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ID0311102300

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    Deutscher Bundestag 111. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1960 Inhalt: Nachruf auf die Abg. Dr. Gülich und Cillien Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 6183 A Abg. Dr. Tamblé tritt in den Bundestag ein 6183 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Höcker, Mensing, Pietscher und Demmelmeier 6183 D Nachrücken der Abg. Dr. Weber (Koblenz) und Dr. Dittrich als Wahlmänner nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . 6183 D Begrüßung des Präsidenten Fagerholm und weiterer Abgeordneter des finnischen Reichstags . . . . . . . . . . . 6190 D Eidesleistung des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . . 6215 D Fragestunde (Drucksache 1810) Frage des Abg. Ritzel: Kapitalanlagen im Ausland Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6184 C Frage des Abg. Dr. Kohut: Mangel an Narkosefachärzten in der Bundesrepublik Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6185 A Frage des Abg. Dr. Reinhard: Schutz des Verbrauchers vor mit Antibiotica behandeltem Importgeflügel Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6185 B Frage des Abg. Dr. Arndt: Amtliche Sammlung von Fehlurteilen im Strafprozeß Schäffer, Bundesminister . . . . 6185 D Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Beschluß des 5. Gewerkschaftsjugendtages der IG Bergbau betr. Kontakte mit der Bundeswehr Hopf, Staatssekretär . . . . . . 6185 D Fragen des Abg. Dr. Rutschke: Atomreaktor Karlsruhe Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . 6186 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Freihandelszone (Drucksache 1305) verbunden mit Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Freihandelszone (Drucksache 1464 [neu] ) Margulies (FDP) 6186 D, 6191 A, 6243 C Kalbitzer (SPD) . . . . . . . . 6193 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6197 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 6205 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Birkelbach (SPD) . . . . . . . 6211 B Dr. Starke (FDP) . . . . . . . 6215 D von Hassel, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . 6223 D Metzger (SPD) 6227 D Dr. Löhr (CDU/CSU) 6232 D Scheel (FDP) 6234 C Lücker (München) (CDU/CSU) . . 6237 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . 6244 D Brand (CDU/CSU) 6247 C Dr. Mommer (SPD) 6248 A Rösing (CDU/CSU) 6248 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1441) Erste Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Teesteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1442) — Erste Beratung — Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . . . 6248 C, 6253 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 6250 A Scheel (FDP) 6251 D Metzger (SPD) 6253 B Entwürf eines Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) (Drucksache 1799) — Erste Beratung — Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6254 A Frau Niggemeyer (CDU/CSU) . . . 6256 D Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . . 6259 C Dr. Rutschke (FDP) 6261 B Entschließungsantrag zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 14 (FPD); Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1784, Umdruck 281) . . . 6262 B Sammelübersicht 19 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 1801) . . . . . 6262 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Süßstoffgesetzes (Drucksache 1146) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1752) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . 6262 C Entwurf eines Gesetzes über die Finanzstatistik (Drucksache 1367) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1789) — Zweite und dritte Beratung — 6262 D Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (CDU/CSU, DP) (Drucksache 1693) — Erste Beratung — 6262 D Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfrist (SPD) (Drucksache 1738) — Erste Beratung — 6263 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Antrag auf Normenkontrolle bei dem Bundesverfassungsgericht wegen des Sammlungsgesetzes (Drucksache 1697) 6263 A Antrag betr. Beihilfe zur Beschaffung von Hausrat an Deutsche aus der Sowjetzone, die nicht die Voraussetzungen des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes erfüllen (SPD) (Drucksache 1698) 6263 B Antrag betr. Abkommen über die einheitliche Auslegung der europäischen Verträge (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksache 1731) . . . 6263 B Antrag betr. Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksache 1732) 6263 C Antrag betr. Schiffbarmachung des Hochrheins (Abg. Hilbert, Dr. Furler u. Gen.) (Drucksache 1786) 6263 C Entwurf einer Zolltarif-Verordnung (Deutscher Zolltarif 1960); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1797, 1815) . . . . . . 6263 C Entwurf einer Verordnung Nr. . . . zur Durchführung einer Erhebung über die Löhne; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksachen 1809, 1818) 6263 D Nächste Sitzung 6263 D Anlagen 6265 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 6183 111. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.05 Uhr.
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bauereisen 5. 5. Dr. Becker (Hersfeld) 31. 5. Blachstein 20. 5. Frau Brauksiepe 4. 5. Brüns 2. 7. Dr. Bucerius 15. 5. Bühler 4. 5. Cramer 4. 5. Frehsee 7. 5. Dr. Friedensburg 6. 5. Funk 7. 5. Dr. Furler 6. 5. Gaßmann 6. 5. Geiger (München) 6. 5. Frau Geisendörfer 6. 5. Gerns 6. 5. Dr. Görgen 20. 5. Dr. Gossel 6. 5. Häussler 4. 5. Dr. Heck (Rottweil) 6. 5. Heye 4. 5. Dr. Hoven 6. 5. Jacobs 7. 5. Keller 4. 5. Frau Kipp-Kaule 4. 5. Frau Klemmert 15. 5. Knobloch 6. 5. Köhler 6. 5. Kraft 9. 5. Krammig 4. 5. Dr. Leiske 6. 5. Müller (Worms) 7. 5. Frau Dr. Pannhoff 7. 5. Paul 6. 5. Dr. Preusker 6. 5. Pütz 4. 5. Ramms 6. 5. Rasch 20. 5. Dr. Ratzel 6. 5. Dr. Ripken 15. 5. Frau Schanzenbach 6. 5. Scharnberg 7. 5. Scheel 6. 5. Dr. Schild 4. 5. Schmücker 6. 5. Dr.-Ing. Seebohm 9. 5. Seidl (Dorfen) 6. 5. Solke 6. 5. Stahl 15. 5. Sühler 7. 5. Wehner 4. 5. Welslau 7. 5. b) Urlaubsanträge Dr. Dittrich 31. 5. Dopatka 21. 5. Erler 21. 5. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Greve 21. 5. Holla 20. 5. Hufnagel 13. 5. Jahn (Frankfurt) 2. 7. Jaksch 20. 5. Katzer 18. 6. Maier (Freiburg) 2. 7. Probst (Freiburg) 10. 5. Rasner 28. 5. Frau Dr. Rehling 12. 5. Sander 2. 7. Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn a. Rh., d. 8. April 1960 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 217. Sitzung am 8. April 1960 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 16. März 1960 verabschiedeten Gesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß Artikel 105 Abs. 3 und 135 Abs. 5 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat begrüßt die Absicht, die Erträge der „Stiftung Volkswagenwerk" zur Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre zu verwenden. Er geht bei Erteilung seiner Zustimmung davon aus, daß die nach Anwendung des § 4 Buchst. b) des Vertrages verbleibenden Erträge den Ländern zufließen. Dabei erwartet der Bundesrat, daß im Rahmen der allgemeinen Zweckbestimmung des § 3 Abs. 1 des Vertrages die Länder frei über die Verwendung dieser Mittel entscheiden können und daß mit ihrer Zuweisung keine Auflagen verbunden werden, die die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder beeinträchtigen könnten. Dr. Röder Bonn, den 8. April 1960 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 18. März 1960 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Röder 6266 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Anlage 3 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Jahn (Marburg) betreffend Verwendung von Fahrkarten der Bundesbahn mit Symbolen des NS-Regimes (Fragestunde der 111. Sitzung vom 4. 5. 1960, Drucksache 1810). Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, die Deutsche Bundesbahn darüber aufzuklären, daß die Verwendung von Fahrkarten mit eingeprägten Symbolen des NS-Regimes im Jahre 1960 mehr ist als eine unverantwortliche Schlamperei? Ist er bereit, darauf hinzuwirken, daß sämtliche, noch im Verkehr befindlichen Fahrkarten dieser Art unverzüglich vernichtet werden? Ich bin mit Ihnen, Herr Abgeordneter, und der Deutschen Bundesbahn darin einig, daß die einem Reisebüro unterlaufene Panne nicht hätte passieren dürfen. Es ist veranlaßt, daß sämtliche etwa noch vorhandenen Fahrkartenbestände dieser Art unverzüglich vernichtet werden. Seiermann Anlage 4 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg betreffend Errichtung eines Zementschuppens an der Autobahn bei Nikolassee (Fragestunde der 111. Sitzung vom 4. 5. 1960 Drucksache 1810). Weshalb hat die Bundesautobahn-Verwaltung bei der Errichtung eines kahlen Zementschuppens an der Einfahrt der Autobahn nach Berlin bei Nikolassee alle Regeln einer ansprechenden Architekturgestaltung und alle Regeln des Landschaftsschutzes außer acht gelassen? Weshalb hat sie das Vorbild eines daneben liegenden Gebäudes übersehen, das von der früheren Reichsautobahn-Verwaltung errichtet worden ist und das dem besonders repräsentativen Landschaftscharakter des betreffenden Standortes Rechnung trägt? Was gedenkt die Bundesautobahn-Verwaltung zu tun, um den angerichteten Schaden, der in der schönen Jahreszeit täglich für Zehntausende von naturliebenden Berlinern ein Ärgernis bieten muß, zu beseitigen oder wenigstens zu mildern? Bei dem beanstandeten Gebäude handelt es sich um eine Halle zur Aufnahme von Streugut für den Winterdienst auf der Bundesautobahn Avus, die in freitragender Binderkonstruktion aus Stahlbeton mit äußeren Sichtbetonflächen hergestellt worden ist. Die Wahl des Bauplatzes auf einem an der Bundesautobahn gelegenen Grundstück der Bundesautobahnverwaltung war zweckmäßig, weil das Gebäude den Bedürfnissen des Betriebes und der Unterhaltung der Autobahn dienen soll. Das auf dem Grundstück befindliche, vor 25 Jahren von der Reichsautobahnverwaltung errichtete Wohnhaus konnte nicht Vorbild für die Gestaltung sein, weil sich die Bauformen eines kleinen Wohnhauses nicht auf eine große stützenfreie Halle übertragen lassen. Bei der Gestaltung der Halle ist wegen ihrer Lage im Blickpunkt der Autobahnbenutzer versucht worden, eine ansprechende architektonische Gestaltung zu finden. Die Gebäudeformen sind Ausdruck der Konstruktion und entsprechen in ihrer Einfachheit der Zweckbestimmung des Gebäudes. Auch sind Klagen von anderer Seite bisher nicht bekanntgeworden. Ich darf aber bemerken, daß die Arbeiten an den Außenanlagen noch nicht abgeschlossen sind und sich deshalb dem Betrachter noch kein endgültiges und vollständiges Bild bietet. Wenn die Böschung zur Autobahn, wie vorgesehen, vollständig angelegt, befestigt und mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt ist, wird — so hoffe ich — erkennbar sein, daß auch dieses Gebäude in die Natur einwachsen und ein Bestandteil der Landschaft werden wird. Seiermann Anlage 5 Umdruck 576 Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Freihandelszone (Drucksache. 1305). Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag stellt mit Bedauern fest, daß die Bemühungen um eine europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit seit Inkrafttreten des EWG-Vertrages zu einer Spaltung Europas geführt haben, daß der Beschluß der OEEC vom 13. Februar 1957 und der Beschluß des Bundestages vom 2. Oktober 1958 bisher nicht verwirklicht worden sind, daß die Fristverkürzungsvorschläge und die Vorschläge für eine gemeinsame Agrarpolitik die Tendenz der EWG zur Abspaltung von den anderen OEEC-Staaten sichtbar machen. Er ersucht die Bundesregierung, alles zu tun, um 1. die in der OEEC erzielten Fortschritte und gefaßten Beschlüsse in ihrem Bestande zu sichern. 2. gemäß Absprache des Herrn Bundeskanzlers mit dem französischen Staatschef nunmehr vor allem anderen die Verwirklichung des Beschlusses der OEEC vom 13. Februar 1957 durchzusetzen und eine Freihandelszone in Europa einzurichten, die auf multilateraler Basis den gemeinsamen Markt der Sechs und die anderen Mitgliedsländer vereinigt. Bonn, den 4. Mai 1960 Margulies Dr. Starke Lenz (Trossingen) und Fraktion
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    Rede von Dr. Kurt Birrenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Großen Anfragen der Opposition geht es im wesentlichen um drei Probleme: a) ob und inwieweit der Beschleunigungsvorschlag der Europäischen Kommission für die Bundesrepublik annehmbar ist oder nicht, b) warum die bisherigen Verhandlungen über eine gesamteuropäische Lösung noch nicht zu einem Ziel geführt haben, c) ob der Gedanke einer politischen Integration der EWG zu einer Spaltung der freien Welt führen wird.
    Die Bundesrepublik geht in ihrer Stellungnahme zu den Beschleunigungsvorschlägen der Europäischen Kommission von einer bestimmten politischen Grundhaltung aus. Nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und der Bemühungen um eine europäische Verfassung war die europäische Bewegung bestrebt, über eine Integration der Wirtschaften der sechs Länder das Ziel zu erreichen, das überhaupt das Grundmotiv aller Bestrebungen seit Gründung der Montanunion gewesen ist, nämlich zu einer politischen Zusammenfassung der sechs Länder des europäischen Kontinents zu kommen.
    Die römischen Verträge, denen die SPD ihre Zustimmung gegeben und bezüglich deren auch Herr Margulies hier heute für seine Partei eine verhältnismäßig positive Erklärung abgegeben hat, fordern eine gemeinsame Handels-, Wirtschafts-, Finanz- und Landwirtschaftspolitik. Diese Wirtschaftspolitik der Sechs kann aber nur dann gemeinsam sein, wenn die den wirtschaftlichen und finanziellen Entscheidungen zugrunde liegenden Motive Ausfluß eines gemeinsamen und nicht nur koordinierten politischen Willens sind. Die Durchführung dieser Grundbestrebungen des Gemeinsamen Marktes setzt am Ende der Übergangsperiode die Entstehung eines gemeinsamen europäischen föderativen Zusammenschlusses voraus. Das ist das Ziel der europäischen Verträge und kein anderes.
    Die mit der Gründung der EWG verbundenen politischen und wirtschaftlichen Ziele sollen nach dem Willen der Bundesregierung und der Mehrheitsparteien mit allem Nachdruck ihrer Verwirklichung zugeführt werden. Keine Maßnahme ist mehr geeignet, diesen Prozeß zu fördern, als die Einführung eines gemeinsamen Außentarifs. Abgesehen von dem Abbau der Binnenzölle bildet dieser gemeinsame Außentarif das Rückgrat der Zoll- und Wirtschaftsunion, die ja das Wesen der EWG ist. Daher kann es wohl über die Höhe, keineswegs aber über die Existenz eines gemeinsamen Außentarifs der EWG eine Diskussion geben. Sie ergibt sich aus den römischen Verträgen. Darum und nur i darum geht es in der jetzigen Kontroverse über die Beschleunigungsvorschläge der Europäischen Kommission: ob die erste Annäherung an den Außentarif am 1. Juli dieses Jahres, am 1. Januar des nächsten Jahres oder am 31. Dezember 1961 stattfindet.
    Diese Vorschläge haben, wenn sie verwirklicht werden, wirtschaftliche und auch politische Rückwirkungen nach innen sowie nach außen. Die positiven und negativen Rückwirkungen des Beschleunigungsvorschlages der Europäischen Kommission müssen, wenn man zu einer konstruktiven Entscheidung kommen will, gegeneinander abgewogen werden.
    Welches sind zunächst die Nachteile des Beschleunigungsvorschlages? Der erste Nachteil ist die Einbeziehung der Landwirtschaft, die sich schon durch die normalen Fristen der EWG vielenorts überfordert fühlt. Der zweite Nachteil ist folgender: Die Annäherung an den rechnungsmäßigen gemeinsamen Außentarif setzt eine gewisse Anhebung des Zollnivaus der Bundesrepublik und der Beneluxländer voraus, der jedoch beträchtliche Zollherabsetzungen der Hochzolländer der EWG gegenüberstehen. Und endlich drittens: Der Abbau der Binnenzölle führt zu einer wenn auch zunächst noch unwesentlichen Differenzierung in der Zollbehandlung der Drittländer einschließlich der EFTA.
    Was diese Nachteile anbelangt, so hoffen wir, daß in den Beratungen des europäischen Ministerrats Verständnis für die Lage der deutschen Landwirtschaft aufgebracht wird. Wir glauben ferner begründete Hoffnung zu haben, daß eine kurzfristige Vertagung des Datums der Beschleunigung und die Erstreckung der Rückspulung der vierten konjunkturpolitischen Zollsenkung die diesbezüglichen Auswirkungen nach innen und außen mildern.
    Die Vorteile des Beschleunigungsvorschlages sind überaus gewichtiger Natur. Erstens: Nur unter der Bedingung einer Beschleunigung ist eine 20 %ige Senkung des Außentarifs von morgen durchzusetzen. Zweitens: Die Beschleunigung des Abbaus der Binnenzölle und aller Kontingente für Industriegüter bis zum Ende des kommenden Jahres wird ein bedeutender Schritt vorwärts in Richtung auf die innere Konsolidierung der EWG sein. Ein gesenkter Außentarif und ein so bedeutsamer Abbau der Binnenzölle, nachdem die EWG gerade in Kraft getreten ist, bedeuten ein positive Entwicklung, die vor zwei Jahren niemand vorhergesehen hätte. Drittens: Wenn man an einer handelspolitischen Annäherung insbesondere an die EFTA interessiert ist, ist die Tatsache der Vorziehung des Außentarifs von besonderer Bedeutung. Gerade der Außentarif — und zwar erstaunlicherweise nur dieser und nicht der beschleunigte Abbau der Binnenzölle — ist Gegenstand so scharfer Kritik außerhalb der EWG in Europa trotz der Tatsache, daß die europäische Kommission eine 20 %ige Senkung vorgeschlagen hat. Offenbar liegt hier der Stein der Anstoßes. Das beweist aber gerade, daß immer noch Hoffnungen genährt werden, man könne die EWG in eine Freihandelszone umwandeln. Für diese Hoffnungen stellen die römischen Verträge aber keine Grundlage dar. Stellte man den Außentarif zur Diskussion —ich wiederhole das , würde man die EWG als



    Dr. Birrenbach
    solche verleugnen. Je eher die Situation außerhalb der EWG definitiv geklärt wird, um so eher werden konstruktive Verhandlungen über eine künftige Lösung des europäischen Handelsproblems möglich sein. Wenn also der Augenblick günstig ist und die Vorteile der Beschleunigung die Nachteile überwiegen, dann hat die Bundesregierung recht, diese Beschleunigung im Prinzip — mit gewissen Modalitäten — zu akzeptieren, wie sie das getan hat.
    Aus der Erklärung der Bundesregierung ergibt sich eindeutig ein weiterer, sehr wesentlicher Umstand: Es sollen unverzüglich Verhandlungen mit den äußeren Sieben über eine Interimslösung eingeleitet werden. Für diese Verhandlungen wird die 21 er-Konferenz der zweckentsprechende Rahmen sein. Die Aufgabe dieser Verhandlungen wäre es, die wirtschaftlichen Konsequenzen der divergierenden Zollentwicklungen in den beiden europäischen Handelssystemen in Grenzen zu halten, damit nicht der Weg für eine spätere umfassendere Lösung verbaut wird.
    Wie steht es nun mit einer solchen Interimslösung? Die EFTA hat auf ihrer Wiener Tagung der EWG den Vorschlag gemacht, ihre vom 1. Juli dieses Jahres an vorgesehene 20%ige Zollsenkung auf alle GATT-Staaten — unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit seitens der EWG — auszudehnen. Demgegenüber ist festzustellen, daß die EWG-Mitglieder heute gar nicht mehr individuell in der Lage sind, ihre internen Zollermäßigungen voll GATT-weit weiterzugeben. Das ist eben eine Konsequenz der Zollunion. Es geht hier darum, ob man die EWG als solche will oder nicht. Derartige individuelle Zollsenkungen sind nur insoweit möglich, als dadurch der künftige gemeinsame Außentarif nicht unterschritten wird.
    Alle Interimsmaßnahmen zur Abschwächung der Zolldifferenzen zwischen den beiden Außenhandelssystemen müssen gemäß dem Prinizip der Meistbegünstigung GATT-weit getroffen werden. Bei bestimmten kritischen Produkten lassen sich beispielsweise GATT-weite Zollkontingente als gezielte Maßnahmen denken, die in erster Linie den europäischen Staaten zugute kämen. Man kann sich weiter vorstellen, daß parallel dazu bei den GATT-Verhandlungen bestimmte kritische Zollpositionen des gemeinsamen Außentarifs gesenkt werden, die gerade europäischen Ländern zugute kommen. Nehmen Sie das Beispiel Portugal! Hier könnte man mit Zollkontingenten für zwei oder drei neuralgische Artikel beinahe die gesamte handelspolitische Problematik lösen, die sich zur Zeit aus dem Vorhandensein der EWG ergibt.
    Darüber hinaus bietet der Vorschlag des Kontaktausschusses die Möglichkeit, im Einzelfall auftretende Schwierigkeiten zu behandeln. Das alles klingt nicht nach Sabotage, Herr Kalbitzer.
    Lassen Sie mich zum zweiten Punkt kommen! Die Opposition dieses Hauses führt darüber Klage, die zuletzt in dem Bundestagsbeschluß vom Oktober 1958, der einstimmig angenommen worden war, zum Ausdruck gekommene Idee einer multilateralen Assoziation zwischen der EWG und den übrigen Mitgliedern der OEEC habe noch keine genügenden Fortschritte gemacht. Die Opposition — insonderheit Herr Kalbitzer — übersieht dabei eine Reihe wichtiger Momente. Zunächst ist vielfach innerhalb wie außerhalb der EWG die Kompliziertheit der zu lösenden Probleme — gestatten Sie mir, das zu sagen — in einer geradezu beängstigenden Weise unterschätzt worden. In den OEEC-Staaten außerhalb der EWG bestehen wirtschaftliche Interessengegensätze zwischen Niedrig- und Hochzollländern, zwischen Agrar- und Industriestaaten, zwischen entwickelten und unterentwickelten Ländern. Gegensätze dieser Art, die auf wirtschaftlichen Motiven beruhen, lassen sich nur schwer und wenn überhaupt, dann nur in verhältnismäßig langen Zeiträumen überbrücken.
    In ¡der EWG haben Interessengegensätze dieser Art natürlich auch bestanden, wenn auch in geringerem Umfang. Wenn es ,dennoch gelungen ist, im Verlaufe von etwa zwei Jahren die römischen Verträge unter Dach und Fach zu bringen, einen gemeinsamen Außenhandelstarif zu schaffen, in einem Jahr die kritische Liste G herzustellen, so beweist das doch, daß das entscheidende Motiv hinter den Zusammenschlußbestrebungen der Sechs nicht nur ein wirtschaftliches, sondern eben ein politisches gewesen ist. Aus der Perspektive des Wunsches nach politischer Einigung verloren die Zolldifferenzen und Interessengegensätze an Gewicht.
    Die römischen Verträge haben ein Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten der einzelnen Partnerstaaten hergestellt. Einen ähnlichen gemeinsamen Nenner für 18 OEEC-Staaten zu schaffen, ist ungleich schwieriger, insbesondere wenn der Wille, die wirtschaftlichen Interessen dem politischen Endziel unterzuordnen, nicht gegeben ist. Noch gestern hat der schwedische Außenminister Undén erklärt, daß die EFTA keinerlei politische Ziele hat.
    Zweitens. Bei der Bildung einer europäischen Freihandelszone sind der Phantasie der Politiker wie der Wirtschaftler sehr enge Grenzen durch das Grundgesetz gezogen, auf dem der internationale Handel in der Nachkriegszeit beruht: das GATT. Das Grundprinzip des Außenhandels, zu dem sich 38 Nationen, darunter alle Wirtschaftsnationen der westlichen Welt, bekannt haben, ist das Prinzip der Meistbegünstigung. Der GATT-Vertrag sieht lediglich zwei Ausnahmen von diesem Prinzip vor: die Zollunion und die Freihandelszone. Den ersten Weg hat die EWG, den zweiten haben die peripheren europäischen Staaten in der EFTA begangen.
    Eine Zollunion setzt ebenso wie die Freihandelszone voraus, daß die Binnenzölle innerhalb einer bestimmten Frist, und zwar für annähernd den gesamten Handel, beseitigt werden. Dieser umfassende Charakter, der für die Regionalabkommen durch Art. XXIV des GATT vorgeschrieben ist, schloß alle Teillösungen aus, sei es für Teile des Warenverkehrs, sei es in der Form von Vorzugszöllen. Eine europäische Präferenzzone ist also danach keine Alternative. Die Lösungsmöglichkeiten für ein europäisches Handelssystem sind daher sehr beschränkt.
    Drittens. Eine weitere Komplikation für die Bildung eines gesamteuropäischen Handelssystems er-



    Dr. Birrenbach
    gab sich im Verlaufe des vergangenen kritischen Jahres aus dem Zahlungsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten. Defizite in den beiden letzten Jahrein in Höhe von über 7,5 Milliarden Dollar, verbunden mit Goldabflüssen in Höhe von über 3 Milliarden Dollar, haben die Amerikaner zu einer Überprüfung ihrer Haltung gegenüber den europäischen wirtschaftlichen Integrationsbestrebungen veranlaßt, zumal da gerade Westeuropa mit Hilfe der Vereinigten Staaten in den letzten Jahren seine Goldreserven von 10 Milliarden Dollar auf den Stand der Vereinigten Staaten im Jahre 1950, id. h. um mehr als 100 % erhöht hat. Wenn man berücksichtigt, daß die amerikanische Wirtschaftshilfe, der Kapitalexport der Vereinigten Staaten in die nichtamerikanische Welt und endlich ,die militärische Rüstungshilfe eine außerordentliche Belastung 'der amerikanischen Zahlungsbilanz darstellen, die zum Teil gerade den europäischen Staaten zugute kamen und kommen, so wird die veränderte amerikanische Haltung verständlich.
    Jede Diskriminierung ,des 'amerikanischen Handels wird daher in Amerika kritisch aufgenommen. Nur im Falle der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurden die vertragsmäßig vorgesehenen Zollmaßnahmen akzeptiert. Die Überwindung der nationalen Zersplitterung auf dem europäischen Kontinent durch die umfassende Gemeinschaft der Sechs halten die USA, insbesondere aus der Sicht des OstWest-Konfliktes, für so entscheidend, daß sie demgegenüber ihre eigenen Wirtschaftsinteressen zurückstellen. Die USA und Kanada wünschen heute in den wichtigsten Fragen des europäischen Handels konsultiert zu werden und wehren sich gegen weitere Diskriminierungen ihres Exports. Offenbar werden rein handelspolitische Gruppierungen in Europa von 'der amerikanischen Regierung im Augenblick weniger positiv bewertet als die eindeutig politisch orientierte EWG. Selbstverständlich hat auch diese völlig neue Situation die Lösung des gesamteuropäischen Handelsproblems nicht erleichtert.
    Viertens. Die Bildung der kleinen Europäischen Freihandelszone durch die Äußeren Sieben hat das ganze vergangene Jahr in Anspruch genommen. Sie ist ja die Verhandlungsplattform der Sieben, und ehe diese nicht fertiggestellt war — sie ist gestern ratifiziert worden —, war praktisch idas Verhandlungsinstrument der EFTA noch nicht griffbereit.

    (Abg. Kalbitzer: Europa 'ist doch nicht gestern in die Welt gekommen!)

    So war auch von dieser Seite eine abwartende Haltung zu erkennen.

    (Abg. Kalbitzer: Sie sind doch nicht gestern auf die Welt gekommen! — Weiterer Zuruf von der SPD: Sie haben sogar verhandelt!)

    — Herr Kalbitzer, durch die Ratifikation ist die EFTA praktisch zu einem völkerrechtlichen Instrument geworden. Selbstverständlich ist vorher schon verhandelt worden. Ich habe Ihnen aber, glaube ich, an den Gründen, die ich bisher dargelegt habe, genügend klargemacht und werde es Ihnen an den weiteren Gründen, die ich noch darlegen werde,
    ebenso klarmachen, welche schwierigen Probleme praktisch eine Lösung ad hoc dieser großen Handelsfrage bis zu diesem Augenblick unmöglich gemacht haben.
    Fünftens. Nachdem ich die komplexe und vielschichtige Problematik eines gesamteuropäischen Handelsschemas dargestellt habe, muß ich weiterhin insbesondere der deutschen Opposition, aber auch vielen ausländischen Kritikern, speziell in Großbritannien, in Erinnerung bringen, daß die Bundesrepublik in der Gestaltung ihrer Außenhandelsbeziehungen heute nicht mehr souverän ist. Sie ist ein Partner innerhalb des Europas der Sechs. Deutschland ist lediglich einer der Faktoren für die Willensbildung der EWG und damit nur ein Element des Kompromisses, den schließlich die sechs Partner untereinander finden müssen. Aus allen diesen Gründen wird deutlich klar, daß es nicht die Schuld der Bundesregierung sein kann, wenn in den letzten anderthalb Jahren nicht größere Fortschritte bei der Lösung des europäischen Handelsproblems erzielt werden konnten.
    Nun stellt sich aber eine ganz grundsätzliche Frage: ob überhaupt ein Bedürfnis für ein westeuropäisches Handelssystem besteht oder ob der Brüsseler Vorschlag einer liberalen Handelspolitik der EWG alle Schwierigkeiten ausräumt, vor die wir uns in den letzten Monaten und auch schon im vergangenen Jahr gestellt gesehen haben. Man hat bisher, insbesondere in den europäischen Ländern außerhalb der EWG, angenommen, das Europa der Sechs würde ein autarkes Gebilde, das sich gegenüber der Außenwelt abschließen wolle. Diese Auffassung hat sich jedoch als irrtümlich erwiesen. Über den liberalen Charakter der Handelspolitik der EWG kann nach Festlegung des gemeinsamen Außentarifs, nach Bekanntwerden der Liste G und endlich angesichts des Entschlusses der Europäischen Kommission, mit dem Vorschlag einer 20%igen Außenzollsenkung in die Dillon-Runde hineinzugehen, kein Zweifel mehr bestehen. Daß die Landwirtschaft dabei ein besonderes Problem darstellt, wissen wir alle. Erst wenn man hier klar sieht — und das ist bisher ja noch nicht der Fall —, kann man zu dieser Frage abschließend Stellung nehmen.
    Der Außenzoll der EWG unter Berücksichtigung einer 20%igen Reduktion würde unter dem britischen, aber auch unter dem amerikanischen Zoll liegen. Diese Tatsache scheint mir bedeutsam zu sein. Die Opfer, die Frankreich und Italien in diesem Zusammenhang zu bringen gewillt sind, sollten in ihrer ganzen Tragweite auch außerhalb der EWG gewürdigt werden. Ob allerdings eine liberale Politik allein ausreicht, den europäischen Handelskonflikt zu lösen, erscheint zweifelhaft; ich nehme es nicht an.
    Nun zum Zweiten. Eine andere, praktisch mögliche Lösung der europäischen Handelsprobleme bestände theoretisch gemäß Art. 237 des EWG-Vertrages im Beitritt der anderen OEEC-Staaten zur EWG. Für eine Reihe von Ländern besteht diese Möglichkeit aber nicht oder jedenfalls noch nicht. Die Schweiz, Österreich und Schweden glauben mit Rücksicht auf die Wahrung ihrer Neutralität der
    6208 Deutscher Bundestag —.3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960
    Dr. Birrenbach
    EWG nicht beitreten zu können. Wenn wir die politische Zielsetzung der EWG ernst nehmen, müssen wir für diese Haltung Verständnis haben. Das Schicksal Finnlands muß uns bei den Verhandlungen sowohl über die Übergangsregelung als auch über eine spätere Endlösung ganz besonders am Herzen liegen, und gerade meine Parei wird diesen Gesichtspunkt ganz entscheidend mit in den Vordergrund ihrer Erwägungen stellen.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)

    Großbritannien scheinen bis heute die Bindungen an sein Commonwealth den Beitritt zur EWG unmöglich zu machen. Allerdings mehren sich in Großbritannien die Stimmen, die gerade einer solchen Lösung das Wort reden. Diese Stimmen dürften aber noch isoliert sein. Über die Bedeutung des Commonwealth für Großbritannien und umgekehrt brauche ich hier kein Wort zu verlieren. Insbesondere die Einbeziehung großer asiatischer Völker in diese Machtgruppe stellt einen Friedensfaktor erster Ordnung dar. Eine Lösung oder Schwächung dieser Bindung kann im Interesse des an sich schon so prekären Friedens der Welt gar nicht gewünscht werden.
    Eine Reihe anderer Länder wie die Türkei und Griechenland sind zwar der EWG nicht beigetreten, streben aber eine bilaterale Assoziation an, da sie angesichts ihrer besonderen Wirtschaftssituation zur Zeit noch nicht in der Lage sind, sich den Verpflichtungen des Vertrags zu unterwerfen. Ein Land wie Dänemark hat zwischen dem Eintritt in die EWG und dem Eintritt in die EFTA geschwankt, da Dänemark, eines der wichtigsten Exportländer Europas, fast genauso viele landwirtschaftliche Güter in den EWG-Markt wie nach Großbritannien exportiert. Eine Lösung Dänemarks von Schweden beispielsweise hätte eine nicht zu verantwortende Beeinträchtigung der Solidarität der drei nordischen Nationen zur Folge gehabt und schied daher aus.
    So ergeben sich — jedenfalls im Augenblick — Gründe, die es verständlich machen, daß der Weg der EWG nicht für alle übrigen OEEC-Staaten gleichermaßen gangbar ist. Dennoch haben diese europäischen Länder einen Anspruch darauf, in enger Verbindung mit dem Kerneuropa der Sechs zu stehen. Zunächst hat der zweite Weltkrieg das alte Europa lebensgefährlich gespalten, so daß das Resteuropa nur bestehen kann, wenn es sich als eine Einheit fühlt. Die Wirtschaft ist ein zu wichtiger Integrationsfaktor, als daß sie in dem Prozeß der Einigung Europas ausgespart werden könnte. Das bedeutet keineswegs, daß alle westeuropäischen Staaten in wirtschaftlicher Hinsicht denselben Weg gehen müssen.
    Die Verflechtung der Länder der EFTA mit der EWG — ich erinnere an Österreich oder die Schweiz oder an Länder wie etwa Schweden oder Dänemark — ist in wirtschaftlicher Hinsicht so eng geworden — und historisch gewachsen —, daß allein diese Tatsache diesen Ländern nahezu ein Recht auf eine gewisse Partnerschaft mit dem Kerneuropa gibt, in einer Form, über die man in Zukunft sprechen und verhandeln wird und muß. Über die wirtschaftlichen Verflechtungen hinaus ist ein Teil der OEEC-Länder Mitglied der gleichen Allianz wie die EWG- Länder, die ja die Grundlage der Sicherheit der westlichen Welt überhaupt bilden. Daraus ergibt sich ein enger Interessenzusammenhang zwischen gewissen Staaten der EFTA und der EWG.
    Wenn man sich weiter die gewaltige wirtschaftliche Entwicklung im Sowjetblock, insbesondere im Verlaufe des letzten Jahrzehnts, vor Augen hält und mit Sorge die ungleich höheren Wachstumsraten der östlichen Wirtschaft mit denen der westeuropäischen vergleicht, so wird um so deutlicher, daß die Vorteile einer großräumigen Wirtschaft nicht nur auf die EWG beschränkt werden sollten.
    Und endlich: Die Hilfe für die unterentwickelten Länder -ist heute als eine der zentralen Fragen in der internationalen Politik erkannt. Diese Aufgabe kann erfolgreich nur im Zusammenwirken zwischen den Vereinigten Staaten, dem ganzen westlichen Europa und den Ländern des britischen Commonwealth durchgeführt werden. Diese Aufgabe setzt einen hohen Grad europäischer, gesamteuropäischer wirtschaftlicher Koordination voraus. Die Gemeinsamkeit dieser großen Aufgabe zwingt uns allein aus der Perspektive des Ost-West-Konfliktes, das europäische Problem unter umfassenderen Gesichtspunkten zu sehen.
    Wenn man danach das Bedürfnis nach einer europäischen Handelsregelung, das von den Außen- und Wirtschaftsministern der EFTA auf der Tagung des Europarats in Straßburg am 21. Januar in so beschwörender Form dargelegt worden ist, im Prinzip anerkennt, muß man sich die Frage stellen, welches die Voraussetzungen sind, unter denen ein derartiges europäisches Handelssystem überhaupt denkbar wäre.
    Dabei zeichnen sich folgende Bedingungen ab: Ein europäisches Handelssystem ist nur dann akzeptabel, wenn erstens der Bestand der EWG als Wirtschaftseinheit, wie sie in den römischen Verträgen stipuliert ist, anerkannt und den Bedenken Rechnung getragen wird, welche zum Zusammenbruch der Verhandlungen über die große Freihandelszone im November 1958 geführt haben; wenn zweitens unter Beachtung dieser Voraussetzungen die wirtschaftlichen Interessen der EFTA-Länder eine entsprechende Berücksichtigung finden; wenn drittens dieses Handelssystem den Grundsätzen des GATT entspricht und wenn viertens ein solcher Plan die Zustimmung der Vereinigten Staaten und Kanadas findet, die morgen in einer reorganisierten OEEC als Vollmitglieder ihren Einfluß auch auf die Gestaltung der europäischen Handelsbeziehungen geltend machen werden.
    Die Erfüllung dieser Bedingungen scheint im ersten Augenblick der Quadratur des Kreises gleichzukommen. Bei näherer Prüfung erweist sich jedoch die hier gestellte Aufgabe zwar als außerordentlich schwierig, aber keineswegs unlösbar. Eine Reihe von Entwicklungen gerade des letzten Jahres haben manche neue Wege eröffnet. Ich nenne nur das Ergebnis der französischen Finanz- und Wirtschaftsreform, die Konvertibilität der europäischen Währungen, die günstige Gestaltung der Währungs-



    Dr. Birrenbach
    liquiditäten in Europa, die liberale Politik der Europäischen Kommission, die günstige Weltwirtschaftskonjunktur und schließlich die Konferenz der 21 in Paris, die den geeigneten Rahmen für künftige Verhandlungen abgeben wird.
    Was nun die Realisierung der angeführten vier Bedingungen anlangt, so ist folgendes zu sagen. Die Verhandlungen über das ursprüngliche britische Freihandelskonzept waren seinerzeit aus verschiedenen Gründen gescheitert. In der EWG war man der Meinung, das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen Freihandelszone und Zollunion, die Autonomie der nationalen Zoll- und Handelspolitik, beinhaltet die Gefahr von Handels- und Produktionsverlagerungen.
    Diesem Bedenken scheint man innerhalb der EFTA mehr und mehr Rechnung tragen zu wollen. Es hat den Anschein, als wenn die EFTA-Länder, oder zumindest einige von ihnen bereit wären, Verpflichtungen zu einer gewissen Harmonisierung der Außenzölle zu übernehmen und, soweit diese sich als nicht harmonisierbar herausstellen sollten, Bindungen dergestalt einzugehen, daß vor Änderung der Außenzölle die übrigen Partner konsultiert und dann gemeinsame Maßnahmen vereinbart werden, welche nachteilige Wirkungen einer einseitigen Änderung der Zölle beseitigen oder einschränken.
    Unverkennbar ist die Harmonisierung zwischen gewissen Gruppen oder Ländern der EFTA mit der EWG einfacher als mit anderen. Vielleicht gestattet der Gedanke des österreichischen Außenministers Kreisky von differenzierenden Assoziationsabkommen innerhalb eines multilateralen Rahmenvertrages eine konstruktive Entwicklung.
    In der EWG, insbesondere in den Hochzolländern, war man weiterhin der Meinung, die Entwicklung der Handelsströme in der modernen Wirtschaft hinge heute nicht nur von den direkten Handelshemmnissen, wie Zöllen und Kontingenten, sondern auch von den indirekten Hindernissen, wie den Unterschieden der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, der Steuergesetzgebung und der Wettbewerbsregelung, ab. Daher hält die EWG aus den Erfahrungen der Montanunion und des Gemeinsamen Marktes jedenfalls eine gewisse Koordinierung der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik für absolut notwendig. Auch dieser Gedanke hat seit den kritischen Dezembertagen des Jahres 1958 Fortschritte gemacht.
    Ferner waren die Hochzolländer der EWG in den Verhandlungen im Maudling-Komitee der Meinung, kein Partner eines europäischen Handelssystems dürfe gleichzeitig auf zwei Märkten Privilegien besitzen, wie sie Großbritannien auf Grund der Vorzugszölle von Ottawa genießt. Ein Teil dieser Bedenken scheint durch eine weitgehende Harmonisierung der Einfuhrzölle ausgeräumt werden zu können. Im übrigen aber — das sollte man hier offen sagen — sollten die EWG-Länder bei Prüfung dieses Problems nicht aus den Augen verlieren, daß Großbritannien für die Privilegierung seiner Exporte auf den Commonwealthmärkten außerordentlich bedeutsame Konzessionen in Gestalt umfangreicher
    Nahrungsmittelimporte aus diesen Ländern zum Teil zu Lasten der britischen Landwirtschaft und bedeutender Investitionen, im Jahresdurchschnitt von zirka 300 Millionen Pfund, macht.
    Des weiteren läßt die Bedeutung der Landwirtschaft für den Außenhandel zahlreicher OEEC-Staaten innerhalb und außerhalb der EWG sowie für das Gleichgewicht der Rechte und Pflichten ihre Einbeziehung in ein derartiges System notwendig erscheinen. Auch dieser Gedanke hat im Verlaufe der letzten anderthalb Jahre, wenn auch langsam, gewisse Fortschritte gemacht. Schließlich gewinnt man aus Äußerungen in verschiedenen EFTA-Ländern den Eindruck, es wachse das Verständnis für den Vorschlag einer Décalage, wie ihn das französische Memorandum vom Februar 1958 ursprünglich enthalten hatte. Auf dieser Basis ergäbe sich die Möglichkeit verschiedener Zeitpläne, die Zoll-Regelungen wesentlich erleichtern könnten. Die von mir angeführten Tendenzen lassen also erkennen, daß sich in zunehmendem Maße seitens der EFTA-Länder eine realistischere Einstellung zur Frage der europäischen Handelsprobleme durchsetzt.
    Wie eine solche Endlösung schließlich aussehen wird, ist freilich heute noch nicht zu erkennen. Es erscheint auch verfrüht, sie heute schon als solche zu definieren; nur müßte sie in Übereinstimmung mit dem GATT sein. Der Rahmen für eine derartige Kooperation zwischen den Sechs und den Sieben wäre dann so weit gespannt, daß in wirtschafts- und handelspolitischer Hinsicht den legitimen Interessen dieser Länder entsprochen werden könnte und müßte.
    Unabdingbar für eine solche Lösung, selbst wenn sie GATT-konform ist, müßte aber die Zustimmung der USA und Kanadas sein; das habe ich eingangs mit nicht mißzuverstehender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Diese Zustimmung hängt von der Wirkung ab, welche ein europäisches Handelssystem auf die Exporte des amerikanischen Kontinents ausüben wird.
    Daß die Gleichgewichtsstörung in der Zahlungsbilanz der Vereinigten Staaten durch kurz- und langfristige Faktoren bedingt ist, die im wesentlichen außerhalb der Einwirkungsmöglichkeit der westeuropäischen Wirtschaft stehen, ist bekannt. Zur Überwindung der akuten Störungselemente können wir jedoch in Westeuropa in einem großen Umfang beitragen, indem wir uns bemühen, sämtliche noch bestehenden Dollardiskriminierungen fallen zu lassen.
    Auf längere Sicht ist es vielleicht vorstellbar, daß die USA die nachteiligen Wirkungen der Existenz zweier rivalisierender europäischer Handelssysteme ernster beurteilen werden als die auf einen stetigen Zollabbau tendierende umfassende Lösung.
    Das allgemeine wirtschaftliche Potential in einem vereinigten europäischen Handelsraum würde sich so erhöhen, daß auch die Exporte der USA an diesem Wachstumsprozeß substanziell profitieren würden und müßten. Darüber hinaus müßte eine multilaterale Assoziation auf längere Sicht eine dynamische Tendenz zur Senkung der Außentarife aus-



    Dr. Birrenbach
    lösen, da ein größerer Markt eine verstärkte Rationalisierung der Produktion — verbunden mit einer Senkung der Kosten — zur Folge hätte, die ihrerseits das Bedürfnis für eine Protektion wesentlich verringern würde.
    Wären klare Vorstellungen über ein gesamteuropäisches Handelskonzept vorhanden, die Aussicht auf Verwirklichung hätten, so würde auch die Investitionspolitik der amerikanischen Wirtschaft eine wesentliche Erleichterung erfahren; insbesondere bedürfte es dann nicht mehr kostspieliger Doppelinvestitionen in zwei verschiedenen Räumen.
    Die Lösung des europäischen Handelsproblems würde auf die Dauer ungleich stärkere wirtschaftliche Kräfte innerhalb Europas für eine Hilfe zugunsten unterentwickelter Länder freisetzen. Ihr koordinierter Einsatz wäre von viel größerer Wirkung als unabhängige Hilfsaktionen verschiedener Systeme- oder Länder.
    Alle diese Gesichtspunkte werden in den kommenden Jahren sicherlich Gegenstand der Prüfung der zuständigen Stellen in den Vereinigten Staaten und in Kanada sein, zumal die Lösung des europäischen Handelsproblems sowieso nicht von heute auf morgen möglich ist.
    Um zu einer Lösung des europäischen Handelsproblems zu kommen, bedarf es nahezu ebenso starker politischer Willensimpulse wie die, deren Ergebnis die römischen Verträge waren. Die Größe der Aufgabe kann schwerlich überschätzt werden. Daß Jahre vergehen werden, ehe dieses Ziel erreicht ist, scheint klar. Aus diesem Grunde ist eine tragbare Zwischenlösung in der Begrenzung, von der Herr Minister Erhard gesprochen hat, um so wichtiger.
    Zwei kurze Bemerkungen zu den zusätzlichen Fragen der SPD! Zu den Fragen 4 und 5 ist den Ausführungen von Herrn Erhard nichts hinzuzufügen. Zur Frage 6 möchte ich, auch im Namen meiner politischen Freunde, folgendes betonen. Das Problem der unterentwickelten Länder ist ein Weltproblem, eine zentrale Frage unserer Zeit. Dieses Problem ist bis zu einem gewissen Grade unteilbar. Aber, meine Damen und Herren, aus der Unterstützung der assoziierten Gebiete der EWG zu schließen, daß wir die anderen unterentwickelten Länder in irgendeiner Form benachteiligen würden, ist absurd. Allein ein Blick auf die heutigen Hermes-Garantien zeigt Ihnen, wo bisher das Schwergewicht der Hilfe der Bundesrepublik gelegen hat und wo es auch in Zukunft, insgesamt gesehen, liegen wird.
    Ein letztes Wort zur politischen Seite des Problems. Wenn die SPD die Frage stellt, ob die Bundesregierung Bestrebungen, die EWG zu einem politischen Block zu machen, unterstütze, so kann ich nur sagen, daß mir diese Frage völlig unverständlich erscheint. Wie ich eingangs meiner Ausführungen bereits zum Ausdruck gebracht habe, war der Zweck und das Ziel der Integration der europäischen Wirtschaft, wie es ja von Ihnen mit akzeptiert worden ist, im Rahmen des Europas der Sechs die Bildung einer politischen Gemeinschaft. Einen
    derartigen Zusammenschluß einen politischen Block zu nennen, erscheint mir völlig abwegig. Der Begriff des Blocks setzt eine diesem innewohnende Frontstellung voraus. Diese ist aber in keiner Hinsicht und in keiner Richtung geplant. Kann es aber —und das ist eine wichtige Frage, die wir sehr ernst zu nehmen haben — hierdurch zu einer Spaltung der freien Welt kommen?
    Im Verlaufe des vergangenen Jahres, insbesondere aber in den letzten Wochen und Monaten ist von seiten einzelner EFTA-Länder erklärt worden, die politische Spaltung Europas sei unvermeidlich, wenn es nicht zu einer Lösung des EWG/EFTA-
    Problems komme. Von britischer Seite ist darüber hinaus sogar hier und da geäußert worden, in einem solchen Falle bestehe die Gefahr, daß auch die militärischen Bindungen auf dem Kontinent in Mitleidenschaft gezogen würden. Das wäre also die Spaltung der freien Welt, von der die SPD spricht.
    Dazu ist folgendes zu sagen. Wie Sie wissen, haben sich die Vereinigten Staaten zu verschiedenen Malen mit aller Autorität hinter das Projekt der EWG, und zwar gerade wegen ihrer politischen Struktur, gestellt.
    Die klarste Stellungnahme zu diesem Problem erfolgte durch den britischen Außenminister Selwyn Lloyd auf der Tagung des Europarats in Straßburg am 21. Januar 1960. Er erklärte, er müsse sich kategorisch gegen die Vorstellung wenden, daß Großbritannien gegen die Gemeinschaft der Sechs eingestellt sei. Großbritannien habe seinerzeit das Abkommen von Rom begrüßt, da eine starke, politische Einheit der Sechs besonders für Westeuropa, aber auch für Großbritannien gut sei. Selwyn Lloyd fügte allerdings hinzu, daß allen Beteiligten seinerzeit versichert worden sei, diese Abmachungen würden zu einer Freihandelszone führen.
    Ich habe nun darzulegen versucht, wie schwierig es ist, eine für alle Teile akzeptable Bedingung für eine derartige Lösung zu finden, daß aber praktisch der Wille, in konkreten Verhandlungen zu einer solchen Lösung zu kommen, allgemein vorhanden ist und heute sicherlich noch intensiver vertreten wird als vor anderthalb Jahren.
    Ich nehme die Worte des britischen Außenministers an dieser Stelle auf. Man kann heute sagen, es besteht kein Zweifel, daß die EWG eine liberale Handelspolitik verfolgt, daß sie keine protektionistische Gemeinschaft sein will und daß der Gedanke einer wirtschaftlichen Einheit Europas nicht durch die EWG ausgeschlossen ist, soweit in diesem Rahmen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft als Einheit akzeptiert wird. Kein Land Europas wird eine Einigung zwischen der EWG und den übrigen OEEC-Ländern mehr begrüßen als die Bundesrepublik. Sie ist vital an freundschaftlichen Beziehungen mit allen europäischen Ländern, ganz besonders aber mit England, interessiert.
    Niemand hat den Gedanken einer gesamteuropäischen Einheit klarer und eindeutiger formuliert als der französische Staatspräsident de Gaulle in seinen Reden in Westminster Hall in London, vor dem National Press Club in New York und in Ot-



    Dr. Birrenbach
    tawa. In London hat er in bezug auf das Verhältnis Frankreichs zu Großbritannien die Frage aufgeworfen, welche Länder in der Welt wohl so viele gemeinsame Interessen hätten wie Großbritannien und Frankreich. Darum müßten beide Schulter an Schulter stehen. In New York erklärte er, wenn eines unmöglich sei, dann sei das ein Wirtschaftskrieg innerhalb Europas. In Ottawa sagte er, das Schicksal Frankreichs und des Friedens der Welt hänge ab von Amerika und von dem gesamten Europa, de l'Europe toute entière.
    Wenn aber, wie Sie aus berufenem deutschem und französischem Munde ebenso wie aus dem Munde des britischen Außenministers gehört haben, alles getan werden soll, um eine Spaltung der freien Welt zu verhindern, dann sollten Sie in die Bundesregierung das Vertrauen setzen, daß diese alles in ihren Kräften Stehende tun wird, um eine derartige fatale Entwicklung zu verhindern. Nur eines kann sie nicht: sie kann nicht das Gesetz verleugnen, nach dem sie durch die Unterzeichnung der römischen Verträge angetreten ist. Der „point of no return", von dem in bezug auf den Außentarif gesprochen worden ist, war erreicht mit der Ratifikation der römischen Verträge, nicht erst heute.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Birkelbach.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Willi Birkelbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der bisherige Verlauf der Debatte zeigte, daß in bezug auf die Größenordnung des vor uns stehenden Problems und in bezug auf die Einschätzung-der Auswirkungen eine Übereinstimmung besteht. Ich brauche hier nicht auf die vergangenen Entwicklungen näher einzugehen. In den einführenden Darstellungen ist darauf überall ausreichend Bezug genommen worden.
    Aber es ist für uns wichtig, zu wissen, daß die Frage der wirtschaftlichen Blockbildung in Europa heute in ein kritisches Stadium getreten ist. Wir müssen dabei beachten, daß wir nicht nur unter handelspolitischen Gesichtspunkten, zum Beispiel wegen der Tatsache, daß die Bundesrepublik gegenüber den nordischen Ländern einen gewaltigen Ausfuhrüberschuß hat, ein besonderes Interesse daran haben müssen, zu einem Ausgleich zu kommen. Wir müssen beachten, daß die kleineren tins benachbarten Volkswirtschaften bei dem großen Anteil, den gerade die Handelsbeziehungen mit Deutschland haben, durch Fehlentwicklungen besonders stark betroffen würden. Wir liefern nach Schweden fast soviel wie nach Frankreich. Wir liefern nach Schweden soviel, wie alle anderen EWG-Länder zusammen nach Schweden liefern. Wir liefern nach Österreich dreimal soviel wie alle EFTA-Länder zusammen. Hier müssen wir erkennen, daß unsere Nachbarschaft uns verpflichtet.
    Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß die Art des Vorgehens der Europäischen Kommission in der Frage der Abkürzung der Fristen und auch das Verhalten der Bundesregierung in den vergangenen Jahren bei den Verhandlungen um die Möglichkeiten einer multilateralen Assoziation unsere Beziehungen zu einer Reihe von Ländern stark belastet haben und daß die Entwicklung in der Zukunft bedroht ist.
    Man kann nicht einfach damit zufrieden sein, daß man sagt: So braucht man das nicht einzuschätzen, es ist ja bisher nichts passiert. Ich habe hier eine Studie, die im Europa-Archiv bereits im November 1959 erschienen ist, eine Studie von Miriam Camps, in der eine englische Stellungnahme zum Ausdruck gebracht wird, die vielleicht deutlich macht, um was es geht. Hier heißt es:
    Zu Anfang der Verhandlungen um die multilaterale Assoziation verließ man sich vor allem auf die Bundesrepublik, die man als echten Befürworter der Freihandelszone hielt und von der man sich einen wirksamen und rechtzeitigen Druck gegen die Franzosen in Richtung auf ein gesamteuropäisches Abkommen versprach. Alle Versuche jedoch, die Franzosen durch Pressionen oder durch Isolierung zu beeinflussen, indem man andere Mitgliedsländer der EWG entsprechend einsetzte, blieben ganz offensichtlich erfolglos. Der Glaube, daß die deutsche Bundesregierung der Freihandelszone einen so großen Vorrang geben würde, daß schließlich doch ein gemeinsames Abkommen würde durchgesetzt werden können, erwies sich als unheilvoll optimistisch.
    Obwohl die Befürchtung von Verlagerungen im Handelsverkehr zweifellos in deutschen Industriekreisen Veranlassung gab, die deutsche Außenpolitik mit ihrer traditionellen und vorrangigen Förderung der französisch-deutschen Beziehungen allmählich anzuzweifeln, lassen jüngste Ereignisse in Deutschland vermuten, daß die Folge des wirtschaftlichen Druckes (oder die Furcht davor) eher zu angespannten Beziehungen zwischen Großbritannien und der Bundesrepublik führen wird als zu einer grundlegenden Änderung der deutschen Außenpolitik.
    Hier ist wirklich eine Frage, von einem bestimmten Kreis von Interessierten in Großbritannien zugespitzt worden, eine Zuspitzung, die wir selbst nicht akzeptieren wollen. Aber auf die Gefahr, die hier droht, müssen wir rechtzeitig aufmerksam machen. Das kann sich soweit zuspitzen, daß nachher mit normalen Mitteln keine Heilung mehr möglich ist.
    Auch die Äußerungen, die der Herr Präsident der Europäischen Kommission getan hat und in denen das ganze Problem eines möglichen Handelskrieges, wie es genannt wird, einer möglichen Blockbildung, ein wenig verharmlost wird, können uns nicht befriedigen. Er hat zum Beispiel in der Beratenden Versammlung des Europarates gesagt, er wolle den Staatsmann sehen, der die Verantwortung dafür übernehme, daß eine solche Gegeneinanderentwicklung Platz greife. Er wolle wissen, wie man einen verantwortlichen Staatsmann und Politiker in Europa finden könne — es gäbe ihn weder bei den Sechs noch bei den Sieben —, der so etwas wolle.



    Birkelbach
    Aber, meine Damen und Herren, darum geht es wirklich nicht. Es geht nicht allein um das, was die Staatsmänner wollen, sondern um das, was ihre Handlungen und Unterlassungen an Stimmungen, an Strömungen und an Verhaltensweisen auslösen, die dann wieder die Staatsmänner zwingen, diesen Stimmungen nachzugeben. Diese Gefahr sehen wir. Denn es hat in dieser Beziehung tatsächlich Unterlassungen und Fehlhandlungen gegeben. Ich muß das besonders betonen, weil ich selber als Redner in einer Plenarsitzung, in der wir uns vor nahezu zwei Jahren mit der Fragen der Freihandelszone befaßten, ausdrücklich festgestellt habe, daß man an dem guten Willen der Bundesregierung nicht zu zweifeln brauche. Ich halte dieses Zeugnis heute nicht mehr aufrecht. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, daß es hier zwar Deklamationen gibt, daß aber der behauptete Wille nicht mit dem entsprechenden Nachdruck durchgesetzt wurde.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich sehe, daß auch andere Beurteiler die Dinge in der gleichen Weise darstellen. Ich darf z. B. den Leiter der Schweizer Delegation bei den Verhandlungen über die EFTA, Herrn Hans Schaffner, zitieren, der in einem Aufsatz in „Außenpolitik" vom Februar 1960 sagte:
    Nachdem seit dem Zusammenbruch der großen Freihandelszonen-Verhandlungen im Dezember 1958 leider von den Ländern des Gemeinsamen Marktes und vor allem von seinen Institutionen keine überzeugenden Initiativen unternommen wurden, ...
    Wir müssen wissen: was ist wirklich ernsthaft getan worden, was ist über bloße Willensbekundungen hinaus geschehen? Ich will jetzt nicht die einzelnen Memoranden und die einzelnen Phasen diskutieren, die durch die Europäische Kommission festgehalten wurden. Das gehört der Vergangenheit an. Nunmehr kommt es darauf an, zu neuen Initiativen zu kommen. Ich glaube, daß tatsächlich nur pragmatisches Vorgehen in der jetzigen Situation überhaupt Aussicht darauf bietet, zu Fortschritten zu kommen. Es gilt, die Perspektiven herauszustellen, auf die auch Herr Minister Erhard eingegangen ist, nämlich folgendes klarzustellen. Man kann vielleicht jetzt noch einmal versuchen, mit Überbrückungsmaßnahmen, mit kurzfristigen Maßnahmen einige Zeit weiterzukommen, aber man muß wissen, wohin man gehen will. Will man wirklich die multilaterale Assoziation oder will man sie nicht? Wir sollten deshalb hier klarstellen, daß sowohl bei den kurzfristigen Verhandlungen und Lösungsvorschlägen wie auch bei den Perspektiven für das Weiterführende dem mächtigen Wirtschaftszusammenschluß der EWG gegenüber der EFTA Großzügigkeit in jeder Weise gut anstehen würde. Es kommt darauf an, die Position, die hier besteht, nicht ungebührlich zu strapazieren. Denn letzten Endes würden die Rückwirkungen unsere eigene Position treffen.
    Insofern erwarten wir auch — und das ist von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister Erhard angekündigt worden —, daß die nationalen Regierungen, speziell die Bundesregierung, sich als Regierungen verantwortlich fühlen und auf der Ebene der Minister und der Staatssekretäre die Verhandlungen führen und sie nicht wieder in sogenannten Sanitätsausschüssen versanden lassen, die nur versuchen, mit weißer Salbe ein wenig das zu überstreichen, was man sonst nicht verdecken kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich glaube, es muß aber noch ein anderes Wort gesagt werden; wir wollen nicht um die Dinge herumreden. Von Ihrer Seite, von den Regierungsparteien, wird immer der Vorrang der politischen Absichten, des politischen Zweckes der EWG vor den rein wirtschaftlichen Betrachtungsweisen betont. Sie sagen: Wenn hier der Kern eines sich einigenden Europas entsteht, dann lohnt es sich, auch Risiken und Opfer in Kauf zu nehmen.
    Nun, selbst wenn man das so sehen wollte, stellen sich zwei Fragen. Die eine lautet: Ist ,es dabei richtig, ,sein europäisches Verhalten immer dadurch zu beweisen, daß man ,sich als ,das Anhängsel eines anderen Partners betrachtet? Ist das richtig und darf das die Position ,der Bundesregierung sein?
    Dann die andere Frage: Darf man die institutionelle Seite so überbetonen? Ist dieses ständige Gerede von den sogenannten europäischen Errungenschaften, die ständige Absicht, das Formal-Supranationale mit Worten hervorzukehren, nicht eine sehr kurzsichtige Methode?
    Gehen wir diesen zwei Fragen doch ein wenig auf den Grund und denken wir ,dabei daran, ,daß es tatsächlich Entwicklungen gegeben hat, bei denen sich die Bundesrepublik zum Teil selbst ausschaltete! Wir haben das in der Vergangenheit gesehen und müssen ganz eindeutig feststellen: Für die Bundesrepublik spricht — das hat sich in .den vergangenen Verhandlungen und in all dem, was bisher getan worden ist, gezeigt — niemand von den Beauftragten, für die Bundesrepublik spricht nur ,der Regierungschef selber.
    Wir möchten ,deshalb gerne wissen, welche endgültigen Überlegungen der Regierungschef gerade in dieser Frage angestellt hat, wohin der Bundeskanzler seinen ganzen Einfluß geltend machen wird, was er unter Einsatz seiner eigenen Autorität unternehmen wird. Bisher haben wir feststellen müssen, daß bei den Besuchen aus ,den Hauptstädten und selbst bei Besuchen in einer Hauptstadt bei ,den Partnern zum Schluß doch so etwas wie eine Enttäuschung hängenblieb, nämlich die Enttäuschung darüber, daß man zwar geredet hatte, aber keine Festlegung erreichen konnte, um auch im Rahmen der Sechs die Autorität der Bundesrepublik voll zur Geltung zu bringen. Dieser Punkt darf nicht vernachlässigt werden.
    Der Bundestag hat einstimmig gewisse Entschließungen gefaßt. Ich habe der Beratenden Versammlung des Europarats angehört und gehöre noch dem Parlament der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft an. Ich muß sagen, daß bei der Behandlung der einstimmigen Empfehlungen des Bundestags an die Bundesregierung in mir so ein wenig das Gefühl aufkam, als sei ich hier überhaupt nur in einer



    Birkelbach
    „beratenden Versammlung" und als würden die Entscheidungen nicht durch das bestimmt, was dieses Parlament hier einmütig zum Ausdruck bringt.

    (Beifall bei der SPD. — Zustimmung rechts.)

    In den letzten Jahren ist nicht nur eine gewisse Zurückhaltung festzustellen, sondern die Partner wußten, daß man, wenn man mit der Bundesrepublik spricht, in Rechnung stellen muß, ,daß sie sich eigentlich letztlich einem anderen Partner anschließen wird. Wir müssen diese Frage an die Bundesregierung stellen. Das ist keine deutsch-französische Verständigung in echtem Sinne; denn es kann dabei sehr leicht dazu kommen, daß man in all diesen Fragen Leistungen erbringt, die eigentlich woanders und durch andere honoriert werden.
    Ich möchte dazu noch einmal Herrn Schaffner kurz zitieren. Er hat gesagt, daß die Entwicklung, insbesondere das Verhalten gewisser Regierungen im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, dazu geführt hat, daß man gewisse Allianzverpflichtungen durch wirtschaftliche Zugeständnisse honoriert. Ich ziehe daraus ,die Schlußfolgerung: Diese wirtschaftlichen Zugeständnisse, wenn Sie so wollen, z. B. im Zusammenhang mit der multilateralen Assoziation, können in Wirklichkeit bedeuten, daß sie andere, nämlich unsere benachbarten Volkswirtschaften und nicht wir selber bezahlen. Eine solche Entwicklung liegt nach meiner Ansicht durchaus nicht im deutschen Interesse. Hier stehen, wie ich sagte, nicht nur die deutschen handelspolitischen Interessen zur Diskussion, sondern auch die unserer Nachbarn. Wir müssen uns als die Mitbewahrer ,der gesamteuropäischen Gemeinsamkeit empfinden.
    Bei der Praxis, die ich beleuchtet habe, gibt es manche Nebengedanken, wenn sie vielleicht auch nicht in diesem Hause ausgedrückt werden. Sie gipfeln darin, daß man sagt: Lassen wir das ruhig in dieser Gemeinschaft so weiterlaufen; wir — die Deutschen — werden mit unserer großen Wirtschaftskraft am Schluß doch die Bestimmenden sein. Dabei wird sich dann herausstellen, daß tatsächlich ein gewisses Hegemonie-Denken nicht ausgestorben ist. Wir haben in der Montanunion unsere Erfahrungen gemacht und wissen, daß das nicht ins Blaue hinaus gesprochen ist. Dort hat man auch mit dem Begriff der Supranationalität operiert, und gerade zu dem Zeitpunkt, als sich herausstellte, daß sie, wie z. B. in Fragen des Kohlehandels und des Kohleimports, benötigt wurde, haben die beiden wichtigsten Partner den supranationalen Mechanismus sowohl im Ministerrat als auch in der Hohen Behörde durch gegenseitige Verabredung blockiert. Mit anderen Worten: sie haben gerade in dem Augenblick das weggenommen, was vorher mit Worten dauernd hervorgehoben worden war. Diese Verabredung hat letzten Endes dazu geführt, daß die Mitglieder der Hohen Behörde gerade zu einem Zeitpunkt in der Schwebe gelassen wurden, als es darauf ankam, in einer besonders schwierigen Situation einmal ihr besonderes Gewicht als Hohe Behörde in die Waagschale zu werfen.
    Warum bringe ich diesen Punkt vor? Weil ich eines klarmachen will: Die europäische politische
    Gemeinsamkeit ist kein Spiel mit Tricks; auch die deutsch-französische Verständigung nicht. Das Zueinander-Vertrauen-Gewinnen muß die entscheidende Rolle spielen. Das wirtschaftspolitische Handeln ist aufeinander abzustimmen und muß gemeinsam werden. Konkrete Situationen müssen erweisen, daß man gegenseitig füreinander steht. Das, was auch in der Europäischen Zahlungsunion ein besonderer Wert war — Herr Margulies hat dies ganz richtig betont —, muß sich hier in der Praxis fortsetzen und gewissermaßen eine europäische Verhaltensweise werden. Auf diese Art und Weise stärkt man auch die innere Disziplin der Partner, eine Disziplin, die praktisch, wenn sie gehalten wird, ein Beweis der Achtung vor dem anderen ist und die wir auch als einen echten europäischen Beitrag sehen wollen.
    Man schafft Präzedenzfälle, stärkt die Organe und Institutionen in ihrer Rolle, indem man so vorgeht. Mit anderen Worten: hier entsteht im Zusammenhang mit der Vertragsautomatik ein nicht beliebig umkehrbarer Prozeß. Nicht ein Punkt wird erreicht, sondern ein Prozeß wird in Gang gesetzt, der weiter wirkt und dazu führt, daß man ihn zusätzlich in Regeln fassen kann. Damit haben Sie die echte Gemeinsamkeit, nicht etwa, indem Sie das einfach niederschreiben und glauben, damit sei es allgemeines europäisches Besitztum geworden.
    Meine Damen und Herren, zu dieser Art Disziplin gehört auch das ernsthafte Vertreten legitimer eigener Interessen, das Inrechnungstellen der Interessen jener Länder, die nicht völlig frei in ihrem Handeln sind. Hier ist auf Osterreich und Finnland bereits hingewiesen worden. Wir glauben, daß sich ein solches Verhalten auch in Übereinstimmung mit der Absicht befindet, die Gemeinschaft der Sechs zu fördern. Wir halten im Prinzip die Absicht der Europäischen Kommission für richtig, die günstige Konjunkturlage, die augenblicklichen psychologischen Gegebenheiten in erster Linie auf seiten der französischen Industrie zu benützen, um zu einem niedrigeren Außenzolltarif zu kommen.
    Es geht bei der Auseinandersetzung in erster Linie um die Methode, um das „Wie" und — wie ich glaube—auch um den Zeitfaktor und um das Inrechnungstellen der Außenwirkung. Wir können betonen, daß die Entstehung des Gemeinsamen Marktes anregend, intendierend auf die Wirtschaften gewirkt hat. Wir wollen den Willen bestätigen, daß auch durch weitere Maßnahmen diese Entwicklung in Gang bleibt, und zwar, weil wir glauben, daß das nicht nur im Interesse der Sechs segensreich sein wird, sondern weil wir glauben, daß ein hohes Niveau der Nachfrage in diesem großen Wirtschaftsbereich gleichzeitig auch ein guter Beitrag für die Entwicklungsländer, für die Rohstoffländer ist. Dadurch sehen auch unsere Nachbarn ihre Wirtschaften entsprechend befruchtet.
    Es gibt neben den Zollveränderungen einige wichtige Wirtschaftsfaktoren, die über die Grenzen hinweg günstig beeinflußt werden. Das ist -Gott sei Dank ermöglicht durch die OEEC — in den letzten Jahren in erster Linie der Fremdenverkehr. Wir können also, wenn wir

    Birkelbach
    diese Gemeinschaft wollen und dahin kommen wollen, daß sie einen aktiven Beitrag auch zur europäischen Vereinigung und zum europäischen Zusammenwachsen leistet, immer wieder betonen, daß dann auch die Wirtschaften der Nachbarn Vorteile haben werden und daß es nicht nur negative Auswirkungen auf sie gibt.
    Wenn wir aber diese Gedanken voranbringen wollen, müssen wir sie miteinander verbinden unter dem Gesichtspunkt, daß wir diese Länder an uns heranziehen, wobei wir ihre eigenen Interessen berücksichtigen und ihnen nicht nur als eine Art Abspeisung sagen: Bitte, da habt ihr ja schon einen gewissen Vorteil; warum beschwert ihr euch über den Rest?
    Wir deutschen Sozialdemokraten können uns nicht vorstellen, daß jemand seinerzeit bei der Verabschiedung des Vertrages diesen Außentarif ohne große Diskussion hingenommen hätte, wenn er von vornherein davon überzeugt gewesen wäre, daß es zu keiner Freihandelszone und zu keiner Zusammenarbeit auf der europäischen Ebene kommen würde. Man hätte dann eine ganz andere Zolldiskussion gehabt. Hier geht es nicht nur um eine Frage des guten Glaubens, sondern um eine Frage der realen Interessen. Die feste Fundierung ergab sich doch daraus, daß hier zweierlei zusammenfiel: auf der einen Seite wollte man etwas Reales, und auf der anderen Seite schien es im natürlichen Gang der Entwicklung zu liegen, daß man zu einer solchen Institution kam.
    Jetzt sind wir sicher an einem kritischen Punkt. Durch die Kombinierung der 20%igen Binnenzollsenkung mit der vorzeitigen Annäherung an den Außentarif wird praktisch die erste richtige zollpolitische Schwelle überschritten. Das, was bisher geschehen ist, konnte man so als ein allmähliches Übergehen ansehen. Aber die jetzige Aktion, das, was hier ins Auge gefaßt ist, ist mehr als ein erweiterter Übergang. Das ist etwas Neues. Hier treten neue Faktoren in Erscheinung.
    Es geht hier wiederum nicht nur um das Binnenpreisniveau bei uns, sondern auch um die Chancen des Absatzes an unsere Nachbarländer. Hier gibt es genügend Zahlen und Unterlagen, die erkennen lassen, daß diese Länder unter Umständen außerstande sein würden, das zu bezahlen, was sie bisher mit ihren eigenen Lieferungen an uns bezahlt haben. Denn sie können den Außenzoll ja nicht beliebig überspringen. Wenn dann der Osten als Nachfrager auftritt, ist die Folge auf diesem Gebiet unter Umständen viel eher eine Schwächung Gesamteuropas im Verhältnis zum Osten als eine Stärkung.
    Ich bin froh, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister hier nicht jenes schöne Zahlenspiel erneuert hat, das auch von seinem Ministerium betrieben worden ist. Da wurde gesagt, die Belastung werde im Durchschnitt nur so und so hoch sein, und das Bundesfinanzministerium gab uns dann andere Zahlen. Ich bin froh, daß der Bundeswirtschaftsminister das nicht getan hat. Denn dieses Zahlenspiel erinnert tatsächlich an jene Anekdote von dem Kapitän eines Schiffes, das auf dem Meer hilflos den Wellen preisgegeben ist - es ist ein richtiger Sturm -, der versucht, die Mannschaft und die Passagiere dadurch zu trösten, daß er sagt: Man braucht keine Befürchtungen zu haben; rein statistisch gesehen gibt es hier eine ganz glatte See, denn Wellentäler und Wellenberge heben sich gegenseitig auf.

    (Heiterkeit.)

    So mußte man auch diese Statistik etwa sehen. Herr Wirtschaftsminister Erhard hat ja versucht, ein wenig illustrierend die einzelnen Sektoren herauszustellen, und hat gesagt: Darauf kommt es doch an!
    Abgesehen von den einzelnen Sektoren müssen wir aber nach meiner Auffassung weitere Untersuchungen anstellen. Wir müssen auch die Interessen der anderen Länder, ihre empfindlichen, ihre neuralgischen Punkte kennenlernen und sie im Detail studieren, um zu wissen, welche Angebote wir machen können. Wir wollen nicht nur auf die Forderungen warten. Hier greife ich das Wort auf, das der Bundeswirtschaftsminister über die Zöllner gesagt hat. Hier gibt es eine alte Tradition des „Gibst du mir ein Prozent, gebe ich dir ein Prozent", ohne daß man wirklich weiß, welche Auswirkungen das haben wird, ohne daß man einen Vorgriff macht. Das ist hier noch so etwas wie ein echtes Geschäftemachen auf kleinerer Ebene. Ich habe manchmal nicht so sehr die Zöllner als vielmehr die Finanzminister in Verdacht, die nach meiner Auffassung in vielen Ländern — es braucht in der Bundesrepublik nicht so zu sein — der Ansicht sind: Kleiner Umsatz und großer Nutzen ist viel besser als großer Umsatz und kleiner Nutzen; auch der kleinere Umsatz bringt dann ja genügend ein.
    Wir sind daran interessiert, daß auf dem Gebiet der Zollsätze nicht nur diese Einzelpunkte untersucht werden. Wir müssen auch untersuchen: Wie sieht es denn in unserem eigenen Lande aus? Haben wir nicht Regionen, die besonders betroffen sein können? Haben wir nicht in der Nähe der Zonengrenze Gebiete, die sich erst einmal auf ihr neues Hinterland zu integrieren mußten, nachdem sie sich ihre früheren traditionellen Handelswege nicht mehr offenhalten konnten? Sie integrieren sich nun unter Umständen auf einem erhöhten Außenzoll. Sie müssen dann wieder umintegrieren, wenn nach den Worten großer Europäer „die Gemeinschaft erwachsen ist". Sie müssen aber dann noch mehr leisten, wenn es wieder in die andere Richtung geht. Gerade für diese Gebiete ist ein besonderes Wort am Platze.
    Ich glaube, ich brauche jetzt nicht über die Agrarpolitik zu sprechen. Aber eines muß ich sagen: man weiß noch gar nicht, welche Art von Agrarpolitik herauskommen wird. Unsere Nachbarländer — nehmen wir z. B. Dänemark —, mit denen wir auch zollpolitisch zu verhandeln haben, könnten das Gefühl haben, hier würden sie abschnittsweise geschädigt, d. h. einmal über die Zollsätze und später noch einmal über die Landwirtschaftspolitik; es ginge ihnen also so wie dem Hund, dem man den Schwanz stückweise abgehauen hat, damit es nicht so weh tat. Wir müssen beachten, daß unsere Nachbarn ein gewisses Interesse daran haben, zu wissen, wo die Bundesrepublik wirklich steht.



    Birkelbach
    In diesem Zusammenhang können wir unsere Befriedigung darüber zum Ausdruck bringen, daß wenigstens einige Partner in der EFTA den Willen deutlich erkennen lassen, ihren eigenen Außenzoll im Rahmen der EFTA zu harmonisieren und zu Regelungen zu kommen, die dann den Brückenschlag zu einer multilateralen Assoziation erleichtern. Es wäre richtig, daß wir bei der Verwirklichung der pragmatischen Lösungen immer einen Druck auf den Außenzoll ausübten und erkennen ließen, daß wir in diesem Angebot, den Außenzoll um 20 % zu senken, tatsächlich nicht das Letzte sehen, was herausgeholt werden kann. Ob hier konsolidiert wird, sollte für uns keine Frage sein; wir müssen da als von einer absoluten Zusage ausgehen.
    Darüber hinaus muß es bei den Gesprächen auf der höchsten Ebene noch neue Initiativen geben. Wir dürfen nicht einfach weiterhin die Praxis zulassen, Daten zu setzen, neue Tatbestände zu schaffen, sie bekanntzugeben und zu sagen: die anderen mögen nun herankommen. Die Bundesrepublik muß ihren eigenen Beitrag leisten. Wir müssen dabei natürlich nicht nur die Interessen der europäischen Länder, sondern auch die Interessen der Vereinigten Staaten und überhaupt aller handeltreibenden Nationen in Betracht ziehen. Aber wir sollten betonen, daß es neben der EWG, neben dieser Gemeinschaft noch besondere spezifische europäische Formen der Zusammenarbeit geben muß, die durchaus nicht im Widerspruch mit den Interessen der Vereinigten Staaten und Kanadas zu stehen brauchen, wenn wir sie als Partner im Rahmen dieser neuen OEEC-Gespräche vor uns sehen.
    Ich möchte nun zum Schluß kommen. Wir konnten in dieser Debatte natürlich nicht alle Probleme behandeln, die bei einer solchen Verkürzung der Fristen neues Gewicht gewinnen, wie z. B. Möglichkeiten der Kartellkontrolle, die Wettbewerbsverzerrungen, die sich aus den Verkehrstarifen, aus den unterschiedlichen Steuersystemen und all dem ergeben. Hier muß ein Überblick geschaffen werden. Natürlich brauchen wir auch eine besondere Förderung der Absichten, zu einer gemeinsamen Konjunkturpolitik zu kommen. Wir müssen dahin kommen, daß die arbeitende Bevölkerung, daß überhaupt alle in diesem Bereich und auch darüber hinaus die Sicherheit haben, daß ihnen die Wirtschaft in diesem Rahmen auf die Dauer eine angemessene Existenzgrundlage bieten wird und daß sie abgeschirmt werden vor den Risiken, die auftreten können. Ich weise nur darauf hin, daß die Geschäftsordnung des Europäischen Sozialfonds durchaus noch in der Schwebe ist, daß wir noch gar nicht wissen, welche Gestalt sie annehmen wird. Wir hoffen, daß die Bundesregierung sich in einer Richtung einsetzen wird, bei der es möglich ist, das Risiko der Arbeitnehmer abzufangen.
    Meine Damen und Herren, wir wollten mit unserem Beitrag aufzeigen: Es gibt zwar eine Bekundung des guten Willens, es gibt sogar einstimmig angenommene Resolutionen. Aber es ist mehr erforderlich als nur gute Vorsätze, es müssen wirklich die Taten folgen. Nach ihren Taten werden wir die Handelnden beurteilen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP.)