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ID0310103300

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    Deutscher Bundestag 101. Sitzung Bonn, den 12. Februar 1960 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Abg. Arndgen, Dr. Schmid [Frankfurt], Kühn [Bonn], Dr. Schneider [Lollar] u. Gen.) (Drucksache 1444) — Erste Beratung — Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 5437 B, 5448 A Dr. Kohut (FDP) 5441 C Brese (CDU/CSU) 5443 A Frau Kalinke (DP) 5444 B Eisenmann (FDP) 5446 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundeszuschüsse zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten aus Anlaß der wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik sowie zur Einführung der Vorschriften über die Gemeinlast und weiterer sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften im Saarland (Gesetz über Bundeszuschüsse und Gemeinlast) (Drucksache 1460) ; Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 1608); Mündlicher Bericht des Sozialpol. Ausschusses (Drucksache 1607) — Zweite und dritte Beratung — Baldauf (CDU/CSU) 5449 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Abkommen zwischen Bund und Ländern über Fragen der Kulturpolitik (Drucksache 1398); verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer „Stiftung Wissenschaftsrat" (SPD) (Drucksache 1314) — Erste Beratung — und Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" (Drucksache 1472) Dr. Frede (SPD) . . . . . . . . 5450 A Dr. Schröder, Bundesminister . . . 5453 D, 5482 B Dr. Heck (Rottweil) (CDU/CSU) . . 5460 B Lohmar (SPD) 5464 A, 5480 C Eilers (Oldenburg) (FDP) . . . 5469 D Dr. Knorr (CDU/CSU) . . . . . 5476 A Probst (Freiburg) (DP) 5477 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) 5479 B, 5480 D Dr. Schäfer (SPD) 5481 A Frau Dr. Maxsein (CDU/CSU) . 5481 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 5482 D Anlagen 5483 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1960 5437 101. Sitzung Bonn, den 12. Februar 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach 12. 2. Frau Albertz 29. 2. Bauer (Wasserburg) 12. 2. Bauereisen 15. 2. Benda 19. 2. Frau Bennemann 12. 2. Frau Berger-Heise 12. 2. Birkelbach 12. 2. Dr. Bleiß 12. 2. Brand 12. 2. Frau Brauksiepe 12. 2. Brüns 2. 7. Dr. Bucerius 12. 2. Dr. Dahlgrün 12. 2. Dr. Deist 29. 2. Dr. Dollinger 12. 2. Dowidat 12. 2. Eberhard 27. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Engelbrecht-Greve 12. 2. Even (Köln) 29. 2. Frau Friese-Korn 27. 2. Frau Dr. Gantenberg 13. 2. Geiger (München) 12. 2. D. Dr. Gerstenmaier 17. 2. Glüsing (Dithmarschen) 12. 2. Dr. Greve 12. 2. Dr. Gülich 16. 4. Haage 12. 2. Dr. Graf Henckel 12. 2. Hilbert 12. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 20. 2. Horn 12. 2. Frau Dr. Hubert 12. 2. Illerhaus 12. 2. Jacobi 13. 2. Jacobs 7. 3. Dr. Jaeger 13. 2. Jahn (Frankfurt) 23. 4. Dr. Jordan 12. 2. Kalbitzer 12. 2. Dr. Kanka 12. 2. Frau Klemmert 15. 5. Könen (Düsseldorf) 12. 2. Dr. Krone 12. 2. Leber 12. 2. Dr. Leiske 12. 2. Leukert 16. 2. Dr. Leverkuehn 12. 2. Dr. Lindenberg 12. 2. Lulay 29. 2. Maier (Freiburg) 16. 4. Margulies 12. 2. Mauk 12. 2. Mengelkamp 12. 2. Merten 12. 2. Müller (Worms) 12. 2. Müser 20. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Neuburger 12. 2. Nieberg 12. 2. Ollenhauer 12. 2. Pelster 19. 2. Dr. Pflaumbaum 19. 2. Frau Pitz-Savelsberg 12. 2. Prennel 12. 2. Frau Dr. Probst 12. 2. Rademacher 12. 2. Dr. Ratzel 12. 2. Richarts 12. 2. Ritzel 12. 2. Frau Rudoll 12. 2. Ruhnke 12. 2. Dr. Rutschke 13. 2. Scharnowski 15. 2. Scheel 12. 2. Dr. Schellenberg 12. 2. Dr. Schmidt (Gellersen) 12. 2. Schmücker 12. 2. Schneider (Hamburg) 12. 2. Schütz (München) 12. 2. Dr. Starke 13. 2. Frau Dr. Steinbiß 17. 2. Dr. Steinmetz 12. 2. Storch 12. 2. Striebeck 13. 2. Frau Strobel 12. 2. Wagner 12. 2. Dr. Weber (Koblenz) 12. 2. Wehr 23. 4. Weimer 12. 2. Frau Welter (Aachen) 27. 2. Werner 24. 2. Dr. Willeke 1. 3. Anlage 2 Umdruck 468 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Abkommen zwischen Bund und Ländern über Fragen der Kulturpolitik (Drucksache 1398). Der Bundestag wolle beschließen: Um die Einrichtungen der Forschung, der wissenschaftlichen Hochschulen, der Fachhochschulen und der allgemeinbildenden Schulen den Bildungs- und Ausbildungsbedürfnissen unserer Zeit anzupassen, wird die Bundesregierung ersucht, 1. die Verhandlungen mit den Ländern über die Abgrenzung der Aufgaben im kulturellen Bereich baldmöglichst zu einem Abschluß zu bringen, 2. dabei insbesondere eine Verwirklichung von Artikel 74 Nr. 13 des Grundgesetzes durch eine angemessene Beteiligung des Bundes an der Verwaltung und Etatgestaltung der überregionalen Forschungsinstitutionen anzustreben, 5484 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1950 3. im Haushaltsplan des Bundes in den folgenden 5 Jahren für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen je 200 Millionen DM vorzusehen, 4. im Einvernehmen mit den Ländern zu prüfen, inwieweit neben dem Ausbau der vorhandenen die Gründung neuer wissenschaftlicher Hochschulen notwendig ist, 5. im Einvernehmen mit den Ländern einen Plan über den Bau von Studentenwohnheimen, Studentenhäusern und über den Ausbau des Fachschulwesens aufzustellen, 6. gemeinsam mit den Ländern und dem Wissenschaftsrat die Vorschläge zur Reform der Lehrkörper an den wissenschaftlichen Hochschulen zu prüfen. Der Bundestag hält es für notwendig, die rund 700 Millionen DM, die dem Bund aus der Teilprivatisierung des Volkswagenwerks für 20 Jahre zur Nutzung zustehen, schon jetzt im Sinne der Stiftung, überwiegend zur Finanzierung der Aufgaben unter 4. und 5. unmittelbar zur Verfügung zu stellen und darüber Einvernehmen mit dem Land Niedersachsen anzustreben. Die Bundesregierung wird aufgefordert, in den schwebenden Verhandlungen über den Schuldendienst der Ausgleichsforderungen dahin gehend zu wirken, daß die Länder die 275 Millionen DM, die der Bund künftig übernimmt, zu einer entsprechenden Mehrleistung im kulturellen Bereich, insbesondere für Zwecke des Schulbaues verwenden, um die Voraussetzungen für die Einführung des 9. Schuljahres in allen Bundesländern baldmöglichst zu schaffen. Bonn, den 11. Februar 1960 Dr. Krone und Fraktion Anlage 3 Umdruck 469 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Abkommen zwischen Bund und Ländern über Fragen der Kulturpolitik (Drucksache 1398). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. die Verhandlungen mit den Ländern über die Bewältigung der Aufgaben im kulturellen Bereich bis zum 1. Juni 1960 abzuschließen und dem Bundestag unverzüglich über das Ergebnis schriftlich zu berichten; 2. die notwendigen Mittel im Haushaltsplan des Bundes für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen bereitzustellen, soweit sie nicht von den Ländern aufgebracht werden. Grundlage dafür sollen die Bedarfspläne des Wissenschaftsrates sein; 3. den Ländern die im Rahmen der Übernahme von Kriegsfolgelasten durch den Bund erforderlichen Mittel für den Schulhausbau zur Verfügung zu stellen. Bund und Länder sollen außerdem die Modernisierung der Schulen, die Einführung des 9. Schuljahres und die Beseitigung des Schichtunterrichtes berücksichtigen; 4. mit den Ländern, den Trägern der Erwachsenenbildung und den Hochschulen über einen Ausbau der Einrichtungen der politischen Bildung zu beraten und alle Bestrebungen auf diesem Gebiet nachdrücklich zu fördern; 5. die Höhe der Stipendien für Studenten und der Erziehungsbeihilfen den gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen; 6. den Anteil der geförderten Studenten zu erhöhen und eine Ausweitung des Kreises von Studierenden, deren Eltern als Arbeiter oder in der Landwirtschaft tätig sind, zu fördern; 7. im Einvernehmen mit den Ländern und den Trägern von Studentenwohnheimen dafür Sorge zu tragen, daß innerhalb von fünf Jahren 30 v. H. der Studenten in Wohnheimen aufgenommen werden können. Dabei sind ausländische Studenten, die in der Bundesrepublik studieren, besonders zu berücksichtigen. Bonn, den 12. Februar 1960. Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von Jan Eilers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorhin wurde schon zum Ausdruck gebracht, daß Kulturdebatten im Bundestag einen gewissen Seltenheitswert hätten. Ich glaube, diesen Seltenheitswert teilen die Kulturdebatten mit den Beratungen über den Haushaltsplan des Bundes in diesem Hohen Hause. In den Haushaltsberatungen pflegt es um „nur" 40 bis 42 Milliarden DM zu gehen und darum, wie man diese hohe Summe am besten und ehesten verwendet. Ich meine, daß das Vertrauen dieses Hohen Hauses alle jene Damen und Herren dieses gleichen Hauses ehrt, die eine solche Debatte zu führen und zu tragen haben. Wir dürfen uns beim Hohen Haus für dieses Vertrauen herzlich bedanken.
    Meine Damen und Herren! Wieder einmal hat es unser Herr Bundesinnenminister verstanden, die Gemüter zu bewegen, diesmal mit der in seinem Ministerium verfaßten Schrift zur Überfüllung der Hochschulen. Ich darf insbesondere dazu und noch zu einigen anderen, aber tragenden Problemen Stellung nehmen. In der Denkschrift des Bundesinnenministeriums hat der Herr Bundesinnenminister dem deutschen Volke — wenigstens indirekt — den Vorschlag unterbreitet, es möge jeden vierten Studenten aus seinen Hochschulen herausprüfen — um nicht zu sagen: davonjagen —, damit für die anderen Luft geschaffen werde.
    Die Fähigkeit, überall anzustoßen, hat unser hochverehrter Herr Bundesminister des Innern schon so oft bewiesen, daß einige Menschen, wie ich hörte, hierin eine seiner charakterlich bedingten Unge-



    Eilers (Oldenburg)

    schicklichkeiten zu erblicken meinen. Ich kann mich allerdings dieser Auffassung keineswegs anschließen. Im Gegenteil, ich halte den Herrn Minister für viel zu klug, als daß er z, B. nicht vorher gewußt hätte, welche Erregung er mit einem solchen Vorhaben hervorrufen würde und daß eine solche Maßnahme technisch undurchführbar, für die Hochschulen unzumutbar und denkbar ungeeignet ist, die Überfüllung der Hochschulen zu beseitigen. Ich habe auch den Verdacht, sehr verehrter Herr Minister, daß Sie absichtlich den Advocatus diaboli spielen wollten, um sich auf diese Weise von der Welle des Unmutes in der Bevölkerung hochtragen zu lassen und um dann in diesem Hause eine größere Geneigtheit für Ihre weitreichenden Vorschläge zu finden.
    Wenn Sie, Herr Minister, durch den von Ihnen hervorgerufenen Sturm unter anderem auch bezweckt haben sollten, die Herzen Ihrer nahen und nächsten Parteifreunde aufzuschließen, damit die Mittel für die Zwecke der Forschung, Lehre und Wissenschaft in Zukunft reichlicher fließen als bisher, dann können Sie gewiß sein, daß die große Mehrheit dieses Hauses und auch der Freien Demokraten Ihnen Dank und Anerkennung nicht versagen wird.
    Es scheint mir aber wesentlich zu sein, einmal herauszubekommen, was der Herr Bundesinnenminister tatsächlich geplant hat. Deshalb habe ich mir gestattet, nicht nur sein Vorwort, sondern selbstverständlich den gesamten Inhalt dieser Schrift zu studieren. Ich sage das, da Sie es vorhin bei Ihren Ausführungen beklagten, Herr Bundesinnenminister, daß offensichtlich manche, die über diese Schrift sprächen, sie wenig gelesen zu haben schienen. Aber was Sie im Vorwort gesagt haben, haben Sie zweifellos selbst gewollt. Dort sagten Sie erstens, Sie hätten einen Diskussions-Beitrag leisten wollen. Nun, das ist Ihnen gelungen. Sie haben nicht nur eine Diskussion, Sie haben einen Sturm entfacht. Sie hegten zweitens die Hoffnung, daß durch diese Schrift auch Taten ausgelöst würden. Sie haben allerdings in Ihrem Vorwort leider verschwiegen, welche Taten Sie nun erwarten; denn daß Sie im Ernst das „Herausprüfen" als eine Tat ansehen, kann ich von Ihnen nicht erwarten. Wenn der Herr Bundesinnenminister — soweit kennen wir ihn doch, glaube ich, alle — bescheiden wird wie in diesem Vorwort, dann wird es entweder gefährlich oder wahrhaftig. Ich glaube, daß die SPD sich deshalb den letzten Punkt ihrer Großen Anfrage in dieser Form hätte sparen und selbst beantworten können, nämlich dergestalt: Die Bundesregierung will die übergeordneten Gesichtspunkte zum Tragen bringen; sie will, auch wenn sie sich dessen vielleicht noch nicht so ganz bewußt war, in allen ihren Teilen damit das Bundeskultusministerium oder wenigstens ein Bundesministerium für Erziehung und Wissenschaft.
    Wir Freien Demokraten haben ein solches Ministerium immer gewollt, wir sehen in diesem Ministerium den Kern des ganzen Problems und den einzigen Schlüssel zu seiner Lösung.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen]: Ach!)

    — Ja, sehr verehrte Frau Kollegin Wessel.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen]: Wie heiße ich? Sie wissen meinen Namen nicht?)

    — Sehr verehrte Frau Kollegin Weber! Ich habe mich versprochen. Das kann schon einmal passieren. Ich habe gar keinen Grund, eine Änderung Ihres Namens beim Standesamt zu beantragen.

    (Heiterkeit. — Abg. Schröter [Berlin]: Alles Helenen!)

    — Ja, es sind beides Helenen! Also ich glaube, diese Bekräftigung ist immerhin interessant.
    Meine Damen und Herren, es wurde hier davon gesprochen, daß von der SPD, und zwar von Herrn von Knoeringen, die „große Koalition der Bildung" gefordert worden sei. Das, was der Herr Bundesinnenminister mit „übergeordneten Gesichtspunkten" bezeichnet, das, was Herr von Knoeringen die große Koalition der Bildung nennt, und das, was wir mit der Forderung nach Schaffung eines Bundesministeriums für Erziehung und Wissenschaft bezeichnen möchten, ist nämlich das gleiche. Wenn Sie anderer Meinung sind, Herr Kollege Frede, können Sie es ja zum Ausdruck bringen. Wir sind bereit, mit allen Parteien dieses Hohen Hauses gemeinsam das heiße Eisen anzupacken und zu schmieden. Wir sind auch bereit — und was ich hier sage, ist wohl beachtlich —, jeden sonst leider nur zu berechtigten Argwohn gegenüber der Bundesregierung hintanzustellen und angesichts dieser staatspolitischen Aufgabe auch die Fragen der Parteitaktik zurückzustellen. Wir können nämlich nicht gut der Bundesregierung die Verantwortung aufbürden und ihr gleichzeitig das einzige Instrument vorenthalten, mit dem sie der uns bedrohenden Not wirksam zu Leibe gehen und dem wahren Föderalismus eine ebenso echte und dauernde Ergänzung und Stützung geben könnte, nämlich eine wirksame Bundesinstanz für das gesamtdeutsche Erziehungs- und Bildungswesen.
    Es bleibt uns im Interesse unserer Jugend keine Zeit, zu warten, bis einmal eine spätere und anders zusammengesetzte Bundesregierung an die Arbeit gehen kann. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat den Notstand für die deutschen Hochschulen ausgerufen. Wir dürfen das nicht überhören. Der Notstand ist da. Ich darf auf das verweisen, was Herr Professor Coing, der Präsident des Wissenschaftsrates, gestern oder vorgestern noch einmal in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geschrieben hat.
    Ich appelliere an die Bundesregierung, an die Regierungsparteien und an die Männer und Frauen der Opposition in diesem Hause: Lassen Sie uns heute und hier freimütig und in vertrauender Großzügigkeit die große Koalition der Bildung verwirklichen! Das Volk fordert von uns, daß wir ihm in seiner Not helfen. Die übergeordneten Gesichtspunkte des Herrn Bundesinnenministers — ich darf es wiederholen —, die große Koalition der Bildung und das, was wir Freien Demokraten wollen, sind, wenn auch mit unterschiedlichen Worten dargestellt, im Grunde das gleiche Wollen, resultiert aus der Beachtung der gleichen Sorge und der gleichen Not.



    Eilers (Oldenburg)

    Sollten wir uns hier nicht zu einer entscheidenden Tat aufraffen können, dann befürchte ich allerdings, daß wir noch einmal über diese Frage nicht mehr werden miteinander sprechen können. Dann wird das Bildungsniveau unseres Volkes weiter steil nach unten fallen. Wir aber tragen dann auch die Schuld, denn wir in diesem Hause sind die einzigen, die in der Lage wären, übergeordneten Gesichtspunkten — und um diese allein geht es bei unserem Problem — zum Durchbruch und zur Geltung zu verhelfen.
    Ist es nicht betrüblich, daß gestern, offensichtlich in der Sitzung der Konferenz der Länderkultusminister, der Berliner Senator für das Bildungswesen, Herr Senator Tiburtius, sein Amt zur Verfügung gestellt hat, weil er im Kreise seiner Kollegen, nämlich der Länderkultusminister, der einzige war, der es wagte, für eine Bundesinstanz — er nannte es das Bundeskultusministerium — einzutreten! Mir scheint, in dieser Tatsache liegt die eigentliche Ursache all unserer Sorgen und Befürchtungen: daß wir uns nicht durchzuringen bemühen.
    Auf dem Gebiet des Erziehungs- und Bildungswesens fehlt uns der gemeinsame Weg, fehlen uns die gemeinsamen Richtlinien und Begriffe, fehlt uns ein gemeinsam anzustrebendes Ziel. Das hat mit Gleichmacherei absolut nichts zu tun. Aber es muß doch möglich sein, in unserer Bundesrepublik eine tragende Richtlinie für das Wesentliche zu finden, nach der wir einigermaßen einheitlich arbeiten könnten.
    Lassen Sie mich an dieser Stelle wenigstens ein kurzes Wort des Dankes an den Beamten einfügen, der diese Schrift des Bundesinnenministeriums erarbeitet hat und dafür nach meiner Meinung völlig zu Unrecht Prügel bezogen hat. Er hat seine Arbeit redlich getan und Lösungen angeboten, die wir — und darüber können wir uns nicht täuschen — annehmen müssen, wenn wir nicht bereit sind, über den diesem Beamten vorgeschriebenen Rahmen unseres Verfassungslebens hinauszugehen. Das Erscheinen dieser Schrift ist leider ihr einziges Verdienst. Der Minister aber irrt, wenn er meint, daß sie übergeordnete Gesichtspunkte zum Ausdruck bringe. Ich bin mit Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, der Meinung, daß schon die Themenstellung falsch ist. Es dürfte nicht heißen „Überfüllung der Hochschulen", nein, es müßte vielmehr heißen „Unterentwicklung und Vernachlässigung der Hochschulen". Das wäre das richtige Thema gewesen, und seine Behandlung hätte uns auch zu richtigen Schlußfolgerungen geführt.
    Meine Damen und Herren, damit soll durchaus nicht verkannt werden, daß die Länder in einem ganz erheblichen Umfang Leistungen auch finanzieller Art erbracht haben. Herr Professor Coing hat darauf hingewiesen, daß allein in den zehn Jahren 1,2 Milliarden DM von den Ländern dafür investiert worden sind. Das ist zweifellos eine Leistung. Aber alle diese Leistungen genügen nicht, weil die Folgen der Geburtenlawine der Jahre 1934 bis 1941, wie wir alle wissen, auf die Universitäten zukommen. Wir hätten es längst wissen müssen, wenn wir uns einigermaßen rechtzeitig mit dieser Frage befaßt hätten.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Es gibt für uns keinerlei Entschuldigung. Wir sollten uns darauf einrichten, endlich das anzufangen, was wir bisher leider zu tun versäumt haben.
    Die einzelnen Länder haben vieles, oft ihr Möglichstes getan, ohne Zweifel. Aber für größere Aufgaben reichten ihre einzelnen Kräfte und ihre Mittel zweifellos nicht aus. An der eifersüchtig bewachten Kulturhoheit — so wird es ja leider immer wieder zum Ausdruck gebracht — der Länder wird der Föderalismus eines Tages zugrunde gehen, wenn der Bund nicht treuhänderisch für seine Glieder handelt, wenn der Bund ihnen nicht aus dieser Verfassungsnot hilft. Darum handelt es sich doch im Grunde.
    Der Bund hat durch den Bundesinnenminister gesprochen. Was ist dabei herausgekommen? Der numerus clausus, das Herausprüfen! Ich darf den Herrn Minister fragen, ob er einmal darüber nachgedacht hat, wen dieses Herausprüfen trifft. Ich mache ihm keinen Vorwurf; denn er hat sich nicht mit all den Maßnahmen, die in der Schrift aufgezeigt wurden, identifiziert. Aber lassen Sie uns das selbst einmal sagen: Die Generation, um die es jetzt geht, hat in ihren ersten Kinderjahren den Krieg und die Bombennächte erlebt. In der Nachkriegszeit hatten wie diesen heranwachsenden Menschen nichts anderes zu bieten als Hunger, Wohnungselend, Schwarzmarkt und leider auch Unmoral.

    (Abg. Dr. Frede: Und überfüllte Klassen!)

    — Darauf komme ich gleich noch, Herr Frede. Wir haben an ihnen erzieherisch herumexperimentiert, wir haben sie als Versuchskaninchen betrachtet und haben sie noch durch den Schichtunterricht gejagt. Schließlich, als es uns wieder besser ging, haben wir sie verwöhnt und leider viel zuviel allein gelassen. Jetzt stellen wir uns hin und machen sie für das verantwortlich, was wir, die ältere Generation, allein verschuldet haben. Jetzt erklären wir: Ihr seid nicht reif und würdig für die Universität, wir werden die Tore zur Bildung vor euch verschließen,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    vor euch, unseren Kindern!
    Meine Damen und Herren, wir sind nicht bereit, das zu tun. Bitte, betrachten Sie das nicht parteipolitisch, sondern als eine Frage, die uns alle miteinander angeht, auch unseren guten Freund Stoltenberg, der vor einiger Zeit meinte, wir hätten keinen Schichtunterricht mehr in der Bundesrepublik.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Dann müssen Sie meine Ausführungen erst nachlesen, bevor Sie falsch zitieren, Herr Kollege!)

    — Sie kommen ja nachher noch heran und können das richtigstellen, wenn Sie inzwischen anderer Meinung geworden sein sollten.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Zitieren Sie etwas sorgfältiger!)

    — Ja, das tue ich.
    In der ganzen Entwicklung unseres gemeinsamen Erziehungs- und Bildungswesens nach dem Kriege spiegelt sich nach meiner Auffassung die Tragik



    Eilers (Oldenburg)

    eines überspitzten und völlig mißverstandenen Föderalismus wider. Man spürt wohl mit ungutem Gewissen die Notwendigkeit einer Gemeinsamkeit. Aber dem gemeinsamen Bund das Vertrauen und damit die Aufgaben zu übertragen, dazu konnte man sich bisher nicht aufraffen. So blieb alles Stückwerk, blieb fast alles auf der Strecke.
    Die Not führte die Rektoren der westdeutschen Universitäten und Hochschulen zur Rektorenkonferenz zusammen. Machtlos, handlungsunfähig kann diese Konferenz leider nur mahnen und bitten und muß sich auf die Vertretung der Interessen ihrer angeschlossenen Hochschulen beschränken.
    Vor kurzem hat man nach vielem Hin und Her den Wissenschaftsrat gebildet. Ich hoffe nicht nur, sondern bin auch überzeugt davon, daß wenigstens er zu übergeordneten Gesichtspunkten kommt. Aber, meine Damen und Herren, das frage ich Sie: Wenn ja, wer ist dann da, um sie auszuführen oder für ihre einheitliche Befolgung zu sorgen, nämlich für das, was als Erkenntnisse und Vorschläge des Wissenschaftsrates auf den Bund und die Länder zukommen wird?

    (Zuruf: Bund und Länder!)

    — Ja, ja, da ist die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder, meine Damen und Herren.

    (Abg. Dr. Frede: Bauen Sie die aus!)

    — Sehr verehrter Herr Kollege Frede, nennen Sie mir eine einzige große Tat, eine einzige bahnbrechende Handlung, zu der diese Konferenz bisher fähig gewesen ist!

    (Beifall bei ,der FDP.)

    Ich kenne keine. Daß sich diese hochachtbaren Herren Kultusminister darum bemühen, wissen wir. Wenn sie aber nach Hause kommen und der gesamten Landesregierung berichten, wird ihren Vorschlägen nur teilweise gefolgt.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Das wird der Arbeit nicht gerecht, Herr Kollege!)

    — Doch! (Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Nein!)

    Ich anerkenne durchaus, daß sie sich in Teilfragen außerordentlich stark bemüht haben. Aber eine wirklich bahnbrechende, eine tragende Handlung haben sie nach meiner Auffassung bisher nicht aufzuweisen vermocht.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Meine Damen und Herren, Sie haben die Möglichkeit, Ihre Auffassung nachher zum besten zu geben.
    So, wie die Lage sich zeigt, haben wir bisher im Leerraum eines nicht existenten Bundeskultusministeriums herumexperimentiert. Hoffentlich werden Bildung, Forschung und Lehre nicht auch in der Zukunft weiter so zerwaltet und heruntergewirtschaftet, bis von dem einstigen Glanz und der einstigen Größe deutscher Bildung nicht mehr viel vorhanden sein wird.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Lassen Sie mich das hier ruhig einmal ansprechen. Wir haben in diesem Hohen Hause so selten eine Kulturdebatte. Das muß einmal gesagt werden.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Aber nicht so!)

    Die Misere beginnt bei uns ja bereits in der Grundschule. Unser Volk der Dichter und Denker hat noch nicht einmal eine einheitliche Grundschule. Wir sind uns nicht einig über das Erziehungssystem, wir sind uns auch nicht einig über die Dauer einer solchen Schule, die für alle und alles die Grundlage bilden soll.

    (Zurufe von der CDU/CSU und von der SPD.)

    — Meine Damen und Herren, wenn unsere deutsche Muttersprache nicht so übermächtig wäre, würden sich, glaube ich, heute schon die Erziehungsprodukte einer solchen Zerrissenheit und Zerfahrenheit nicht mehr der gleichen Sprache bedienen.

    (Lachen und Zurufe von der SPD.)

    — Ja, Sie meinen, das habe mit der Überfüllung der Hochschulen wenig zu schaffen.

    (Zuruf des Abg. Schmitt [Vockenhausen].)

    — Lieber Herr Schmitt, Sie pflegen, wenn Sie Gemälde zeichnen, mit scharfen Konturen zu arbeiten. Mir geht es heute genauso. Ich freue mich immer, wenn Sie so scharf und deutlich zeichnen.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Schärfe ist Ihnen wichtiger als Genauigkeit, scheint mir!)

    — Die Genauigkeit ist durchaus darin, lieber Herr Stoltenberg. Es ist doch in der Tat so, daß unsere Grundschule heute je nach den wechselnden Mehrheiten unserer Landesregierungen vier oder sechs Jahre dauert.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Die Aussage ist doch in dieser Form nicht richtig! — Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist doch albern! — Lebhafte Zurufe von der SPD und der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, es ist Tatsache, daß wir in Hamburg noch bis vor einigen Jahren die sechsjährige Grundschule hatten.

    (Zuruf: Hamburg, Bremen, Berlin!)

    — In Bremen haben wir jetzt noch die sechsjährige Grundschule. Wir leisten es uns, in Bayern im Herbst einzuschulen, in allen anderen Ländern dagegen im Frühjahr.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch etwas ganz anderes! — Abg. Dr. Heck [Rottweil] : Herr Kollege, Sie sind hier in erstaunlichem Umfang einfach nicht orientiert!)

    — Herr Heck, was ich sagte, trifft schon zu!
    Wir wissen alle, daß die Eltern, die einmal den Wohnort wechseln müssen, die größten Sorgen wegen der Nöte ihrer Kinder haben.

    (Zuruf von der SPD: Das ist doch eine Langspielplatte! — Abg. Dr. Frede: Es kommt auf den Geist an, den die Kinder haben! Die Begabung müssen sie mitbringen!)




    Eilers (Oldenburg)

    — Hochverehrter Herr Frede, Sie wissen ganz genau, daß die Freizügigkeit, die im Grundgesetz verankert ist, durch die Verschiedenheit der einzelnen Schulsysteme weitgehend aufgehoben wird. Sie können einer Familie mit vier oder sechs Kindern gar nicht zumuten, von Bayern nach Bremen und von Bremen etwa nach Niedersachsen umzusiedeln.
    Der Rahmenplan ist zwar gestaltet worden. Ich will darüber nicht sprechen. Wir werden über diesen Rahmenplan in Deutschland noch sehr viel zu reden haben. Ich hoffe nur, daß nach Verabschiebung eines solchen Planes endlich das Herumexperimentieren mit unseren Kindern aufhört, und ich bin davon überzeugt, daß das möglich ist. Wir sehen, daß in der Grundschule und auch in der Oberschule verschiedene Systeme in Deutschland herrschen. Dann stellen wir überrascht fest, daß 25% unserer Studenten nicht die Universitätsreife haben. Anstatt ihnen zu helfen und die an ihnen begangenen Fehler wiedergutzumachen, weiß die Studie des Bundesinnenministeriums nichts anderes anzubieten als die vorübergehende Einführung eines Numerus clausus oder ein Herausprüfen. Bei diesem Herausprüfen kann es sich doch nur um ein Prüfen auf Quantität und nicht auf Qualität handeln. Denn wer an den Universitäten sollte angesichts der Überlastung, die wir an den Universitäten heute schon haben, solche Prüfungen durchführen.
    Es wird behauptet, daß die deutsche Wissenschaft, die seit 1935 mehr und mehr vom Ausland isoliert war, wieder den Anschluß an den internationalen Standard gefunden hat. Ich möchte diese Behauptung nicht in Bausch und Bogen gelten lassen. Das Ergebnis ist aber sicherlich nicht auf Grund einer glänzenden Verwaltungsleistung von Regierung und Parlamenten erreicht worden, sondern nur deshalb, weil die Elite der deutschen Wissenschaftler jede freie Minute, die ihr ein solcher Massenbetrieb noch läßt, mit geradezu übermenschlicher Kraft ihrer Forschung widmet. Noch erhalten die deutschen Wissenschaftler sich die Höhe ihrer geistigen Leistung — ich betone das „noch" —, aber auch die Wissenschaftler sind in ihren eigenen Ordnungen befangen, in Ordnungen, die ihre Wurzel in der Vergangenheit und ihre heutige Berechtigung oft auch im wesentlichen in der Tradition haben.
    Ich will Gesagtes nicht wiederholen, auch mit Rücksicht auf diese Stunde und diesen Tag. Aber lassen Sie mich sagen, daß das Gebot der Stunde nach meiner Auffassung lautet: Raum und Freiheit für Wissenschaft, Forschung und Lehre. Die Vergleichszahlen aus dem Ausland sind bereits vorgetragen worden, ich will auch sie nicht wiederholen.
    Ich muß noch einmal das sagen, was Professor Coing ausgeführt hat: daß eine große Zahl, nämlich 15 %, unserer Hochschulprofessoren in der Zeit von 1933 his 1937 Deutschland verlassen mußten und daß bis zum Jahre 1939 45 % aller Lehrstühle an den Hochschulen und Universitäten umbesetzt wurden. Der Verlust an geistiger Substanz, Lehrfähigkeit und Forschung ist überhaupt nicht in Zahlen auszudrücken.
    Lassen Sie mich noch etwas, was heute nicht angesprochen wurde, in unser Gedächtnis zurückrufen; es Ist in diesem Zusammenhang durchaus interessant und wichtig. Der Ausschuß für Fragen der wissenschaftlichen und technischen Forschung des Europarates hat zur Gründung einer europäischen Universität aufgerufen. Er hat folgendes gesagt — ich darf das zitieren —:
    Es ist allgemein bekannt, daß die bestehenden Landesuniversitäten wegen Überfüllung schon den bisherigen Forschungs- und Lehraufgaben, vor allem als Forschungsanstalten nicht gerecht werden können. Es wird allgemein beklagt, daß viele Landesuniversitäten unter dem Zwang der Verhältnisse ihre Anstrengungen auf Lehrtätigkeit beschränken müssen. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten können durch Vergrößerung des Lehrkörpers allein nicht überwunden werden. Die Gründung neuer Universitäten ist daher dringend erforderlich.
    Was ist aber festzustellen? Ausgerechnet die deutschen Vertreter im Europarat haben die Gründung einer solchen Universität abgelehnt.
    Ohne den Qualitätsunterschied zu leugnen, halte ich es doch für etwas wenig Schönes in unserer westdeutschen Kultur, daß in einer Zeit, in der in der sowjetischen Besatzungszone 28 neue Hochschulen eröffnet wurden, in der Bundesrepublik nur 4 Neugründungen erfolgten. Was soll man dazu sagen, daß sich dann in derselben Zeit die freie Welt weigert, eine solche europäische Universität ins Leben zu rufen? Das scheint mir nicht miteinander zusammenzuklingen.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Dazu kann man allerlei sagen!)

    — Ja, dazu kann man allerlei sagen, sehr verehrte Frau Kollegin Weber. — Man sollte im Zusammenwirken der freien Völker Europas versuchen, eine gemeinsame geistige Grundlage zu finden.
    Das graue Bild, das ich Ihnen hier zeichnen mußte, läßt noch manche schwarze Farbflecke vermissen, die man eigentlich hätte hinzufügen sollen. Die Überwindung dieser grauen Situation

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Grauen Theorie!)

    ist nur möglich, wenn wir in der Tat versuchen, aus den uns alle verbindenden Zielen die Folgerungen zu ziehen, und bereit sind, die notwendige Organisationsform für ,ein deutsches Erziehungs- und Bildungswesen zu schaffen.

    (Abg. Dr. Frede: Und in Oldenburg eine Universität!)

    — Warum nicht, lieber Herr Frede? Ich nehme an, daß Sie das unterstützen werden, zumal der nordwestdeutsche Raum seit Jahrhunderten einen solchen weißen Fleck — keinen schwarzen — aufzuweisen hat, und ich würde es durchaus begrüßen, wenn ich dabei Ihre Unterstützung fände.

    (Beifall bei der FDP.)

    Der Herr Bundesinnenminister ließ es zu, daß in der Denkschrift davon gesprochen wurde, wir hätten zu viele Studierende. Ich behaupte: wir haben



    Eilers (Oldenburg)

    zu wenig Studenten. Ich kann nur mit Besorgnis in die Zukunft blicken, wenn ich an die auf uns zukommende geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, an die Weiterentwicklung der Industriegesellschaft, an die immer näher auf uns zukommende und fortschreitende Automation denke. Gewiß, viele der heutigen Studierenden studieren zuviel, und viele studieren falsch. Aber über eines sollten wir uns nicht täuschen: Der Osten verwirklicht das, von dem wir immer behaupten, es sei unser Ziel, nämlich die Mobilisierung des letzten Bildungspotentials. Während dort die Menschen zu Hunderttausenden in mittlere und höhere Fachschulen gehen, während dort auch Unterbegabte durch Training und Schulung dazu gebracht werden, daß sie einen gehobenen oder teilweise gehobenen Beruf ausfüllen, während dort über die Hälfte des intellektuellen Nachwuchses aus der breiten Schicht der Arbeitnehmer gewonnen wird, erklärt das Bundesinnenministerium in seiner Studie, man dürfe das vorhandene Bildungspotential nicht überschätzen. Herr Bundesinnenminister, woher wissen Sie, daß das Bildungspotential in unserem Volk bereits erfaßt ist?

    (Bundesinnenminister Dr. Schröder: Auf Grund vieler wissenschaftlicher Untersuchungen!)

    — Schön, ich komme darauf noch zu sprechen. Ich möchte auch sehr gern einmal eine Schrift darüber vom Bundesinnenministerium erhalten.
    Es geht aber nicht darum, was heute ist, sondern wir müssen uns fragen, was wir in 10, 20 oder 30 Jahren an Führungskräften benötigen. Wir dürfen nicht vergessen, daß es in unserer heutigen Zeit um den Kampf zweier Gesellschaftsstrukturen geht, daß seit 40 Jahren eine eigentumslose Funktionärsgesellschaft des Bolschewismus gegen unsere gegliederte Eigentumsgesellschaft mit der Freiheit und Würde des Menschen anrennt. Dieses Problem ist nicht mit Atombomben zu meistern, sondern dazu bedarf es eines geistigen Bewußtseins der Freiheit, das jeder Angehörige unserer Gesellschaft haben muß.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Wissen wir eigentlich alle, daß auf jeden ausgebildeten deutschen Techniker acht ausgebildete Techniker in den Vereinigten Staaten und 28 in der Sowjetunion entfallen. Man komme mir bitte nicht mit dem alten Lied des Leistungs- und Qualitätsunterschiedes. Sind wir so sicher, daß der so groß ist — ich meine das im technischen, nicht im humanen Sinne —? Wer hat sich einmal Gedanken darüber gemacht, auf welche Leistungshöhe dieser eine deutsche Techniker noch gehoben werden müßte, um gegenüber den 28 bestehen zu können? So viele Fragen und, wie ich befürchte, so wenig Antworten.

    (Abg. Dr. Frede: Eine ganz andere Bevölkerungsrelation!)

    — Das ist richtig, aber dennoch dürfen wir dann
    nicht sagen, unser Bildungspotential sei erfaßt und
    wir könnten auf eine weitere Erfassung verzichten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Ich möchte an den Herrn Bundesinnenminister die Bitte richten, uns doch einmal eine Schrift etwa gleicher Ausführung und gleichen Umfanges wie die Denkschrift zu unterbreiten, in der auf diese Fragen Auskunft gegeben wird. Wir wollen und müssen nämlich auf diese Fragen eine Antwort haben. Der Bedarf an geistigen Führungskräften kann nicht so bemessen werden wie der Stellenplan einer deutschen Verwaltungsbehörde; er richtet sich vielmehr nach der politischen Situation unseres Volkes von morgen.
    Die Bundesrepublik gibt für die militärische Aufrüstung jährlich 10, 11 oder vielleicht 12 Milliarden DM aus. Der Ausbau und die Neugründung von Universitäten entsprechend den Vorschlägen des Wissenschaftsrates würde schätzungsweise in den nächsten fünf Jahren den einmaligen Betrag von 21/2, 3 oder 4 Milliarden DM erfordern, je nachdem, ob wir die Studentenwohnheime einrechnen oder nicht. 13 Milliarden DM geben wir für Subventionen aus; der Herr Bundesfinanzminister hat erklärt, diese Subventionen seien der Krebsschaden unseres Haushalts. Angesichts dieser Zahlen sollten wir auch bereit sein, in den nächsten fünf Jahren einmal den Betrag von 21/2, 3 oder 4 Milliarden DM aufzuwenden.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

    Die Freien Demokraten schlagen Ihnen vor, aus unserer Mitte eine Kommission von etwa acht bis zehn Köpfen zu bilden, die im Sonderauftrag und in Zusammenarbeit von Bundestag, Bundesregierung und Wissenschaftsrat uns die Vorschläge unterbreiten, auf die wir uns dann in diesem Hohen Hause einigen können.
    Wir sollten auch bereit sein — ich komme damit auf meine anfängliche Anregung zurück—, sofort eine Bundesinstanz zu schaffen. Ich bin mir klar, daß mit der Organisation allein noch nichts getan ist. Aber wir müssen die Voraussetzungen schaffen, damit wir überhaupt handeln können.
    Wenn wir uns schon nicht entschließen können, sofort ein eigenes Bundesministerium für Erziehung und Wissenschaft aus der Taufe zu heben, dann sollten wir wenigstens ein bereits bestehendes Ministerium befristet bevollmächtigen, für die allgemeine Durchsetzung von übergeordneten Gesichtspunkten tätig zu werden. Dabei denke ich allerdings nicht an das Bundesinnenministerium. Mit Herrn Professor Schmid teile ich die Abneigung, kulturelle Fragen in die Nähe von Verwaltung und Polizei zu rücken.

    (Bundesinnenminister Dr. Schröder: So viel Polizei haben wir doch wirklich nicht!)

    — Aber in diesem Falle langt es!
    Wenn wir jedoch nicht sogleich ein neues Ministerium schaffen wollen, dann bietet sich das Bundesratsministerium geradezu an.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Was kostet das die Verwaltung? — Weitere Zurufe von der Mitte.)




    Eilers (Oldenburg)

    - Vielleicht sind Sie so liebenswürdig, sich diesen Gedanken einmal anzuhören. Ich glaube, er kommt auch Ihren Intentionen entgegen.
    Der Minister für Angelegenheiten des Bundesrates hat sicherlich Erfahrung im Koordinieren und im behutsamen Ausgleich. Wir können, glaube ich, sicher sein, daß er nicht die — in Anführungsstrichen gesprochen — „blühende Fülle" unserer Länder in ein „trostloses Einerlei" verwandelt, sondern daß er mit ruhiger Hand auf der einen Seite Bewährtes bewahrt und auf der anderen Seite Störendes entfernt. Wir sollten bereit sein, das zu tun, und in diesem Ministerium auch die Mittel zusammenfassen, die aus der von der SPD vorgeschlagenen Stiftung „Wissenschaftsrat" und aus der Stiftung „Volkswagenwerk" fließen, damit sie einheitlich eingesetzt werden können.
    In diesem Hause sind wir uns wohl alle einig, daß ein Zurückdämmen der Bildungswelle einfach nicht gestattet werden kann. Die bestehenden Hochschulen müssen schnellstmöglich ausgebaut und auf eine optimale Größe ausgeweitet werden. Ich bin da mit Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU und von der SPD einer Auffassung. Ich glaube wie Sie, daß jede Hochschule irgendwo eine Fassungsgrenze hat, die nicht überschritten werden darf, wenn sie Hochschule bleiben soll. Nicht jede Hochschule kann soweit ausgebaut werden, daß sie beliebig viele Studenten aufnehmen könnte. Ist aber eine Hochschule bis zu ihrer optimalen Grenze ausgebaut, müssen wir dann, wenn sie voll belegt ist, für sie den Numerus clausus verhängen. Das ware berechtigt und würde, glaube ich, auch verstanden werden.
    Darüber hinaus aber kommt auf die Bundesregierung als Aufgabe die wesentliche finanzielle Unterstützung der Neugründung von Universitäten zu. Ich stimme da durchaus mit dem Kollegen Heck überein.
    Ich meine auch, wir sollten alles tun, um der Wohnungsnot unserer Studenten zuleibe zu gehen, Mittel dafür planvoll einsetzen. Meine Damen und Herren, ist es nicht bedauerlich, daß wir zwar Jahr für Jahr eine halbe Million Wohnungen errichten, es aber bisher nicht fertiggebracht haben, hunderttausend Studentenzimmer zu schaffen? Ein Bauplan dafür wäre mit Hilfe des Deutschen Studentenwerks sicherlich schon in absehbarer Zeit zu erlangen, so daß wir uns insoweit auf eine gute Vorarbeit des Studentenwerks stützen könnten.
    Schließlich und endlich sollten auch die Universitäten aus ihrer Trägheit herauskommen und dem Neuen den Platz einräumen, der ihm gebührt, das heißt, daß nicht nur die alten Disziplinen, sondern auch junge, denen die Jugend besonders zustrebt, hinreichend mit Lehrkräften ausgestaltet werden. Hier wäre für die akademische Selbstverwaltung ohne Zweifel noch ein weites Feld.
    Ich teile auch die Auffassung, die sowohl von der SPD als von der CDU hier ausgesprochen wurde, daß das Fachschulstudium weiter auszubauen wäre, daß mehr Fachhochschulen als bisher zu errichten und von den eigentlichen Universitäten zu trennen wären.
    Ich will über anderes, was hier schon erörtert worden ist, nicht mehr sprechen, auch nicht über den „Zweiten Bildungsweg", möchte nur auf ein Letztes und meiner Ansicht nach Wichtiges zu sprechen kommen. Meine Damen und Herren, wir kennen alle die Namen Krupp, Bosch und Zeiß, auch in Verbindung mit Stiftungen. Diese sind natürlich geringeren Umfangs als etwa die Rockefeller-Stiftung oder die Ford Foundation, oder auch als etwa die Stiftung Volkswagenwerk, die uns ja nun einige Mittel geben wird. Wenn auch nicht verkannt werden darf, daß die Beiträge der Wirtschaft zur Forschungsgemeinschaft einen echten Beitrag darstellen, so sind doch Stiftungen der Wirtschaftsführer leider in unserem Wirtschaftswunderland bisher weitgehend unbekannt.

    (Zuruf: Na, Na! Stifterverband!)

    Nichts aber hindert die Inhaber großer Vermögenskonzentrationen, durch Stiftungen, die ihren Namen tragen, das gesamte Volk zum Miteigentümer dieser Vermögen zu machen. Diese Mahnung richte ich an die Öffentlichkeit, da gegenwärtig einzelne Unternehmen 12 bis 16 % Dividende verteilen. Eine noch schönere Form des Miteigentums als ein Schule, eine Universität, eine Akademie oder eine Bibliothek vermag ich mir schlechthin nicht vorzustellen. Ein solches Miteigentum würde auch noch den Enkeln und Urenkeln dienen und den Namen derer wachhalten, die die Stiftung veranlaßten.
    Meine Damen und Herren, ich habe versucht, auf einiges hinzuweisen, was nach meiner Auffassung falsch verstandener und überspitzter Föderalismus war. Ich habe auch Fehler aufzuzeigen versucht. Ich habe bei Ihnen nicht immer den vollen Beifall finden können. Darüber bin ich mir von vornherein klar gewesen. Wohin kämen wir, wenn wir stets von vornherein einer Meinung wären, wenn wir nicht mehr in der Lage wären, eine sachliche, harte Auseinandersetzung zu führen. Die Besorgnis aber, daß wir etwas falsch machen könnten, darf uns nicht Begründung dafür sein, überhaupt nichts zu tun.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Voraussetzung allerdings ist, daß wir nicht nur im Politischen, sondern im Staatsmännischen denken. Im Erziehungs- und Bildungswesen geht es nach meiner Überzeugung nicht um politische Momente allein, es geht um die kommenden Generationen. Denken wir daran: „Geld in Schulen angelegt stets die besten Zinsen trägt!"

    (Abg. Schröter [Berlin] : So steht es in den Rathäusern. Aber die Herren handeln nicht danach! Seit 50 Jahren!)

    — Vielleicht wird danach doch noch gehandelt.
    Meine Damen und Herren! Die FDP hatte vor, wie die CDU/CSU und die SPD Ihnen einen Antrag vorzulegen. Da aber wahrscheinlich Zweifel über die Beschlußfähigkeit auftauchen würden, werden wir uns erlauben, Ihnen den Antrag dann zu überreichen, wenn das Haus beschlußfähig ist.

    (Beifall bei der FDP.)






Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Knorr.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Friedrich Knorr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auf Ihr volles Verständnis hoffen, wenn ich mich in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der langen Dauer dieser Debatte auf ein paar kurze Bemerkungen zur Hochschulfrage beschränke, die mir als Ergänzung zu dem, was mein Kollege Heck vorhin ausgeführt hat, wichtig erscheinen.
    Die im Lauf unserer Unterhaltung schon sehr häufig zitierte Denkschrift aus dem Innenministerium hat eine für viele Leute erstaunlich starke öffentliche Debatte hervorgerufen. Dies ist sehr zu begrüßen; denn die Frage, was aus unseren Hochschulen wird, ist ein Problem ersten Ranges, das die Bevölkerung der gesamten Bundesrepublik im tiefsten angeht. Wir sind in ein Zeitalter eingetreten, in dem die Gesellschaft zweifellos mehr wissenschaftlich vorgebildete Menschen braucht und auf einer ganzen Reihe von Gebieten mehr hochqualifizierte Fachkräfte und Spezialisten benötigt, als es früher der Fall war. Daß die Hochschulen diese Kräfte bereitstellen, ist eine Lebensfrage für die ganze Nation. Die Denkschrift hat deshalb wohl so erregend gewirkt, weil sie in völlig nüchterner Weise bezweifelt hat, daß die Hochschulen in ihrer gegenwärtigen Verfassung in der Lage sind, diesen Nachwuchs sicherzustellen, und weil sie einen besonders drastischen Weg vorgeschlagen hat, sie in diese Lage zu versetzen.
    Die Diskussion um diese Vorschläge hat nun freilich etwas ergeben, was allen Sachkennern längst klar war, daß die Überfüllung der Hochschulen zwar im Augenblick ein sehr bedrückender Notstand ist, daß sich aber das Hochschulproblem darin keineswegs erschöpft und daß es mit einer Beseitigung der Überfüllung keineswegs aus der Welt geschafft wäre. Die verschiedenen Krankheitsherde in unserem Hochschulwesen sind dabei auch der breiten Öffentlichkeit deutlich zum Bewußtsein gebracht worden und damit auch die außerordentliche Größe und Schwere des Problems, das sich da vor uns auftut und das sich durch schöne Reden und Schlagworte keinesfalls bewältigen läßt.
    Im Rahmen dieser Gespräche haben sich die Hochschulen selbst zu einem in ihrer Geschichte ungewöhnlichen Schritt entschlossen. Sie haben sich an die Öffentlichkeit gewandt und sie sind mit der Bitte um Hilfe auch an die Parteien dieses Hohen Hauses herangetreten. Wir waren also auch unmittelbar aufgerufen, uns mit diesem Problem —unbeschadet der Begrenztheit unserer Kompetenz in dieser Frage, der wir uns voll bewußt sind — zu befassen.
    Die Hochschulen sollten wissen, daß wir uns hier sehr eindringlich mit ihren Nöten befaßt haben, nicht nur mit den großen Bildungsfragen, die vorhin Herr Kollege Heck auseinandergesetzt hat, sondern vor allen Dingen auch mit den vielen einzelnen kleinen Sorgen des Hier und Jetzt, die die Hochschulen im Augenblick bedrängen und um deren Lösung sie ringen. Sie sollten wissen, daß wir entschlossen sind, im Rahmen des uns Möglichen jede denkbare Hilfe zu leisten. Es versteht sich dann aber von selbst, daß wir uns sorgfältige Gedanken darüber machen müssen, wo nun für uns solche Möglichkeiten einer Hilfeleistung für die Hochschulen liegen.
    Bevor ich dazu einige ganz wenige Bemerkungen mache, darf ich ein paar Vorbemerkungen vorausschicken. Die Notlage der Hochschulen begann keineswegs mit der Überfüllung. Das Problem ist viel älter und letztlich wohl eine Folge der großen Umwälzungen, die sich in unserem Jahrhundert vollziehen. Das Problem ist so weitreichend und so schwierig, daß es nicht im Handumdrehen von heute auf morgen gelöst werden kann. Es wird also sehr viel Geduld notwendig sein. Es ist sicher, daß es in der Weise gelöst werden muß, daß wir künftighin mehr Menschen mit wissenschaftlicher Vorbildung zur Verfügung haben. Dieser Prozeß vollzieht sich in allen Ländern des Westens. Wir werden uns ihm keineswegs entziehen können. Ebenso sicher ist, daß es nur so gelöst werden darf, daß der eigentliche Auftrag der Hohen Schulen, nämlich das Ringen um Wahrheit und Erkenntnis, dabei nicht aufgegeben wird.
    Erwägt man nun, wo für uns Möglichkeiten der Mithilfe bei der Lösung dieses Problems liegen, so ergeben sich in der Fülle der Aufgaben sogleich drei klar abgrenzbare Bereiche: ein erster, wo wir keinesfalls helfen können, wo die Hochschulen auch künftighin ganz und gar auf sich allein gestellt sein werden; ein zweiter Bereich, wo wir nicht zu helfen brauchen, weil es sich um Aufgaben handelt, die von eh und je durch die Länder wahrgenommen worden sind; und schließlich ein dritter Bereich, wo wir helfen müssen, weil die Anforderungen dieser hochindustrialisiertere Zeit zu groß geworden sind, als daß die Länder sie allein zu lösen vermöchten.
    Ich darf zu den einzelnen Bereichen einige wenige Worte sagen. Wo es sich um die Frage der inneren Reform der Hochschule handelt, können wir nicht helfen. Die Zurückgewinnung der Einheit der Wissenschaft ist Sache der Hochschulen allein. Sie müssen darum kämpfen; davon wird es weitgehend abhängen, ob sich die Einheit von Forschung und Lehre wirklich auf die Dauer bewahren läßt.
    Die Hochschulen werden auch um die Erhaltung ihrer Selbstverwaltung kämpfen müssen und sie werden sich überlegen müssen, ob sie neue Organe dieser Selbstverwaltung brauchen. Denken Sie etwa an die großen Anforderungen, die in dieser Zeit an die Rektoren gestellt werden, und an anderes. Sie werden sich überlegen müssen, wo die Grenzen der Selbstverwaltung liegen, wenn sie sich vergrößern müssen. Alles das aber sind Fragen, die die Hochschulen selbst entscheiden müssen. Wir können die Hochschulen hier nur ermutigen, mit großer Energie an die Lösung dieser Frage heranzutreten, nichts von ihren großen Traditionen aufzugeben, was sich bewährt hat, aber auch den Mut zu unter Umständen radikalen Schritten zu haben, wenn sich solche als notwendig erweisen. Ich will nur zwei Kleinigkeiten erwähnen, etwa die vielzitierte Hörgeldfrage oder die Frage der Berufungen. Vielleicht muß



    Dr. Knorr
    man wirklich, wie manche Ordinarien fordern, jüngere Kräfte und mit mehr Mut auch Außenseiter berufen, um die Fakultäten wieder aufzufüllen.
    Ich glaube, man sollte diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne den Universitäten auch einmal dafür zu danken, was sie unbeschadet aller noch vor ihnen liegenden ungelösten Probleme seit dem Zusammenbruch geleistet haben. Man darf ja nicht vergessen, in welcher Verfassung sich unsere Hochschulen befunden haben und was unterdessen schon wieder aus ihnen geworden ist. Man sollte auch den jungen Menschen danken, die dort studieren und es unverdrossen weiter tun, obwohl, wie wir aus der Denkschrift, aus der Diskussion, die sie ausgelöst hat, und aus eigener Anschauung an den Universitäten wissen, heute das Leben an den Hochschulen auch für die Studenten schwer geworden ist. Wir können nur hoffen, daß die jungen Menschen mit der gleichen Unverdrossenheit dort ihre Aufgaben weiter erfüllen.
    Zur Frage der Länder und ihrer Mitwirkung bei der Lösung dieser Probleme darf ich kurz folgendes sagen. Es ist zuzugeben, daß die Länder in ständig wachsendem Maße die Verpflichtungen übernommen haben, die ihnen die notwendige und unaufhaltsame Fortentwicklung der Hochschulen auferlegt. Mein Kollege Stoltenberg wird Ihnen dazu noch einige Zahlen bekanntgeben, die recht imponierend sind. Wir haben meiner Meinung nach alle Veranlassung, den Ländern dafür dankbar zu sein, daß sie diese Aufgaben klar erkannt und in Angriff ) genommen haben. Es besteht nicht die mindeste Veranlassung zu der Annahme, daß sie in Zukunft diesen Verpflichtungen nicht entsprechen werden.
    Freilich bleibt, wenn man an die Notwendigkeit der Lösung des Hochschulproblems denkt, gerade den Ländern noch eine ganze Reihe sehr schwerwiegender Aufgaben, die zunächst einmal gar nichts mit Finanzen zu tun haben. Man denke etwa an das — dies wird heute an den Hochschulen viel besprochen — oft nicht mehr so gut wie in früheren Jahrzehnten funktionierende Zusammenspiel zwischen den Fakultäten und der Ministerialbürokratie bei der Frage der Berufungen. Oder man denke daran, daß die Länder nicht in jeder Hinsicht den Wünschen mancher Ordinarien, mancher Fakultäten entsprechen, jüngere Kräfte oder auch einmal Außenseiter zu berufen. Oder man denke an die große Aufgabe, die den Ländern dadurch gegeben ist, daß sie das mittlere Lehrpersonal der Universitäten vergrößern und es sowohl im Hinblick auf die Berufungsaussichten als auch auf die Dotierung und vor allen Dingen im Hinblick auf die Alterssicherung besserstellen müssen.
    Vor allem haben die Länder die große Aufgabe, durch eine wirklich großzügige Reform unseres höheren Schulwesens für eine Verbesserung des Nachwuchses für die Hochschulen und durch die Schaffung von mehr mittleren Fachschulen und Fachhochschulen für eine bessere Verteilung des Nachwuchses zu sorgen und dadurch den einseitigen, beängstigenden Zustrom zu den Hochschulen zu beenden. Ich glaube, nichts ist in diesem Zusammenhang dringlicher und nichts wird von der gesamten Elternschaft in der Bundesrepublik mehr gefordert als eine gründliche Überprüfung unseres Berechtigungswesens.
    Dies alles sind Aufgaben, ohne deren großzügige Lösung eine Hochschulreform nicht möglich ist; aber es sind Aufgaben der Länder und nicht des Bundes. Für den Bund bleiben freilich im dritten Bereich noch der Aufgaben genug. Die Zeit fordert bei vielen Hochschulen die Einrichtung ganz neuer Institute, vor allem auf dem Felde der Naturwissenschaft und Medizin. Große Bauvorhaben und all die anderen Aufgaben, die in den bisherigen Ausführungen angesprochen worden sind, müssen bewältigt werden. Wir dürfen uns in keiner Richtung unserer Verpflichtung zur Hilfeleistung entziehen. Wir wollen helfen und wir werden helfen. Ich glaube, dieses Hohe Haus wird es mit dem Gefühl der ganzen Verantwortung tun, die ihm dabei auferlegt ist. Wir haben im Honnefer Modell, im Düsseldorfer Wohnungsbauprogramm und vor allem im Deutschen Wissenschaftsrat ja nun schon Einrichtungen geschaffen, in denen Bund und Länder und die Wissenschaft gut zusammenarbeiten und die uns die Aussicht bieten, auch in Zukunft schnell mit den Problemen fertigzuwerden. Die Universitäten müssen freilich erkennen — das hat sich wohl aus dieser weitreichenden Diskussion ergeben —, daß keineswegs alles mit Geld allein gelöst werden kann. Je energischer sie selbst ihre inneren Probleme in Angriff nehmen und ihre notwendigen Zielsetzungen klarer formulieren, um so leichter wird es sich auch ermöglichen lassen, sie zu unterstützen. Wir wissen, daß es sehr schwere Aufgaben sind und daß sie sich nicht von heute auf morgen lösen lassen. Es wird sehr viel Geduld notwendig sein, und es wird noch manchen harten Strauß um einzelne Fragen geben. Aber ich glaube, wir dürfen das Vertrauen in unsere Hochschulen haben, daß sie im Blick auf die große Tradition und die hohen Verpflichtungen — deren sind sie sich auch bewußt — in diesem Lande, in ganz Europa und in der ganzen Welt diese Aufgaben in Angriff nehmen und dies so tun, daß sie auch angesichts aller Wünsche und Notwendigkeiten hinsichtlich der weiteren Spezialisierung vieler Forschungsbereiche Stätten der Freiheit des Geistes, der Freiheit der Forschung und einer wirklich freiheitlichen Selbstverwaltung bleiben.

    (Beifall in der Mitte.)