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ID0311108300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 111. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1960 Inhalt: Nachruf auf die Abg. Dr. Gülich und Cillien Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 6183 A Abg. Dr. Tamblé tritt in den Bundestag ein 6183 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Höcker, Mensing, Pietscher und Demmelmeier 6183 D Nachrücken der Abg. Dr. Weber (Koblenz) und Dr. Dittrich als Wahlmänner nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . 6183 D Begrüßung des Präsidenten Fagerholm und weiterer Abgeordneter des finnischen Reichstags . . . . . . . . . . . 6190 D Eidesleistung des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . . 6215 D Fragestunde (Drucksache 1810) Frage des Abg. Ritzel: Kapitalanlagen im Ausland Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6184 C Frage des Abg. Dr. Kohut: Mangel an Narkosefachärzten in der Bundesrepublik Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6185 A Frage des Abg. Dr. Reinhard: Schutz des Verbrauchers vor mit Antibiotica behandeltem Importgeflügel Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6185 B Frage des Abg. Dr. Arndt: Amtliche Sammlung von Fehlurteilen im Strafprozeß Schäffer, Bundesminister . . . . 6185 D Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Beschluß des 5. Gewerkschaftsjugendtages der IG Bergbau betr. Kontakte mit der Bundeswehr Hopf, Staatssekretär . . . . . . 6185 D Fragen des Abg. Dr. Rutschke: Atomreaktor Karlsruhe Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . 6186 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Freihandelszone (Drucksache 1305) verbunden mit Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Freihandelszone (Drucksache 1464 [neu] ) Margulies (FDP) 6186 D, 6191 A, 6243 C Kalbitzer (SPD) . . . . . . . . 6193 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6197 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 6205 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Birkelbach (SPD) . . . . . . . 6211 B Dr. Starke (FDP) . . . . . . . 6215 D von Hassel, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . 6223 D Metzger (SPD) 6227 D Dr. Löhr (CDU/CSU) 6232 D Scheel (FDP) 6234 C Lücker (München) (CDU/CSU) . . 6237 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . 6244 D Brand (CDU/CSU) 6247 C Dr. Mommer (SPD) 6248 A Rösing (CDU/CSU) 6248 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1441) Erste Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Teesteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1442) — Erste Beratung — Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . . . 6248 C, 6253 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 6250 A Scheel (FDP) 6251 D Metzger (SPD) 6253 B Entwürf eines Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) (Drucksache 1799) — Erste Beratung — Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6254 A Frau Niggemeyer (CDU/CSU) . . . 6256 D Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . . 6259 C Dr. Rutschke (FDP) 6261 B Entschließungsantrag zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 14 (FPD); Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1784, Umdruck 281) . . . 6262 B Sammelübersicht 19 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 1801) . . . . . 6262 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Süßstoffgesetzes (Drucksache 1146) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1752) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . 6262 C Entwurf eines Gesetzes über die Finanzstatistik (Drucksache 1367) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1789) — Zweite und dritte Beratung — 6262 D Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (CDU/CSU, DP) (Drucksache 1693) — Erste Beratung — 6262 D Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfrist (SPD) (Drucksache 1738) — Erste Beratung — 6263 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Antrag auf Normenkontrolle bei dem Bundesverfassungsgericht wegen des Sammlungsgesetzes (Drucksache 1697) 6263 A Antrag betr. Beihilfe zur Beschaffung von Hausrat an Deutsche aus der Sowjetzone, die nicht die Voraussetzungen des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes erfüllen (SPD) (Drucksache 1698) 6263 B Antrag betr. Abkommen über die einheitliche Auslegung der europäischen Verträge (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksache 1731) . . . 6263 B Antrag betr. Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksache 1732) 6263 C Antrag betr. Schiffbarmachung des Hochrheins (Abg. Hilbert, Dr. Furler u. Gen.) (Drucksache 1786) 6263 C Entwurf einer Zolltarif-Verordnung (Deutscher Zolltarif 1960); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1797, 1815) . . . . . . 6263 C Entwurf einer Verordnung Nr. . . . zur Durchführung einer Erhebung über die Löhne; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksachen 1809, 1818) 6263 D Nächste Sitzung 6263 D Anlagen 6265 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 6183 111. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.05 Uhr.
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bauereisen 5. 5. Dr. Becker (Hersfeld) 31. 5. Blachstein 20. 5. Frau Brauksiepe 4. 5. Brüns 2. 7. Dr. Bucerius 15. 5. Bühler 4. 5. Cramer 4. 5. Frehsee 7. 5. Dr. Friedensburg 6. 5. Funk 7. 5. Dr. Furler 6. 5. Gaßmann 6. 5. Geiger (München) 6. 5. Frau Geisendörfer 6. 5. Gerns 6. 5. Dr. Görgen 20. 5. Dr. Gossel 6. 5. Häussler 4. 5. Dr. Heck (Rottweil) 6. 5. Heye 4. 5. Dr. Hoven 6. 5. Jacobs 7. 5. Keller 4. 5. Frau Kipp-Kaule 4. 5. Frau Klemmert 15. 5. Knobloch 6. 5. Köhler 6. 5. Kraft 9. 5. Krammig 4. 5. Dr. Leiske 6. 5. Müller (Worms) 7. 5. Frau Dr. Pannhoff 7. 5. Paul 6. 5. Dr. Preusker 6. 5. Pütz 4. 5. Ramms 6. 5. Rasch 20. 5. Dr. Ratzel 6. 5. Dr. Ripken 15. 5. Frau Schanzenbach 6. 5. Scharnberg 7. 5. Scheel 6. 5. Dr. Schild 4. 5. Schmücker 6. 5. Dr.-Ing. Seebohm 9. 5. Seidl (Dorfen) 6. 5. Solke 6. 5. Stahl 15. 5. Sühler 7. 5. Wehner 4. 5. Welslau 7. 5. b) Urlaubsanträge Dr. Dittrich 31. 5. Dopatka 21. 5. Erler 21. 5. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Greve 21. 5. Holla 20. 5. Hufnagel 13. 5. Jahn (Frankfurt) 2. 7. Jaksch 20. 5. Katzer 18. 6. Maier (Freiburg) 2. 7. Probst (Freiburg) 10. 5. Rasner 28. 5. Frau Dr. Rehling 12. 5. Sander 2. 7. Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn a. Rh., d. 8. April 1960 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 217. Sitzung am 8. April 1960 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 16. März 1960 verabschiedeten Gesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß Artikel 105 Abs. 3 und 135 Abs. 5 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat begrüßt die Absicht, die Erträge der „Stiftung Volkswagenwerk" zur Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre zu verwenden. Er geht bei Erteilung seiner Zustimmung davon aus, daß die nach Anwendung des § 4 Buchst. b) des Vertrages verbleibenden Erträge den Ländern zufließen. Dabei erwartet der Bundesrat, daß im Rahmen der allgemeinen Zweckbestimmung des § 3 Abs. 1 des Vertrages die Länder frei über die Verwendung dieser Mittel entscheiden können und daß mit ihrer Zuweisung keine Auflagen verbunden werden, die die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder beeinträchtigen könnten. Dr. Röder Bonn, den 8. April 1960 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 18. März 1960 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Röder 6266 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Anlage 3 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Jahn (Marburg) betreffend Verwendung von Fahrkarten der Bundesbahn mit Symbolen des NS-Regimes (Fragestunde der 111. Sitzung vom 4. 5. 1960, Drucksache 1810). Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, die Deutsche Bundesbahn darüber aufzuklären, daß die Verwendung von Fahrkarten mit eingeprägten Symbolen des NS-Regimes im Jahre 1960 mehr ist als eine unverantwortliche Schlamperei? Ist er bereit, darauf hinzuwirken, daß sämtliche, noch im Verkehr befindlichen Fahrkarten dieser Art unverzüglich vernichtet werden? Ich bin mit Ihnen, Herr Abgeordneter, und der Deutschen Bundesbahn darin einig, daß die einem Reisebüro unterlaufene Panne nicht hätte passieren dürfen. Es ist veranlaßt, daß sämtliche etwa noch vorhandenen Fahrkartenbestände dieser Art unverzüglich vernichtet werden. Seiermann Anlage 4 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg betreffend Errichtung eines Zementschuppens an der Autobahn bei Nikolassee (Fragestunde der 111. Sitzung vom 4. 5. 1960 Drucksache 1810). Weshalb hat die Bundesautobahn-Verwaltung bei der Errichtung eines kahlen Zementschuppens an der Einfahrt der Autobahn nach Berlin bei Nikolassee alle Regeln einer ansprechenden Architekturgestaltung und alle Regeln des Landschaftsschutzes außer acht gelassen? Weshalb hat sie das Vorbild eines daneben liegenden Gebäudes übersehen, das von der früheren Reichsautobahn-Verwaltung errichtet worden ist und das dem besonders repräsentativen Landschaftscharakter des betreffenden Standortes Rechnung trägt? Was gedenkt die Bundesautobahn-Verwaltung zu tun, um den angerichteten Schaden, der in der schönen Jahreszeit täglich für Zehntausende von naturliebenden Berlinern ein Ärgernis bieten muß, zu beseitigen oder wenigstens zu mildern? Bei dem beanstandeten Gebäude handelt es sich um eine Halle zur Aufnahme von Streugut für den Winterdienst auf der Bundesautobahn Avus, die in freitragender Binderkonstruktion aus Stahlbeton mit äußeren Sichtbetonflächen hergestellt worden ist. Die Wahl des Bauplatzes auf einem an der Bundesautobahn gelegenen Grundstück der Bundesautobahnverwaltung war zweckmäßig, weil das Gebäude den Bedürfnissen des Betriebes und der Unterhaltung der Autobahn dienen soll. Das auf dem Grundstück befindliche, vor 25 Jahren von der Reichsautobahnverwaltung errichtete Wohnhaus konnte nicht Vorbild für die Gestaltung sein, weil sich die Bauformen eines kleinen Wohnhauses nicht auf eine große stützenfreie Halle übertragen lassen. Bei der Gestaltung der Halle ist wegen ihrer Lage im Blickpunkt der Autobahnbenutzer versucht worden, eine ansprechende architektonische Gestaltung zu finden. Die Gebäudeformen sind Ausdruck der Konstruktion und entsprechen in ihrer Einfachheit der Zweckbestimmung des Gebäudes. Auch sind Klagen von anderer Seite bisher nicht bekanntgeworden. Ich darf aber bemerken, daß die Arbeiten an den Außenanlagen noch nicht abgeschlossen sind und sich deshalb dem Betrachter noch kein endgültiges und vollständiges Bild bietet. Wenn die Böschung zur Autobahn, wie vorgesehen, vollständig angelegt, befestigt und mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt ist, wird — so hoffe ich — erkennbar sein, daß auch dieses Gebäude in die Natur einwachsen und ein Bestandteil der Landschaft werden wird. Seiermann Anlage 5 Umdruck 576 Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Freihandelszone (Drucksache. 1305). Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag stellt mit Bedauern fest, daß die Bemühungen um eine europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit seit Inkrafttreten des EWG-Vertrages zu einer Spaltung Europas geführt haben, daß der Beschluß der OEEC vom 13. Februar 1957 und der Beschluß des Bundestages vom 2. Oktober 1958 bisher nicht verwirklicht worden sind, daß die Fristverkürzungsvorschläge und die Vorschläge für eine gemeinsame Agrarpolitik die Tendenz der EWG zur Abspaltung von den anderen OEEC-Staaten sichtbar machen. Er ersucht die Bundesregierung, alles zu tun, um 1. die in der OEEC erzielten Fortschritte und gefaßten Beschlüsse in ihrem Bestande zu sichern. 2. gemäß Absprache des Herrn Bundeskanzlers mit dem französischen Staatschef nunmehr vor allem anderen die Verwirklichung des Beschlusses der OEEC vom 13. Februar 1957 durchzusetzen und eine Freihandelszone in Europa einzurichten, die auf multilateraler Basis den gemeinsamen Markt der Sechs und die anderen Mitgliedsländer vereinigt. Bonn, den 4. Mai 1960 Margulies Dr. Starke Lenz (Trossingen) und Fraktion
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    Rede von Maria Niggemeyer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich glaube, es wird von allen Parteien des Hauses begrüßt werden, daß die Bundesregierung nach jahrelangen Vorarbeiten heute den Entwurf zum Sozialhilfegesetz vorgelegt hat. Der Herr Minister hat schon anklingen lassen, welche Gründe dafür maßgebend waren, daß seit unserem Antrag, ein solches Gesetz vorzulegen, Jahre hingegangen sind. Ich will die Gründe nicht von neuem aufzählen. Ich will hier dankbar all derer gedenken, die an den fachlichen Vorarbeiten zur Erstellung des Gesetzes beteiligt waren: die verschiedenen Gremien, angefangen vom Städtetag, dem Landkreistag über den Deutschen Verein, auch die Gremien der freien Wohlfahrtsverbände und letzten Endes die Kirchen. Wir danken diesen Stellen und den Personen, die mitgearbeitet haben. Wir danken auch den Herren der Bundesregierung, die letztlich zu diesem Entwurf gekommen sind.
    Wenn wir von Dank sprechen, sollten wir, glaube ich, am heutigen Tage, den jedenfalls ich, aber wohl auch meine Freunde, als einen Markstein in der Geschichte des Fürsorgewesens ansehen, des Nestors des Fürsorgerechts gedenken, der im Jahre 1924 das damals moderne Gesetz maßgeblich mit erarbeitet hat; ich denke an Herrn Professor Dr. Polligkeit,

    (Beifall in der Mitte)




    Frau Niggemeyer
    dessen Verlust wir in den vergangenen Tagen zu beklagen hatten. Ich glaube, es ehrt den Bundestag, wenn wir heute seiner in Dankbarkeit gedenken.

    (Erneuter Beifall in der Mitte.)

    Ich verzichte darauf, zu wiederholen, was etwa auf den beiden Fürsorgetagen 1955 und 1957 zu diesem Gesetz gesagt wurde. Nachdem der Herr Minister den Hauptinhalt des Entwurfs vorgetragen hat, beschränke ich mich in meinen Ausführungen auf die Darlegung des Leitgedanken, die meine Fraktion als maßgebend für das Gesetz ansieht.
    Ausgangspunkt, Subjekt und Ziel der Sozialhilfe ist für uns der hilfsbedürftige Mensch. Wir glauben, daß der vorgelegte Entwurf das ernste Bemühen erkennen läßt, die soziale Stellung des hilfsbedürftigen Menschen den Grundsätzen der Verfassung entsprechend zu sichern, also der Forderung gerecht zu werden, dem Hilfsbedürftigen die öffentliche Hilfe zuteilt werden lassen. Es soll ihm durch die Gewährung der wirtschaftlichen, gesundheitlichen und kulturellen Hilfen ein menschenwürdiges Dasein garantiert werden.
    Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Gesetzgeber berechtigt ist, die staatsbürgerliche Gleichheit durch Daseinsvorsorge zu einer materiellen Gleichheit innerhalb bestimmter Bereiche auszugestalten. Es geht uns in erster Linie nicht um die Verteilung sozialer Güter, sondern darum, daß der Hilfsbedürftige aus eigener Kraft und mit unserer Hilfe sowie nach Maßgabe seiner Persönlichkeit in seiner sozialen Stellung gefestigt wird. Darum sagen wir auch ja zu all den Hilfen, die fürsorgerische Maßnahmen einleiten sollen und die im Entwurf als vorbeugende Hilfen bezeichnet werden. Wir sind uns darüber klar, daß trotz der vorbeugenden Hilfen ein gewisser Prozentsatz von Hilfsbedürftigen Dauerempfänger der Sozialhilfe sein wird. Ich denke da besonders an bestimmte Altersgruppen, die nicht durch Versicherung oder Versorgung von der Sozialhilfe unabhängig gemacht werden können.
    Nur wenn wir daran denken, daß die Würde des Menschen und die Persönlichkeit das Wesentliche sind, können wir echte Sozialhilfe leisten. Wir wollen aber ebenso stark in den Vordergrund stellen, daß die Selbstverantwortung dem einzelnen im Falle der Hilfsbedürftigkeit besondere Pflichten auferlegt. Die Sozialhilfe setzt den Willen des Staatsbürgers zur Selbsthilfe voraus. Sie verlangt sein ehrliches Bemühen, sich von der öffentlichen Hilfe frei zu machen. Es wäre unserem Volk ein schlechter Dienst erwiesen, wenn der ausgedehnte Katalog der Hilfen im Endergebnis etwa dazu führen sollte, daß finanzielle Berechnungen darüber angestellt würden, ob es sich mehr lohne, Dauerempfänger beim Sozialamt zu werden, als in der Arbeit zu bleiben.
    Wir glauben, daß wir aus psychologischen und sozialpädagogischen Gründen hier ein Ja sagen sollten zu den Maßnahmen, die notwendig sind. Wir schätzen die Freiheit des Menschen als das Kostbarste, was wir haben. Aber Freiheit kann nicht absolut verstanden werden. Sie ist immer auf das
    Allgemeinwohl bezogen. Vom Allgemeinwohl her empfängt sie ihre Bindung. Der Bürger ist ein sozialbezogenes Wesen, und darum kann er aus seinen Pflichten dem Staat gegenüber nicht entlassen werden.
    Der Herr Minister sagte schon, daß im Gesetzentwurf das Prinzip der individualisierenden Hilfe verankert ist. Es bestand ja schon im geltenden Recht; aber der Entwurf verstärkt es. Wir bejahen es, wir begrüßen es, aber unter der Voraussetzung, daß nach dem Entwurf Art, Maß und Form der Sozialhilfe nach den persönlichen Verhältnissen des Einzelfalls zu regeln ist.
    Der Entwurf stellt in den Formen der Sozialhilfe die persönliche Hilfe vor die Geldleistung und Sachhilfe. Auch das bejahen wir. Im ganzen gesehen stellen sich die persönlichen Hilfen als Schwerpunkt der Sozialhilfe dar. Das wird bei der Beratung der Hilfesuchenden, bei der Hilfe etwa für Gefährdete, bei bestimmten Arten der Altenhilfe, bei den Hilfsmaßnahmen zur Pflege und zur Familienpflege besonders sichtbar.
    Die Ausweitung der persönlichen Hilfe ist sicher ohne jede Einschränkung zu begrüßen. Richtig durchgeführt, wird sie in einem ganz besonderen Maße dazu beitragen, den Menschen zu einer sozialen Befriedung zu führen. Wir haben hier aber auch das Problem gesehen, das bei dieser Stärkung der persönlichen Hilfe grundsätzlich auftaucht. Persönliche Hilfe, Hilfe von Mensch zu Mensch wird letztlich nur von Menschen und Institutionen geleistet werden können, die auf die Person des Hilfeempfängers eingestellt sind, die eine persönliche Hilfe solcher Art gewähren können, die den Hilfesuchenden in seiner Gesamtposition auch wirkliche Hilfe sind. Es handelt sich also im wesentlichen um seelische Hilfen.
    Wir begrüßen auch die familiengerechte Hilfe. Wir begrüßen es, daß die besonderen Verhältnisse der Familie der Hilfesuchenden bei der Entscheidung über Art, Form und Maß der Hilfe zu berücksichtigen sind.
    In der Formulierung des Gesetzes heißt es weiter, daß die Sozialhilfe Kräfte der Familie zu Selbsthilfe anregen soll, den Zusammenhang in der Familie festigen soll. Das ist ein wichtiges sozialpädagogisches Anliegen, zu dessen Verwirklichung der Gesetzgeber durch das Grundgesetz aufgerufen ist. Ob und inwieweit diese Anliegen des Sozialhilfegesetzes in der Praxis verwirklicht werden können, wird von dem sozialpädagogischen Geschick der Fürsorgekräfte abhängen. Sie haben sicher zunächst ihre Aufgabe darin zu sehen, zur Behebung des materiellen Notstandes beizutragen. Aber sie haben auch zu prüfen, wie die inneren Bindungen innerhalb der Familie sind und wie die inneren Bindungen gefestigt werden können.
    Zum Prinzip der individualisierenden Hilfe gehört auch ihre rechte Anwendung auf Stadt und Land. Ich komme hier zu einem Problem, das gerade von den kommunalen Spitzenverbänden angeschnitten worden ist. Zunächst ist von dem Gedanken auszugehen, daß auf dem Lande die Familienbindungen vielleicht noch stärker sind, daß auf dem Lande die



    Frau Niggemeyer
    Familiennotgemeinschaft noch größere Geltung hat.
    Aber ich sehe diesen Gedanken auch vom Materiellen her und betone ganz klar, daß es uns in den Ausschußberatungen ein Anliegen sein wird, etwa zu überlegen, ob eine Differenzierung der Hilfen materieller Art zwischen Stadt und Land denkbar ist. Schon jetzt möchte ich sagen — und diesen Gedanken dürfen wir dabei nicht außer acht lassen —, daß gerade in unseren agrarstrukturellen Landkreisen die Hilfeempfänger zur Hauptsache nicht aus der einheimischen Bevölkerung kommen, sondern sich wahrscheinlich überwiegend aus den Menschen der notleidenden Gruppen zusammensetzen: der Vertriebenen, der Sowjetzonenflüchtlinge usw. Wenn das zutrifft, werden diese Kreise, die sonst vielleicht stark belastet würden, durch Leistungen des Bundes entlastet.
    Lassen Sie mich jetzt zu den Arten der Hilfe kommen. Der Entwurf unterscheidet Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen. Es ist sicher verständlich, daß bei vielen zunächst Bedenken, Besorgnisse ob eines so umfassenden Katalogs der Hilfen auftauchen, Bedenken, ob sie nicht Ausdruck eines versorgungsstaatlichen Denkens seien. Ich teile diese Bedenken nicht. Durch das Gesetz werden die für bestimmte generell wiederkehrende Notstände erforderlichen Hilfen zu gesetzlichen Pflichtleistungen erklärt.
    Die Hilfen, die dort genannt sind, sind zum Teil schon im bestehenden Fürsorgerecht gesetzliche Leistungen. Ich erinnere an Hilfen für die werdende Mutter, für Wöchnerinnen, Gesundheitsfürsorge, für Fürsorge für Körperbehinderte und Tbc-Kranke. Es sind vielfach weiterhin Hilfen, die in der Praxis draußen ohne gesetzliche Regelung gewährt worden sind. Dazu kommen einige neue, die wir hinzugenommen haben.
    Ich bin der festen Überzeugung, daß unser Ausschuß und das Hohe Haus Verständnis dafür haben werden, daß wir Gruppen von Notleidenden mit hineinnehmen, etwa den Kreis der Behinderten erweitern und die Blinden und Gehörbeschädigten zu den Sozialhilfeempfängern zählen. Meine Fraktion und ich bedauern es, daß der Bundesrat die Hilfe für Gefährdete weitgehend gestrichen sehen möchte. Wir haben allerdings gesehen, daß die Bundesregierung dem Änderungsvorschlag des Bundesrates nicht zugestimmt hat.
    Bei der vorgeschrittenen Zeit ist es kaum möglich, wenn auch noch andere Kolleginnen und Kollegen sprechen wollen, auf das Problem der Gefährdetenhilfe weiter einzugehen. Ich darf nur sagen, daß unsere Fraktion Wert darauf legt, daß die Gefährdetenhilfe im Gesetz verankert wird. Ich hoffe, wir sind uns im Ausschuß einig, daß wir nach einer Lösung suchen müssen, die die diesbezüglichen Bedenken des Bundesrates entweder ganz ausräumt oder zum mindesten mildert, so daß er dem Gesetz zustimmen kann.
    Der Bundestag hat sich bereits vor Jahren bemüht, in bezug auf den genannten Personenkreis zu einem Bewahrungsgesetz zu kommen. Wer die
    Geschichte der Fürsorgegesetzgebung verfolgt, weiß, daß der Gedanke an eine gesetzliche Regelung mit dem Ziel einer echten Hilfe für diese Menschen Jahrzehnte hindurch niemals aus der Diskussion verschwunden ist. Die zur Entscheidung anstehende Frage muß mit aller Gründlichkeit und mit aller Sorgfalt behandelt werden. Wir werden uns bemühen, den Ansatzpunkt zu einer auch den Bundesrat befriedigenden Lösung zu finden.
    Herr Minister Schröder hat betont, daß der Entwurf des Bundessozialhilfegesetzes den Rechtsanspruch vorsieht. Ich möchte, wenn auch wiederholt, auf die Fürsorgetagungen 1955 und 1957 hinweisen, auf denen gerade das Problem des Rechtsanspruches nach jeder Richtung hin durchdiskutiert worden ist. Jemand, der mit der Materie nicht ganz vertraut ist, könnte durch das Wort „Rechtsanspruch auf Sozialhilfe" zunächst etwas schockiert sein. Trotzdem sage ich für mich und meine Fraktion, daß wir den Rechtsanspruch, wie er im Gesetzentwurf verankert ist, bejahen, natürlich mit seinen Einschränkungen; denn der Rechtsanspruch gilt nur dort, wo die Hilfe nach dem Gesetz zu gewähren ist. Über Form und Maß der Hilfe hat der Fürsorgeträger nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Darum sind auch bei den Vorschriften des Gesetzes über die Hilfen in besonderen Lebenslagen Kann- und Sollbestimmungen eingebaut worden. Ich bin zwar nicht sehr glücklich über die Vielzahl dieser Kann- und Sollbestimmungen. Sie erleichtern dem Menschen draußen, dem Sozialamt, dem Fürsorger, dem in der Fürsorge Tätigen weiß Gott nicht die Arbeit mit dem Gesetz. Aber ich sehe ein, daß eine unterschiedliche Regelung getroffen werden muß.
    Die vorgesehene Regelung verträgt sich durchaus mit den Grundrechten der Person, auch mit der Würde des Menschen, mit der Verpflichtung der Staatsorgane, dem Hilfsbedürftigen zu helfen. In einer Zeit, in der wir aus guten Gründen die Fürsorge aus dem sogenannten Armenrecht herausnehmen wollen, sie zu einer Art von Hilfe entwikkeln wollen, die den Hilfeempfänger nicht als entwürdigt erscheinen läßt, kann man, beschränkt auf die bestimmten Tatbestände, von einem Rechtsanspruch sprechen. Die Entscheidung fällt also der Bundesgesetzgeber nach pflichtgemäßem Ermessen, nicht auf Grund einer durch die Verfassung auferlegten Verpflichtung.
    Ein Wort zur Rechtsstellung des Hilfesuchenden im Gesetz. In § 3 Abs. 2 ist das Wahlrecht für den Hilfesuchenden verankert. Danach kann der Hilfsbedürftige selbst entscheiden, von welcher Fürsorgestelle aus er betreut werden will. Mehr oder weniger ist in der Praxis dieses Wahlrecht von den Fürsorgestellen aus geachtet worden. Oft aber ist man auch über die Wünsche der Hilfesuchenden, vor allem in den Fragen der Unterbringung, hinweggegangen.
    Bei dem Wahlrecht geht es um eine Verwirklichung der Grundrechtsartikel unserer Verfassung. Besondere Bedeutung hat es bei der ambulanten Krankenpflege, bei der Wahl der Krankenhäuser, innerhalb der Familienfürsorge, bei allen kranken-



    Frau Niggemeyer
    pflegerischen Arten der Hilfe, bei der Auswahl des Altersheims und auch bei irgendwelchen Hilfeleistungen für die gefährdeten Jugendlichen. Letztlich geht es hier um ein Persönlichkeitsrecht, und das sollten wir achten.
    Wir werden uns in den Ausschußberatungen zu überlegen haben, ob etwa die Soll-Bestimmung des § 3 Abs. 2 in eine Ist-Bestimmung umgewandelt werden kann. Allerdings müßte sie dann so formuliert werden, daß die Unterbringungswünsche des Hilfesuchenden angemessen sein müssen und keine unvertretbaren Mehrkosten verursachen dürfen. Das möchte ich ausdrücklich betonen. Es kann kein absolutes Wahlrecht geben, sondern nur ein aus den sachlich fürsorgerischen Gründen und durch den Gleichheitsgrundsatz begrenztes Wahlrecht. — Mir wird hier die Uhr gezeigt; ich will mich deshalb bemühen, mich kurz zu fassen, damit auch meine Kollegen und Kolleginnen noch zu Wort kommen.
    Wir stehen zu den Bestimmungen über das Einkommen und das Vermögen, von deren Einsatz die Gewährung von Sozialhilfe abhängig ist. Wir bejahen den schon im Körperbehindertengesetz und im Tuberkulosehilfegesetz verankerten Grundsatz bestimmter Freigrenzen. Wir bejahen mit besonderer Freude die Einbeziehung der Blinden und Gehörbeschädigten in das Gesetz.
    Ich bin dem Herrn Minister dankbar, daß er zu der Frage der Zusammenarbeit zwischen den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und den Trägern der Sozialhilfe sehr klar ausgedrückt hat, worin das Entscheidende der Bestimmung des § 10 liegt. Ich betone, daß meine Fraktion für diese ganz klare Grundsatzentscheidung dankbar ist.

    (Beifall in der Mitte.)

    Selbstverständlich ließe sich vom Rechtlichen her gesehen vieles zu diesem Problem sagen. Sie, Herr Minister, haben bereits auf die Vergangenheit der Verbände der freien Wohlfahrtspflege hingewiesen.
    Ein Gedanke zum Schluß. Die freie Wohlfahrt, die Fürsorgearbeit, die Arbeit an Hilfesuchenden ist Arbeit der Gesellschaft für die Gesellschaft. Gerade darum sollte man diese Gesellschaftsarbeit der freien Verbände nicht einengen. Man sollte ihr auch die Stellung geben, die nun entscheidend in diesem Entwurf festgelegt ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die getroffene Entscheidung bedeutet keine Konfessionalisierung der Arbeit der freien Verbände, denn alle Verbände und Organisationen sollen Mithelfer in der Sozialhilfe sein. Sie bedeutet auch kein Monopol für irgend jemanden. Wir wollen kein Monopol, wir wollen Freiheit, und weil wir die Freiheit wollen, bejahen wir die Grundsatzentscheidung im Sozialhilfegesetz.
    Lassen Sie mich in der Hoffnung schließen, daß es uns im gemeinsamen Bemühen recht bald gelingt, diesen uns heute vorgelegten Gesetzentwurf in der zweiten und dritten Beratung hier im Hause behandeln zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat ,der Abgeordnete Könen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Willy Könen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Verfassungsrechtler oder der Geschäftsordnungsausschuß keine Bedenken haben, möchte ich diesen Gesetzentwurf bereits dadurch praktizieren, daß ich die zu so später Zeit zusammengeschmolzene und durch den heutigen Tag überforderte Zuhörerschaft zu dem Personenkreis rechne, der einer Hilfe in besonderer Lebenslage bedarf.

    (Heiterkeit.)

    Das bedeutet, meine Damen und Herren, daß ich nicht die ,Absicht habe, einen Spaziergang durch das ganze Gesetz zu machen. Ich möchte mich vielmehr so kurz fassen, wie es eben vertretbar ist.
    Auch wir begrüßen es, daß der Gesetzentwurf vorliegt. Das beinhaltet aber zugleich die Kritik, daß es unseres Erachtens — trotz der sorgfältigen Vorarbeit, die notwendig und richtig war — doch ein bißchen sehr lange gedauert hat. Ich weiß nicht, ob die Tatsache, daß der Parteivorsitzende der CDU, Herr Dr. Konrad Adenauer, in Karlsruhe der Fraktion der CDU gesagt hat, sie solle ein bißchen voranmachen, dazu geführt hat, daß wir bei der Behandlung dieses Gesetzentwurfs von Freitag dieser Woche auf den Mittwoch gekommen sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So schnell kann er auch wieder nicht reagieren!)

    — Es wäre ja möglich.
    Ich will nicht rückschauend das wiederholen, was Herr Minister Schröder über diesen Gesetzentwurf gesagt hat. Es ist wirklich nicht notwendig, denn die Darstellung des Herrn Ministers Schröder war auch sachlich richtig. Er hat gesagt, damals, 1924, sei die Absicht, das Armenrecht verschwinden zu lassen, nicht verwirklicht worden. Er hat wörtlich gesagt: Ganz ist diese Absicht nicht verwirklicht worden.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Doch!)

    — Verehrte Frau Dr. Weber, setzen Sie sich bitte mit Ihrem Kollegen Schröder auseinander!
    Nach sorgfältiger Lektüre des Gesetzentwurfs muß ich feststellen, daß es auch mit diesem Entwurf — wenn er nicht geändert wird — nicht gelingt, das Armenrecht völlig verschwinden zu lassen. Denn im § 8 Abs. 2 erscheint das Armenrecht ein wenig verschämt wieder. Aber darüber wollen wir uns im Ausschuß unterhalten.
    Ich freue mich darüber, daß der Herr Minister Schröder gesagt hat, dieser Gesetzentwurf solle eine Sozialhilfe schaffen, die ausreichend und den heutigen Zeiten entsprechend sei. Herr Minister, nicht etwa aus Opposition, sondern aus rein sachlich fachlichen Gründen heraus muß man feststellen, daß der Entwurf, wenn er so bleibt, weder ausreichend noch den heutigen Zeiten entsprechend Hilfe bringt. Der neue Geist scheint mir an einigen Ecken etwas angeknackst zu sein.



    Könen (Düsseldorf)

    Dieses Gesetz bringt, was wir begrüßen, den Rechtsanspruch, das Wahlrecht. Aber, Frau Niggemeyer, es ist nicht so, daß die Bundesregierung hier im Rahmen ihres Ermessens einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, in dem sie, ebenfalls wieder im Rahmen ihres Ermessens, diesen Rechtsanspruch festlegt. Vielmehr bedurfte es leider erst des Urteils eines Oberverwaltungsgerichts vom Juni 1954, um die Bundesregierung zu veranlassen, nun in diesem Gesetzentwurf den Rechtsanspruch festzulegen. Also so groß war die Ermessensfreiheit der Bundesregierung nach diesem Gerichtsurteil nicht mehr.
    Herr Minister Schröder und Frau Niggemeyer haben dann davon gesprochen, daß dieses Gesetz die Partnerschaft aller derjenigen, die an der Sozialhilfe arbeiten, im Interesse des hilfsbedürftigen Menschen befestigen und vorantreiben solle. Ich werde darauf noch zu sprechen kommen. Aber, sehr verehrte Frau Kollegin Niggemeyer, Sie haben vom „Markstein" gesprochen. Da vorne sitzt der Kollege Dr. Willeke. Als wir den Art. 106 des Grundgesetzes änderten, Herr Dr. Willeke, sprachen Sie von der „Sternstunde". Ich darf heute feststellen: diese Sternstunde ist in einem dicken Nebel untergegangen. Wir sollten vorsichtig sein. Herr Dr. Willeke weiß, was ich meine: die Sternstunde der Gemeinden bezüglich ihrer Finanzen. Frau Niggemeyer, Sie sprachen vom Markstein. Hoffen wir, daß der „Markknochen" nicht noch mehr poröse Stellen zeigen wird, als er sie jetzt bereits enthält.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Sowohl der Herr Minister als auch Frau Niggemeyer haben mit Recht erklärt, das beste Sozialhilfegesetz tauge nichts, wenn man nicht den Menschen habe, der sich für dieses Gesetz in der richtigen Form einsetze. Also die berühmte Frage der Fachkräfte! Ich persönlich bedaure es außerordentlich, daß der Bundesrat mit einer Schärfe sondergleichen dafür eintritt, den nach meinem Geschmack sehr vorsichtig formulierten, sehr — ich will nicht unhöflich sein, Herr Minister; ich weiß, welche Sorgen Sie gegenüber dem Bundesrat haben — lendenlahmen § 94 aus ,diesem Gesetz wieder zu streichen, und zwar aus Angst um die föderalistischen Prinzipien, nur weil da drinsteht, es solle dafür gesorgt werden, daß richtig ausgebildete Leute diese Arbeit tun. Ich muß schon sagen, meine Damen und Herren, da kommt mein föderalistisches Herz einfach nicht mehr mit.
    Und nun zu 'den CDU-Leitfäden! Ja, Frau Niggemeyer, Sie sagen, das Ziel sei, für den Menschen, der Hilfe brauche, die Hilfe so zu bringen, daß man dabei ihn als die zentrale Figur dieser Sozialhilfe ansehe. Sie stellen dann freudig fest, daß dieser Gesetzentwurf die Bemühungen dazu erkennen lasse. Frau Kollegin, das genügt der sozialdemokratischen Fraktion nicht. Wir wünschen nicht, daß dieses Gesetz Bemühungen erkennen läßt. Wir möchten in diesem Gesetz die Tatsache verankert wissen, daß der Mensch die zentrale Figur des Geschehens ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie sprachen von der Selbstverantwortlichkeit des Hilfeempfängers. Meine Damen und Herren, wenn
    wir Sozialdemokraten einmal sagen, etwas sei auch unsere Meinung, meinen Sie — das ist in der letzten Zeit Übung geworden — immer, wir hätten das jetzt im Godesberger Programm stehen, um der CDU etwas näher zu kommen. Das, was ich jetzt sage, daß wir Sozialdemokraten nämlich schon lange für die Selbstverantwortlichkeit sind, steht nicht etwa im Godesberger Programm, sondern im Sozialplan der SPD, der überhaupt offenbar bei der Schaffung einiger fortschrittlicher Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs ordentlich durchgelesen worden ist.
    Frau Niggemeyer, ich habe mich sehr gewundert, daß Sie mit der Formulierung: „Es soll nicht einer denken, es lohnt sich nicht mehr zu arbeiten, lieber lasse ich mir Unterstützung geben" den § 20 Abs. 2 verteidigt haben, der — siehe da, alle Fachleute sind sehr erstaunt! — die berühmte Auffanggrenze wieder fröhliche Urständ feiern läßt. Ich möchte hier eine ganz klare Feststellung treffen. Nach meiner Auffassung ist es nicht die Aufgabe eines Sozialhilfegesetzes, Lohnfragen zu entscheiden. Lohnfragen zu entscheiden ist Sache der Gewerkschaften und ihrer Partner. Wenn es heute Löhne gibt, die niedriger sind, als das, was in diesem Gesetz als Regelbedarf angesehen wird, muß man sich schämen, daß so niedrige Löhne gezahlt werden. Man darf aber nicht die Richtsätze heruntersetzen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Auffanggrenze sollte ein für allemal wegfallen. Ich hoffe, Frau Niggemeyer, daß es uns im Ausschuß gelingen wird, diesen etwas vorsintflutlichen Versuch abzubiegen.
    Nun zum Rechtsanspruch! Frau Kollegin Niggemeyer, ich muß Ihnen auch hier widersprechen. Bei dem Rechtsanspruch so, wie Sie ihn sehen — in Kombination mit dem Wahlrecht und in Kombination mit den Regelungen in § 10 und in § 86 —, kann man die Sache auch negativ aufzäumen. Ich habe nicht die Absicht, heute abend mit Ihnen über diese Dinge zu diskutieren; aber wir werden sie sehr sorgfältig zu besprechen haben.
    Wir werden uns überhaupt noch sehr viel zu sagen haben. Frau Kollegin Niggemeyer, wir werden Sie im übrigen beim Wort nehmen. Sie haben zum Schluß gesagt: Keine Konfessionalisierung! Das, was in dem Paragraphen vorgesehen ist, der von der freien Zusammenarbeit spricht, halten Sie und lustigerweise auch Herr Schröder für Partnerschaft. Wir werden uns darüber unterhalten müssen, was Partnerschaft ist. Wir werden sehen müssen, ob die §§ 10 und 86 wirklich Freiheit bringen, oder ob durch sie ein Monopol geschaffen wird. Darüber wollen wir uns im Ausschuß unterhalten.
    Im übrigen begrüßen wir viele Bestimmungen, die auf Grund der Praxis der Wohlfahrtsverbände, die nicht irgendwie gesetzlich festgenagelt ist, in diesen Gesetzentwurf aufgenommen worden sind. Die Arbeit aller Verbände, die daran beteiligt sind, hat damit ein dankbares Echo gefunden. Wir begrüßen auch die fortschrittliche Entwicklung, die sich in einigen Paragraphen anbahnt; das ist ganz selbstverständlich.



    Könen (Düsseldorf)

    Übersehen Sie bitte nicht, Frau Niggemeyer, die Vorschläge, die in dem Teil des Gesetzentwurfs gemacht werden, der sich mit der Blindenhilfe und der Tuberkulosehilfe befaßt. Im Ausschuß werden wir darüber reden. Ich hätte sehr gern gehört, Frau Niggemeyer, wenn Sie diese Teile nicht nur begrüßt hätten, sondern wenn Sie auch festgestellt hätten, daß hier Verschlechterungen enthalten sind. Wir sollten alle miteinander einig sein, daß diese Verschlechterungen herausgebracht werden müssen. Es muß hier noch einiges korrigiert werden.
    Wie ich gehört habe, soll beantragt werden, die Vorlage dem Ausschuß für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge — federführend — und gemäß § 96 der Geschäftsordnung auch dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Ich würde darum bitten, sie zur Mitberatung auch an den Ausschuß für Gesundheitswesen zu überweisen. Es sind hier viele Dinge drin, die gesundheitspolitisch interessant sind. Darum sollte man auch den Gesundheitsausschuß beteiligen.
    Abschließend darf ich folgendes feststellen: In diesem Entwurf eines neuen Sozialhilfegesetzes wechselt man von der Fürsorge zur Sozialhilfe über: damit wird eine alte Forderung der Sozialdemokratie erfüllt.

    (Beifall bei der SPD.)