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    Deutscher Bundestag 111. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1960 Inhalt: Nachruf auf die Abg. Dr. Gülich und Cillien Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 6183 A Abg. Dr. Tamblé tritt in den Bundestag ein 6183 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Höcker, Mensing, Pietscher und Demmelmeier 6183 D Nachrücken der Abg. Dr. Weber (Koblenz) und Dr. Dittrich als Wahlmänner nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . 6183 D Begrüßung des Präsidenten Fagerholm und weiterer Abgeordneter des finnischen Reichstags . . . . . . . . . . . 6190 D Eidesleistung des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . . 6215 D Fragestunde (Drucksache 1810) Frage des Abg. Ritzel: Kapitalanlagen im Ausland Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6184 C Frage des Abg. Dr. Kohut: Mangel an Narkosefachärzten in der Bundesrepublik Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6185 A Frage des Abg. Dr. Reinhard: Schutz des Verbrauchers vor mit Antibiotica behandeltem Importgeflügel Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6185 B Frage des Abg. Dr. Arndt: Amtliche Sammlung von Fehlurteilen im Strafprozeß Schäffer, Bundesminister . . . . 6185 D Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Beschluß des 5. Gewerkschaftsjugendtages der IG Bergbau betr. Kontakte mit der Bundeswehr Hopf, Staatssekretär . . . . . . 6185 D Fragen des Abg. Dr. Rutschke: Atomreaktor Karlsruhe Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . 6186 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Freihandelszone (Drucksache 1305) verbunden mit Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Freihandelszone (Drucksache 1464 [neu] ) Margulies (FDP) 6186 D, 6191 A, 6243 C Kalbitzer (SPD) . . . . . . . . 6193 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6197 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 6205 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Birkelbach (SPD) . . . . . . . 6211 B Dr. Starke (FDP) . . . . . . . 6215 D von Hassel, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . 6223 D Metzger (SPD) 6227 D Dr. Löhr (CDU/CSU) 6232 D Scheel (FDP) 6234 C Lücker (München) (CDU/CSU) . . 6237 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . 6244 D Brand (CDU/CSU) 6247 C Dr. Mommer (SPD) 6248 A Rösing (CDU/CSU) 6248 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1441) Erste Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Teesteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1442) — Erste Beratung — Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . . . 6248 C, 6253 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 6250 A Scheel (FDP) 6251 D Metzger (SPD) 6253 B Entwürf eines Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) (Drucksache 1799) — Erste Beratung — Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6254 A Frau Niggemeyer (CDU/CSU) . . . 6256 D Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . . 6259 C Dr. Rutschke (FDP) 6261 B Entschließungsantrag zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 14 (FPD); Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1784, Umdruck 281) . . . 6262 B Sammelübersicht 19 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 1801) . . . . . 6262 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Süßstoffgesetzes (Drucksache 1146) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1752) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . 6262 C Entwurf eines Gesetzes über die Finanzstatistik (Drucksache 1367) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1789) — Zweite und dritte Beratung — 6262 D Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (CDU/CSU, DP) (Drucksache 1693) — Erste Beratung — 6262 D Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfrist (SPD) (Drucksache 1738) — Erste Beratung — 6263 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Antrag auf Normenkontrolle bei dem Bundesverfassungsgericht wegen des Sammlungsgesetzes (Drucksache 1697) 6263 A Antrag betr. Beihilfe zur Beschaffung von Hausrat an Deutsche aus der Sowjetzone, die nicht die Voraussetzungen des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes erfüllen (SPD) (Drucksache 1698) 6263 B Antrag betr. Abkommen über die einheitliche Auslegung der europäischen Verträge (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksache 1731) . . . 6263 B Antrag betr. Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksache 1732) 6263 C Antrag betr. Schiffbarmachung des Hochrheins (Abg. Hilbert, Dr. Furler u. Gen.) (Drucksache 1786) 6263 C Entwurf einer Zolltarif-Verordnung (Deutscher Zolltarif 1960); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1797, 1815) . . . . . . 6263 C Entwurf einer Verordnung Nr. . . . zur Durchführung einer Erhebung über die Löhne; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksachen 1809, 1818) 6263 D Nächste Sitzung 6263 D Anlagen 6265 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 6183 111. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.05 Uhr.
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bauereisen 5. 5. Dr. Becker (Hersfeld) 31. 5. Blachstein 20. 5. Frau Brauksiepe 4. 5. Brüns 2. 7. Dr. Bucerius 15. 5. Bühler 4. 5. Cramer 4. 5. Frehsee 7. 5. Dr. Friedensburg 6. 5. Funk 7. 5. Dr. Furler 6. 5. Gaßmann 6. 5. Geiger (München) 6. 5. Frau Geisendörfer 6. 5. Gerns 6. 5. Dr. Görgen 20. 5. Dr. Gossel 6. 5. Häussler 4. 5. Dr. Heck (Rottweil) 6. 5. Heye 4. 5. Dr. Hoven 6. 5. Jacobs 7. 5. Keller 4. 5. Frau Kipp-Kaule 4. 5. Frau Klemmert 15. 5. Knobloch 6. 5. Köhler 6. 5. Kraft 9. 5. Krammig 4. 5. Dr. Leiske 6. 5. Müller (Worms) 7. 5. Frau Dr. Pannhoff 7. 5. Paul 6. 5. Dr. Preusker 6. 5. Pütz 4. 5. Ramms 6. 5. Rasch 20. 5. Dr. Ratzel 6. 5. Dr. Ripken 15. 5. Frau Schanzenbach 6. 5. Scharnberg 7. 5. Scheel 6. 5. Dr. Schild 4. 5. Schmücker 6. 5. Dr.-Ing. Seebohm 9. 5. Seidl (Dorfen) 6. 5. Solke 6. 5. Stahl 15. 5. Sühler 7. 5. Wehner 4. 5. Welslau 7. 5. b) Urlaubsanträge Dr. Dittrich 31. 5. Dopatka 21. 5. Erler 21. 5. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Greve 21. 5. Holla 20. 5. Hufnagel 13. 5. Jahn (Frankfurt) 2. 7. Jaksch 20. 5. Katzer 18. 6. Maier (Freiburg) 2. 7. Probst (Freiburg) 10. 5. Rasner 28. 5. Frau Dr. Rehling 12. 5. Sander 2. 7. Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn a. Rh., d. 8. April 1960 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 217. Sitzung am 8. April 1960 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 16. März 1960 verabschiedeten Gesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß Artikel 105 Abs. 3 und 135 Abs. 5 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat begrüßt die Absicht, die Erträge der „Stiftung Volkswagenwerk" zur Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre zu verwenden. Er geht bei Erteilung seiner Zustimmung davon aus, daß die nach Anwendung des § 4 Buchst. b) des Vertrages verbleibenden Erträge den Ländern zufließen. Dabei erwartet der Bundesrat, daß im Rahmen der allgemeinen Zweckbestimmung des § 3 Abs. 1 des Vertrages die Länder frei über die Verwendung dieser Mittel entscheiden können und daß mit ihrer Zuweisung keine Auflagen verbunden werden, die die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder beeinträchtigen könnten. Dr. Röder Bonn, den 8. April 1960 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 18. März 1960 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Röder 6266 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Anlage 3 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Jahn (Marburg) betreffend Verwendung von Fahrkarten der Bundesbahn mit Symbolen des NS-Regimes (Fragestunde der 111. Sitzung vom 4. 5. 1960, Drucksache 1810). Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, die Deutsche Bundesbahn darüber aufzuklären, daß die Verwendung von Fahrkarten mit eingeprägten Symbolen des NS-Regimes im Jahre 1960 mehr ist als eine unverantwortliche Schlamperei? Ist er bereit, darauf hinzuwirken, daß sämtliche, noch im Verkehr befindlichen Fahrkarten dieser Art unverzüglich vernichtet werden? Ich bin mit Ihnen, Herr Abgeordneter, und der Deutschen Bundesbahn darin einig, daß die einem Reisebüro unterlaufene Panne nicht hätte passieren dürfen. Es ist veranlaßt, daß sämtliche etwa noch vorhandenen Fahrkartenbestände dieser Art unverzüglich vernichtet werden. Seiermann Anlage 4 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg betreffend Errichtung eines Zementschuppens an der Autobahn bei Nikolassee (Fragestunde der 111. Sitzung vom 4. 5. 1960 Drucksache 1810). Weshalb hat die Bundesautobahn-Verwaltung bei der Errichtung eines kahlen Zementschuppens an der Einfahrt der Autobahn nach Berlin bei Nikolassee alle Regeln einer ansprechenden Architekturgestaltung und alle Regeln des Landschaftsschutzes außer acht gelassen? Weshalb hat sie das Vorbild eines daneben liegenden Gebäudes übersehen, das von der früheren Reichsautobahn-Verwaltung errichtet worden ist und das dem besonders repräsentativen Landschaftscharakter des betreffenden Standortes Rechnung trägt? Was gedenkt die Bundesautobahn-Verwaltung zu tun, um den angerichteten Schaden, der in der schönen Jahreszeit täglich für Zehntausende von naturliebenden Berlinern ein Ärgernis bieten muß, zu beseitigen oder wenigstens zu mildern? Bei dem beanstandeten Gebäude handelt es sich um eine Halle zur Aufnahme von Streugut für den Winterdienst auf der Bundesautobahn Avus, die in freitragender Binderkonstruktion aus Stahlbeton mit äußeren Sichtbetonflächen hergestellt worden ist. Die Wahl des Bauplatzes auf einem an der Bundesautobahn gelegenen Grundstück der Bundesautobahnverwaltung war zweckmäßig, weil das Gebäude den Bedürfnissen des Betriebes und der Unterhaltung der Autobahn dienen soll. Das auf dem Grundstück befindliche, vor 25 Jahren von der Reichsautobahnverwaltung errichtete Wohnhaus konnte nicht Vorbild für die Gestaltung sein, weil sich die Bauformen eines kleinen Wohnhauses nicht auf eine große stützenfreie Halle übertragen lassen. Bei der Gestaltung der Halle ist wegen ihrer Lage im Blickpunkt der Autobahnbenutzer versucht worden, eine ansprechende architektonische Gestaltung zu finden. Die Gebäudeformen sind Ausdruck der Konstruktion und entsprechen in ihrer Einfachheit der Zweckbestimmung des Gebäudes. Auch sind Klagen von anderer Seite bisher nicht bekanntgeworden. Ich darf aber bemerken, daß die Arbeiten an den Außenanlagen noch nicht abgeschlossen sind und sich deshalb dem Betrachter noch kein endgültiges und vollständiges Bild bietet. Wenn die Böschung zur Autobahn, wie vorgesehen, vollständig angelegt, befestigt und mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt ist, wird — so hoffe ich — erkennbar sein, daß auch dieses Gebäude in die Natur einwachsen und ein Bestandteil der Landschaft werden wird. Seiermann Anlage 5 Umdruck 576 Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Freihandelszone (Drucksache. 1305). Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag stellt mit Bedauern fest, daß die Bemühungen um eine europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit seit Inkrafttreten des EWG-Vertrages zu einer Spaltung Europas geführt haben, daß der Beschluß der OEEC vom 13. Februar 1957 und der Beschluß des Bundestages vom 2. Oktober 1958 bisher nicht verwirklicht worden sind, daß die Fristverkürzungsvorschläge und die Vorschläge für eine gemeinsame Agrarpolitik die Tendenz der EWG zur Abspaltung von den anderen OEEC-Staaten sichtbar machen. Er ersucht die Bundesregierung, alles zu tun, um 1. die in der OEEC erzielten Fortschritte und gefaßten Beschlüsse in ihrem Bestande zu sichern. 2. gemäß Absprache des Herrn Bundeskanzlers mit dem französischen Staatschef nunmehr vor allem anderen die Verwirklichung des Beschlusses der OEEC vom 13. Februar 1957 durchzusetzen und eine Freihandelszone in Europa einzurichten, die auf multilateraler Basis den gemeinsamen Markt der Sechs und die anderen Mitgliedsländer vereinigt. Bonn, den 4. Mai 1960 Margulies Dr. Starke Lenz (Trossingen) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ludwig Metzger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege, ich glaube, wir
    sind uns darüber im klaren: daß diese Verhandlungen gescheitert sind, liegt nicht nur an einer Seite, das liegt an zwei Seiten. Ich habe soeben mit vollem Bewußtsein vorgelesen, welche Meinung die Kommission nach dem Scheitern dieser — ich sage ausdrücklich: ersten — Verhandlungen eingenommen hat, die Meinung nämlich, daß man weiter verhandeln müsse, daß man eine europäische Wirtschaftsassoziation schaffen müsse, daß man multilaterale Verhandlungen führen und multilaterale Abmachungen schließen müsse und daß es darüber keinen Zweifel geben könne. Das steht in dem Memorandum drin; das können Sie nachlesen. Es geht nicht um die Frage: wer gibt dem anderen das erste Wort?, sondern darum, daß man hier wirklich einmal ernsthaft beginnt. Von beiden Seiten sind immerhin Erklärungen des guten Willens gegeben worden. Ich habe Ihnen gerade auch die Erklärungen verlesen, die bei der Feier anläßlich der Paraphierung des EFTA-Vertrages gegeben worden sind. Wir können doch daran nicht vorbeigehen. Ich glaube, daß Ihre Frage schon beantwortet ist, wenn Sie einfach das berücksichtigen, was an Erklärungen abgegeben worden ist.
    Es gibt genügend Möglichkeiten. Man kann im Kontaktausschuß darüber reden, man kann vor allen Dingen auch in dem Gremium reden, das im Anschluß an die Verhandlungen vom Januar dieses Jahres gebildet worden ist. Hier ist der Boden, wo man miteinander reden muß. Wenn wir darauf warten, daß der andere den ersten Schritt tut, tun wir doch genau das, was man in der Politik nicht tun darf. Man muß sich vielmehr zusammensetzen und miteinander reden.
    Es ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß Herr Hallstein gesagt hat: Die Lösung dieser Frage ist möglich, wenn man sie politisch will. — Und das ist die Frage: Wollen wir sie politisch? Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat uns erklärt, daß wir sie politisch wollen. Auch wir wollen sie, ich glaube, auch Sie wollen sie. Wenn man sie aber will, muß man auch entsprechend handeln; dann darf man nicht nur reden, dann muß man auch etwas tun.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Löhr.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Löhr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle der Aussprache mit Genugtuung sagen, daß wir, was ihren bisherigen Ablauf angeht, doch einen gewissen Gleichklang und ein gemeinsames Wollen feststellen können. Wir alle fragen uns: wie können wir verhindern, daß es zu einem handelspolitischen Auseinanderrücken des freien Europas kommt?
    Ich sehe mich aber doch veranlaßt, im Hinblick auf die verschiedenen, ich möchte sagen, zum Teil abfälligen Urteile über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ein ganz klares Wort zu sagen. Ich möchte an das anknüpfen, was Herr Starke gesagt hat. Herr Kollege Starke, die EWG ist nicht nur eine Frucht wirtschaftlicher Expansion, sie ist für uns mehr. Sie ist für uns die Frucht eines gemeinschaftlichen politischen Wollens der Sechs — zunächst der Sechs — auf dem Wege, die politische Einigung Europas zu erreichen. Unsere Überzeugung ist, daß die EWG nicht nur einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, sondern daß sie eine Station auf dem Wege zur politischen Einigung Europas ist. Sie ist kein Kleineuropa, wie heute angedeutet wurde. Sie ist auch kein Block, sondern — lassen Sie mich die Formulierung Edgar Salins, des sicher von allen hier Anwesenden verehrten Nationalökonomen in Basel, gebrauchen — die EWG ist ein „Kerneuropa", offen für alle europäischen Staaten, die mit den Sechs eine freiheitliche politische Ge-



    Löhr
    meinschaft anstreben. So ist für uns die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ein Eckpfeiler unserer Bündnispolitik mit dem Westen.
    Heute wurde gesagt, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft sei eine Sabotage an der Idee der Einigung Europas: das muß ich entschieden zurückweisen.

    (Abg. Metzger: Ist gar nicht gesagt worden!)

    Wenn die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft scheitern sollte, sehe ich keine Möglichkeit mehr, zu einer freiheitlich orientierten Einigung des freien Europas zu kommen. Die Mitglieder der EWG sagen nicht nur, daß sie eine europäische politische Gemeinschaft wollen, sie handeln auch danach. Ich möchte nur daran erinnern, daß sämtliche EWG-Mitglieder auf Teile ihrer Souveränitätsrechte zugunsten der EWG verzichtet haben.
    Verschiedentlich wurde angedeutet, daß doch die OEEC ein brauchbarer Ersatz für die EWG sein könne. Ich muß auch dies mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Die EWG ist mehr als eine Wirtschaftsunion. Um das einigen der geschätzten Vorredner klarzumachen, möchte ich sagen: innerhalb der Wirtschaftsunion ist die Zollunion nur ein kleines Teilchen.
    Weiter wurde gesagt, die Bundesrepublik sei innerhalb der EWG ein Anhängsel an andere Partner. Ich muß auch das zurückweisen. In der EWG sind alle Partner gleichberechtigt. Es wird kein einziger Anlaß festzustellen sein, die Bundesrepublik als ein Anhängsel anderer Mächte zu deklassieren.
    Es ist weiter der Bundesrepublik ein HegemonieDenken innerhalb der EWG vorgeworfen worden. Ich glaube, daß auch dies völlig illusionär ist. Meine Damen und Herren, Hegemonie-Denken haben wir Deutsche einmal wirklich sauer bezahlen müssen.

    (Abg. Metzger: Sehr richtig!)

    Es wird wohl in dieser Generation und in den nächsten Generationen keinen denkenden Menschen in der Bundesrepublik geben, der eine Hegemonie Deutschlands in Westeuropa herbeizuführen wünscht oder nur davon spricht.

    (Abg. Metzger: Das haben Sie gar nicht verstanden; es dreht sich nicht um Deutschland!)

    — Verzeihen Sie, auch das ist gesagt worden. Ich werde Ihnen aber gleich gerecht, Herr Kollege Metzger. Ich bin auch nicht der Meinung, daß ein Partner eine Hegemonie innerhalb der EWG oder gar in Westeuropa anstrebt. Meine Damen und Herren, die Früchte eines derartigen Denkens sind allen freien Ländern Europas in guter Erinnerung. Ich glaube, daß ein solches Denken ein für allemal der Vergangenheit angehört.

    (Abg. Metzger: Hoffentlich!)

    Ich bin als Wirtschaftspolitiker der Meinung, daß man die Folgen des Zusammenschlusses zur EFTA bei uns dramatisiert. Man spricht davon, daß eine Spaltung Europas eingetreten sei, daß da und dort
    Diskriminierungen erfolgt seien, kurzum, vulgär gesagt, daß das Kind schon in den Brunnen gefallen sei. Ich muß sagen, daß von einer Spaltung Europas überhaupt keine Rede sein kann. Auch eine wirtschaftliche Diskriminierung ist nicht praktiziert worden Die von den römischen Verträgen vorgesehene erste 10%ige Zollsenkung aller Binnentarife der sechs in der EWG zusammengeschlossenen Länder ist am 1. Januar 1959 GATT-weit angewandt worden. Am 1. Juli 1960 wird die zweite vertraglich fixierte 10%ige Zollsenkung wirksam werden. Ob auch diese GATT-weit Anwendung finden wird, hat der Ministerrat zu entscheiden. Meines Wissens ist eine Entscheidung noch nicht getroffen. Man kann keinesfalls sagen, daß durch die EWG Diskriminierungen gegenüber Drittländern erfolgt seien.
    Ich habe soeben gesagt, daß Gott sei Dank keine Spaltung Europas erfolgt ist. Wir wissen aber, daß es ernster Bemühungen bedarf, um eine Harmonisierung, eine gleichausgerichtete Handelspolitik herbeizuführen. Entgegen Ihrer Auffassung, Herr Kollege Metzger, bin ich der Meinung, daß in der Sitzung des Ministerrats der EWG am 12. Mai ganz klare Entscheidungen hinsichtlich der zeitlichen Beschleunigung getroffen werden müssen, da sonst in den Verhandlungen mit der EFTA die EWG überhaupt nicht ernstgenommen wird. — Herr Kollege Metzger, Sie lächeln.

    (Abg. Metzger: Sie haben mich überhaupt nicht verstanden!)

    Ich darf Sie an den Ausgang der letzten Handelsausschußsitzung in Paris erinnern. Da wurde von der EFTA den Vertretern der EWG entgegengehalten: „Was wollt ihr mit zeitlicher Beschleunigung, ihr habt ja noch nicht einmal einen Ministerratsbeschluß!" Wir müssen von unserer Regierung fordern, daß sie ihre Vertreter beim Ministerrat der EWG anweist, sich mit aller Entschiedenheit dafür einzusetzen, daß in der kommenden Sitzung klare Beschlüsse gefaßt werden, die der EWG-Kommission und dem Ministerrat die Möglichkeit geben, sich in den Verhandlungen mit den EFTA-Ländern auf klare Beschlüsse zu berufen.
    Ich begrüße das Hinausschieben des Beginns der zeitlichen Beschleunigung zum 1. Januar 1961, weil, wie ich wenigstens hoffe, dann ausreichend Zeit bleibt, um mit den EFTA-Ländern auf dem Wege über eine Interimslösung zu einer Verständigung zu kommen, zu einer Assoziierung handelspolitischer Art; ob das jetzt in Form der Freihandelszone oder in einer anderen Form ist, wird sicher auch Ihnen gleichgültig sein. Daneben muß eine Annäherung der Außenzölle erfolgen, die auch für die Zukunft eine harmonische Handelspolitik garantiert. Daneben möchte ich, daß den übrigen Drittländern gegenüber eine vernünftige Handelspolitik getrieben wird und daß auch nach dieser Seite hin keine Diskriminierung aufkommen kann.
    Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, die Verhandlungen mit der EFTA müssen von der EWG und auch von den Partnern — sicher auch auf nationaler Ebene — vielleicht da und dort geführt wer-



    Löhr
    den. Sie müssen im Grundsätzlichen geführt werden auf der Basis des Handelsausschusses der 21 Mitgliedsstaaten der reformierten OEEC. Ich möchte auch hier einen Blick auf die jüngste Entwicklung der atlantischen Lösung und der reformierten OEEC hinwenden. Nach meiner Meinung ist es ein Politikum allererster Bedeutung, daß sich nunmehr auch die Vereinigten Staaten zum zweiten Mal in den letzten Jahren -- diesmal nämlich handelspolitisch, wirtschaftspolitisch -- an Europa binden. Ich glaube, daß die große Bedeutung dieser nochmaligen Bindung für unsere gemeinsame europäische Politik noch gar nicht genug in den Vordergrund getreten ist.
    Vorhin ist gesagt worden, der Bundesregierung könne man nicht mehr zutrauen, daß sie mit der EFTA zu einem akzeptablen Agreement komme. Diese Bemerkung bedaure ich; denn der Bundeswirtschaftsminister hat mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, wie emsig die Bundesregierung in der Vergangenheit versucht hat, handelspolitisch zu einem Agreement zu kommen. Ich habe das Vertrauen zu unserer Bundesregierung, daß künftighin alles getan wird, um gemeinsam zu einer Harmonisierung der Handelspolitik mit der EFTA und den übrigen OEEC-Ländern zu kommen.
    Den Sprechern der Opposition, die da und dort immer wieder anklingen ließen, dem Ansehen der deutschen Bundesregierung sei dadurch Schaden zugefügt worden, daß gerade in dieser Problematik eine Meinungsdivergenz innerhalb der Bundesregierung sichtbar geworden sei, muß ich sagen, daß der Chef der Bundesregierung, unser Kanzler, diese Probleme von seinem Standort eben primär politisch sieht und danach urteilt und daß der Bundeswirtschaftsminister seiner Aufgabe entsprechend als verantwortlicher Ressortminister primär die wirtschaftspolitische Seite betrachtet. In einer Demokratie darf doch jeder Minister seiner Meinung Ausdruck verleihen, ohne daß sofort von Disharmonien oder Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Bundesregierung gesprochen werden kann. Meine Damen und Herren, wäre es anders, würde man — Herr Kollege Metzger, ich habe das schon öfters von Ihnen gehört — sofort sagen: Der Bundeskanzler und kein anderer von der Bundesregierung kann reden; er ist ein Diktator.
    Ich bin der Meinung, wenn in dieser Bundesregierung der Ressortminister freimütig seine Auffassung vertritt — der Bundeskanzler ist nach dem Grundgesetz für die Gesamtrichtlinien der Politik verantwortlich —, dann soll man diese Äußerung respektieren und sie nicht als eine Meinungsdivergenz des Kabinetts kritisieren.

    (Lachen und Zurufe von der SPD.)

    — Aber Herr Metzger, ich glaube das doch so klargemacht zu haben, daß es, wenn man nicht böswillig ist, auch so verstanden werden muß.
    Meine Damen und Herren, wir unterscheiden uns — nun komme ich zu der rechten Seite — von den Liberalen, die, wie aus der Begründung der Großen Anfrage durch meinen sehr geschätzten Herrn Kollegen Margulies heute deutlich sichtbar geworden
    ist, eben einen funktionellen Zusammenschluß für liberal und jede institutionelle Lösung für dirigistisch halten. Ich glaube, Herr Kollege Scheel, hierin liegt die grundsätzliche Bedeutung Ihrer — lassen Sie es mich einmal sagen — zeitlich begrenzten Aversion gegenüber der EWG. Meine Freunde und ich werden diesem Grundsatz nicht folgen.
    Wir erkennen die EWG hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Zwecksetzung an, betonen aber mit Nachdruck, daß der politische Zweck die entscheidende Station auf dem Wege zur freiheitlichen Einigung eines freien Europas ist. Unter diesem Gesichtspunkt möchten wir die Redner der Opposition und ihre Kollegen bitten, unsere Meinung zu respektieren. Wir stehen zur EWG, weil wir wissen, daß ohne die EWG die Freiheit Westeuropas verloren ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Oh-Rufe von der SPD.)