Ich bin sicher, daß bei Einführung einer solchen Regelung die Zahl der Frauen, die zum Arzt gehen, rückläufig sein wird, und zwar aus den von mir angeführten Gründen.
Der Herr Bundesarbeitsminister würde dann diese Tatsache sehr wahrscheinlich als einen Erfolg seiner Politik herausstellen. Herr Bundesarbeitsminister, ich würde Sie urn diesen Erfolg ganz sicher nicht beneiden; denn ich finde, es wäre ein sehr bitterer, es wäre ein sehr zweifelhafter Erfolg. Es wäre in der Tat für die Volksgesundheit, für die Gesundheit unserer Frauen und Mütter besser, wenn wir dafür sorgten, daß sie eher einmal mehr als einmal zuwenig zum Arzt gehen. Es muß unseres Erachtens mehr und nicht weniger für die Gesundheit unserer Frauen und Mütter getan werden.
Mit einer solchen Kostenbeteiligung wird aber das Gegenteil erreicht. Das ist nicht nur unsere Sorge, das ist auch die Sorge der Ärzte, die deshalb aus ihrer Erfahrung so ablehnend zu der Kostenbeteiligung Stellung genommen haben. Hier wird,
Herr Kollege Stingl, die Inanspruchnahmegebühr tatsächlich zur Abschreckungsgebühr für die Frau.
Mit derselben Schärfe lehnen wir auch die Zuzahlung der Familienangehörigen, der Frauen und Kinder, bei Arznei- und Heilmitteln und bei Krankenhausaufenthalt ab. Die Äußerungen der Bundesregierung laufen immer darauf hinaus, die Kinder seien aus der Zuzahlung herausgenommen. Das ist doch nur bedingt richtig; denn die Zuzahlung für die Arzneien und für Krankenhausaufenthalt auch für die Kinder wurde aufrechterhalten. Die Begründung der Bundesregierung, daß bei Krankenhausaufenthalt in der Familie Ersparnisse erzielt werden können, erscheint doch geradezu weltfremd, wenn man an die Praxis denkt. Jeder Krankenhausaufenthalt beginnt erst einmal mit Kosten. Das wissen wir alle aus der Erfahrung. Eventuell müssen Anschaffungen gemacht werden, beim Besuch des Kranken entstehen Kosten, die ganz besonders hoch werden, wenn Fahrtkosten hinzukommen. Der Kranke benötigt nach der Entlassung besondere Pflege. Das ist die Praxis.
— Herr Kollege Stingl, ich persönlich habe andere Erfahrungen gemacht. Die Begründung, während des Krankenhausaufenthaltes würden häusliche Ersparnisse gemacht, erscheint aber geradezu grotesk, wenn man an die Situation denkt, in der sich eine Familie befindet, wenn die Frau im Krankenhaus
liegt.
— Ich freue mich. Wir haben es jetzt aber erst einmal mit dem Entwurf der Bundesregierung zu tun,
Herr Kollege Stingl, und nicht mit Ihren Äußerungen: Wir werden prüfen, wir werden sehen und werden uns dann noch einmal wieder sprechen. Ich greife jetzt den Entwurf der Bundesregierung an, und ich glaube, es ist unsere Pflicht, das zu tun, wenn wir zu diesem Gesetzentwurf Stellung nehmen.
Die Zuzahlung bedeutet unter Umständen eine ernste gesundheitliche Gefährdung für die Frau, nämlich dann, wenn ihr Gesundheitszustand einen Krankenhausaufenthalt erfordert, sie sich aber entschließt, nicht ins Krankenhaus zu gehen, weil sie der Familie keine finanzielle Belastung aufbürden will.