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    Deutscher Bundestag 111. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1960 Inhalt: Nachruf auf die Abg. Dr. Gülich und Cillien Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 6183 A Abg. Dr. Tamblé tritt in den Bundestag ein 6183 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Höcker, Mensing, Pietscher und Demmelmeier 6183 D Nachrücken der Abg. Dr. Weber (Koblenz) und Dr. Dittrich als Wahlmänner nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . 6183 D Begrüßung des Präsidenten Fagerholm und weiterer Abgeordneter des finnischen Reichstags . . . . . . . . . . . 6190 D Eidesleistung des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . . 6215 D Fragestunde (Drucksache 1810) Frage des Abg. Ritzel: Kapitalanlagen im Ausland Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6184 C Frage des Abg. Dr. Kohut: Mangel an Narkosefachärzten in der Bundesrepublik Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6185 A Frage des Abg. Dr. Reinhard: Schutz des Verbrauchers vor mit Antibiotica behandeltem Importgeflügel Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6185 B Frage des Abg. Dr. Arndt: Amtliche Sammlung von Fehlurteilen im Strafprozeß Schäffer, Bundesminister . . . . 6185 D Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Beschluß des 5. Gewerkschaftsjugendtages der IG Bergbau betr. Kontakte mit der Bundeswehr Hopf, Staatssekretär . . . . . . 6185 D Fragen des Abg. Dr. Rutschke: Atomreaktor Karlsruhe Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . 6186 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Freihandelszone (Drucksache 1305) verbunden mit Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Freihandelszone (Drucksache 1464 [neu] ) Margulies (FDP) 6186 D, 6191 A, 6243 C Kalbitzer (SPD) . . . . . . . . 6193 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6197 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 6205 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Birkelbach (SPD) . . . . . . . 6211 B Dr. Starke (FDP) . . . . . . . 6215 D von Hassel, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . 6223 D Metzger (SPD) 6227 D Dr. Löhr (CDU/CSU) 6232 D Scheel (FDP) 6234 C Lücker (München) (CDU/CSU) . . 6237 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . 6244 D Brand (CDU/CSU) 6247 C Dr. Mommer (SPD) 6248 A Rösing (CDU/CSU) 6248 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1441) Erste Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Teesteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1442) — Erste Beratung — Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . . . 6248 C, 6253 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 6250 A Scheel (FDP) 6251 D Metzger (SPD) 6253 B Entwürf eines Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) (Drucksache 1799) — Erste Beratung — Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6254 A Frau Niggemeyer (CDU/CSU) . . . 6256 D Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . . 6259 C Dr. Rutschke (FDP) 6261 B Entschließungsantrag zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 14 (FPD); Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1784, Umdruck 281) . . . 6262 B Sammelübersicht 19 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 1801) . . . . . 6262 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Süßstoffgesetzes (Drucksache 1146) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1752) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . 6262 C Entwurf eines Gesetzes über die Finanzstatistik (Drucksache 1367) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1789) — Zweite und dritte Beratung — 6262 D Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (CDU/CSU, DP) (Drucksache 1693) — Erste Beratung — 6262 D Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfrist (SPD) (Drucksache 1738) — Erste Beratung — 6263 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Antrag auf Normenkontrolle bei dem Bundesverfassungsgericht wegen des Sammlungsgesetzes (Drucksache 1697) 6263 A Antrag betr. Beihilfe zur Beschaffung von Hausrat an Deutsche aus der Sowjetzone, die nicht die Voraussetzungen des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes erfüllen (SPD) (Drucksache 1698) 6263 B Antrag betr. Abkommen über die einheitliche Auslegung der europäischen Verträge (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksache 1731) . . . 6263 B Antrag betr. Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksache 1732) 6263 C Antrag betr. Schiffbarmachung des Hochrheins (Abg. Hilbert, Dr. Furler u. Gen.) (Drucksache 1786) 6263 C Entwurf einer Zolltarif-Verordnung (Deutscher Zolltarif 1960); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1797, 1815) . . . . . . 6263 C Entwurf einer Verordnung Nr. . . . zur Durchführung einer Erhebung über die Löhne; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksachen 1809, 1818) 6263 D Nächste Sitzung 6263 D Anlagen 6265 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 6183 111. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.05 Uhr.
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bauereisen 5. 5. Dr. Becker (Hersfeld) 31. 5. Blachstein 20. 5. Frau Brauksiepe 4. 5. Brüns 2. 7. Dr. Bucerius 15. 5. Bühler 4. 5. Cramer 4. 5. Frehsee 7. 5. Dr. Friedensburg 6. 5. Funk 7. 5. Dr. Furler 6. 5. Gaßmann 6. 5. Geiger (München) 6. 5. Frau Geisendörfer 6. 5. Gerns 6. 5. Dr. Görgen 20. 5. Dr. Gossel 6. 5. Häussler 4. 5. Dr. Heck (Rottweil) 6. 5. Heye 4. 5. Dr. Hoven 6. 5. Jacobs 7. 5. Keller 4. 5. Frau Kipp-Kaule 4. 5. Frau Klemmert 15. 5. Knobloch 6. 5. Köhler 6. 5. Kraft 9. 5. Krammig 4. 5. Dr. Leiske 6. 5. Müller (Worms) 7. 5. Frau Dr. Pannhoff 7. 5. Paul 6. 5. Dr. Preusker 6. 5. Pütz 4. 5. Ramms 6. 5. Rasch 20. 5. Dr. Ratzel 6. 5. Dr. Ripken 15. 5. Frau Schanzenbach 6. 5. Scharnberg 7. 5. Scheel 6. 5. Dr. Schild 4. 5. Schmücker 6. 5. Dr.-Ing. Seebohm 9. 5. Seidl (Dorfen) 6. 5. Solke 6. 5. Stahl 15. 5. Sühler 7. 5. Wehner 4. 5. Welslau 7. 5. b) Urlaubsanträge Dr. Dittrich 31. 5. Dopatka 21. 5. Erler 21. 5. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Greve 21. 5. Holla 20. 5. Hufnagel 13. 5. Jahn (Frankfurt) 2. 7. Jaksch 20. 5. Katzer 18. 6. Maier (Freiburg) 2. 7. Probst (Freiburg) 10. 5. Rasner 28. 5. Frau Dr. Rehling 12. 5. Sander 2. 7. Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn a. Rh., d. 8. April 1960 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 217. Sitzung am 8. April 1960 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 16. März 1960 verabschiedeten Gesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß Artikel 105 Abs. 3 und 135 Abs. 5 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat begrüßt die Absicht, die Erträge der „Stiftung Volkswagenwerk" zur Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre zu verwenden. Er geht bei Erteilung seiner Zustimmung davon aus, daß die nach Anwendung des § 4 Buchst. b) des Vertrages verbleibenden Erträge den Ländern zufließen. Dabei erwartet der Bundesrat, daß im Rahmen der allgemeinen Zweckbestimmung des § 3 Abs. 1 des Vertrages die Länder frei über die Verwendung dieser Mittel entscheiden können und daß mit ihrer Zuweisung keine Auflagen verbunden werden, die die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder beeinträchtigen könnten. Dr. Röder Bonn, den 8. April 1960 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 18. März 1960 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Röder 6266 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Anlage 3 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Jahn (Marburg) betreffend Verwendung von Fahrkarten der Bundesbahn mit Symbolen des NS-Regimes (Fragestunde der 111. Sitzung vom 4. 5. 1960, Drucksache 1810). Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, die Deutsche Bundesbahn darüber aufzuklären, daß die Verwendung von Fahrkarten mit eingeprägten Symbolen des NS-Regimes im Jahre 1960 mehr ist als eine unverantwortliche Schlamperei? Ist er bereit, darauf hinzuwirken, daß sämtliche, noch im Verkehr befindlichen Fahrkarten dieser Art unverzüglich vernichtet werden? Ich bin mit Ihnen, Herr Abgeordneter, und der Deutschen Bundesbahn darin einig, daß die einem Reisebüro unterlaufene Panne nicht hätte passieren dürfen. Es ist veranlaßt, daß sämtliche etwa noch vorhandenen Fahrkartenbestände dieser Art unverzüglich vernichtet werden. Seiermann Anlage 4 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg betreffend Errichtung eines Zementschuppens an der Autobahn bei Nikolassee (Fragestunde der 111. Sitzung vom 4. 5. 1960 Drucksache 1810). Weshalb hat die Bundesautobahn-Verwaltung bei der Errichtung eines kahlen Zementschuppens an der Einfahrt der Autobahn nach Berlin bei Nikolassee alle Regeln einer ansprechenden Architekturgestaltung und alle Regeln des Landschaftsschutzes außer acht gelassen? Weshalb hat sie das Vorbild eines daneben liegenden Gebäudes übersehen, das von der früheren Reichsautobahn-Verwaltung errichtet worden ist und das dem besonders repräsentativen Landschaftscharakter des betreffenden Standortes Rechnung trägt? Was gedenkt die Bundesautobahn-Verwaltung zu tun, um den angerichteten Schaden, der in der schönen Jahreszeit täglich für Zehntausende von naturliebenden Berlinern ein Ärgernis bieten muß, zu beseitigen oder wenigstens zu mildern? Bei dem beanstandeten Gebäude handelt es sich um eine Halle zur Aufnahme von Streugut für den Winterdienst auf der Bundesautobahn Avus, die in freitragender Binderkonstruktion aus Stahlbeton mit äußeren Sichtbetonflächen hergestellt worden ist. Die Wahl des Bauplatzes auf einem an der Bundesautobahn gelegenen Grundstück der Bundesautobahnverwaltung war zweckmäßig, weil das Gebäude den Bedürfnissen des Betriebes und der Unterhaltung der Autobahn dienen soll. Das auf dem Grundstück befindliche, vor 25 Jahren von der Reichsautobahnverwaltung errichtete Wohnhaus konnte nicht Vorbild für die Gestaltung sein, weil sich die Bauformen eines kleinen Wohnhauses nicht auf eine große stützenfreie Halle übertragen lassen. Bei der Gestaltung der Halle ist wegen ihrer Lage im Blickpunkt der Autobahnbenutzer versucht worden, eine ansprechende architektonische Gestaltung zu finden. Die Gebäudeformen sind Ausdruck der Konstruktion und entsprechen in ihrer Einfachheit der Zweckbestimmung des Gebäudes. Auch sind Klagen von anderer Seite bisher nicht bekanntgeworden. Ich darf aber bemerken, daß die Arbeiten an den Außenanlagen noch nicht abgeschlossen sind und sich deshalb dem Betrachter noch kein endgültiges und vollständiges Bild bietet. Wenn die Böschung zur Autobahn, wie vorgesehen, vollständig angelegt, befestigt und mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt ist, wird — so hoffe ich — erkennbar sein, daß auch dieses Gebäude in die Natur einwachsen und ein Bestandteil der Landschaft werden wird. Seiermann Anlage 5 Umdruck 576 Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Freihandelszone (Drucksache. 1305). Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag stellt mit Bedauern fest, daß die Bemühungen um eine europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit seit Inkrafttreten des EWG-Vertrages zu einer Spaltung Europas geführt haben, daß der Beschluß der OEEC vom 13. Februar 1957 und der Beschluß des Bundestages vom 2. Oktober 1958 bisher nicht verwirklicht worden sind, daß die Fristverkürzungsvorschläge und die Vorschläge für eine gemeinsame Agrarpolitik die Tendenz der EWG zur Abspaltung von den anderen OEEC-Staaten sichtbar machen. Er ersucht die Bundesregierung, alles zu tun, um 1. die in der OEEC erzielten Fortschritte und gefaßten Beschlüsse in ihrem Bestande zu sichern. 2. gemäß Absprache des Herrn Bundeskanzlers mit dem französischen Staatschef nunmehr vor allem anderen die Verwirklichung des Beschlusses der OEEC vom 13. Februar 1957 durchzusetzen und eine Freihandelszone in Europa einzurichten, die auf multilateraler Basis den gemeinsamen Markt der Sechs und die anderen Mitgliedsländer vereinigt. Bonn, den 4. Mai 1960 Margulies Dr. Starke Lenz (Trossingen) und Fraktion
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    Rede von Dr. Walter Löhr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle der Aussprache mit Genugtuung sagen, daß wir, was ihren bisherigen Ablauf angeht, doch einen gewissen Gleichklang und ein gemeinsames Wollen feststellen können. Wir alle fragen uns: wie können wir verhindern, daß es zu einem handelspolitischen Auseinanderrücken des freien Europas kommt?
    Ich sehe mich aber doch veranlaßt, im Hinblick auf die verschiedenen, ich möchte sagen, zum Teil abfälligen Urteile über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ein ganz klares Wort zu sagen. Ich möchte an das anknüpfen, was Herr Starke gesagt hat. Herr Kollege Starke, die EWG ist nicht nur eine Frucht wirtschaftlicher Expansion, sie ist für uns mehr. Sie ist für uns die Frucht eines gemeinschaftlichen politischen Wollens der Sechs — zunächst der Sechs — auf dem Wege, die politische Einigung Europas zu erreichen. Unsere Überzeugung ist, daß die EWG nicht nur einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, sondern daß sie eine Station auf dem Wege zur politischen Einigung Europas ist. Sie ist kein Kleineuropa, wie heute angedeutet wurde. Sie ist auch kein Block, sondern — lassen Sie mich die Formulierung Edgar Salins, des sicher von allen hier Anwesenden verehrten Nationalökonomen in Basel, gebrauchen — die EWG ist ein „Kerneuropa", offen für alle europäischen Staaten, die mit den Sechs eine freiheitliche politische Ge-



    Löhr
    meinschaft anstreben. So ist für uns die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ein Eckpfeiler unserer Bündnispolitik mit dem Westen.
    Heute wurde gesagt, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft sei eine Sabotage an der Idee der Einigung Europas: das muß ich entschieden zurückweisen.

    (Abg. Metzger: Ist gar nicht gesagt worden!)

    Wenn die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft scheitern sollte, sehe ich keine Möglichkeit mehr, zu einer freiheitlich orientierten Einigung des freien Europas zu kommen. Die Mitglieder der EWG sagen nicht nur, daß sie eine europäische politische Gemeinschaft wollen, sie handeln auch danach. Ich möchte nur daran erinnern, daß sämtliche EWG-Mitglieder auf Teile ihrer Souveränitätsrechte zugunsten der EWG verzichtet haben.
    Verschiedentlich wurde angedeutet, daß doch die OEEC ein brauchbarer Ersatz für die EWG sein könne. Ich muß auch dies mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Die EWG ist mehr als eine Wirtschaftsunion. Um das einigen der geschätzten Vorredner klarzumachen, möchte ich sagen: innerhalb der Wirtschaftsunion ist die Zollunion nur ein kleines Teilchen.
    Weiter wurde gesagt, die Bundesrepublik sei innerhalb der EWG ein Anhängsel an andere Partner. Ich muß auch das zurückweisen. In der EWG sind alle Partner gleichberechtigt. Es wird kein einziger Anlaß festzustellen sein, die Bundesrepublik als ein Anhängsel anderer Mächte zu deklassieren.
    Es ist weiter der Bundesrepublik ein HegemonieDenken innerhalb der EWG vorgeworfen worden. Ich glaube, daß auch dies völlig illusionär ist. Meine Damen und Herren, Hegemonie-Denken haben wir Deutsche einmal wirklich sauer bezahlen müssen.

    (Abg. Metzger: Sehr richtig!)

    Es wird wohl in dieser Generation und in den nächsten Generationen keinen denkenden Menschen in der Bundesrepublik geben, der eine Hegemonie Deutschlands in Westeuropa herbeizuführen wünscht oder nur davon spricht.

    (Abg. Metzger: Das haben Sie gar nicht verstanden; es dreht sich nicht um Deutschland!)

    — Verzeihen Sie, auch das ist gesagt worden. Ich werde Ihnen aber gleich gerecht, Herr Kollege Metzger. Ich bin auch nicht der Meinung, daß ein Partner eine Hegemonie innerhalb der EWG oder gar in Westeuropa anstrebt. Meine Damen und Herren, die Früchte eines derartigen Denkens sind allen freien Ländern Europas in guter Erinnerung. Ich glaube, daß ein solches Denken ein für allemal der Vergangenheit angehört.

    (Abg. Metzger: Hoffentlich!)

    Ich bin als Wirtschaftspolitiker der Meinung, daß man die Folgen des Zusammenschlusses zur EFTA bei uns dramatisiert. Man spricht davon, daß eine Spaltung Europas eingetreten sei, daß da und dort
    Diskriminierungen erfolgt seien, kurzum, vulgär gesagt, daß das Kind schon in den Brunnen gefallen sei. Ich muß sagen, daß von einer Spaltung Europas überhaupt keine Rede sein kann. Auch eine wirtschaftliche Diskriminierung ist nicht praktiziert worden Die von den römischen Verträgen vorgesehene erste 10%ige Zollsenkung aller Binnentarife der sechs in der EWG zusammengeschlossenen Länder ist am 1. Januar 1959 GATT-weit angewandt worden. Am 1. Juli 1960 wird die zweite vertraglich fixierte 10%ige Zollsenkung wirksam werden. Ob auch diese GATT-weit Anwendung finden wird, hat der Ministerrat zu entscheiden. Meines Wissens ist eine Entscheidung noch nicht getroffen. Man kann keinesfalls sagen, daß durch die EWG Diskriminierungen gegenüber Drittländern erfolgt seien.
    Ich habe soeben gesagt, daß Gott sei Dank keine Spaltung Europas erfolgt ist. Wir wissen aber, daß es ernster Bemühungen bedarf, um eine Harmonisierung, eine gleichausgerichtete Handelspolitik herbeizuführen. Entgegen Ihrer Auffassung, Herr Kollege Metzger, bin ich der Meinung, daß in der Sitzung des Ministerrats der EWG am 12. Mai ganz klare Entscheidungen hinsichtlich der zeitlichen Beschleunigung getroffen werden müssen, da sonst in den Verhandlungen mit der EFTA die EWG überhaupt nicht ernstgenommen wird. — Herr Kollege Metzger, Sie lächeln.

    (Abg. Metzger: Sie haben mich überhaupt nicht verstanden!)

    Ich darf Sie an den Ausgang der letzten Handelsausschußsitzung in Paris erinnern. Da wurde von der EFTA den Vertretern der EWG entgegengehalten: „Was wollt ihr mit zeitlicher Beschleunigung, ihr habt ja noch nicht einmal einen Ministerratsbeschluß!" Wir müssen von unserer Regierung fordern, daß sie ihre Vertreter beim Ministerrat der EWG anweist, sich mit aller Entschiedenheit dafür einzusetzen, daß in der kommenden Sitzung klare Beschlüsse gefaßt werden, die der EWG-Kommission und dem Ministerrat die Möglichkeit geben, sich in den Verhandlungen mit den EFTA-Ländern auf klare Beschlüsse zu berufen.
    Ich begrüße das Hinausschieben des Beginns der zeitlichen Beschleunigung zum 1. Januar 1961, weil, wie ich wenigstens hoffe, dann ausreichend Zeit bleibt, um mit den EFTA-Ländern auf dem Wege über eine Interimslösung zu einer Verständigung zu kommen, zu einer Assoziierung handelspolitischer Art; ob das jetzt in Form der Freihandelszone oder in einer anderen Form ist, wird sicher auch Ihnen gleichgültig sein. Daneben muß eine Annäherung der Außenzölle erfolgen, die auch für die Zukunft eine harmonische Handelspolitik garantiert. Daneben möchte ich, daß den übrigen Drittländern gegenüber eine vernünftige Handelspolitik getrieben wird und daß auch nach dieser Seite hin keine Diskriminierung aufkommen kann.
    Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, die Verhandlungen mit der EFTA müssen von der EWG und auch von den Partnern — sicher auch auf nationaler Ebene — vielleicht da und dort geführt wer-



    Löhr
    den. Sie müssen im Grundsätzlichen geführt werden auf der Basis des Handelsausschusses der 21 Mitgliedsstaaten der reformierten OEEC. Ich möchte auch hier einen Blick auf die jüngste Entwicklung der atlantischen Lösung und der reformierten OEEC hinwenden. Nach meiner Meinung ist es ein Politikum allererster Bedeutung, daß sich nunmehr auch die Vereinigten Staaten zum zweiten Mal in den letzten Jahren -- diesmal nämlich handelspolitisch, wirtschaftspolitisch -- an Europa binden. Ich glaube, daß die große Bedeutung dieser nochmaligen Bindung für unsere gemeinsame europäische Politik noch gar nicht genug in den Vordergrund getreten ist.
    Vorhin ist gesagt worden, der Bundesregierung könne man nicht mehr zutrauen, daß sie mit der EFTA zu einem akzeptablen Agreement komme. Diese Bemerkung bedaure ich; denn der Bundeswirtschaftsminister hat mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, wie emsig die Bundesregierung in der Vergangenheit versucht hat, handelspolitisch zu einem Agreement zu kommen. Ich habe das Vertrauen zu unserer Bundesregierung, daß künftighin alles getan wird, um gemeinsam zu einer Harmonisierung der Handelspolitik mit der EFTA und den übrigen OEEC-Ländern zu kommen.
    Den Sprechern der Opposition, die da und dort immer wieder anklingen ließen, dem Ansehen der deutschen Bundesregierung sei dadurch Schaden zugefügt worden, daß gerade in dieser Problematik eine Meinungsdivergenz innerhalb der Bundesregierung sichtbar geworden sei, muß ich sagen, daß der Chef der Bundesregierung, unser Kanzler, diese Probleme von seinem Standort eben primär politisch sieht und danach urteilt und daß der Bundeswirtschaftsminister seiner Aufgabe entsprechend als verantwortlicher Ressortminister primär die wirtschaftspolitische Seite betrachtet. In einer Demokratie darf doch jeder Minister seiner Meinung Ausdruck verleihen, ohne daß sofort von Disharmonien oder Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Bundesregierung gesprochen werden kann. Meine Damen und Herren, wäre es anders, würde man — Herr Kollege Metzger, ich habe das schon öfters von Ihnen gehört — sofort sagen: Der Bundeskanzler und kein anderer von der Bundesregierung kann reden; er ist ein Diktator.
    Ich bin der Meinung, wenn in dieser Bundesregierung der Ressortminister freimütig seine Auffassung vertritt — der Bundeskanzler ist nach dem Grundgesetz für die Gesamtrichtlinien der Politik verantwortlich —, dann soll man diese Äußerung respektieren und sie nicht als eine Meinungsdivergenz des Kabinetts kritisieren.

    (Lachen und Zurufe von der SPD.)

    — Aber Herr Metzger, ich glaube das doch so klargemacht zu haben, daß es, wenn man nicht böswillig ist, auch so verstanden werden muß.
    Meine Damen und Herren, wir unterscheiden uns — nun komme ich zu der rechten Seite — von den Liberalen, die, wie aus der Begründung der Großen Anfrage durch meinen sehr geschätzten Herrn Kollegen Margulies heute deutlich sichtbar geworden
    ist, eben einen funktionellen Zusammenschluß für liberal und jede institutionelle Lösung für dirigistisch halten. Ich glaube, Herr Kollege Scheel, hierin liegt die grundsätzliche Bedeutung Ihrer — lassen Sie es mich einmal sagen — zeitlich begrenzten Aversion gegenüber der EWG. Meine Freunde und ich werden diesem Grundsatz nicht folgen.
    Wir erkennen die EWG hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Zwecksetzung an, betonen aber mit Nachdruck, daß der politische Zweck die entscheidende Station auf dem Wege zur freiheitlichen Einigung eines freien Europas ist. Unter diesem Gesichtspunkt möchten wir die Redner der Opposition und ihre Kollegen bitten, unsere Meinung zu respektieren. Wir stehen zur EWG, weil wir wissen, daß ohne die EWG die Freiheit Westeuropas verloren ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Oh-Rufe von der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Scheel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Scheel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    . Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, Herr Kollege Löhr, Sie haben den Sinn der Großen Anfrage der Oppositionsparteien nicht richtig verstanden.

    (Abg. Metzger: Sehr gut!)

    Denn eine der Oppositionsparteien hat für die EWG-Verträge gestimmt. Ich nehme nicht an, daß sie ihre Meinung geändert hat.
    Aber, Herr Kollege Löhr, bei Abschluß der Verträge hat dieses ganze Haus unter Zustimmung der Bundesregierung eindeutige Entschließungen gefaßt, in denen gesagt wurde, daß die EWG sich nur dann sinnvoll entwickeln könne, wenn außerdem eine multilaterale Assoziation auf größerer europäischer Ebene zustande komme.

    (Abg. Dr. Löhr: Das habe ich nicht bezweifelt!)

    Die Oppositionsparteien haben nun in der jüngeren Vergangenheit mehrfach Zweifel daran gehabt, daß die Bundesregierung oder, sagen wir, Teile der Bundesregierung und Teile der Majoritätspartei, noch zu diesen Grundsätzen stehen. Mit unserer Großen Anfrage wollten wir nichts anderes als einmal feststellen, wie es damit ist.
    Ich muß Ihnen freimütig gestehen, daß mich die heutige Diskussion in der Hinsicht nicht hat befriedigen können. Wiewohl ich zugestehe, daß die Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers zu den anstehenden Fragen von unserer Auffassung gar nicht so entfernt sind, muß ich sagen: Die Ausführungen beider Sprecher der Majoritätspartei haben sich sowohl in Inhalt als auch im Ton merklich von denen des Bundeswirtschaftsministers unter' schieden. Unser Verdacht ist auch heute nicht widerlegt worden. Aus diesem Grunde werden wir wie bisher in regelmäßigen Abständen über diese Frage politische Diskussionen führen müssen. Das ist gut so. Ich wiederhole noch einmal: Wir wollen wissen, woran wir sind.
    Herr Kollege Dr. Löhr, Sie haben gesagt, es sei nicht schlecht für die Bundesregierung, daß im Kabinett in diesen Fragen unterschiedliche oder di-



    Scheel
    vergierende Auffassungen vorhanden seien; das sei ein Zeichen für eine größere Spannweite.
    Das ist eine Verkennung unserer Verfassung; denn in unserer Verfassung ist das Prinzip enthalten, daß verantwortlich gegenüber dem Parlament und natürlich auch gegenüber der Öffentlichkeit die Bundesregierung als Kollektiv ist, vertreten durch ihren Chef. Es nützt also wenig, daß eine von der Bundesregierung einmal abgegebene Stellungnahme, mit welchen Motiven auch immer, von einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung im nachhinein wieder aufgeweicht wird. Das macht man an sich nur vor Wahlen, um unangenehme Entscheidungen ein wenig zu entkräften. Hier kommt es uns darauf an, daß die Bundesregierung als solche eine eindeutige Stellungnahme zu diesen Fragen abgibt. Das wollten wir durch unsere Große Anfrage erreichen.
    Da das ganze Problem aber von meinen Kollegen eingehend diskutiert worden ist, will ich nicht weiter auf die politische Seite eingehen. Ich möchte vielmehr zu einem anderen Aspekt des Problems noch etwas sagen. Vor einigen Wochen hatten wir hier im Zuge der Haushaltsberatungen die erste Diskussion über afrikanische Fragen. Damals hat der Herr Bundesaußenminister auf unsere Diskussionsbeiträge geantwortet. Das war, glaube ich, die erste Unterhaltung über afrikanische Fragen. Sie konnte nicht sehr präzise und sehr detailliert sein. Ich hatte mir vorgestellt, daß heute bei der Aussprache über die Große Anfrage der Sozialdemokratischen Partei zu den Fragen 5 und 6 vom Herrn Wirtschaftsminister genauere Antworten gegeben werden. In dieser Beziehung bin ich etwas enttäuscht worden; denn die Antworten, die die Bundesregierung zu den Fragen 5 und 6 gegeben hat, scheinen mir nicht ausreichend zu sein.
    Das erste Problem ist in der Frage 5 enthalten und betrifft die Assoziierung. Das Problem hat zunächst einen juristischen Charakter, aber es hat einen eminent politischen Hintergrund. Die vertragsrechtliche Seite ist aber im Augenblick für die Bundesregierung von einiger Bedeutung. Denn es geht darum, präzise das Verhältnis festzulegen, das die unabhängig werdenden Staaten in Afrika zur EWG einnehmen werden, ein Verhältnis, das bisher auch juristisch noch nicht präzisiert worden ist.
    Bei den Juristen bestehen unterschiedliche Auffassungen. Eine dieser Auffassungen — ich muß sagen: eine politisch sehr nützliche Auffassung — vertritt unser Kollege Metzger, der sagt — ich glaube, ich zitiere ihn richtig —, daß die nach dem Art. 131 geschehene Assoziierung der Länder und Hoheitsgebiete ihre Gültigkeit behält, auch wenn diese Länder und Hoheitsgebiete im Zuge der ihnen zugedachten Entwicklung selbständig werden, es sei denn, daß sie selber die Assoziierung nicht wünschen.
    Es gibt eine Gegenmeinung, zu der unter anderen der frühere Präsident des Europarates, Herr Dehousse, steht. Diese Gegenmeinung sagt, daß am Tage der Unabhängigkeit die Assoziierung erlischt, es sei denn, die Staaten wünschen ausdrücklich, sie beizubehalten.
    Es gibt eine vermittelnde juristische Äußerung, die in einem Gutachten enthalten ist, das die Studienabteilung des Europäischen Parlaments angefertigt hat. In diesem Gutachten heißt es:
    Der EWG-Vertrag besagt, daß die sechs Mitgliedstaaten die Assoziierungsbeziehungen auch dann fortsetzen wollen, wenn die assoziierten Länder und Gebiete ihre Unabhängigkeit erlangt haben. Die Aufrechterhaltung der Assoziierung hängt also vom Willen des selbständig gewordenen Staates ab.
    Wir brauchen hier gar nicht etwa als völkerrechtlicher Gerichtshof über diese Meinungen zu entscheiden. Auf jeden Fall ist eine Seite des Problems sehr wichtig, zu der sich die Bundesregierung bald, sei es hier oder im Ministerrat, äußern muß; das ist die Frage, ob ein selbständig gewordener Staat, wenn er die Assoziierung beizubehalten wünscht, in einem direkten Kontakt mit der EWG stehen kann und soll oder ob er in diesem Fall nur über einen der beiden Partnerstaaten Mitglied des gemeinsamen Marktes werden kann.

    (Abg. Metzger: Er steht ja jetzt schon in direktem Kontakt!)

    — Er steht jetzt schon in direktem Kontakt. Aber, Herr Kollege Metzger, ich erwähne das noch einmal und stelle die präzise Frage an die Bundesregierung: Sollen bei der Fortführung der Assoziierung mit einem dazu bereiten, jetzt unabhängigen afrikanischen Land die Beziehungen zu der EWG auch institutionell direkt hergestellt werden oder auf dem Umweg über einen Partnerstaat? Ich stelle diese Frage, weil die Meinungen darüber innerhalb der Organe der EWG offensichtlich nicht einheitlich sind. Die Bundesregierung muß zu diesem Problem in Kürze im Ministerrat Stellung nehmen. Es wäre gut, wenn wir hier einmal ihre Auffassung zu dieser Frage hören könnten.
    Der politische Gehalt des ganzen Problems ist ja jetzt schon gegeben. Es geht einfach darum, daß wir der Entwicklung in Afrika, die sich vor unseren Augen täglich abspielt, Rechnung tragen, anders ausgedrückt, daß wir das bisher einseitige Verhältnis, nämlich den den afrikanischen Ländern oktroyierten Vertrag, nunmehr zu einem bilateralen Verhältnis ausgestalten, daß wir die Afrikaner an diesen Assoziierungsverträgen auf der Ebene der Gleichberechtigung mitarbeiten lassen.
    Im Sommer vergangenen Jahres hat eine Delegation des Europäischen Parlaments einen Teil der assoziierten Länder besucht. Die Meinung dieser Delegation, in der drei politische Richtungen und sechs verschiedene Länder vertreten waren, war insofern einhellig, als sie mit dem Schluß zurückkam, daß die Beziehungen zwischen der EWG und den assoziierten Ländern auf jeden Fall auf ein zweiseitiges Verhältnis hin geändert werden müßten.
    Das ist der Grund gewesen, warum das Europäische Parlament — nun ebenfalls wieder einstimmig, d. h. alle politischen Richtungen und alle Nationalitäten — vor einiger Zeit eine Entschließung gefaßt hat, eine afrikanisch-europäische Parlamentarierkonferenz einzuberufen, und zwar auf der Basis



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    absoluter Gleichberechtigung. Darüber hinaus hat das Parlament an den Ministerrat und an die Kommission die Bitte gerichtet, man möge in Kürze auf Regierungsebene ebenfalls eine Konferenz mit den afrikanischen Staaten zustande bringen, um auch die politischen Fragen des EWG-Vertrages ganz allgemein, vor allem aber die Assoziierungsfragen, in der Zukunft unter Beteiligung der afrikanischen Partner diskutieren zu können. Ich möchte hier an die Bundesregierung die Bitte richten, sich nicht etwa abwartend zu verhalten, sondern initiativ zu werden. Gerade in dieser Frage haben wir, glaube ich, das Recht, initiativ zu sein, und die Bundesregierung wird, davon bin ich überzeugt, von diesem Recht sehr gern Gebrauch machen.
    In dem Zusammenhang wird es auch notwendig sein — ich habe vor einiger Zeit schon einmal darauf hingewiesen —, neben den Beziehungen zwischen den afrikanischen Ländern und der EWG auch jeweils zweiseitige Verbindungen zwischen den EWG-Partner-Staaten in Europa und den afrikanischen Ländern aufzubauen. Das bedeutet für die Bundesrepublik — und darüber sollten wir einmal die Meinung des Auswärtigen Amts hören — eine Verstärkung des diplomatischen Dienstes in Afrika. Bisher ist er so schwach besetzt, daß man die Bewältigung der Aufgaben, die ihm gestellt sind, in der Tat gar nicht von ihm erwarten kann. Diejenigen, die mit den afrikanischen und asiatischen Verhältnissen einigermaßen vertraut sind, vor allen Dingen mit den afrikanischen Verhältnissen gerade in den Gebieten, die noch nicht unabhängig sind, wissen, wie schwer dort die diplomatische Aufgabe ist. Es ist nun einmal, um ein Beispiel zu nehmen, viel schwieriger, Konsul in Niamey, in Bangui oder in Abidjan zu sein, als etwa Botschafter in Kopenhagen oder in Stockholm. Das sollte man bei der Besetzung berücksichtigen. Diplomatischen Dienst in einem Land zu verrichten, in dem es neben der Vertretung unseres EWG- Partners außerdem eine langsam selbständig werdende, halbsouveräne Regierung gibt, ist natürlich eine Aufgabe, der nur ein sehr befähigter und erfahrener Diplomat gewachsen sein wird.
    Nun hat heute der Herr Wirtschaftsminister gesagt, daß sich die Bemühungen der Bundesregierung auch in diesen Fragen natürlich im Rahmen der Verträge halten müßten. Ich stimme dem völlig zu. Selbstverständlich muß sich das alles streng im Rahmen der Verträge halten. Ich wiederhole noch einmal die Bemerkung meines Freundes Robert Margulies, daß meine Fraktion, auch wenn sie bis zur Ratifizierung der Verträge aus guten Gründen dagegen Stellung genommen hat, mit dem Tage des Abschlusses dieser Verträge sie zur Grundlage ihrer Politik gemacht hat. Das ist ganz selbstverständlich. Aber ich habe den Eindruck — verzeihen Sie mir die Bemerkung, Herr Bundeswirtschaftsminister —, daß die Bundesregierung in ihren Äußerungen zwar in schöner Übereinstimmung mit uns allen ist, daß aber ihre praktische Politik in der Vergangenheit dem vielfach widersprochen hat. Sie haben z. B. zum Punkt 5 der Großen Anfrage gesagt, daß diesem Wunsche die Verstärkung des Handelsverkehrs zwischen der Bundesrepublik und den überseeischen
    Ländern entspreche. Wenn ich an die Steuergesetzgebung in bezug auf Kaffee und Tee denke, muß ich sagen, daß die praktische Politik der Bundesregierung das Gegenteil von dem gewesen ist, was Sie uns hier platonisch erklärt haben. Auf diesen Punkt werden wir aber noch bei der Behandlung des Antrags auf Senkung der Kaffeesteuer eingehen.
    Es gibt aber auch — das sollten wir hier einmal berücksichtigen — Vorschläge von Partnerstaaten der EWG, die augenblicklich bestehende Vertragssituation zu erweitern; ich denke hier an die Vorschläge des belgischen Außenministers Wigny, die er im vorigen Oktober gemacht hat und die übrigens die Grundlage des ganzen Beschleunigungsplans der EWG-Kommission gewesen sind. Mir scheinen die Teile des Vorschlages von Herrn Wigny, die sich mit der Änderung des Verhältnisses zwischen den EWG-Staaten und den afrikanischen Ländern befassen, viel bedeutsamer zu sein. Er hat in der Tat einige sehr interessante und durchführbare Vorschläge gemacht, wie man ein zweiseitiges Verhältnis zu den afrikanischen Partnerstaaten herbeiführen kann. Ich erinnere an seinen Vorschlag, einen Assoziationsrat zu schaffen. Einen ähnlichen Vorschlag hat der frühere belgische Ministerpräsident, unser Kollege Duvieusart, der mit uns in Afrika war, gemacht, der — vielleicht gar nicht abwegig — davon sprach, daß man die Schaffung eines gemeinsamen Sekretariats der afrikanischen Länder begünstigen sollte, weil ein solches gemeinsames Sekretariat — es kann noch so klein sein — unter anderem die innerafrikanische Zusammenarbeit fördern würde, eine Zusammenarbeit, die, wie ich glaube, nur nützlich sein kann.
    Auf die Frage 6 hat die Bundesregierung meiner Auffassung nach nur sehr ausweichend geantwortet. Herr Minister, Sie haben die Frage 6 der SPD mit dem Hinweis beantwortet, daß die Bundesregierung durch ihre Entwicklungsförderungspolitik den Beweis erbringe, es zu keiner Diskriminierung kommen lassen zu wollen. Nun muß ich sagen, Enwicklungsförderungspolitik und das, was die Sozialdemokraten unter Diskriminierung durch den Assoziationsvertrag verstehen, sind zwei völlig verschiedene Dinge, denn die Diskriminierung durch den Assoziationsvertrag gewissen afrikanischen Ländern gegenüber entsteht ja dadurch, daß wir durch EWG und Assoziierungsvertrag ein Präferenzsystem geschaffen haben; das kann uns ja gar nicht entgangen sein.
    Wir haben natürlich mit vollem Bewußtsein ein Präferenzsystem geschaffen, und das wird auch in Afrika seine Wirkung haben. Ich will gar nicht verschweigen, daß es in Afrika schon vorher ein anderes Präferenzsystem gab, nämlich das Commonwealthsystem; insoweit haben wir moralisch eine nicht besonders schlechte Position. Wir müssen uns jedoch Gedanken darüber machen, daß die gleichen Schwierigkeiten handelspolitischer Art, die sich für uns in Europa zwischen der EWG und der EFTA ergeben, in Afrika gestellt sind, allerdings für einige afrikanische Länder viel gravierender als für manche europäischen EFTA-Partner. Wir müssen in der Bundesrepublik unsere Situation genau erken-



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    nen. Obgleich ich voll und ganz zur Assoziierung und Erfüllung des Vertrages in dieser Hinsicht stehe, muß ich doch abwägen, was die assoziierten Länder für uns bedeuten, die insgesamt wohl etwas über 50 Millionen Einwohner, eine gewisse Wirtschaftskraft und damit eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung für den Handel mit Deutschland haben. Ich muß daneben aber auch sehen, welche Bedeutung für uns z. B. Nigeria hat, ein Land, das in Kürze selbständig wird, das dem Commonwealth angehört und das sich ohne Zweifel durch den EWG-Vertrag diskriminiert fühlen muß.
    Das sind die Fragen, die durch die Große Anfrage der SPD aufgeworfen sind und zu denen wir, so glaube ich, hier von der Bundesregierung noch einige Erläuterungen erwarten können.
    Es würde der Bundesregierung gar nicht schlecht anstehen, Herr Minister, bei diesem letzten Problemkreis den Versuch der Vermittlung zu machen. Denn das ist ja keine Frage langfristiger Afrikapolitik — über die der Herr Bundesaußenminister vor einigen Wochen natürlich noch keine Auskunft geben konnte —, sondern hier ist sofortiges Handeln notwendig.
    Zwischen der EWG und dem CommonwealthGebiet ist eine Unterhaltung über die Auswirkungen der EWG-Verträge auf Afrika nötig. Eine solche Unterhaltung kann naturgemäß nur unter Hinzuziehung der Afrikaner geführt werden. Es ist auch nötig, sich über die Fragen gemeinsamer Produktionsplanungen in Afrika und die damit zusammenhängenden Probleme der Stabilisierung der Rohstoffpreise - Problemkreis Nr. 1 für die Zusammenarbeit zwischen Afrika und Europa zu unterhalten. Es wird ferner erforderlich sein, sich gemeinsam mit dem Commonwealth-Interessengebiet über etwaige Investitionsvorhaben in Afrika zu unterhalten.
    Daß eine solche Diskussion im Rahmen der sich abzeichnenden atlantischen Gemeinschaft geführt werden könnte, liegt auf der Hand, zumal wir die Amerikaner und Kanadier dabei haben. Ich möchte sagen, daß die multilaterale Form der Entwicklungsförderung für Afrika — eine Form übrigens, die auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums als die geeignete ansieht — geradezu ein Medium für idie europäische Zusammenarbeit über den EWG-Rahmen hinaus ist. An ihr könnte sich eine Art Zusammenarbeit über den EWG-Rahmen hinaus mit den Ländern der EFTA, vornehmlich aber mit England, wirklich entzünden. Diese Chance, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollten wir uns wahrlich nicht entgehen lassen.

    (Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)