Rede:
ID0310102200

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3101

  • date_rangeDatum: 12. Februar 1960

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    Deutscher Bundestag 101. Sitzung Bonn, den 12. Februar 1960 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Abg. Arndgen, Dr. Schmid [Frankfurt], Kühn [Bonn], Dr. Schneider [Lollar] u. Gen.) (Drucksache 1444) — Erste Beratung — Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 5437 B, 5448 A Dr. Kohut (FDP) 5441 C Brese (CDU/CSU) 5443 A Frau Kalinke (DP) 5444 B Eisenmann (FDP) 5446 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundeszuschüsse zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten aus Anlaß der wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik sowie zur Einführung der Vorschriften über die Gemeinlast und weiterer sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften im Saarland (Gesetz über Bundeszuschüsse und Gemeinlast) (Drucksache 1460) ; Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 1608); Mündlicher Bericht des Sozialpol. Ausschusses (Drucksache 1607) — Zweite und dritte Beratung — Baldauf (CDU/CSU) 5449 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Abkommen zwischen Bund und Ländern über Fragen der Kulturpolitik (Drucksache 1398); verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer „Stiftung Wissenschaftsrat" (SPD) (Drucksache 1314) — Erste Beratung — und Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" (Drucksache 1472) Dr. Frede (SPD) . . . . . . . . 5450 A Dr. Schröder, Bundesminister . . . 5453 D, 5482 B Dr. Heck (Rottweil) (CDU/CSU) . . 5460 B Lohmar (SPD) 5464 A, 5480 C Eilers (Oldenburg) (FDP) . . . 5469 D Dr. Knorr (CDU/CSU) . . . . . 5476 A Probst (Freiburg) (DP) 5477 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) 5479 B, 5480 D Dr. Schäfer (SPD) 5481 A Frau Dr. Maxsein (CDU/CSU) . 5481 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 5482 D Anlagen 5483 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1960 5437 101. Sitzung Bonn, den 12. Februar 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach 12. 2. Frau Albertz 29. 2. Bauer (Wasserburg) 12. 2. Bauereisen 15. 2. Benda 19. 2. Frau Bennemann 12. 2. Frau Berger-Heise 12. 2. Birkelbach 12. 2. Dr. Bleiß 12. 2. Brand 12. 2. Frau Brauksiepe 12. 2. Brüns 2. 7. Dr. Bucerius 12. 2. Dr. Dahlgrün 12. 2. Dr. Deist 29. 2. Dr. Dollinger 12. 2. Dowidat 12. 2. Eberhard 27. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Engelbrecht-Greve 12. 2. Even (Köln) 29. 2. Frau Friese-Korn 27. 2. Frau Dr. Gantenberg 13. 2. Geiger (München) 12. 2. D. Dr. Gerstenmaier 17. 2. Glüsing (Dithmarschen) 12. 2. Dr. Greve 12. 2. Dr. Gülich 16. 4. Haage 12. 2. Dr. Graf Henckel 12. 2. Hilbert 12. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 20. 2. Horn 12. 2. Frau Dr. Hubert 12. 2. Illerhaus 12. 2. Jacobi 13. 2. Jacobs 7. 3. Dr. Jaeger 13. 2. Jahn (Frankfurt) 23. 4. Dr. Jordan 12. 2. Kalbitzer 12. 2. Dr. Kanka 12. 2. Frau Klemmert 15. 5. Könen (Düsseldorf) 12. 2. Dr. Krone 12. 2. Leber 12. 2. Dr. Leiske 12. 2. Leukert 16. 2. Dr. Leverkuehn 12. 2. Dr. Lindenberg 12. 2. Lulay 29. 2. Maier (Freiburg) 16. 4. Margulies 12. 2. Mauk 12. 2. Mengelkamp 12. 2. Merten 12. 2. Müller (Worms) 12. 2. Müser 20. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Neuburger 12. 2. Nieberg 12. 2. Ollenhauer 12. 2. Pelster 19. 2. Dr. Pflaumbaum 19. 2. Frau Pitz-Savelsberg 12. 2. Prennel 12. 2. Frau Dr. Probst 12. 2. Rademacher 12. 2. Dr. Ratzel 12. 2. Richarts 12. 2. Ritzel 12. 2. Frau Rudoll 12. 2. Ruhnke 12. 2. Dr. Rutschke 13. 2. Scharnowski 15. 2. Scheel 12. 2. Dr. Schellenberg 12. 2. Dr. Schmidt (Gellersen) 12. 2. Schmücker 12. 2. Schneider (Hamburg) 12. 2. Schütz (München) 12. 2. Dr. Starke 13. 2. Frau Dr. Steinbiß 17. 2. Dr. Steinmetz 12. 2. Storch 12. 2. Striebeck 13. 2. Frau Strobel 12. 2. Wagner 12. 2. Dr. Weber (Koblenz) 12. 2. Wehr 23. 4. Weimer 12. 2. Frau Welter (Aachen) 27. 2. Werner 24. 2. Dr. Willeke 1. 3. Anlage 2 Umdruck 468 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Abkommen zwischen Bund und Ländern über Fragen der Kulturpolitik (Drucksache 1398). Der Bundestag wolle beschließen: Um die Einrichtungen der Forschung, der wissenschaftlichen Hochschulen, der Fachhochschulen und der allgemeinbildenden Schulen den Bildungs- und Ausbildungsbedürfnissen unserer Zeit anzupassen, wird die Bundesregierung ersucht, 1. die Verhandlungen mit den Ländern über die Abgrenzung der Aufgaben im kulturellen Bereich baldmöglichst zu einem Abschluß zu bringen, 2. dabei insbesondere eine Verwirklichung von Artikel 74 Nr. 13 des Grundgesetzes durch eine angemessene Beteiligung des Bundes an der Verwaltung und Etatgestaltung der überregionalen Forschungsinstitutionen anzustreben, 5484 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1950 3. im Haushaltsplan des Bundes in den folgenden 5 Jahren für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen je 200 Millionen DM vorzusehen, 4. im Einvernehmen mit den Ländern zu prüfen, inwieweit neben dem Ausbau der vorhandenen die Gründung neuer wissenschaftlicher Hochschulen notwendig ist, 5. im Einvernehmen mit den Ländern einen Plan über den Bau von Studentenwohnheimen, Studentenhäusern und über den Ausbau des Fachschulwesens aufzustellen, 6. gemeinsam mit den Ländern und dem Wissenschaftsrat die Vorschläge zur Reform der Lehrkörper an den wissenschaftlichen Hochschulen zu prüfen. Der Bundestag hält es für notwendig, die rund 700 Millionen DM, die dem Bund aus der Teilprivatisierung des Volkswagenwerks für 20 Jahre zur Nutzung zustehen, schon jetzt im Sinne der Stiftung, überwiegend zur Finanzierung der Aufgaben unter 4. und 5. unmittelbar zur Verfügung zu stellen und darüber Einvernehmen mit dem Land Niedersachsen anzustreben. Die Bundesregierung wird aufgefordert, in den schwebenden Verhandlungen über den Schuldendienst der Ausgleichsforderungen dahin gehend zu wirken, daß die Länder die 275 Millionen DM, die der Bund künftig übernimmt, zu einer entsprechenden Mehrleistung im kulturellen Bereich, insbesondere für Zwecke des Schulbaues verwenden, um die Voraussetzungen für die Einführung des 9. Schuljahres in allen Bundesländern baldmöglichst zu schaffen. Bonn, den 11. Februar 1960 Dr. Krone und Fraktion Anlage 3 Umdruck 469 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Abkommen zwischen Bund und Ländern über Fragen der Kulturpolitik (Drucksache 1398). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. die Verhandlungen mit den Ländern über die Bewältigung der Aufgaben im kulturellen Bereich bis zum 1. Juni 1960 abzuschließen und dem Bundestag unverzüglich über das Ergebnis schriftlich zu berichten; 2. die notwendigen Mittel im Haushaltsplan des Bundes für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen bereitzustellen, soweit sie nicht von den Ländern aufgebracht werden. Grundlage dafür sollen die Bedarfspläne des Wissenschaftsrates sein; 3. den Ländern die im Rahmen der Übernahme von Kriegsfolgelasten durch den Bund erforderlichen Mittel für den Schulhausbau zur Verfügung zu stellen. Bund und Länder sollen außerdem die Modernisierung der Schulen, die Einführung des 9. Schuljahres und die Beseitigung des Schichtunterrichtes berücksichtigen; 4. mit den Ländern, den Trägern der Erwachsenenbildung und den Hochschulen über einen Ausbau der Einrichtungen der politischen Bildung zu beraten und alle Bestrebungen auf diesem Gebiet nachdrücklich zu fördern; 5. die Höhe der Stipendien für Studenten und der Erziehungsbeihilfen den gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen; 6. den Anteil der geförderten Studenten zu erhöhen und eine Ausweitung des Kreises von Studierenden, deren Eltern als Arbeiter oder in der Landwirtschaft tätig sind, zu fördern; 7. im Einvernehmen mit den Ländern und den Trägern von Studentenwohnheimen dafür Sorge zu tragen, daß innerhalb von fünf Jahren 30 v. H. der Studenten in Wohnheimen aufgenommen werden können. Dabei sind ausländische Studenten, die in der Bundesrepublik studieren, besonders zu berücksichtigen. Bonn, den 12. Februar 1960. Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Kollege, ich kann darauf sehr leicht antworten. Die Betrachtung, die ich vorhin angestellt habe, war etwas umfassender. Aber jenem britischen Beispiel vergleichbar ist etwa das Verhältnis, das wir seit Jahren zur Deutschen Forschungsgemeinschaft haben. Wie Sie wissen, haben wir dieser Einrichtung das Geld tatsächlich in völligem Vertrauen zu ihrer Selbstverwaltung zur Verfügung gestellt. Das Ist sicherlich dem genannten britischen Beispiel absolut vergleichbar. Die Zeit reicht leider nicht aus, um die Einzelheiten aufzuzeigen, aber von der britischen Kunst, Schwierigkeiten—nicht mit Ländern, aber dort gibt es Schwierigkeiten mit den großen Kommunen — in einer hervorragenden, eleganten Weise durch die richtige Behandlung finanzieller Fragen zu überwinden, können wir noch lernen. Das ist jedenfalls meine Überzeugung.
    Den Vorschlägen des Wissenschaftsrates und des Deutschen Ausschusses für das Erziehurigs- und Bildungswesen greift. die Denkschrift, über die ich gerade gesprochen habe, nicht vor. Sie ist lediglich ein
    Diskussionsbeitrag, der Anregungen für die öffentliche Erörterung dieser Fragen gehen sollte und, wie das starke Echo zeigt, auch gegeben hat.
    Der Herr Vorredner war liebenswürdig genug, hervorzuheben, daß die Denkschrift ausdrücklich als Arbeit eines Referenten meines Hauses gekennzeichnet worden ist. Leider, Herr Kollege, haben sich nicht alle die Mühe gemacht, diesen Tatbestand nachdrücklich genug bei ihren öffentlichen Äußerungen zur Grundlage der Betrachtung zu machen. Ich habe oft den Eindruck gehabt, daß es sich leichter und offenbar auch mit größerem öffentlichem Widerhall gegen mich polemisiert als gegen einen Referenten des Innenministeriums. Trotzdem ist es nicht fair, rein aus Gründen der Publizität und der Polemik, die grundlegenden Tatsachen dabei leichthin wegzulassen.
    Für wertvoll halte ich — das möchte ich noch einmal hervorheben - die in der Denkschrift unter Mitarbeit des Statistischen Bundesamtes zum erstenmal gegebenen Zahlen- und Entwicklungsübersichten. Sie konnten nur von dem Statistischen Bundesamt — in Verbindung mit uns - und von keiner anderen Stelle in Deutschland gegeben werden. Diese Zahlen- und Entwicklungsübersichten bilden sicherlich eine notwendige Bereicherung des Materials für die anstehenden Erörterungen.
    Über einige in der Denkschrift ausgedrückte Meinungen des Referenten kann man verschiedener Auffassung sein. Diese Meinungen haben draußen sowohl Ablehnung als auch Zustimmung gefunden. Allgemein ist anerkannt worden, daß die Denkschrift — sowohl ihre Zahlen als auch die Auffassungen des Referenten — das Thema der Überfüllung der Hochschulen einer intensiven und breiten Diskussion zugeführt hat.
    Folgende Tatsachen möchte ich noch einmal hier festhalten. Nach unseren Schätzungen ist für 1965 mit etwa 285 000 deutschen und ausländischen Studenten zu rechnen. Dieses starke Anwachsen der Studentenzahlen beschränkt sich übrigens nicht auf Deutschland, sondern es ist, wie die mir vorliegenden Zahlen zeigen, eine internationale Erscheinung.
    Was läßt sich unter diesen Umständen tun? Auf längere Sicht kann die Hilfe nur im Ausbau der Hochschulen bestehen, das heißt in ihrem räumlichen Ausbau und in der Bereitstellung von mehr Lehrkräften. Zu diskutieren bleibt, auf welches Fassungsvermögen die Hochschulen vernünftigerweise ausgebaut werden sollen. Bei dem derzeitigen Stand der Erörterungen halte ich es für zweckmäßig, vor einer endgültigen Festlegung der Meinung der Bundesregierung die angekündigte Arbeit des Wissenschaftsrates abzuwarten.
    Nach meiner Meinung wird für die endgültige Entscheidung viel davon abhängen, ob wir uns entschließen können, anzuerkennen, daß die Führungsschicht in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts sehr verschiedene Funktionen zu erfüllen hat. Dieser Verschiedenheit der Funktionen der Führungsschicht sollte sich die Ausbildung des Nachwuchses anpassen. Nicht alle Führungskräfte wer-



    Bundesminister Dr. Schröder
    den eine Ausbildung auf den wissenschaftlichen Hochschulen brauchen, die sich in der Berührung mit der wissenschaftlichen Forschung vollzieht. Für viele Funktionen wird eher die Spezialausbildung auf ,,Fachhochschulen" angemessen sein.
    Lassen Sie mich dafür ein Beispiel geben, von dem ich meine, daß es das Problem etwas beleuchtet. Bereits jetzt kommt bei uns auf einen Ingenieur ein Diplomingenieur. Das richtige Verhältnis wäre nach sachkundiger Meinung dagegen etwa vier Ingenieure auf einen Diplomingenieur. Mit anderen Worten: Die Betrachtungen über den Ausbau der Hochschulen dürfen die Bedeutung der Fachhochschulen nicht gering veranschlagen. In England kommen bei gleicher Einwohnerzahl und Gesellschaftsstruktur wie in Deutschland nur 18 Studenten auf 10 000 Einwohner. In Deutschland sind es 33. Ich lasse die Frage offen, ob England sich etwa in Zukunft umstellen wird. Sicher ist aber, daß es ein reich gegliedertes mittleres Bildungswesen vor allem in den Ingenieurschulen hat.
    Die Frage des Ausbaues der Hochschulkapazität hängt aber nicht nur von der richtigen Berücksichtigung der Fallschulbildung ab, sondern auch von der Einschätzung des Reservoirs der Hochschulbildungsfähigen. Ich weiß, daß die Meinungen über den Umfang dieses Reservoirs zwischen der sozialdemokratischen Opposition und mir auseinandergehen. Sicher wäre es verhängnisvoll, wollten wir das Reservoir unterschätzen und damit eine Kraftquelle nicht erschließen, die uns zur Verfügung stünde. Mindestens ebenso verhängnisvoll wäre es aber, wollte man die Begabungsreserven überschätzen und dem Ausbau der Hochschulen Zahlen zugrunde legen, die auch jene einschließen, die zwar den Anforderungen der Hochschule nicht genügen, jedoch in falschem Geltungsstreben und in Verkennung der richtigen Entwicklung ihrer Anlagen Kurs auf die Universität und Technische Hochschule nehmen. Sie treten damit eine Reise an, deren Endstation weder sie noch ihre Eltern befriedigt und die den Aufwand für die zu einem guten Teil aus öffentlichen Mitteln bezahlte Fahrkarte sicher nicht lohnt.
    In den letzten Monaten hat sich manche Stimme gemeldet, die darauf hingewiesen hat, daß man nicht unbedingt ein Hochschul- oder Staatsexamen abgelegt haben müsse, um sozusagen als hochschulgebildet anerkannt zu werden. Sicher muß die Hochschule, wie es ihrer Tradition jedenfalls bei uns entspricht, auch Platz haben für Menschen, die auf ihr ernsthaft studieren, ohne einen akademischen Grad zu erwerben oder ein Staatsexamen abzulegen. Hier wird es sich aber nicht um große Zahlen, sondern erfahrungsgemäß nur um wenige handeln.
    Welche Voraussetzungen sollen nun für ein Hochschulstudium überhaupt, insbesondere aber heute angesichts der Überfüllung der Hochschulen, verlangt werden? Meine Damen und Herren, alles Nachdenken darüber führt im Grunde doch immer wieder darauf zurück, am Abitur als dem wichtigsten Eingangstor zur Universität festzuhalten. Das gilt unbeschadet der Förderung eines zweiten Bildungsganges — um diese Problematik gleich von vornherein auszuräumen. Wer die Verhältnisse kennt und Gelegenheit gehabt hat, die Anforderungen verschiedener höherer Schulen miteinander zu vergleichen, wird immer wieder den Wunsch empfinden, die Anforderungen, die im Abitur gestellt werden, gleichmäßig über das ganze Land hin und möglichst gleichmäßig über die ganze Bundesrepublik hin den Anforderungen der Hochschulen entsprechend hoch anzusetzen. Was hier in den einzelnen Ländern selbst und in der Zusammenarbeit der Länder untereinander geschehen kann, mag heute unerörtert bleiben.
    Nun erlauben Sie mir noch eine umstrittene Frage anzuschneiden, nämlich diese: Was ist von Eignungsprüfungen nach einer gewissen Zeit des Studiums zu halten? Die Technischen Hochschulen kennen, wie Sie wissen, solche Eignungsprüfungen. Das Physikum der Mediziner und Philosophikum für die Bewerber des Lehramts an höheren Schulen erfüllen mindestens teilweise einen ähnlichen Zweck. Ich darf auch auf Frankreich verweisen, wo man sich von Jahr zu Jahr durch scharfe Zwischenprüfungen über die Studienerfolge seiner Studenten vergewissert. Ähnlich ist es in England und ganz besonders in den Vereinigten Staaten. Leider fehlen uns genaue Unterlagen über die Ergebnisse dieser Zwischenprüfungen. Von der Technischen Hochschule Aachen ist bekanntgeworden, daß bei ihren Zwischenprüfungen jährlich etwa ein Drittel der Studenten ausscheidet.
    Die Rektoren der deutschen Hochschulen haben — ich möchte das doch in Erinnerung bringen, weil gelegentlich das Bedürfnis bestand, mit der Polemikwelle etwas mitzugehen — lange vor Erscheinen der Denkschrift aus dem Innenministerium — am 27. Juni 1958 — auf einer Sitzung der Westdeutschen Rektorenkonferenz zum Thema „Überfüllung der Hochschulen" folgende Empfehlung Begeben:
    Die Westdeutsche Rektorenkonferenz empfiehlt den Fakultätentagen (Abteilungstagen) und Fakultäten (Abteilungen), nunmehr, da nach der Einsetzung des Honnefer Modells Rücksichten auf die soziale Situation des Prüflings nicht mehr notwendig sind, wissenschaftliche Prüfungen und insbesondere Zwischenprüfungen wieder mit voller Schärfe durchzuführen.
    Wohlgemerkt, meine Damen und Herren, das ist kein Erlaß aus dem Bundesministerium des Innern, sondern das ist das Wort der Westdeutschen Rektorenkonferenz.
    Diese Prüfungen sind das den wissenschaftlichen Hochschulen angemessene Mittel, ihrer Belastung mit ungeeigneten Studenten zu steuern.
    Die Zwischenprüfung soll natürlich nicht den Zweck haben, eine bestimmte Zahl von Studenten aus Platzmangel aus den Hochschulen „herauszuprüfen". Diesen Ausdruck in der Denkschrift, der auch dort bereits in Anführungszeichen gesetzt war, halte ich nicht für glücklich. Gemeint ist und war die Feststellung der Eignung nach einem strengen,



    Bundesminister Dr. Schröder
    aber studiengerechten Maßstab. Dabei war als Ergebnis ein Ausscheiden von vermutlich 25 Prozent erwartet worden. Ein Schlüssel dagegen zur mechanischen Drosselung der Studentenzahlen kann selbstverständlich nicht in Betracht gezogen werden, und damit befinde ich mich durchaus im Einklang mit der Empfehlung der Rektorenkonferenz.
    Lassen Sie mich zusammenfassen. Das dringendste Problem bleibt eine angemessene und sachgerechte Erweiterung der Hochschulen, sowohl räumlich als auch personell. Ein genaues Urteil über Umfang und finanziellen Aufwand wird, wie ich hoffe, in wenigen Monaten der Bericht des Wissenschaftsrats erlauben. Der derzeit praktizierte Numerus clausus muß so schnell wie möglich verschwinden. Von den 18 Universitäten haben im übrigen nur 3 — meine Damen und Herren, man muß sich die Namen dieser Universitäten einmal merken —, nämlich Erlangen, Münster und Saarbrücken, keine irgendwie geartete Zulassungsbeschränkung. Von den 8 Technischen Hochschulen hat nur Aachen keinen Numerus clausus. Hier wird der Notstand unserer Hochschulen mit aller Deutlichkeit sichtbar. Wir sollten gemeinsam alle Anstrengungen machen, ihn so schnell wie möglich zu beheben. Die Hochschulen sind das Herzstück unseres Bildungswesens. Von ihrer Gesundung und Entwicklung hängt für das künftige Schicksal unseres Volkes unendlich viel ab. Heute — und das ist eine Erkenntnis, die ja allmählich weltweit zu werden beginnt — entscheiden Begabung und Fleiß über den nationalen Wohlstand. Wir brauchen dafür jeden Begabten. Seine Ausbildung darf an wirtschaftlichen Schwierigkeiten seiner Familie nicht scheitern.
    Ich habe in meinen Ausführungen wiederholt auf künftige Entscheidungen, die nach dem erwarteten Bericht des Wissenschaftsrats erforderlich sein werden, hingewiesen und die Entscheidungen von diesem Bericht abhängig gemacht. Ich vermag heute nicht zu sagen, welche finanziellen Aufwendungen dieser Bericht für notwendig erachten wird. Ich bin aber ganz sicher, meine Damen und Herren, daß Bund und Länder diese neuen Aufgaben gemeinsam meistern werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der FDP.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Heck (Rottweil).

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    Rede von Dr. Bruno Heck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Begründung und Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD ist über viele Probleme gesprochen worden. Man könnte nun zu dem vielen vielerlei sagen. Ich halte es für nützlicher, zu nur einer Frage etwas zu sagen, und zwar möchte ich mich auf das Thema beschränken, das in Ziffer 5 der Großen Anfrage angesprochen ist, auf das Thema der Reform unserer wissenschaftlichen Hochschulen. Die Denkschrift, die der Ministerialrat Dr. Scheidemann dankenswerterweise ausgearbeitet hat, ist - darauf wurde schon hingewiesen — in der Öffentlichkeit sehr kontrovers behandelt worden. Ich war deswegen angenehm berührt, daß unser Kollege Frede in doch sehr gemessenen Worten sachlich zu dieser Denkschrift Stellung nahm. Er befand sich allerdings im Gegensatz zu Herrn Waldemar von Knoeringen, dessen Kommentar zu der Denkschrift wie folgt lautete — ich bitte den Herrn Präsidenten, zitieren zu dürfen —:
    Noch nie zuvor hat die Bundesregierung so grandios dokumentiert, wie unfähig sie ist, die Hochschulen-Bildungsprobleme des technischen Zeitalters zu bewältigen.
    Meine Damen und Herren, als ich das in der Zeitung las, fiel mir ein Wort Napoleons ein. Er hatte sich eines Tages einmal über die französische Literatur geärgert, und sein Kommentar lautete: Wir haben eine schlechte Literatur; schuld daran ist nur der Innenminister.

    (Heiterkeit.)

    Dieser Kommentar des Herrn von Knoeringen mag vielleicht ein Beitrag zu seinem Bemühen sein, sich im Rahmen der langfristigeren Wahlvorbereitungen neben dem Herrn Bundesverteidigungsminister eine weitere negative Symbolfigur in der Gestalt des Herrn Bundesinnenministers zu schaffen. Ich glaube aber, zur sachlichen Erörterung des Problems trägt diese Art und Weise der Kommentierung nicht bei.
    Um was geht es eigentlich bei dem Thema, das mit der Denkschrift des Bundesinnenministeriums angesprochen worden ist? Es geht — ich sagte es schon — um die Reform unserer wissenschaftlichen Hochschulen. Das Problem, vor dem die wissenschaftlichen Hochschulen stehen, ist sehr viel älter als der aktuelle Aspekt von heute, der die Diskussion dieses Problems ausgelöst hat. Friedrich Schiller hat dieses Problem in einem Distichon über die Wissenschaft festgehalten. Er schreibt:
    Einem ist sie die hohe, die himmlische Göttin, dem anderen
    Eine tüchtige Kuh, die ihn mit Butter versorgt.
    Das, meine Damen und Herren, ist tatsächlich das Problem dieser Reform. Die Diskussion um die Bildungsreform in der Bundesrepublik und die Diskussion um die Reform unserer wissenschaftlichen Hochschulen gerät, vom einen wie vom anderen her gesehen, in Gefahr, am Ende beide Aufgaben, die unseren wissenschaftlichen Hochschulen gestellt sind, zu verfehlen.
    Ein Bildungssystem kann kein autonomes Dasein führen unabhängig von den geschichtlichen, gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und religiösen Gegebenheiten und Aufgaben, auf die hin allein ein Bildungswesen entworfen werden kann. Der derzeitige Reformplan ist überwiegend von den Bedürfnissen des technischen Zeitalters, näherhin des Zeitalters der Automation, der Elektronik und der nuklearen Energie, und dann noch von einigen soziologischen Überlegungen her gespeist.
    Was wird nun in diesem Zeitalter von den wissenschaftlichen Hochschulen erwartet? Im Grunde nichts anderes, als was zu allen Zeiten von den Universitäten, besonders von den Landesuniversitäten

    Dr. Heck (Rottweil)

    erwartet wurde. Die Landesuniversitäten sind von den Fürsten nicht zuletzt gegründet worden, weil sie sich für die Durchführung ihrer Aufgabe, nämlich der Herrschaft, ihre Berufsstände schaffen wollten, neben den übrigen Ständen den Verwaltungsstand. Hierbei ist nun sehr interessant, daß im 17. und 18. Jahrhundert die soziale Stufenleiter über die Geburtsstände hinweg auf dem Wege der Bildung erklommen werden konnte. Erst durch die Einführung des Abiturs durch Humboldt wurde die für das 19. Jahrhundert so charakteristische Verbindung zwischen Besitz und Bildung verfestigt.
    Diese Verbindung zwischen Besitz und Bildung war nicht nur ungerecht gegenüber den Nichtbesitzenden, sie war auch schlecht für die Bildung; denn sie unterwarf die Bildung im Laufe der weiteren Entwicklung immer mehr dem Gesetz des Besitzes und dem Gesetz des Erwerbs.
    Welche Möglichkeiten sind nun heute den wissenschaftlichen Hochschulen in unserer modernen Gesellschaft gegeben, Möglichkeiten, Bildung als gesellschaftliche Befähigung zu vermitteln, näherhin als Befähigung für die höheren Ämter und Berufe? Heute sind es nicht mehr Staaten und Kirchen allein, die als Institutionen irgendwelche Ämter verleihen und die für diese Ämter wissenschaftliche Bildung für notwendig halten. Neben dem Staat verleihen heute vielerlei gesellschaftliche Gruppen solche Ämter. In immer wachsendem Maße wird heute wissenschaftliche Bildung, ober besser gesagt, wissenschaftliche Ausbildung von immer mehr Gruppen für immer mehr Berufe gefordert.
    Das, meine Damen und Herren, ist eine Tatsache, an der keine Überlegung über die Aufgabe der wissenschaftlichen Hochschulen von heute vorbeigehen kann. Dabei ist gar nicht entscheidend, ob diese Entwicklung vorwiegend verursacht ist durch das gesellschaftliche Ansehen, das die Bildung an wissenschaftlichen Hochschulen genießt, oder durch den Nutzwert, den man sich von der wissenschaftlichen Ausbildung verspricht. Es hat wenig Sinn, die gesellschaftliche Wertschätzung wissenschaftlicher Bildung als unechtes Bildungsmotiv abtun zu wollen. Ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren, diese Wertschätzung offenbart auch, wie im Volk noch ein ganz gutes Gefühl dafür vorhanden ist, daß es Werte gibt, die nicht in Mark und Pfennig umzusetzen sind und die höher sind als alles, was man sich mit Mark und Pfennig erwerben kann.

    (Beifall in der Mitte.)

    Entspricht aber nun — diese Frage muß gestellt werden — der gesellschaftlichen Wertschätzung wissenschaftlicher Bildung auch ein Selbstbewußtsein der wissenschaftlich Gebildeten, ein Selbstbewußtsein im Sinne eines Standesbewußtseins, das in gesellschaftlicher Haltung sichtbar wird, sichtbar durch die Wahrnehmung einer besonderen Verantwortung und einer besonderen Verpflichtung, ein Selbst- und Standesbewußtsein, das auf der anderen Seite auch wiederum von der Gesellschaft entsprechend respektiert würde? Das ist heute offensichtlich nicht der Fall. Ich meine, daß das seine Gründe habe. Wer heute das Staatsexamen oder das Doktordiplom einer wissenschaftlichen Hochschule in der Tasche hat, dem ist für sein Fachgebiet gegenüber der Gesellschaft bescheinigt, daß er wissenschaftlich mindestens mit ausreichendem Erfolg ausgebildet ist. Über seine Bildung ist mit dem Examensschein keine Aussage gemacht. Was alle Absolventen wissenschaftlicher Hochschulen heute noch gemeinsam haben, ist die Wissenschaftlichkeit ihrer Ausbildung, nicht aber die wissenschaftliche Bildung.
    Der Staat und die Organisationen, die Akademiker in Ämter und Stellen übernehmen, fragen ja auch in erster Linie nach der beruflich verwertbaren Wissensfülle und weniger nach der Bildung, die über ein Fachstudium erworben wurde. Was verspricht der Absolvent einer wissenschaftlichen Hochschule in dieser oder jener Stelle für diesen oder jenen Zweck zu leisten. Das ist heute, meine Damen und Herren, die erste und häufig leider auch die einzige Frage, die gestellt wird. Daß diese Frage gestellt wird, ist berechtigt. Daß nur diese Frage gestellt wird, müßte nachdenklich machen; denn das, meine Damen und Herren, führt dazu, daß die wissenschaftlich gebildete Schicht, die ja im allgemeinen berufen sein müßte, einen wesentlichen Teil der Führungsschicht unseres Volkes zu stellen, nur noch dazu da ist, Funktionen in der Gesellschaft zu übernehmen, für deren Ausübung wissenschaftliche Ausbildung notwendig oder nützlich ist. Gehlen sagt dazu folgendes — ich bitte den Herrn Präsidenten, zitieren zu dürfen—:
    Die Intellektuellen
    — er meint die Akademiker —haben es mit dem Geist zu tun, und der Geist läßt sich nicht in Fachwissen und Information auflösen. Es hilft nichts, man muß es bekennen: er will herrschen. Man kann dem Geist die Kompetenz nicht nehmen, über seine eigene Kompetenz zu entscheiden. Der Bildung und geistigen Qualifikation kommt ein auf das Individuum reflektiertes soziales Ansehen immer noch zu, wie gerade das Aufstiegsstreben selbst beweist; aber das durchaus legitime Bedürfnis des Geistes, der Wirklichkeit das Siegel des Gedankens aufzuprägen, läuft leer aus. Unser Gesamtsystem deckt sehr wesentliche Bedürfnisse, auch der Intellektuellen, das nach einem Arbeitsplatz, nach Daseinssicherheit, das nach Aufstieg, nach rechtlicher und politischer Gleichheit usw. Aber die von diesem Gesamtsystem nicht gedeckten Bedürfnisse kommen in die Außenlage, und zwar endgültig, so z. B. das nach überfunktionalen, vorbildhaften Autoritäten.
    Zusammenfassend möchte ich sagen: Die Veränderung der Gesellschaft hat dazu geführt, daß das Ansehen des einzelnen oder das Ansehen von Gruppen heute eng mit dem Begriff der Leistung in einem bestimmten Fach und für einen bestimmten Zweck verbunden ist. Die wisenschaftlichen Hochschulen vermitteln die Befähigung, in die anerkannte Leistungsschicht einzurücken. Das wird von den wissenschaftlichen Hochschulen in erster Linie erwartet, und das, meine Damen und Herren, leisten sie mehr oder weniger gut.

    Dr. Heck (Rottweil)

    Man mag der Auffassung sein, darin liege begründet, daß die wissenschaftliche Bildung zu kurz komme oder gar ausbleibe. Ich meine, das sei nur zum Teil richtig. Man mag dies beklagen, aber man darf daraus nicht den Schluß ziehen, die wissenschaftlichen Hochschulen seien als höchste und unentbehrliche Bildungsinstitutionen nur noch durch eine rigorose Beschränkung der Studentenzahl auf diejenigen zu retten, die sowohl für die wissenschaftliche Ausbildung als auch für die wissenschaftliche Bildung besonders befähigt sind. Sicher, die moderne Gesellschaft benötigt sehr viel mehr wissenschaftlich Ausgebildete als frühere Zeiten. Diese Menschen auszubilden ist Aufgabe der wissenschaftlichen Hochschulen und muß deren Aufgabe bleiben.
    Nun ist aber die Zahl der für eine wissenschaftliche Ausbildung noch Befähigten wesentlich größer als die Zahl derer, die darüber hinaus die Befähigung und den Willen zu einer wissenschaftlichen Bildung haben. Aus dieser Tatsache, meine Damen und Herren, sollten der Staat und die wissenschaftlichen Hochschulen die Konsequenzen ziehen. Man sollte nicht daran denken, die wissenschaftliche Ausbildung auch nur zu einem Teil von den wissenschaftlichen Hochschulen abzudrängen, einmal deswegen nicht, weil es kaum eine Möglichkeit gibt, die lediglich für die wissenschaftliche Ausbildung Befähigten auch nur mit einiger Sicherheit von denen zu unterscheiden, die darüber hinaus befähigt und gewillt sind, sich wissenschaftlich zu bilden, und zum anderen, weil die Zahl der wissenschaftlich Gebildeten nicht groß genug sein kann und es deswegen ratsam ist, allen wissenschaftlich Auszubildenden die Chance zu erhalten, von dem Geist wissenschaftlicher Bildung erfaßt zu werden.
    Meine Damen und Herren! Ich sagte, es gelte, für den Staat und die wissenschaftlichen Hochschulen daraus die Konsequenzen zu ziehen. Was heißt das nun? Der Staat muß erstens das Fassungsvermögen der bestehenden wissenschaftlichen Hochschulen his zu deren optimalen Größen ausbauen.
    Zweitens. Sollte sich ergeben — und das ist wahrscheinlich —, daß trotz dieses Ausbaues die vorhandenen wissenschaftlichen Hochschulen nicht ausreichen, müßten neue wissenschaftliche Hochschulen gegründet werden.
    Drittens. Die Lehrkörper an den wissenschaftlichen Hochschulen müssen so erweitert und ergänzt werden, daß wieder eine solide wissenschaftliche Ausbildung aller Studierenden möglich ist und darüber hinaus wissenschaftliche Bildung all denen vermittelt werden kann, die dafür befähigt und dazu gewillt sind. Ich denke dabei unter anderem an die Vorschläge, die der Hofgeismarer Kreis der Öffentlichkeit unterbreitet hat. Die Anpassung an die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse und deren Bedürfnisse erfordert allerdings die volle Mitarbeit der wissenschaftlichen Hochschulen selbst. Ich glaube, daß die Regierungen und Parlamente der Länder sowie die Bundesregierung und dieses Hohe Haus ohne Unterschied der Parteien bereit und willens sind, das Ihre zum Ausbau und zur Reform der wissenschaftlichen Hochschulen beizutragen. Die Bemühungen darum sind ja auch schon seit Jahren im Gange. Sie können aus dem Entschließungsantrag ersehen, wie wir uns das weiterhin im einzelnen vorstellen. Mein Kollege Dr. Stoltenberg wird darüber noch ausführlicher sprechen. Wir sind uns aber darüber im klaren - ich wiederhole es , daß die eigentliche Reform von den wissenschaftlichen Hochschulen selbst durchgeführt werden muß. Darunter verstehe ich allerdings nicht nur den ergänzenden Umbau des Lehrkörpers.
    Nachdem in den vergangenen Jahren im allgemeinen nur von dem die Rede war, was die wissenschaftlichen Hochschulen vom Staat erwarten, darf und muß von dieser Stelle aus auch einmal davon gesprochen werden, was die Gesellschaft, was der Staat von den wissenschaftlichen Hochschulen erwartet: nicht nur die wissenschaftliche Ausbildung, nicht nur die Weiterführung der Forschung, sondern vornehmlich auch die wissenschaftliche Bildung. Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir hier eine erste Frage, die zunächst schockieren mag. Ich muß sie aber stellen, weil ich sie im wahren Sinne des -Wortes für „notwendig" halte. Sind die wissenschaftlichen Hochschulen überhaupt noch in der Lage, wissenschaftliche Bildung zu vermitteln? —Ich möchte Ihnen sagen, wie ich auf diese Frage gekommen bin.
    Sie drängte sich mir einfach auf, als ich 1945 vom Krieg nach Hause kam und mir meinen eigenen Weg zwischen 1933 und 1945 und den Weg der deutschen Universitäten sowie derer, die auf diesen Universitäten ausgebildet worden sind, klarzumachen suchte. Von welcher Schicht unseres Volkes hätte denn - neben dem Widerstand der Kirchen - der Widerstand gegen die perverse Lüge und gegen das infernalische Verbrechen des Nationalsozialismus am ehesten erwartet werden müssen? Doch wohl von den Professoren — Professor, meine Damen und Herren, kommt von dem lateinischen Wort „profiteri", und das heißt „bekennen" —, die ihr Leben und ihre Arbeit der Wahrheit um der Wahrheit willen verschrieben haben, und von denen, die auf unseren Universitäten zur Wahrheit hätten erzogen werden sollen. Sicher, es gab Bekenner unter ihnen, aber die überwiegende Mehrzahl hat geschwiegen oder sich der Tyrannei zur Verfügung gestellt.
    Ich sage das nicht, meine Damen und Herren, weil ich anklagen wollte; denn hier gilt nahezu für alle Schichten unseres Volkes die Mahnung: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!" Ich sage das, weil ich das beängstigende Gefühl nicht loswerde, daß wir uns im allgemeinen über die Frage, die zwölf Jahre Nationalsozialismus an uns stellen müssen, solange wir leben, wenigstens soweit wir diese zwölf Jahre bewußt und auch verantwortlich miterlebt haben, zu leicht in dem Bewußtsein beruhigen, nunmehr als Demokraten in einem demokratischen Staat zu leben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der anderen Fraktionen.)

    Ich wage die These, daß die Periode des Nationalsozialismus nicht möglich gewesen wäre, wenn damals die wissenschaftlich ausgebildete Schicht unseres Volkes auch eine wissenschaftlich gebildete



    Dr. Heck (Rottweil)

    Schicht mit überfunktionaler vorbildhafter Autorität gewesen wäre.

    (Erneuter Beifall.)

    Ich wage eine zweite These: Wenn die wissenschaftlich ausgebildete und auszubildende Schicht dieses demokratischen Staates nicht auch die wissenschaftlich gebildete Schicht mit überfunktionaler vorbildhafter Autorität wird, dann wird auch dieses demokratische Staatswesen einen Sturm schwerlich überstehen. Deswegen ist diese Frage so brennend, die Frage, ob unsere wissenschaftlichen Hochschulen heute imstande sind, über die wissenschaftliche Ausbildung auch die wissenschaftliche Bildung zu vermitteln. Denn davon wird ja auch abhängen, mit welcher Befähigung, zu bilden und zu erziehen, unsere Lehrer an unseren Schulen werden tätig sein können.
    Was ist nun das Ziel wissenschaftlicher Bildung? Doch wohl, den Menschen zu befähigen, im höchsten Sinne Mensch zu sein. Thomas von Aquin hat dies folgendermaßen formuliert ich zitiere ihn, weil ich keine bessere und keine umfassendere Definition gefunden habe -: „Das Ziel des menschlichen Lebens besteht darin, die ganze Ordnung des Universums und deren Ursachen in die Seele einzuschreiben." Ich kann mir keine umfassendere Definition dessen vorstellen, was den wissenschaftlichen Hochschulen als Bildungsaufgabe gestellt ist. Von hier aus ist die Frage aller Fragen an die wissenschaftlichen Hochschulen zu stellen: Sind die wissenschaftlichen Hochschulen dazu in der Lage, ja, sind sie dazu bereit? Die überlieferte Universität ist offensichtlich bedroht durch die Auflösung in ein Nebeneinander vielgestaltiger Fachhochschulen, denen die innere Einheit fehlt und die so immer mehr die Möglichkeit verlieren, aus einer inneren Einheit heraus zu wirken. Mit dieser inneren Einheit ist nicht die Einheit von Forschung und Lehre gemeint. Sie ist unumstritten und anerkannt, wenn auch nur in Bruchstücken noch verwirklicht. Gemeint ist auch nicht das Prinzip der Geistesfreiheit, das alle Disziplinen gemeinsam für sich beanspruchen und verwirklichen.
    Doch schon hier ist eine weitere Frage erlaubt und notwendig, nämlich die Frage, ob all diese Wissenschaften noch redlicherweise in der Lage sind, die Forderung nach der Freiheit der Wissenschaften in einem übereinstimmenden Sinne zu begründen. Die Freiheit der Wissenschaften wurde gefordert und anerkannt aus einem ganz bestimmten Verständnis der Wissenschaft, einem Verständnis, das sie ausschließlich in den Dienst der Wahrheit stellte. ist dieses Verständnis der Wissenschaft heute noch gültig, ist es von allen Wissenschaften heute noch anerkannt und für alle verbindlich? Das ist die Frage. Es scheint heute keine Übereinstimmung mehr darüber zu geben, was das Wesen der Wissenschaft sei, auch wenn es noch eine Einigung über manche Attribute wissenschaftlicher Arbeit geben mag. Professor Schumann aus Münster sagt dazu — ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, zitieren zu dürfen —:
    Die Einheit der Wissenschaft ist dadurch verlorengegangen, daß die Wissenschaften sich
    seit rund 100 Jahren nicht mehr um die Einheit der Wissenschaft bemüht haben. Die Einheit der Wissenschaft lag noch zu keiner Zeit auf der Straße. Sie war immer nur in dem Maße da, wie man sich um sie mühte. Seit rund 100 Jahren haben die Wissenschaften sich nicht mehr um ihre Einheit gemüht, weil sie fürchteten, diese Bemühung sei ein Hindernis für ihre eigene erfolgreiche Entwicklung. Die Wissenschaft kann sich aber nicht der Bemühung um ihre Einheit entziehen, ohne die Wahrheit zu verlieren und sich dem Nihilismus auszuliefern.
    Der Wahrheit aber können die einzelnen Wissenschaften nur verbunden bleiben, wenn sie über sich selbst hinausweisen auf das Gesamt der Wissenschaften. Nur so ist die Wissenschaft als die Gesamtheit aller wissenschaftlichen Disziplinen in der Lage -- ich erinnere an die Definition von Thomas von Aquin —, die gesamte Ordnung des Universums und deren Ursachen erkennend zu erforschen und erforschend zu erkennen. Nur so ist die Wissenschaft in der Lage, die gesamte Ordnung des Universums und deren Ursachen in die Seele einzuschreiben. Das, meine Damen und Herren, und nur das macht wissenschaftliche Bildung aus.
    Das nun scheint mir der große Auftrag zu sein, der unseren wissenschaftlichen Hochschulen neben der wissenschaftlichen Ausbildung heute drängender denn je gestellt ist. Ob unsere wissenschaftlichen Hochschulen diesen Auftrag annehmen und sich um ihn bemühen, entscheidet nicht nur darüber, ob wir künftighin noch zu Recht von der universitas literarum sprechen können. Das entscheidet darüber, ob die wissenschaftlichen Hochschulen ihren Bildungsauftrag noch verwirklichen können.
    Unser ganzes Volk ist heute in seiner staatlichen und gesellschaftlichen, ja seiner menschlichen Existenz darauf angewiesen, daß unsere wissenschaftlichen Hochschulen diesen Bildungsauftrag wieder zu erfüllen in der Lage und bereit sind. Professor Flitner sieht diese Notwendigkeit in ihrer geschichtlichen Bedingtheit:
    Auch seit die Monarchien verschwunden sind, seit der Adel aufgehört hat, seine Rolle in der Stabilisierung des Staats zu spielen, seit die Kirche sich vom Staat losgelöst hat, sind die Garantien für die Menschlichkeit in Gemeinwesen noch entschiedener als zuvor den akademischen Ämtern und Berufen anvertraut, so das Prinzip des Rechtsstaates, der sauberen und gerechten und die Wohlfahrt gesitteter Zustände umsorgenden Verwaltung, der geschichtliche Sinn, der Schutz des Glaubenslebens gegenüber Aberglauben und sophistischer Auflösung, die wissenschaftlich durchdachte Heilpraxis, die Lauterkeit und Wahrheit in der Lehre und im Jugendunterricht, und in alledem die Bewahrung der Person vor Sklaventum und Mißbrauch der Gewalt aller Art, also die Rechtssicherheit und äußere wie innere Freiheit der personalen Existenz inmitten moderner Öffentlichkeit.



    Dr. Heck (Rottweil)

    Wir laufen Gefahr, in der Wissenschaft in erster Linie, ja fast nur noch die tüchtige Kuh zu sehen, die uns mit Butter versorgt. Die Wissenschaft muß wieder die hohe, die himmlische Göttin werden, wenn wir nicht am Ende als Erfinder und Konstrukteure des modernen technischen Zeitalters auch dessen Opfer werden wollen.
    Die Wissenschaft, meine Damen und Herren, soll mit der Zeit gehen. Sie darf sich aber der Zeit, ich möchte sagen, nicht noch einmal unterwerfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der DP.)