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ID0311105700

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    Deutscher Bundestag 111. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1960 Inhalt: Nachruf auf die Abg. Dr. Gülich und Cillien Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 6183 A Abg. Dr. Tamblé tritt in den Bundestag ein 6183 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Höcker, Mensing, Pietscher und Demmelmeier 6183 D Nachrücken der Abg. Dr. Weber (Koblenz) und Dr. Dittrich als Wahlmänner nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . 6183 D Begrüßung des Präsidenten Fagerholm und weiterer Abgeordneter des finnischen Reichstags . . . . . . . . . . . 6190 D Eidesleistung des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . . 6215 D Fragestunde (Drucksache 1810) Frage des Abg. Ritzel: Kapitalanlagen im Ausland Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6184 C Frage des Abg. Dr. Kohut: Mangel an Narkosefachärzten in der Bundesrepublik Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6185 A Frage des Abg. Dr. Reinhard: Schutz des Verbrauchers vor mit Antibiotica behandeltem Importgeflügel Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6185 B Frage des Abg. Dr. Arndt: Amtliche Sammlung von Fehlurteilen im Strafprozeß Schäffer, Bundesminister . . . . 6185 D Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Beschluß des 5. Gewerkschaftsjugendtages der IG Bergbau betr. Kontakte mit der Bundeswehr Hopf, Staatssekretär . . . . . . 6185 D Fragen des Abg. Dr. Rutschke: Atomreaktor Karlsruhe Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . 6186 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Freihandelszone (Drucksache 1305) verbunden mit Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Freihandelszone (Drucksache 1464 [neu] ) Margulies (FDP) 6186 D, 6191 A, 6243 C Kalbitzer (SPD) . . . . . . . . 6193 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6197 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 6205 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Birkelbach (SPD) . . . . . . . 6211 B Dr. Starke (FDP) . . . . . . . 6215 D von Hassel, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . 6223 D Metzger (SPD) 6227 D Dr. Löhr (CDU/CSU) 6232 D Scheel (FDP) 6234 C Lücker (München) (CDU/CSU) . . 6237 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . 6244 D Brand (CDU/CSU) 6247 C Dr. Mommer (SPD) 6248 A Rösing (CDU/CSU) 6248 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1441) Erste Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Teesteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1442) — Erste Beratung — Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . . . 6248 C, 6253 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 6250 A Scheel (FDP) 6251 D Metzger (SPD) 6253 B Entwürf eines Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) (Drucksache 1799) — Erste Beratung — Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6254 A Frau Niggemeyer (CDU/CSU) . . . 6256 D Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . . 6259 C Dr. Rutschke (FDP) 6261 B Entschließungsantrag zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 14 (FPD); Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1784, Umdruck 281) . . . 6262 B Sammelübersicht 19 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 1801) . . . . . 6262 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Süßstoffgesetzes (Drucksache 1146) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1752) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . 6262 C Entwurf eines Gesetzes über die Finanzstatistik (Drucksache 1367) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1789) — Zweite und dritte Beratung — 6262 D Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (CDU/CSU, DP) (Drucksache 1693) — Erste Beratung — 6262 D Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfrist (SPD) (Drucksache 1738) — Erste Beratung — 6263 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Antrag auf Normenkontrolle bei dem Bundesverfassungsgericht wegen des Sammlungsgesetzes (Drucksache 1697) 6263 A Antrag betr. Beihilfe zur Beschaffung von Hausrat an Deutsche aus der Sowjetzone, die nicht die Voraussetzungen des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes erfüllen (SPD) (Drucksache 1698) 6263 B Antrag betr. Abkommen über die einheitliche Auslegung der europäischen Verträge (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksache 1731) . . . 6263 B Antrag betr. Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksache 1732) 6263 C Antrag betr. Schiffbarmachung des Hochrheins (Abg. Hilbert, Dr. Furler u. Gen.) (Drucksache 1786) 6263 C Entwurf einer Zolltarif-Verordnung (Deutscher Zolltarif 1960); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1797, 1815) . . . . . . 6263 C Entwurf einer Verordnung Nr. . . . zur Durchführung einer Erhebung über die Löhne; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksachen 1809, 1818) 6263 D Nächste Sitzung 6263 D Anlagen 6265 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 6183 111. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.05 Uhr.
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bauereisen 5. 5. Dr. Becker (Hersfeld) 31. 5. Blachstein 20. 5. Frau Brauksiepe 4. 5. Brüns 2. 7. Dr. Bucerius 15. 5. Bühler 4. 5. Cramer 4. 5. Frehsee 7. 5. Dr. Friedensburg 6. 5. Funk 7. 5. Dr. Furler 6. 5. Gaßmann 6. 5. Geiger (München) 6. 5. Frau Geisendörfer 6. 5. Gerns 6. 5. Dr. Görgen 20. 5. Dr. Gossel 6. 5. Häussler 4. 5. Dr. Heck (Rottweil) 6. 5. Heye 4. 5. Dr. Hoven 6. 5. Jacobs 7. 5. Keller 4. 5. Frau Kipp-Kaule 4. 5. Frau Klemmert 15. 5. Knobloch 6. 5. Köhler 6. 5. Kraft 9. 5. Krammig 4. 5. Dr. Leiske 6. 5. Müller (Worms) 7. 5. Frau Dr. Pannhoff 7. 5. Paul 6. 5. Dr. Preusker 6. 5. Pütz 4. 5. Ramms 6. 5. Rasch 20. 5. Dr. Ratzel 6. 5. Dr. Ripken 15. 5. Frau Schanzenbach 6. 5. Scharnberg 7. 5. Scheel 6. 5. Dr. Schild 4. 5. Schmücker 6. 5. Dr.-Ing. Seebohm 9. 5. Seidl (Dorfen) 6. 5. Solke 6. 5. Stahl 15. 5. Sühler 7. 5. Wehner 4. 5. Welslau 7. 5. b) Urlaubsanträge Dr. Dittrich 31. 5. Dopatka 21. 5. Erler 21. 5. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Greve 21. 5. Holla 20. 5. Hufnagel 13. 5. Jahn (Frankfurt) 2. 7. Jaksch 20. 5. Katzer 18. 6. Maier (Freiburg) 2. 7. Probst (Freiburg) 10. 5. Rasner 28. 5. Frau Dr. Rehling 12. 5. Sander 2. 7. Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn a. Rh., d. 8. April 1960 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 217. Sitzung am 8. April 1960 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 16. März 1960 verabschiedeten Gesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß Artikel 105 Abs. 3 und 135 Abs. 5 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat begrüßt die Absicht, die Erträge der „Stiftung Volkswagenwerk" zur Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre zu verwenden. Er geht bei Erteilung seiner Zustimmung davon aus, daß die nach Anwendung des § 4 Buchst. b) des Vertrages verbleibenden Erträge den Ländern zufließen. Dabei erwartet der Bundesrat, daß im Rahmen der allgemeinen Zweckbestimmung des § 3 Abs. 1 des Vertrages die Länder frei über die Verwendung dieser Mittel entscheiden können und daß mit ihrer Zuweisung keine Auflagen verbunden werden, die die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder beeinträchtigen könnten. Dr. Röder Bonn, den 8. April 1960 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 18. März 1960 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Röder 6266 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Anlage 3 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Jahn (Marburg) betreffend Verwendung von Fahrkarten der Bundesbahn mit Symbolen des NS-Regimes (Fragestunde der 111. Sitzung vom 4. 5. 1960, Drucksache 1810). Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, die Deutsche Bundesbahn darüber aufzuklären, daß die Verwendung von Fahrkarten mit eingeprägten Symbolen des NS-Regimes im Jahre 1960 mehr ist als eine unverantwortliche Schlamperei? Ist er bereit, darauf hinzuwirken, daß sämtliche, noch im Verkehr befindlichen Fahrkarten dieser Art unverzüglich vernichtet werden? Ich bin mit Ihnen, Herr Abgeordneter, und der Deutschen Bundesbahn darin einig, daß die einem Reisebüro unterlaufene Panne nicht hätte passieren dürfen. Es ist veranlaßt, daß sämtliche etwa noch vorhandenen Fahrkartenbestände dieser Art unverzüglich vernichtet werden. Seiermann Anlage 4 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg betreffend Errichtung eines Zementschuppens an der Autobahn bei Nikolassee (Fragestunde der 111. Sitzung vom 4. 5. 1960 Drucksache 1810). Weshalb hat die Bundesautobahn-Verwaltung bei der Errichtung eines kahlen Zementschuppens an der Einfahrt der Autobahn nach Berlin bei Nikolassee alle Regeln einer ansprechenden Architekturgestaltung und alle Regeln des Landschaftsschutzes außer acht gelassen? Weshalb hat sie das Vorbild eines daneben liegenden Gebäudes übersehen, das von der früheren Reichsautobahn-Verwaltung errichtet worden ist und das dem besonders repräsentativen Landschaftscharakter des betreffenden Standortes Rechnung trägt? Was gedenkt die Bundesautobahn-Verwaltung zu tun, um den angerichteten Schaden, der in der schönen Jahreszeit täglich für Zehntausende von naturliebenden Berlinern ein Ärgernis bieten muß, zu beseitigen oder wenigstens zu mildern? Bei dem beanstandeten Gebäude handelt es sich um eine Halle zur Aufnahme von Streugut für den Winterdienst auf der Bundesautobahn Avus, die in freitragender Binderkonstruktion aus Stahlbeton mit äußeren Sichtbetonflächen hergestellt worden ist. Die Wahl des Bauplatzes auf einem an der Bundesautobahn gelegenen Grundstück der Bundesautobahnverwaltung war zweckmäßig, weil das Gebäude den Bedürfnissen des Betriebes und der Unterhaltung der Autobahn dienen soll. Das auf dem Grundstück befindliche, vor 25 Jahren von der Reichsautobahnverwaltung errichtete Wohnhaus konnte nicht Vorbild für die Gestaltung sein, weil sich die Bauformen eines kleinen Wohnhauses nicht auf eine große stützenfreie Halle übertragen lassen. Bei der Gestaltung der Halle ist wegen ihrer Lage im Blickpunkt der Autobahnbenutzer versucht worden, eine ansprechende architektonische Gestaltung zu finden. Die Gebäudeformen sind Ausdruck der Konstruktion und entsprechen in ihrer Einfachheit der Zweckbestimmung des Gebäudes. Auch sind Klagen von anderer Seite bisher nicht bekanntgeworden. Ich darf aber bemerken, daß die Arbeiten an den Außenanlagen noch nicht abgeschlossen sind und sich deshalb dem Betrachter noch kein endgültiges und vollständiges Bild bietet. Wenn die Böschung zur Autobahn, wie vorgesehen, vollständig angelegt, befestigt und mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt ist, wird — so hoffe ich — erkennbar sein, daß auch dieses Gebäude in die Natur einwachsen und ein Bestandteil der Landschaft werden wird. Seiermann Anlage 5 Umdruck 576 Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Freihandelszone (Drucksache. 1305). Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag stellt mit Bedauern fest, daß die Bemühungen um eine europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit seit Inkrafttreten des EWG-Vertrages zu einer Spaltung Europas geführt haben, daß der Beschluß der OEEC vom 13. Februar 1957 und der Beschluß des Bundestages vom 2. Oktober 1958 bisher nicht verwirklicht worden sind, daß die Fristverkürzungsvorschläge und die Vorschläge für eine gemeinsame Agrarpolitik die Tendenz der EWG zur Abspaltung von den anderen OEEC-Staaten sichtbar machen. Er ersucht die Bundesregierung, alles zu tun, um 1. die in der OEEC erzielten Fortschritte und gefaßten Beschlüsse in ihrem Bestande zu sichern. 2. gemäß Absprache des Herrn Bundeskanzlers mit dem französischen Staatschef nunmehr vor allem anderen die Verwirklichung des Beschlusses der OEEC vom 13. Februar 1957 durchzusetzen und eine Freihandelszone in Europa einzurichten, die auf multilateraler Basis den gemeinsamen Markt der Sechs und die anderen Mitgliedsländer vereinigt. Bonn, den 4. Mai 1960 Margulies Dr. Starke Lenz (Trossingen) und Fraktion
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    Rede von Robert Margulies


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte über die von den Freien Demokraten gestellte Große Anfrage hat zweifellos zu einer gewissen Klärung geführt. Wir begrüßen das dankbar. Ich möchte dazu noch einige wenige Bemerkungen machen, muß aber vorher noch mit einigen Worten auf das eingehen, was vorhin Herr Lücker gesagt hat. Er hat sich mit sichtlichem Vergnügen mit meinen Ausführungen befaßt, so daß ich mich doch bei ihm revanchieren muß. Ich darf ihn zunächst daran erinnern, daß ich seinen Auffassungen über Agrarpolitik im Europäischen Parlament bzw. im Agrarpolitischen Ausschuß Punkt für Punkt widersprochen habe. Ich bin damit nicht durchgekommen; aber ich bedaure doch sehr, daß die Auffassungen, die Herr Lücker über Agrarpolitik hat, jetzt auf Europa übertragen werden. Es sind doch diese Auffassungen, über die unsere Bauern jedes Jahr mehr klagen und stöhnen, unsere Bauern, die uns beweisen, daß die Disparität immer größer wird. Offenkundig können sie also nicht richtig sein.
    Nun hat Herr Lücker die Tradition einiger CDU-Redner übernommen, die sich im wesentlichen damit beschäftigt haben, an den Tatsachen vorbeizureden und nach dem Satz, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, eben die Fakten zu übersehen. In einem Punkt kann ich Herrn Lücker jedenfalls beruhigen. Er hat gesagt, daß von den EFTA-Ländern keine Erklärungen darüber vorliegen, daß diese Länder mit der EWG oder mit uns, mit den Mitgliedsländern, verhandeln wollten. Gerade soeben habe ich eine Schrift bekommen, die Auszüge aus Parlamentsdebatten in den EFTA-Ländern enthält. Danach hat Herr Schatzkanzler Amory von Großbritannien festgestellt: Es besteht absolut kein Zweifel über den Wunsch der Sieben, mit den Sechs



    Margulies
    zusammenzukommen; wir sind bereit, Verhandlungen mit den Sechs zu beginnen, sobald sie dazu bereit sind. Herr Außenminister Krag (Dänemark) hat festgestellt: Das Ziel muß weiterverfolgt werden, einen europäischen Großmarkt zu schaffen, der soweit wie möglich sämtliche Mitglieder der OEEC umfaßt. Herr Handelsminister Lange (Schweden) hat daran erinnert, daß man die EFTA geschaffen habe, um die Möglichkeit zu verbessern, mit den Sechs zu wirklichen Verhandlungen zu kommen. Ich will Ihnen das nicht alles vorlesen; das Dokument steht zu Ihrer Verfügung, soweit sie es nicht selber haben.
    Ich bin Herrn Bundesminister Erhard für die Aufklärung, die er uns hier gegeben hat, außerordentlich dankbar. Er hat freimütig zugestanden, daß die Politik der Bundesregierung in dem für uns entscheidenden Punkte, nämlich der multilateralen Assoziation der OEEC-Länder an die EWG, bisher erfolglos war. Er hat uns damit auch zugestanden, daß wir, die Freien Demokraten, seinerzeit recht hatten, die Verträge über die EWG abzulehnen, solange nicht gleichzeitig die Vereinbarungen über die Große Freihandelszone geschlossen worden waren. Aber das ist Vergangenheit; darüber brauchen wir heute nicht mehr zu reden.
    Um so mehr habe ich mich über die Grundsatzerklärung, die er uns hier gegeben hat, und auch darüber gefreut, daß er sich selbst eine Frist gesetzt hat, nämlich bis zum 31. Dezember 1961. Ich habe mich darüber gefreut, daß er selbst erklärt hat, nach diesem Zeitpunkt werde es kaum mehr möglich sein, die beiden entstandenen Wirtschaftsblöcke zu vereinen. Ich will nun nicht auf die einzelnen Mitglieder der Bundesiegierung Reflexe ausstrahlen, wie wir eben von ihm gehört haben. Aber wir haben unsere Große Anfrage an die Bundesregierung gerichtet und wissen nun nicht ganz genau, wieviel davon uns die Bundesregierung beantwortet hat und wieviel davon uns Herr Minister Erhard beantwortet hat.
    Ich will darauf nicht herumreiten; denn dazu habe ich mich über die bindenden Erklärungen des Herrn Bundesministers zu sehr gefreut. Aber es wäre natürlich der Ordnung halber richtiger, dann auch klar zu trennen zwischen dem, was die Bundesregierung meint, und dem, was Herr Minister Erhard in eigener Person erklärt. Wir wollen doch nicht verkennen, daß vermutlich — entgegen meiner sonstigen Gewohnheit spreche ich einmal eine Vermutung aus — der Mißerfolg der Bundesregierung in dieser Angelegenheit darauf zurückzuführen ist, daß immer mal wieder mehrere Meinungen bestanden.
    Was ich, offen gesagt, nicht begreife, ist die Tatsache, daß alle hier in Frage kommenden Länder, Großbritannien, Frankreich, Italien usw. — ich will sie nicht alle aufzählen —, alle 17 Mitgliedsstaaten der OEEC, beschlossen haben, eine multilaterale Assoziation in Form einer Freihandelszone zu schaffen, um die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu ergänzen, und daß dieser Beschluß trotzdem nicht durchgeführt wird. Ich darf noch einmal darauf verweisen, daß der Herr Bundeskanzler und der französische Staatschef, Herr de Gaulle, in Bad Kreuz-
    nach nochmals bekräftigt haben, daß sie sich in diesem Ziele einig sind. Ich habe Ihnen soeben die Äußerungen verantwortlicher Minister der EFTA-Länder vorgetragen, die zeigen, daß auch sie kein höheres Ziel kennen. Nun frage ich mich, warum das nicht zustande kommt, woran es liegt, daß nicht verhandelt wird, wer hier eigentlich der Sündenbock ist, an den wir uns halten können, warum diese multilaterale Assoziation zunächst einmal überhaupt nicht besprochen wird.
    Ich bin weit davon entfernt, den Präsidenten der EWG-Kommission zu beschuldigen. Ich brauche ihn an sich auch nicht in Schutz zu nehmen, aber er ist ja dazu da, die EWG zu verwirklichen. Er hat kürzlich in Straßburg gesagt, von der großen Freihandelszone spreche ja wohl niemand mehr. Nun, ab heute wird er also wissen, daß er sich in diesem Punkte, wie schon häufiger geirrt hat.

    (Heiterkeit bei der FDP und der SPD.)

    Wir sind jedenfalls der Meinung, daß es wichtig, daß es notwendig ist — und wir freuen uns, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister der gleichen Meinung ist —, nun mit aller Kraft danach zu streben, daß diese multilaterale Assoziation zustande kommt.
    Wir haben Ihnen, um das zu bekräftigen, einen Entschließungsantrag vorgelegt, der aber auch noch einen anderen Grund hat, auf den ich besonders aufmerksam machen möchte. In unserem Entschließungsantrag haben wir formuliert:
    Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, alles zu tun, um die in der OEEC erzielten Fortschritte und gefaßten Beschlüsse in ihrem Bestande zu sichern.
    Das hat schon einen sehr wesentlichen Grund; denn die vier Weisen schlagen ja vor, die OEEC zu liquidieren und an deren Stelle diese neue Gruppierung OECD zu errichten. Das würde bedeuten, daß alle in der OEEC gefaßten Beschlüsse untergehen; sie würden mit der Liquidation verschwinden. Es kann sich um die Liberalisierungsbeschlüsse handeln; das wäre eine äußerst gefährliche Sache. Es kann sich aber auch darum handeln, auf diese Weise schmerzlos den Beschluß verschwinden zu lassen, der dahin geht, eine Freihandelszone in Europa einzurichten, die ,auf multilateraler Basis den Gemeinsamen Markt der Sechs und die anderen Mitgliedsländer vereinigt.
    Ich habe gehört, daß der Wunsch besteht, diesen Entschließungsentwurf weiterzuberaten. Daher möchte ich den Antrag stellen, den Entwurf dem Außenpolitischen Ausschuß — federführend — und dem Außenhandelsausschuß zur Mitberatung zu überweisen.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Deist.

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    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lücker hat die Frage aufgeworfen, ob es richtig sei, sich in Selbstanklagen



    Dr. Deist
    zu ergehen; ob es nicht gut wäre, auch daran zu denken, daß an Verhandlungen über größere multilaterale Assoziationen auch andere Staaten beteiligt sind. Er sprach davon, daß man auf einen Ruf in den Wald auch ein Echo bekommen müsse.
    Was er dargestellt hat, ist zweifellos richtig. Die, wie ich meinen möchte, unglückliche Entwicklung bezüglich der Zusammenarbeit auf gesamteuropäischem Boden hat sicherlich nicht nur eine Ursache, sondern sie hat mehrere Ursachen. Ich möchte mich seiner Aufforderung anschließen, ,daß auch die Länder der EFTA mit einem ausreichenden Realismus an die Frage der Zusammenarbeit auf gesamteuropäischem Boden herangehen.
    Aber wir haben es hier im Bundestag weder mit der britischen Regierung noch mit den Regierungen der Länder der EFTA zu tun. Es ergibt sich, daß wir uns naturgemäß zunächst einmal mit ,der Haltung der Bundesregierung hier in Deutschland, im Ministerrat und bei internationalen Konferenzen zu befassen haben. Dabei taucht eine entscheidende Frage auf. Deutschland und seine Regierung nehmen bei dieser Situation in Mitteleuropa bei 'diesen Verhandlungen eine zentrale Stellung ein. Deshalb müssen wir von der deutschen Regierung eine besondere Aktivität erwarten. Diese besondere Aktivität muß sich einmal auf die speziellen deutschen Interessen erstrecken, 'die hier auf dem Spiele stehen, aber auch auf die Verantwortung, die wir hier an dieser zentraleuropäischen Stelle für ,die gesamteuropäische Zukunft haben. Mir scheint, daß man sich aus seiner politischen und geographischen Situation nicht einfach herausreden kann; man muß sich mit ihr auseinandersetzen.
    Hier scheint mir folgender Gesichtspunkt wichtig zu sein, der die besondere Verantwortung der deutschen Bundesregierung herausstellt. Deutschland liegt ebenso wie 'die skandinavischen Staaten und Österreich an der Grenze zum sowjetischen Block. Diese Staaten haben eine besondere Aufgabe zu erfüllen, und sie haben besondere Schwierigkeiten in den großen wirtschaftlichen Auseinandersetzungen zu bewältigen, die zwischen dem Ostblock und dem Westblock eine Rolle spielen. Wir wissen sehr gut, daß ,die zukünftigen Auseinandersetzungen mit dem Osten sich in starkem Umfange auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet abspielen werden.
    Die Frage ist, ob wir in Europa in der Zusammenarbeit der europäischen Staaten die Strategie entwickeln, die uns befähigt, diese Auseinandersetzung so gut wie möglich zu bestehen. Wir wissen doch, daß der sowjetische Außenhandel ein Stück politischer Strategie ist und daß man dieser politischen Strategie entsprechend begegnen muß. Man muß sehr, sehr ernsthaft überlegen, was man konkret tun kann, um hier auf europäischem Boden in einen möglichst großen Markt die Voraussetzungen zur Erreichung einer hohen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu schaffen. Durch Schaffung einer engen Zusammenarbeit der europäischen Staaten muß man darüber hinaus die Grundlage für eine einheitliche Gegenstrategie gegen die außenhandelspolitische Strategie des Ostens entwickeln. Es ist doch nicht von ungefähr, daß die 'deutsche Ausfuhr zu etwa
    gleichen Teilen, nämlich mit rund je 29 Prozent der Gesamtausfuhr, in der EWG und in die EFTA geht; und es ist doch nicht von ungefähr, daß etwa 13 Prozent unserer Ausfuhr nach den nordischen Staaten und etwa 5 Prozent nach Österreich gehen. Diese Handelsströme spielen im wirtschaftlichen Verkehr und damit in der wirtschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Osten eine entscheidende Rolle. Es wäre gefährlich — ich will mich nicht stärker ausdrücken -, wenn wir die Bedeutung ,dieser engen Zusammenarbeit gerade zwischen dem deutschen Wirtschaftsraum und dem Wirtschaftsraum im Norden und dem Wirtschaftsraum in Österreich nicht sehen würden.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, das scheint mir eines der entscheidenden Probleme zu sein. Die Frage, die wir zu stellen haben, ist: Wird unsere Haltung, wird die Haltung der Regierung diesen entscheidenden gesamteuropäischen Problemen gerecht? Wir müssen zunächst einmal feststellen, daß wir einige Fakten zu verzeichnen haben, über die wir nicht hinwegsehen können.
    Das erste Faktum: Wir hatten, als seinerzeit die europäischen Verträge abgeschlossen wurden, angenommen, daß es sehr bald möglich sein werde, eine allgemeine Assoziation in Form einer europäischen Freihandelszone zu schaffen. Dieser Versuch ist gescheitert.
    Wir haben ein zweites Faktum zu sehen: daß die EFTA gegründet worden ist und daß die Schwierigkeiten der Zusammenarbeit eher größer als kleiner werden.
    Wir haben drittens das Faktum zu sehen, daß die beiden Räume sich aus ihrer inneren Dynamik zu zwei selbständigen Wirtschaftsräumen entwickeln, mit der Folge, daß sie, wie der Herr Bundeswirtschaftsminister es darlegte, sich auseinanderleben und in die Gefahr geraten, daß sie miteinander rivalisieren, unter Umständen gegeneinander arbeiten.
    In einem solchen Augenblick ist es mir zweifelhaft, ob es genügt, allgemeine Bekenntnisse abzulegen, allgemeine Deklamationen, allgemeine europäische Proklamationen zu erlassen. Ich zweifle nicht daran, daß der Herr Bundesminister, da er sich auf solche grundsätzlichen Bekenntnisse beschränkt hat, insoweit eine einheitliche Meinung der Regierung vertritt. Aber das Problem tritt doch in dem Augenblick auf, wo konkrete Schritte zu unternehmen sind. Wir sind über die Zeit der Deklamationen und Proklamationen auf dem Gebiet der europäischen Zusammenarbeit längst hinaus, und es ist notwendig, daß wirklich konkrete Schritte getan, konkrete Maßnahmen ergriffen werden.

    (Beifall bei der FDP.)

    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat gemeint, er habe vielleicht die Dinge konkretisieren können, und damit wäre die Debatte überflüssig geworden. Ich muß sagen: ich wäre glücklich gewesen, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister so konkret hätte sprechen können, daß wir keine Debatte mehr nötig gehabt hätten. Aber, Herr Bundeswirtschaftsminister, bei aller Loyalität: die ganze bisherige Entwicklung zeigt ja nicht allzu deutlich, daß die



    Dr. Deist
    Bundesregierung dann, wenn es um konkrete Dinge geht, sie wirklich ernsthaft vorwärts treibt.
    In der heutigen Debatte sind mehrere Punkte aus der Vergangenheit genannt worden, auf die der Herr Bundeswirtschaftsminister dann nicht eingegangen ist, z. B. auf die Tatsache, daß im Jahre 1958 eine Aktivität der Hohen Behörde auf dem Gebiet der Kohle — eine konkrete Aufgabe, die gestellt war — auch an dem Widerspruch der deutschen Bundesregierung gescheitert ist. Es handelt sich darum — mein Freund Birkelbach hat darauf hingewiesen —, daß die Bundesregierung im Höhepunkt der Kohlenkrise im Jahre 1959 nicht nur geduldet, sondern dazu beigetragen hat, daß keine aktionsfähige europäische Instanz vorhanden war. Es ist das Beispiel unserer Reaktion auf die Senkung der Zölle für Kaffee und Tee gebracht worden. Es ist nicht gebracht worden — aber wir haben es früher sehr häufig gesagt — die merkwürdige Reaktion der Bundesregierung, als es sich darum handelte, konkret die Regelung der sogenannten Anpassungsmaßnahmen — eine große soziale Tat — in den Vertrag über die Kohle- und Stahlgemeinschaft aufzunehmen. Auch dieser konkreten europäischen Aufgabe hat sich die Bundesregierung versagt.
    Schließlich ist uns gerade in diesen Tagen ein weiterer konkreter Fall vorgelegt worden. Ich spreche von dem Versuch, eine Statistik über Löhne und soziale Leistungen aufzustellen. Was lese ich da zu meinem Erstaunen? Der Bundesarbeitsminister sagt, der Bundesrepublik Deutschland sei eine Verordnung, die diese Dinge im einzelnen regle, sehr unangenehm gewesen; es hätte genügt, eine Richtlinie zu erlassen, so daß die Regierungen an das Ziel gebunden seien, aber die Durchführung jeder Regierung nach ihrem Gefallen überlassen worden wäre. Dabei wissen wir aus den Beratungen in Straßburg, wie sehr jede wirtschaftspolitische Übersicht — von Maßnahmen gar nicht zu sprechen — daran scheitert, daß wir kein konkretes Material, keine zuverlässigen, keine vergleichbaren Statistiken haben.
    Jedesmal, wenn es darauf ankam, konkrete europäische Politik zu betreiben, haben wir leider feststellen müssen, daß die Energie der Bundesregierung nicht ebenso groß war wie in dem Augenblick, in dem es galt, allgemeine Bekenntnisse zur europäischen Politik abzugeben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dann, Herr Bundeswirtschaftsminister, muß ich bedenken, wie die Wirkungen gewesen sind. Mein Kollege Birkelbach hat einige Zitate — sicherlich nicht Allerweltszitate — aus englischem und aus schweizerischem Munde gebracht, Zitate darüber, wie die Dinge in anderen Ländern gesehen werden. Ich möchte wiederholen: Wir machen uns keineswegs jede Stellungnahme, die von britischer oder anderer Seite kommt, zu eigen. Aber interessant und wichtig ist das Klima, das sich hier entwickelt. Meine Damen und Herren, wer darauf nicht eingehen will, hat vielleicht doch einiges darüber gehört, wie das Klima bei dem deutsch-englischen Gespräch in Königswinter gewesen ist. Herr Bundeswirtschaftsminister, es tut mir leid, das sagen
    zu müssen. Bei jeder Erörterung und Unterhaltung, die man mit offiziellen und offiziösen Stellen in den anderen europäischen Ländern hat, kommt zum Ausdruck, wie alle diese Staaten über die Diskrepanz zwischen den Erklärungen der deutschen Bundesregierung und ihrer faktischen Haltung erschüttert sind.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Herr Bundeswirtschaftsminister, ich fürchte, Sie werden das selber zugestehen müssen; denn soviel ich weiß, ist auch Ihnen diese Reaktion der anderen Staaten sehr deutlich zu Gemüte geführt worden.
    Darum, Herr Bundeswirtschaftsminister, geht es uns! Es geht uns nicht um die allgemeinen Deklarationen — darin können wir uns ständig übersteigern und übertreffen —, sondern darum, ob eine Regierung, die die Möglichkeit dazu hat, konkrete Vorschläge zu machen, diese Möglichkeit nutzt. Wenn Sie davon sprechen, daß es Zeit ist, pragmatisch vorzugehen, dann muß ich Ihnen sagen, daß sich mit pragmatischem Vorgehen große Deklarationen schon gar nicht vertragen, sondern dann heißt es, die konkreten Tatbestände zu untersuchen. Wenn es aber so weit ist, daß wir heute eine globale Freihandelszone in Europa nicht werden erreichen können, kommt es darauf an, konkret die Handelsströme zwischen uns und den anderen europäischen Ländern zu untersuchen und festzustellen, was im Rahmen von GATT und im Rahmen der übrigen internationalen Organisationen möglich ist, um wenigstens faktisch einen europäischen Markt herbeizuführen. Hier haben wir leider, Herr Bundeswirtschaftsminister — wir wären froh, wenn wir durch die Fakten vom Gegenteil überzeugt werden könnten —, bis heute nicht den Eindruck, daß die Bundesregierung bei ihrer Gesamthaltung wirklich geneigt ist, eine solche Aktivität zuzulassen, und daß vielleicht auch die weltanschauliche Haltung des Bundeswirtschaftsministeriums für solche konkreten Maßnahmen nicht ganz prädisponiert ist.
    Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie sprachen von der Verschiebung bis zum 1. Januar 1961. Darin liegt sicher eine Chance. Ich veranschlage das nicht sehr hoch; denn wir wissen alle sehr genau, daß es der Bundesregierung leicht gewesen ist, diese Verschiebung vorzunehmen, weil die Beschleunigung in Deutschland technisch bis zum 30. Juni einfach nicht durchzubringen ist. Aber — ich glaube, es war der Herr Kollege Margulies, der schon darauf hingewiesen hat — Sie selber haben das Datum des 1. Januar 1962 als Menetekel an die Wand gemalt. Ich finde, so lang ist die Zeit nicht mehr. Wenn etwas geschehen soll, dann müssen sehr schnell konkrete Pläne vorgelegt werden —, und wenn es nur geschieht, um unsere Partner in den anderen Ländern vor eine Entscheidung zu stellen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Bundeswirtschaftsminister, ich möchte ein Wort zu dem Kontaktausschuß sagen. Ich werde den Eindruck nicht los, daß hier ein Spiel mit dem Schwarzen Peter beginnt, daß man versucht, sich den Schwarzen Peter zuzuschieben, indem man untersucht,, wer daran schuld ist, wenn es nicht funk-



    Dr. Deist
    tioniert. Das ist nicht der Sinn der Sache. Es kommt vielmehr darauf an, eine Methode zu finden, konstruktiv an der Zusammenarbeit, an der Schaffung eines faktischen gemeinsamen Marktes zu arbeiten. Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie kennen die Aufgaben des Kontaktausschusses selber nur zu genau. Sie wissen, er soll Warenströme untersuchen, Schwierigkeiten feststellen, Vorschläge zur Behandlung von Schwierigkeiten machen. Das heißt — ich glaube, wir haben das mehrfach gesagt —, es ist eine reine Sanitätsstation, die die Verwundeten aufzusammeln und zu heilen hat, die auf dem Schlachtfeld übriggeblieben sind, Es ist nicht uninteressant -- ich werde es einmal nachzählen —: in Ihrer Rede ist das Wort „heilen" mehrfach vorgekommen.
    Meine Damen und Herren, es geht nicht mehr um das Heilen, sondern es handelt sich darum, konstruktive Vorschläge zu machen, um die europäische Zusammenarbeit voranzubringen. Dazu genügt dieser Kontaktausschuß nicht. Es wäre eine schlechte Sache, wenn die EWG den Partnern der EFTA diesen Kontaktausschuß, diese Sanitätsstation — ich sage: es wäre eine schlechte Sache; es gibt Leute, die das möchten— vorschlagen würde und, wenn die Mitglieder der EFTA auf solch eine Samaritertätigkeit nicht eingehen wollen und können, ihnen den Schwarzen Peter zuschöbe und sagte, sie hätten nicht gewollt. Ich möchte dem vorbeugen und darum deutlich sagen: nach unserer Meinung könnte ein Kontaktausschuß eine gute Arbeit leisten. Er müßte aber die Aufgabe haben, konkrete Vorschläge für die Schaffung einer engeren Zusammenarbeit, für die Senkung der Zölle und die Beseitigung der sonstigen Handelsschranken in Europa auszuarbeiten. Dann hätte er eine konstruktive Aufgabe. So wie er heute vorgesehen ist, genügt der Kontaktausschuß in keiner Weise.
    Eine letzte Bemerkung. Herr Bundeswirtschaftsminister, es ist immer erfreulich, wenn eine noble Haltung in einer Auseinandersetzung zum Ausdruck kommt. Wir können das alle unterstreichen. Sie haben ein zweites Wort geprägt, das in diesen Ton hineinpaßt: man dürfe die Kleinen nicht majorisieren. Das darf man aber nicht nur sagen, das muß man dort, wo es konkret darauf ankommt, auch tun; denn bei der EFTA handelt es sich mit Ausnahme von Großbritannien um die Kleinen in Europa. Bei ihnen handelt es sich um alte klassische Demokratien, Vertreter des freiheitlichen Europa; bei ihnen handelt es sich um wirtschaftlich hochentwickelte Länder, die im Handel in Europa und in der Welt eine entscheidende Rolle zu spielen haben.
    Es ist mir sehr zweifelhaft, ob nicht die Tendenz der Europäischen Kommission dahin geht, zu sagen: Wir in der Position der Stärke werden mal abwarten, bis ihr einzeln zu uns kommt; ihr müßt schließlich doch bilaterale Vereinbarungen mit uns abschließen. Ich bin sehr, sehr nahe daran, zu glauben, daß das die Tendenz ist. Das würde einmal dem guten, noblen Grundsatz, die Kleinen nicht zu majorisieren, widersprechen; es würde aber auch jede Grundlage für eine gute Zusammenarbeit der demokratischen Staaten des Westens zerstören. Im
    freien Westen sollte es darauf ankommen, eine in eigener Verantwortung frei gewählte Zusammenarbeit der Staaten zu haben und niemanden aus der Politik der Stärke zur Unterwerfung zu zwingen.
    Ich sage das sehr deutlich, nicht weil ich meine, der Herr Bundeswirtschaftsminister wäre dieser Auffassung, sondern weil ich die Überzeugung gewonnen habe, daß solche Tendenzen in Brüssel ebenso wie bei uns in Deutschland vorhanden sind. Bei dieser Situation hat die deutsche Bundesregierung eine entscheidende und zentrale Aufgabe. Niemand ist mit dieser Aufgabe der europäischen Verflechtung so unmittelbar verbunden wie Deutschland mit seiner Wirtschaft. Darum scheint es mir wichtig zu sein, von den allgemeinen Deklarationen zu sehr ernsten, zu sehr konkreten Vorschlägen zu kommen, damit wir durch praktische Schritte in der Lösung der großen gesamteuropäischen Aufgabe vorankommen. Das konkrete Problem, um das sich niemand herumreden kann, ist das Problem, eine engere Zusammenarbeit — unter Senkung oder Aufhebung der Zölle und Beseitigung anderer Handelsschranken — zwischen der EWG und der EFTA herbeizuführen.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)