Rede:
ID0310213900

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3102

  • date_rangeDatum: 17. Februar 1960

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    Deutscher Bundestag 102. Sitzung Bonn, den 17. Februar 1960 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Wittmann und Dr. Böhm . . . . 5485 A Fragestunde (Drucksache 1609) Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Filme antideutscher Tendenz im amerikanischen und kanadischen Fernsehen Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5485 C Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen): Verhalten des Konsuls Karl Julius Hoffmann in New York Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5485 D, 5486 A Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 5486 A Frage der Abg. Frau Dr. Hubert: Vorlage des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten an den Bundestag Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5486 B Frau Dr. Hubert (SPD) 5486 D. Frage des Abg. Dr. Bucher: Besetzung der deutschen Botschaft in Paris Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5487 A Frage des Abg. Lohmar: Äußerung des Abg. Gradl in der außenpolitischen Debatte des Bundestages am 10. Februar Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5487 A Lohmar (SPD) . . . . . . . . . 5487 B Frage des Abg. Dr. Werber: Nichtseßhaftenfürsorge Dr. Schröder, Bundesminister 5487 C, 5488 A Dr. Werber (CDU/CSU) . . . . . 5487 D Frage des Abg. Lohmar: Verhalten des Publizisten Schlamm Dr. Schröder, Bundesminister . . 5488 A, B Lohmar (SPD) . . . . . . . . 5488 A, B Frage des Abg. Dr. Arndt: Förderung Münchens als bayerische Landeshauptstadt durch dein Bund Lücke, Bundesminister 5488 C Frage des Abg. Baier (Mosbach): Erstellung von Kinderspielplätzen Lücke, Bundesminister . . 5488 D, 5489 B Baier (Mosbach) (CDU/CSU) . . . 5489 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Februar 1960 Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen) : Steuerfreiheit bei Abwicklung von Geschäften über Gesellschaften mit dem Sitz in Vaduz Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 5489 C Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 5489 C Frage des Abg. Dr. Ratzel: Förderung des Ausbaus eines Ferngasnetzes durch die Bundesregierung Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 5489 D Frage des Abg. Ludwig: Kündigung von 350 deutschen Arbeitern des französischen Militärbetriebs BRM zum Jahresende 1959 Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 5490 B Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Vorlage des Bundeswaffengesetzes für den zivilen Bereich durch die Bundesregierung Dr. Westrick, Staatssekretät 5490 D, 5491 A Bauer (Würzburg) (SPD) . . . . . 5491 A Frage des Abg. Dr. Bechert: Aufklärung der Käufer von Freibankfleisch Schwarz, Bundesminister . 5491 B, 5492 A Dr. Bechert (SPD) . . . 5491 C, 5492 A Frage des Abg. Seidel (Fürth): Weiterführung von Karteikarten aus der Zeit vor 1945 bei der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Blank, Bundesminister . . . . . 5492 B Seidel (Fürth) (SPD) 5492 C Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Veröffentlichung von Urteilen im Bundesversorgungsblatt Blank, Bundesminister . 5492 D, 5493 A Jahn (Marburg) (SPD) 5493 A Frage des Abg. Brück: Beeinträchtigung des Königsforstes durch die geplante Bundesstraße 55 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5493 B Frage des Abg. Brück: Linienführung der Umgehungsstraße von Bensberg zur B 55 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5493 C Frage des Abg. Schmitt (VOckenhausen): Einführung von Parkscheiben Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5493 D Frage des Abg. Baier (Mosbach) : Unfälle auf der Autobahn Frankfurt— Mannheim und Mannheim—Heidelberg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5494 B Frage des Abg. Hübner: Einrichtung einer 1. Klasse im Flugverkehr zwischen Berlin und dem Bundesgebiet Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5495 C Frage des Abg. Schmidt (Hamburg) : Besetzung der Radargeräte im Bereich der Bundesanstalt für Flugsicherung Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5495 D, 5496 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 5496 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Neuregelung der sozialen Krankenversicherung (Drucksache 1298); verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz — KVNG) (Drucksache 1540) — Erste Beratung — Rohde (SPD) 5497 A Blank, Bundesminister . 5498 D, 5527 A Stingl (CDU/CSU) 5508 B Dr. Schellenberg (SPD) 5517 B Dr. Stammberger (FDP) 5527 D Frau Kalinke (DP) 5532 C Dr. Franz (CDU/CSU) 5545 A Frau Dr. Hubert (SPD) 5547 C Schneider (Hamburg) (CDU/CSU) 5550 B Dr. Bärsch (SPD) . . . . . . . 5554 C Mischnick (FDP) . . . . . . . 5558 D Geiger (Aalen) (SPD) 5560 C Frau Korspeter (SPD) 5566 B Frau Döhring (Stuttgart) (SPD) . . 5568 A Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . 5569 B Börner (SPD) 5571 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . 5572 D Anlage 5573 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Februar 1960 5485 102. Sitzung Bonn, den 17. Februar 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 2. Bauereisen 19. 2. Behrisch 18. 2. Benda 19. 2. Dr. Birrenbach 19. 2. Brand 19. 2. Brüns 2. 7. Deringer 19. 2. Eberhard 27. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Eilers (Oldenburg) 19. 2. Even (Köln) 29. 2. Frau Friese-Korn 27. 2. Geiger (München) 19. 2. D. Dr. Gerstenmaier 17. 2. Glüsing (Dithmarschen) 19. 2. Dr. Greve 17. 2. Dr. Gülich 16. 4. Haage 19. 2. Dr. von Haniel-Niethammer 19. 2. Hellenbrock 19. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 20. 2. Horn 19. 2. Hübner 19. 2. Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Illerhaus 17. 2. Jacobs 7. 3. Jahn (Frankfurt) 23. 4. Dr. Jordan 19. 2. Kalbitzer 19. 2. Frau Klemmert 15. 5. Koch 19. 2. Leukert 19. 2. Dr. Lindenberg 19. 2. Lulay 29. 2. Maier (Freiburg) 16. 4. Metzger 18. 2. Mühlenberg 19. 2. Müser 20. 2. Probst (Freiburg) 17. 2. Ramms 19. 2. Scheel 17. 2. Schlick 20. 2. Schultz 17. 2. Dr. Starke 19. 2. Dr. Steinmetz 19. 2. Wehr 23. 4. Frau Welter (Aachen) 27. 2. Werner 24. 2. Dr. Willeke 1. 3. b) Urlaubsanträge Frau Berger-Heise 27. 2. Dr. Leverkuehn 25. 2. Spitzmüller 8. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Elinor Hubert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Aber selbst wenn Sie, nachdem Herr Minister Blank auf dem Eis, auf das ihn seine Referenten geführt haben, etwas unsicher geworden ist, die Zuzahlung auf 15 DM begrenzen wollen, sieht Ihre Leistungsverlagerung immerhin so aus, daß alle diese schweren Krankheiten mit 15 DM belastet werden sollen. Das können Sie doch nicht leugnen, und da können Sie doch nicht so tun, als würden die schweren Krankheiten nicht belastet.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist es, was ich so sehr bedauere, daß man hier nicht klar sagt, was ist, daß die Begründung einfach nicht mit dem Gesetzentwurf übereinstimmt. Von dieser Belastung werden also mehr als 90 % aller Versicherten betroffen, die eine solche schwere Krankheit von nicht mehr als sechs Wochen Dauer erleiden.
    Nun wird gesagt, diese Gebühr solle die Selbstverantwortung heben und dem Versicherten den Wert der Leistung des Arztes vor Augen führen. Ich muß sagen, daß es nach meinen Erfahrungen in meiner Praxis einer solchen Zuzahlung nie bedurft hätte und daß ich auch unter meinen Kassenpatienten mindestens so viele wie unter den Privatpatienten gehabt habe, die den Wert der ärztlichen Leistung durchaus gewürdigt und dankbar anerkannt haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich glaube, meine ärztlichen Kollegen werden mir bestätigen, daß es auch bei ihnen so ist.
    Herr Kollege Stammberger hat vorhin gemeint, daß der Versicherte nicht mehr den Wert der Gesundheit schätze und nicht mehr wisse, was sie bedeute. Das ist doch vom grünen Tisch aus gesprochen; das können wir Ärzte doch keineswegs bestätigen.
    Diese Gebühr soll das Zimmer des Arztes angeblich von den sogenannten Bagatellfällen freimachen. Ich wäre wirklich dankbar, wenn dieses unsinnige Wort vom Bagatellfall verschwände. Was ist denn ein Bagatellfall? Ob ein Fall ein Bagatellfall ist, d. h. so leicht ist, daß man vielleicht nicht zum Arzt hätte zu gehen brauchen, vermag doch nur der Arzt und niemals der Versicherte festzustellen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Hiermit wird doch dem Versicherten eine Verantwortung aufgebürdet, die er gar nicht tragen kann.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Herr Staatssekretär Claussen hat in einer Ärzteversammlung — ich glaube, in Hameln — gemeint, man sollte erst einmal versuchen, sich mit Hausmitteln zu kurieren.

    (Lachen und Zuruf bei der SPD: Löwenzahn!)

    Herr Staatssekretär, wir sind ja nicht mehr im 19. Jahrhundert, sondern im 20. Jahrhundert. Wir sollten doch auch ein Interesse daran haben, daß die Menschen rechtzeitig zum Arzt gehen. Sie lasten mit der Gebühr von 1,50 DM für jede ärztliche Leistung auch das Risiko der Diagnose immer schon dem Patienten auf. Es ist keineswegs so, daß die Diagnose bei einer ersten ärztlichen Untersuchung immer gestellt werden kann. Sehr oft bedarf es zwei-, dreimaliger Gänge zum Arzt — ich weiß nicht, ob Sie das in Ihrer Gebührenordnung alles in eins einbeziehen wollen — oder auch zwei-, dreimaliger Hausbesuche des Arztes, ehe überhaupt die Behandlung beginnen kann. Das geht alles zu Lasten des Patienten.
    Auch Sie stellen in Ihrem Gesetzentwurf fest, daß für die Gesundheitsvorsorge etwas getan werden muß. Mein Kollege Schellenberg hat schon gesagt, daß wir das, was der Entwurf enthält, für reichlich ungenügend halten. Aber, Herr Claussen, eine Inanspruchnahmegebühr, die, wie Sie sagen, den Patienten zur „Besonnenheit bei Inanspruchnahme des Arztes" anhalten soll, wirkt doch einer solchen Vorsorge geradezu entgegen. Denn in dem einen Fall sage ich dem Patienten: Gehe sogar, wenn du noch nicht krank bist — in Ihrem Entwurf leider erst nach dem 40. Lebensjahr — einmal zum Arzt!, und im anderen Fall soll jemand, der sich irgendwie nicht wohlfühlt, vom Gang zum Arzt durch die Überlegung: „Es kostet 1,50 DM", abgehalten werden.
    Ich glaube nicht, daß Sie damit die Sprechzimmer der Ärzte leerer machen. Ich glaube nicht, daß Sie damit erreichen, daß der Arzt mehr Zeit hat. In der ganzen Welt gibt es überfüllte Arztsprechzimmer. Das liegt auch daran, daß gewisse Ärzte eine Anziehungskraft auf die Patienten ausüben, und da sind die Sprechzimmer überfüllt. Im übrigen wird der Hypochonder oder derjenige, der sich eben nur krankschreiben lassen will, die 1,50 DM immer zahlen. Aber derjenige, der wirklich krank ist oder eine beginnende Krankheit spürt, der wird belastet.
    Genauso wie Sie in Ihrer Begründung bei Ihrem Kerngedanken der Schwerpunktverlagerung verhüllen, was eigentlich im Gesetz steht, genauso machen Sie das mit dem kontrollärztlichen System, das Sie schamhaft „Beratungsärztlicher Dienst" nennen. Sie wollen eine Honorierung des Arztes entsprechend der Qualität seiner Leistung. Das ist sehr lobenswert. Aber der Preis, den Sie dafür von dem Arzt verlangen, den wird, glaube ich, kein Arzt zahlen wollen. Denn dieses kontrollärztliche System entspricht nicht nur — wie der Kollege Ruf meinte — dem, was wir früher schon gehabt haben, sondern es greift ganz intensiv in das Verhältnis ÄrztPatient ein. Die Krankschreibung ist eine der wichtigsten therapeutischen Maßnahmen des Arztes. Die Krankschreibung soll nun kontrolliert werden. Dazu heißt es in § 407 — nach der Bestimmung über die sofortige Meldung —:
    Der Beratungsarzt ist verpflichtet, in der erforderlichen Weise laufend zu überprüfen
    — laufend zu überprüfen! —



    Frau Dr. Hubert
    ob die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch weiterhin vorliegen.
    Ob das noch irgend etwas mit Beratung zu tun hat, weiß ich wirklich nicht. Man soll das Kind doch beim Namen nennen. Dann soll man doch sagen: man ist von allgemeinem Mißtrauen gegen Arzt und Patienten erfüllt. Man ist der Meinung, daß ein überwältigend großer Prozentsatz der Patienten sich krank schreiben läßt, nur um der Arbeit fernzubleiben. Das ist doch eine Unterstellung, auf die man einen Gesetzentwurf nicht gründen kann. Wenn der Arzt einen Patienten krank schreibt, so muß er ihn auch in seiner eigenen Verantwortung wieder gesund schreiben, nicht überwacht von einem Kontrollarzt, der ihm die eigentliche ärztliche Entscheidungsfreiheit vollständig nimmt.
    Es geht hier nicht so sehr um die Honorierung der ärztlichen Leistung. Diese Frage kann in jedem System befriedigend gelöst werden. Es geht um die Entscheidungsfreiheit des Arztes gegenüber seinem Patienten, und es geht um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Wo bleibt denn dieses Vertrauensverhältnis, wenn sich jederzeit ein Dritter, nämlich der Kontrollarzt, dazwischenstellt, der Gutachten abzugeben hat, der den Patienten zu überwachen hat? Wo bleibt das Arztgeheimnis gewahrt, wenn der Kontrollarzt dazwischentritt?
    Herr Kollege Blank und vor allen Dingen die CDU haben bei diesem Gesetz in verschiedener Beziehung schon Rückzieher gemacht. Wir sind der Meinung, daß dieses Gesetz in seinem System falsch angelegt ist. Das System muß geändert werden. Es geht nicht, daß man den kontrollärztlichen Dienst und die Ananspruchnahmegebühr aufrechterhalten will. Ich hoffe, die Debatten im Ausschuß werden dahin führen, daß diese beiden vorgeschlagenen Maßnahmen von den Abgeordneten des Bundestages vom Tisch gefegt werden.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Hamburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Georg Schneider


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte zunächst um Nachsicht, wenn ich den Reigen der offiziellen Fraktionsredner etwas unterbreche und sozusagen als „wilder" Redner hier auftrete,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hoffentlich nicht!)

    das heißt für mich ganz persönlich als Abgeordneter spreche. Vielleicht kann das den Verhandlungsstil im Bundestag etwas beleben.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Aber nicht wild!)

    — Nein, der Inhalt der Rede wird hoffentlich nicht wild sein, auch nicht der Stil.

    (Zurufe: „Hoffentlich"?!)

    — Ich kann nur Hoffnungen aussprechen. Das Urteil darüber, wie es gewesen ist, muß ich natürlich Ihnen überlassen.
    Ich will Ihnen keine sozialversicherungsphilosophische Rede halten, ich will Ihnen auch keine gesellschaftspolitische Rede halten. Das ist hier schon in sehr breitem Ausmaße von einigen Rednern getan worden. Ich möchte nur in ganz bescheidener Weise als schlichter Abgeordneter eines Wahlkreises in Hamburg einmal sagen, wie ich persönlich aus meiner sozialpolitischen Sicht, in sehr enger Fühlungnahme mit den Wählern meines Wahlkreises, zu den Dingen stehe. Ich bitte Sie, meine Rede als einen Beitrag sowohl für die Diskussion im Plenum als auch für die Beratung im Sozialpolitischen Ausschuß zu werten.
    Mit einer rührenden Liebe und mit einem Fleiß sondergleichen hat das Bundesarbeitsministerium in einem ganz neuen Stil vor Einbringung des Gesetzentwurfes mit allen möglichen interessierten Kreisen über die Gedanken, die ihm für diese Gesetzesmaterie vorschweben, diskutiert. Nun ist der Gesetzentwurf der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, ursprünglich der sogenannte Referentenentwurf. Erneut mit rührender Geduld haben das Bundesarbeitsministerium und auch der Herr Bundesarbeitsminister persönlich immer wieder diskutiert. Man kann es nur begrüßen, daß das geschehen ist. Das ist das Gute bei der ganzen Materie, die wir heute behandeln.
    Das zweite Gute ist — das möchte ich an den Anfang meiner weiteren Ausführungen stellen —, daß ganz wesentliche Leistungsverbesserungen nach diesem Gesetzentwurf nunmehr für alle Krankenkassen gesetzlich rechtens sein sollen. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß viele Kassen, nicht nur die Angestelltenersatzkassen, nicht nur die Ersatzkassen überhaupt, sondern auch viele andere Krankenkassen diese Leistungsverbesserungen ganz oder teilweise schon bisher satzungsgemäß gewährt haben. Jetzt aber soll ein gesetzlicher Anspruch auf diese Leistungsverbesserungen gegeben werden. Schon immer ist bei der Novellierung des Krankenversicherungsrechts so verfahren worden, daß man das, was sich individuell bei verschiedenen Kassenarten organisch entwickelt und in der Krankenversicherung mehr und mehr durchgesetzt hatte, zum Inhalt des gesetzlichen Leistungsrechtes machte, so daß die Leistungsverbesserungen auch noch für den letzten Rest der Kassen Gültigkeit bekamen.
    Der Gesetzentwurf stellt also — das sollte nicht untergehen — eine weitere Vervollkommnung unserer sozialen Krankenversicherung dar. Und trotzdem ein allgemeiner Ansturm gegen diesen Gesetzentwurf! Für die Frage, wie das möglich gewesen ist, habe ich persönlich nur eine Erklärung. Ich sehe sie darin, daß man das sehr Gute, das ich eben erwähnt habe, mit weniger Gutem verbunden hat, so daß jetzt das weniger Gute oder das, wie der eine oder der andere sagen mag, Schlechte ganz im Vordergrund steht und das sehr Gute beinahe gar nicht mehr zu sehen ist. Trotzdem möchte ich Sie warnen, den Sturm, der seit Wochen und Monaten durch die Lande geht und der auch mit dem heutigen Tag nicht abgeschlossen sein wird, zu verharmlosen. Das wäre sehr bequem. Dieser Sturm sollte uns nachdenklich stimmen.



    Schneider (Hamburg)

    Wir sollten auch nicht so leichtfertige Redensarten gebrauchen wie die, das seien nur die Funktionäre. Letzten Endes wird man uns sagen: „Auch Sie im Bundestag sind ja nur Funktionäre; Sie repräsentieren auch nur Ihre Wähler, genauso wie wir, die Funktionäre, unsere Auftraggeber repräsentieren!" Also auch das Wort von den Funktionären würde ich lieber nicht hören.
    Nun die Frage, welches denn die Gründe für diesen geballten Sturm gegen den Gesetzentwurf sind! Das ist aus der heutigen Debatte hervorgegangen. Man braucht kein besonders kluger Mensch zu sein, um herauszufinden, daß die Gründe in der nun einmal von manchen vermaledeiten Beteiligung an den Arzt- und Arzneikosten liegen. Ich frage mich persönlich: hat das Bundesarbeitsministerium, hat die Bundesregierung es nötig gehabt, diesen Sturm der Entrüstung von Menschen, die mehr zahlen sollen — und Menschen, die mehr zahlen sollen, entrüsten sich immer —, auf sich zu konzentrieren? In der ganzen Geschichte der sozialen Krankenversicherung ist man immer so verfahren, daß man diesen Sturm in sehr kluger Weise dezentralisiert hat. Da tobten kleine Stürmchen in den jeweiligen, jetzt über 2000 Kassen, wenn nämlich diese Kassen bei gesetzlich verfügten Leistungsverbesserungen satzungsmäßig daran gehen mußten, die Frage zu lösen: wer soll das bezahlen? Die Frage haben die Selbstverwaltungen der Krankenkassen in den vergangenen Jahrzehnten wunderbar gelöst. Der Sturm wurde, so möchte ich mich etwas neckisch ausdrücken, „dezentralisiert". Warum das I in dem vorliegenden Fall nicht geschehen ist, worin der Ehrgeiz begründet ist, den Sturm auf dieses Haus zu konzentrieren, ist mir im Augenblick noch völlig unklar.
    Nun sagt man, es handele sich nicht nur um eine Kostenfrage, sondern man wolle auch einen erzieherischen Effekt erzielen, damit die Kassen nicht so ausgenützt würden, wie es durch einen Teil der Versicherten geschehe, und damit die Versicherten nicht in den sogenannten Bagatellfällen zum Arzt gingen. Das ist sehr umstritten. Ich möchte sagen, man versucht hier, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben. Denn auf der einen Seite ist zwar gewiß nicht abzustreiten, daß ein Teil der Versicherten bewußt oder unbewußt die Krankenkasse mißbraucht. Aber wenn wir nunmehr den Riegel der Kostenbeteiligung vorschieben, wissen wir noch lange nicht, ob wir dann immer „den Richtigen" treffen und ob sich derjenige, der die Kasse aus Eigensucht ausnutzen möchte, durch einige Mark von dieser Ausnützung abhalten läßt. Wir müssen vielmehr befürchten — und es kann niemand beweisen, daß das nicht so sein kann —, daß mancher, der mit dem Groschen, mit der Mark buchstäblich rechnen muß, sich, obwohl es wichtig wäre, zum Arzt zu gehen, nunmehr nicht mehr zum Arzt begibt, weil er eben die Kosten scheut. Das nenne ich: den Teufel mit Beelzebub austreiben.
    Der zweite Grund für den Sturm der Entrüstung ist meiner Ansicht nach, daß man die bewährte Selbstverwaltung der Krankenkassen praktisch aufhebt. Wenn das gemacht wird, wenn der Entwurf
    in diesem Punkte Wirklichkeit wird, ist es ein riesiger Schritt auf dem Wege zur Einheitskrankenversicherung. Haben wir aber erst einmal die Einheitskrankenversicherung, dann ist das ideale Ziel gewisser politischer Anschauungen erreicht, und wir haben die Einheitsversicherung überhaupt. Das wollen wir doch nicht, mindestens will ich das nicht aus meiner politischen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Man engt die Selbstverwaltung in einem Maße ein, daß sie kaum noch wird atmen können. Ein starker Zug zum Staatsdirigismus, zur Zentralisierung, zur Uniformierung geht durch den ganzen Gesetzentwurf, soweit es sich um Aufgaben der Krankenkassen handelt.
    Nun zur Selbstbeteiligung! Man sagt, das seien Bagatellbeträge. Nach der Statistik betrug der Durchschnittsbruttoverdienst der rentenversicherten Arbeitnehmer im Jahre 1958 440 DM im Monat. Es gibt eine ganze Reihe von Menschen, die noch viel weniger als 440 DM im Monat verdienen. Für diese Menschen stellen 1, 2, 10, 15, 20, auch 30 DM, die dann praktisch herauskommen, eine ganz gewaltige Summe dar. Diese Menschen sind nicht in der glücklichen Lage wie ein kleiner Teil des Volkes, den Groschen und die Mark, vielleicht auch den Zehnmarkschein nicht erst ein paarmal herumdrehen zu müssen, ehe man ihn ausgibt. Man sollte also hier nicht von Bagatellbeträgen sprechen.
    Dann die Einengung der Selbstverwaltung! Bisher hatte die Aufsicht nur darüber zu wachen, daß Gesetz und Satzung eingehalten wurden. Jetzt kommt als dritte Aufgabe der Aufsichtsbehörde hinzu, über die Zweckmäßigkeit der Maßnahmen der jeweiligen Krankenkasse zu bestimmen. Nach diesem Gesetzentwurf weiß es also der Grüne Tisch in der Zentrale besser als die Krankenkasse mit ihren selbstgewählten Selbstverwaltungsorganen, die sozusagen ganz nahe am Pulsschlag der Versicherten sind.

    (Zuruf von der SPD: Und das alles von Ihrem Minister!)

    — Darauf kommt es praktisch nicht an.

    (Widerspruch und Lachen bei der SPD.)

    Sie können daran sehen, welche Freiheit der Entscheidung bei uns im Gegensatz zu Ihrer Partei herrscht. Hier kann ein Redner der CDU auftreten und sagen, was er persönlich denkt, auch wenn es nicht hundertprozentig mit dem übereinstimmt, was in der CDU offizielle Meinung ist, obwohl ich meinen Freund Stingl so verstanden habe, daß er selber Gedanken, die ich hier ausspreche, nicht von vornherein als nicht dikutierbar hingestellt hat. Ich habe meinen Freund Stingl, den offiziellen Fraktionsredner, aber auch meinen Freund Dr. Franz von der speziellen Landesgruppe der CSU

    (Heiterkeit bei der SPD)

    dahin verstanden, daß wir alles aufnehmen, was hier an klugen und vielleicht auch an nicht klugen Gedanken geboten wird.