Die Leistungen Frankreichs allein in Nordafrika beliefen sich — aus staatlichen Quellen — in den letzten Jahren auf über 21/2 Milliarden DM pro Jahr. Nach einer Übersicht des Bundesfinanzministeriums belief sich die deutsche Entwicklungshilfe im Jahre 1959 auf 3,45 Milliarden DM, im Jahre 1958 auf 2,3 Milliarden DM und im Jahre 1957 auf 2,1 Milliarden DM. Diese Beträge sind sicherlich nicht ausreichend, um das gewaltige, vor uns stehende Problem zu lösen, aber immerhin stellen sie eine Leistung dar, die sich, umgerechnet auf das Bruttosozialprodukt, sehen lassen kann.
    Im Zusammenhang mit diesen Hilfstransaktionen stehen die beiden Gesetze, über die der Bundestag heute berät. Zunächst das Gesetz zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland, insbesondere zu den Entwicklungsländern. Der Kollege Kalbitzer hat hier eine Kritik zum Ausdruck gebracht und gesagt, daß hierfür das Auswärtige Amt federführend sein müsse. Ich spreche hier als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. Jede wirtschaftliche Transaktion ist ein Ausfluß der Wirtschaftspolitik. Das ist selbstverständlich. Löste man sie daraus heraus, so würde man, wie ich glaube, in den organischen Fluß der Wirtschaftspolitik Lücken reißen, die nicht zu verantworten sind. Etwas anderes ist, daß das Auswärtige Amt bei der Planung der Hilfe für die unterentwickelten Länder ein wichtiges, sehr wichtiges Wort mitzureden hat, gerade allein auch deswegen, weil die Auseinandersetzung um die unverpflichtete Welt heute zu den zentralen Aufgaben der Außenpolitik gehört. Das Zusammenwirken der beiden Ressorts unter Federführung des Wirtschaftsministeriums sollte das Optimum an Ergebnissen zur Folge haben.
    Das Gesetz, um das es hier geht, faßt alle bereits bestehenden Förderungsmaßnahmen, und zwar in Form von Bürgschaften und Garantien des Bundes zur gesamten und teilweisen Abdeckung des politischen und wirtschaftlichen Risikos bei Exporten, bei Krediten an Auslandsschuldner, Kapitalanleihen Privater im Ausland und Umschuldungen in einem Rahmenwerk zusammen. Die Erfahrungen, die man in dem Jahrzehnt seit 1949 gemacht hat, haben in diesem Gesetz ihren Niederschlag gefunden. Die Bundesregierung geht bei diesem Gesetz davon aus, daß grundsätzlich und primär die Privatindustrie die Wirtschaftshilfe in den Entwicklungsländern zu leisten hat. Das ist bei den produktiven Investitionen sicherlich richtig. Inzwischen hat sich bei der Entwicklung der Hermes-Garantien aber, was Herrn Kalbitzer entgangen zu sein scheint, ein grundsätzlicher Wandel der Motivierung vollzogen. Das Schwergewicht liegt heute nicht mehr, wie in der Vergangenheit, bei der Förderung der deutschen Ausfuhr, sondern ganz vorrangig, d. h. zu 90 %, wie der Bundeswirtschaftsminister vorhin erklärt hat, bei der Hilfe zugunsten der Entwicklungsländer.