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ID0310405600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 104. Sitzung Bonn, den 19. Februar 1960 Inhalt: Fragestunde (Drucksache 1609) Frage des Abg. Schmidt (Hamburg): Zahl der sogenannten Fast-Zusammenstöße im Luftraum der Bundesrepublik Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 5621 A, C, 5622 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 5621 B, D, 5622 A Frage des Abg. Schmidt (Hamburg) : Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Flugsicherungsdienststellen Dr. Seiermann, Staatssekretär 5622 A, C, D Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 5622 C, D Frage des Abg. Kalbitzer: Entfernung der in den Hamburger Postämtern ausliegenden Adreßbücher Dr.-Ing. E. h. Herz, Staatssekretär 5623 B, C, D Berkhan (SPD) 5623 C, D Frage des Abg. Hansing: Bezahlung von Hausarbeitstagen der weiblichen Beschäftigten bei der Standortverwaltung Bremen Hopf, Staatssekretär . . . . . 5624 B Hansing (SPD) 5624 C Frage des Abg. Dr. Bucher: Verkehrsunfälle bei den Manövern in der Oberpfalz Hopf, Staatssekretär . . 5624 C, 5625 A Dr. Bucher (FDP) 5625 A Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Früherer Adjutant des Inspekteurs der Luftwaffe, Gliga Hopf, Staatssekretär 5625 B Frage des Abg. Dr. Bechert: Einsetzung von Mitteln im Haushalt 1960 für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet des Haltbarmachens von Lebensmitteln Dr. Cartellieri, Staatssekretär . . . 5625 D, 5625 B, C Dr. Bechert (SPD) . . . . 5626 A, B, D Frage des Abg. Dr. Bechert: § 1 der Lebensmittelverordnung über die Behandlung von Lebensmitteln mit Elektronen-, Gamma- und Röntgenstrahlen oder ultravioletten Strahlen Dr. Cartellieri, Staatssekretär . . . 5627 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Februar 1960 Entwurf eines Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) (Drucksache 1509) — Erste Beratung — Dr. Schröder, Bundesminister . . . 5627 B Dr. Even (Düsseldorf) (CDU/CSU) . 5635 C Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . . . 5638 D Dr. Bucher (FDP) 5643 B Wacher (CDU/CSU) 5646 C Dr. Schneider (Lollar) (DP) . . . . 5650 C Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 5653 A Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . 5654 C Nächste Sitzung 5655 C Anlage 5657 Deutscher Bundestag — 3, Wahlperiode - 104. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Februar 1960 5621 104. Sitzung Bonn, den 19. Februar 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.05 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 2. Dr. Atzenroth 19. 2. Bauereisen 5. 3. Benda 19. 2. Frau Berger-Heise 27. 2. Birkelbach 19. 2. Dr. Birrenbach 19. 2. Blachstein 19. 2. Brand 19. 2. Brüns 2. 7. Dr. Bucerius 19. 2. Dr. Dahlgrün 19. 2. Dehringer 19. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 19. 2. Drachsler 19. 2. Eberhard 27. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Eilers (Oldenburg) 19. 2. Dr. Elbrächter 19. 2. Even (Köln) 29. 2. Dr. Friedensburg 19. 2. Frau Friese-Korn 27. 2. Fritz (Welzheim) 19. 2. Dr. Furler 19. 2. Frau Dr. Gantenberg 19. 2. Geiger (Aalen) 19. 2. Geiger (München) 19. 2. Dr. Gleissner (München) 19. 2. Glüsing (Dithmarschen) 19. 2. Dr. Gradl 19. 2. Dr. Greve 15. 4. Dr. Gülich 16. 4. Haage 19. 2. Dr. von Haniel-Niethammer 19. 2. Hellenbrock 19. 2. Hermsdorf 19. 2. Dr. Hesberg 19. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 20. 2. Horn 19. 2. Hübner 19. 2. Jacobs 7. 3 Jahn (Frankfurt) 23. 4. Jaksch 19. 2. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Jordan 19. 2. Kalbitzer 19. 2. Killat (Unterbach) 19. 2. Frau Klemmert 15. 5. Knobloch 19. 2. Koch 19. 2. Leber 26. 2. Leukert 19. 2. Dr. Leverkuehn 25. 2. Dr. Lindenberg 19. 2. Lücker (München) 19. 2. Ludwig 19. 2. Lulay 29. 2. Maier (Freiburg) 16. 4. Mühlenberg 19. 2. Müller (Worms) 19. 2. Müser 20. 2. Odenthal 19. 2. Pietscher 26. 2. Frau Dr. Probst 19. 2. Rademacher 19. 2. Ramms 19. 2. Dr. Ratzel 19. 2. Frau Renger 19. 2. Dr. Rüdel (Kiel) 19. 2. Scheel 19. 2. Dr. Schild 19. 2. Schlick 20. 2. Schneider (Hamburg) 19. 2. Schütz (Berlin) 19. 2. Seidl (Dorfgin) 19. 2. Spitzmüller 8. 3. Dr. Starke 19. 2. Dr. Steinmetz 19. 2. Struve 19. 2. Dr. Toussaint 19. 2. Wagner 19. 2. Wehr 23. 4. Welslau 19. 2. Frau Welter (Aachen) 27. 2. Wendelborn 19. 2. Werner 24. 2. Dr. Willeke 1. 3. b) Urlaubsanträge Gehring 25. 2. Krug 23. 2. Storch 27. 2.
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    Herr Präsident, darauf wollte ich gerade kommen. Im Hause sind wir heute morgen eigentlich nur in einem kleinen auserlesenen Kreise versammelt. Ich schätze, daß nicht mehr als 15 % der Mitglieder des Hohen Hauses hier sind.

    (Abg. Rösing: Die anderen kommen noch, Herr Minister!)

    — Ich kann nur Feststellungen treffen. Wir werden uns aber Mühe geben, für jene anderen, die nicht hier sind, gleichzeitig alle Fragen mit zu bedenken.
    Erlauben Sie mir, ganz offen zu sagen: An solchen Tagen empfindet man sehr, daß wir uns vielleicht doch dazu entschließen sollten, die räumlichen Verhältnisse hier ähnlich denen des britischen Unterhauses zu gestalten, die es sehr viel angenehmer machen, im vertrauteren Kreise zusammen zu sein. Vielleicht entschließt sich das Hohe Haus eines Tages dazu.


Rede von Dr. Carlo Schmid
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Herr Minister, ich nehme an, Sie wollten das Haus nicht kritisieren. Sie wollten wohl nur Ihrer Betrübnis, ja Trauer Ausdruck verleihen.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Herr Präsident, Trauer ist ein vielleicht zu starkes Wort. für das, was mich bewegt. Aber in meinen Ausführungen bringe ich vielleicht gewisse Unterschiede zwischen dem, was ich als Bundesminister des Innern und als Abgeordneter sage. Bitte, seien Sie so freundlich, einige meiner Bemerkungen unter die Kategorie „Abgeordnetenbemerkungen" zu bringen.

    (Abg. Metzger: Das ist aber schizophren!)

    - Nein, das ist gar nicht schizophren. Ich bemühe mich gerade, diese Eigenschaften, was man in der Tat lernen muß — Sie, meine Damen und Herren von der Linken, werden das ja vielleicht eines Tages auch lernen können —, schön miteinander in Einklang zu bringen. Das ist nicht immer ganz leicht, aber es ist erlernbar.

    (Abg. Metzger: Das ist der große Fehler des Herrn Bundeskanzlers!)

    — Lieber Herr Kollege Metzger, ich kann nicht unentwegt den Herrn Bundeskanzler verteidigen.

    (Abg. Metzger: Das wäre auch viel zu schwer!)

    Ich hoffe, daß er bald gesund zurück ist. Dann werden Sie von neuem Ihre Freude an ihm haben und nicht mit mir vorlieb nehmen müssen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, das Parteiengesetz ist aus der öffentlichen Diskussion schon lange bekannt. Ich möchte heute morgen einmal einige Bemerkungen zum Werdegang des Gesetzes machen. Es ist eigentlich seit mehr als zehn Jahren in der Diskussion, seit damals der Parlamentarische Rat den

    Bundesinnenminister Dr. Schröder
    Art. 21 des Grundgesetzes geschaffen hat; einen Artikel, von dem ich gleich sagen möchte, daß er im wesentlichen bereits durch andere gesetzliche Bestimmungen ausgefüllt worden ist. Was wir jetzt im Parteiengesetz vorschlagen, ist sozusagen das letzte Stuck der Ausführung von Art. 21 des Grundgesetzes. An diesem Gesetz ist auch tatsächlich bei nahe zehn Jahre lang gearbeitet worden, natürlich nicht ohne Unterbrechung — um nicht den Eindruck zu erwecken, daß wir zehn Jahre nichts anderes getan hätten, als pausenlos an dem Parteiengesetz zu arbeiten. Sie kennen das Maß gesetzgeberischer Arbeit, das wir in jenen .Jahren zu bewältigen hatten, sehr genau aus Ihrer eigenen Mitwirkung. — Ich darf einmal einen kurzen Abriß der Entwicklungsgeschichte geben.
    1950 wurden im Bundesministerium des Innern die ersten Entwurfsarbeiten geleistet. 1951 haben Ressortbesprechungen und Beratungen mit den Ländern stattgefunden, und schließlich ist im Jahre 1951 der erste Entwurf eines Parteiengesetzes im Bundeskabinett behandelt worden. Im Jahr 1952 ist der zweite Entwurf eines Parteiengesetzes ins Kabinett gelangt. Dabei stellte sich heraus, daß die Materie doch wesentlich schwieriger sei, als man zunächst angenommen hatte, daß sie überdies vielschichtiger und verwickelter sei und daß man doch weitere eingehende Überlegungen werde anstellen müssen, was dann auch geschah.
    Zwischen 1953 und 1955 hat es eine gewisse Unterbrechung an diesen Arbeiten gegeben, nicht etwa — ich bin ganz sicher, daß Sie Ihre Termin- und l Zeitkalender sorgfältig prüfen werden — weil ich damals ins Amt kam und das Parteiengesetz als nicht sonderlich wichtig empfunden hätte, sondern weil wir damals, wie Sie sich entsinnen, in intensive Auseinandersetzungen über das Wahlrecht verstrickt waren, und natürlich gehörten das Wahlrecht und die Wahlrechtsreform vor das Parteiengesetz. Ich habe damals eine Kommission zur Vorbereitung des Wahlrechts berufen. Später ist das Wahlgesetz verabschiedet worden, wie Sie noch in Erinnerung haben. Den engen Zusammenhang zwischen Wahlrecht und Parteienrecht brauche ich nicht darzulegen.
    Ich habe dann im Einvernehmen mit dem Bundeskabinett Ende 1955 eine Parteienrechtskommission berufen, die den Auftrag haben sollte, die politischen, soziologischen und rechtlichen Grundlagen des Parteienwesens wissenschaftlich zu durchleuchten. Über diese Kommission ist das Hohe Haus genau im Bilde. Sie hat schließlich einen Bericht ererstattet unter der Überschrift „Rechtliche Ordnung des Parteienwesens". Das ist eines jener wenigen Regierungsdokumente, die es sogar zu einer zweiten Auflage gebracht haben, weil die Nachfrage danach sehr groß war. Die Kommission war in besonderer Weise zusammengesetzt. Sie reichte von den Historikern über die Philosophen zu den Verfassungsjuristen und zu den Vertretern des Faches Politische Wissenschaft und bis hinein in die Publizistik. Man muß heute wieder einmal sagen, daß der Bericht, den jene Kommission geliefert hat, einen außerordentlichen Beitrag zur Durchleuchtung dieses Teils unseres Verfassungslebens darstellt. Jedenfalls sind Notwendigkeit und Nutzen dieser Schrift von allen Seiten anerkannt worden. Diese Schrift bildet eine wesentliche Grundlage für den Entwurf, und ich bin ganz sicher, daß sie auch eine Grundlage oder, sagen wir einmal, eine Hilfe für die künftigen Gesetzesverhandlungen sein wird.
    1958 sind die Entwurfsarbeiten wiederaufgenommen und dann recht schnell, etwa in einem reichlichen halben Jahr, abgeschlossen worden. Im Mai 1959 ist das Parteiengesetz durch die Bundesregierung verabschiedet, im August ist es dem Bundesrat zugeleitet worden, und es liegt dem Hohen Hause, wenn ich nicht irre, seit Dezember vor.
    Das ist also ein Überblick über eine beinahe zehnjährige Vorgeschichte. Ich glaube sagen zu dürfen, daß sich die lange Wartezeit in diesem Falle wirklich gelohnt hat. Die Erfahrungen einer langjährigen Aufbauarbeit und die Erfahrungen aus der Wirksamkeit der Parteien konnten jetzt ausgewertet werden. Die Kommission hat sich im übrigen — um das hier einzuschieben — sehr große Mühe darum gegeben, auch die Wirklichkeit der Parteien zu erforschen. Sie hat eine Menge Unterhaltungen und Diskussionen darüber mit den hervorragendsten Vertretern der verschiedenen Parteien gehabt. Die Wissenschaft und besonders die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben eine Reihe grundsätzlicher Fragen des Parteienrechts weitgehend geklärt, so daß man, glaube ich, heute sagen kann: die ganze Materie ist für eine gesetzgeberische Regelung nunmehr wirklich reif geworden.
    Das Parteiengesetz gehört zu jenen Gesetzen, über deren wünschenswerten Inhalt sehr verschiedenartige Vorstellungen bestehen. Nachdem ich im Bereich der politischen Gruppen über diese Fragen einmal etwas unmittelbarer gesprochen habe, muß ich sagen: das Interesse an den Organisationsfragen und an den Fragen der Rechenschaftslegung ist lange nicht so groß wie das Interesse an der für die Parteien wirklich brennenden Frage, wo eigentlich das Geld für ihren ständig wachsenden Bedarf herkommen soll. Über die Frage, woher das Geld für diese Arbeit kommen soll, sagt das Gesetz im einzelnen nichts.

    (Abg. Dr. Schneider [Lollar] : Leider!)

    - Der erste Zwischenruf „Leider" ist schon gefallen,
    und das wird mir Anlaß geben, nachher vielleicht noch einmal Ihnen meine Auffassung - ich kann da allerdings nicht verbindlich für die Bundesregierung sprechen — darüber zu sagen, wo das Geld für die Parteien herkommen sollte.
    Das Gesetz, das Ihnen nun im Entwurf vorliegt, ist nicht den praktischen Notwendigkeiten des Tages oder etwa reinen Zweckmäßigkeitserwägungen entsprungen, sondern stellt die Ausführung eines Verfassungsauftrages dar. Deshalb ist die Frage seiner Notwendigkeit, die Frage, ob man dieses Gesetz überhaupt braucht, und die Frage seiner Zweckmäßigkeit kein Diskussionspunkt. Der Verfassungsauftrag muß ausgeführt werden. Es geht also nicht mehr um das Ob, sondern es geht nur noch um das Wie seiner Ausführung, das Wie, das



    Bundesinnenminister Dr. Schröder
    allerdings eine große Spannweite von Möglichkeiten umfaßt.
    lch stelle nun die einzelnen Fragen zusammen. Die erste Frage ist die, welche Bedeutung dieses Gesetz im System der gesamten Rechtsordnung hat. Auf diese Frage ist zu antworten, daß es sich um die Ergänzung des Grundgesetzes in einem seiner wichtigsten Bestandteile handelt. Das Parteiengesetz stellt ähnlich wie das Wahlgesetz ein wesentliches Stück Verfassungsrecht dar. Von dem schwierigen Kapitel, mit dem wir uns in einigen Wochen beschäftigen werden, dem Kapitel der Notstandsgesetzgebung abgesehen, ist das Parteiengesetz das letzte noch ausstehende Gesetz verfassungsrechlichen Inhalts. Mit ihm kommt der Aufbau der verfassungsmäßigen Ordnung, wie sie dem Grundgesetzgeber vorgeschwebt hat, im wesentlichen zum Abschluß.
    Die zweite Frage ist die nach der Bedeutung des Gesetzes in tatsächlicher Hinsicht. Die Antwort darauf ergibt sich in einer Parteiendomokratie allein schon aus dem Gegenstand. Das politische Wollen des Volkes kann nur über die Parteien Eingang in die staatliche Willensbildung finden und nur so zu politischer Wirklichkeit werden. Das Schicksal von Volk und Staat hängt in unserer Zeit weitgehend von Wesensart und politischer Gestaltungskraft der Parteien ab.
    Die dritte Frage in diesem Zusammenhang ist die Frage nach der Bedeutung des Gesetzes im Hinblick auf künftige Entwicklungen. Hierzu ist folgendes zu sagen. Sie werden sich darüber klar sein oder im Laufe der Erörterungen darüber klarwerden, daß der Entwurf völliges Neuland betritt; denn es gibt — das zu wissen ist wichtig — im Ausland keine Parteiengesetze. Die Beachtung des Experiments, das zu unternehmen wir uns hier anschicken, geht über die deutschen Grenzen hinaus. Man ist dort durchaus gespannt darauf, ob es uns gelingen wird, etwas Praktikables zu schaffen.
    Neuland betritt das Gesetz auch in allgemeiner verfassungspolitischer Hinsicht. Das bisherige Verfassungsrecht war im wesentlichen auf die Ordnung der eigentlichen Staatsorganisation und die Regelung des Verhältnisses von Staat und einzelnem beschränkt. Aber in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts ist es das Hauptproblem der Staatskunst, Ordnung in das Beziehungssystem Staat, Parteien, Verbände und Individuum zu bringen. So wie wir es sehen, ist das Parteiengesetz ein erster Schritt in dieser Richtung.
    Ich komme nun zu einem anderen Gedankenkreis, den Vorstellungen und Erwartungen zum Parteiengesetz. Ich habe das schon kurz angesprochen. Die gesetzgeberischen Bemühungen der Bundesregierung in den Anfangsjahren waren überwiegend durch das Bestreben nach formalrechtlicher Fixierung des bisher völlig freien, ungeregelten Parteiwesens gekennzeichnet. Erst später sind zunehmend materielle und konkrete Forderungen an das Gesetz gestellt worden. Die sehr verschiedenartigen Vorstellungen über Zweck und Inhalt des Gesetzes sind dabei weit auseinandergegangen. Man hat z. B. gedacht an die Institutionalisierung der Parteien im Bereich des öffentlichen Rechts, an die Steigerung ihres öffentlichen Ansehens und ihrer Anziehungskraft, an die Belebung des inneren Parteilebens durch Demokratisierung und schließlich an die Beseitigung innerparteilicher Konfliktstoffe. Man hat auch — ich habe das soeben schon erwähnt an die sogenannte ideale Parteifinanzierung gedacht, an die Beeinflussung der Erfolgschancen der Parteien durch gezielte gesetzliche Regelungen im Bereich der Rechenschaftslegung usw.
    Die letzten Erwägungen haben die oppositionellen Kreise etwas mehr bewegt. Das ist hier etwas diplomatisch formuliert. Ich will es jetzt einmal etwas weniger diplomatisch ausdrücken: Auf vielen Seiten bestanden Erwägungen, daß es schon ein bedeutender eigener politischer Erfolg wäre, wenn es gelänge, die Geldquellen des politischen Gegners zum Versiegen zu bringen. Diese oppositionellen Betrachtungen sind natürlich meilenweit entfernt von dem, was einem richtig aufgefaßten Parteiengesetz zugrunde gelegt werden kann. Das Parteiengesetz ist nicht ein Stück Klassenkampf, nicht ein Stück klassenkämpferischer Betrachtung zwischen Armen und Reichen, wo Sie als die heutigen Reichen uns als die inzwischen Armen sogar noch als die früher angeblich Reichen attackieren. Das Parteiengesetz muß sich aus diesen allzu polemischen zwischenparteilichen Betrachtungen herausheben. Es ist tatsächlich so gewesen, daß es bis zum Erscheinen des Regierungsentwurfs in der Öffentlichkeit kein klares Bild über den richtigen Inhalt eines Parteiengesetzes gegeben hat. Insoweit hat -- das muß man einmal sagen, auch wenn das kein Thema ist, von dem die große Öffentlichkeit viel verstehen kann — der Regierungsentwurf zum erstenmal den Versuch gemacht, etwas darzustellen, was es vorher überhaupt noch nicht gegeben hat, nämlich ein Gesetz über die Parteien.
    Was ist nun die Grundtendenz des Entwurfs? Ich glaube, es ist eine Pflicht des Gesetzgebers, die Dinge gegenüber vielfach gehegten Erwartungen nüchtern zu betrachten. Es darf hier keine Überspannung in Zielsetzung und Regelung geben. Es gibt eine Pflicht, die gewachsene Wirklichkeit anzuerkennen, tatsachenbedingte Notwendigkeiten zu berücksichtigen, natürlichen Entwicklungen Spielraum zu lassen und die Möglichkeiten nicht zu übersehen, die außerhalb der Gesetzgebung für die Erreichung bestimmter staatspolitischer Ziele bestehen.
    Die Parteien — und wer wüßte das nicht, der sie aus langer eigener Mitarbeit kennt — sind ein empfindliches und sogar gefährliches Objekt der Gesetzgebung. Die Parteien sind nicht nur als Organisationen anzusehen, sondern wir haben bei ihnen gleichzeitig die Gefahr gesamtpolitischer Fehlentwicklungen zu bedenken, die eine unüberlegte Gesetzgebung verursachen könnte. Die Parteien und das Gesetz über die Parteien sind auch keine geeigneten Gegenstände für Experimente. Wir müssen uns der Notwendigkeit der Erkenntnis bewußt sein, daß der erste Versuch gesetzlicher Regelung des Parteiwesens nicht in jeder Beziehung endgültig sein kann. Es mag durchaus sein — das sage ich gleich



    Bundesinnenminister Dr. Schröder
    von vornherein —, daß sich an Hand späterer Erfahrungen manche Korrekturen ergeben.
    Aus diesem Grunde sind drei Forderungen vorweg zu stellen.

    (Anhaltende Unruhe.)