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ID0310100200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 101. Sitzung Bonn, den 12. Februar 1960 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Abg. Arndgen, Dr. Schmid [Frankfurt], Kühn [Bonn], Dr. Schneider [Lollar] u. Gen.) (Drucksache 1444) — Erste Beratung — Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 5437 B, 5448 A Dr. Kohut (FDP) 5441 C Brese (CDU/CSU) 5443 A Frau Kalinke (DP) 5444 B Eisenmann (FDP) 5446 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundeszuschüsse zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten aus Anlaß der wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik sowie zur Einführung der Vorschriften über die Gemeinlast und weiterer sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften im Saarland (Gesetz über Bundeszuschüsse und Gemeinlast) (Drucksache 1460) ; Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 1608); Mündlicher Bericht des Sozialpol. Ausschusses (Drucksache 1607) — Zweite und dritte Beratung — Baldauf (CDU/CSU) 5449 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Abkommen zwischen Bund und Ländern über Fragen der Kulturpolitik (Drucksache 1398); verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer „Stiftung Wissenschaftsrat" (SPD) (Drucksache 1314) — Erste Beratung — und Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" (Drucksache 1472) Dr. Frede (SPD) . . . . . . . . 5450 A Dr. Schröder, Bundesminister . . . 5453 D, 5482 B Dr. Heck (Rottweil) (CDU/CSU) . . 5460 B Lohmar (SPD) 5464 A, 5480 C Eilers (Oldenburg) (FDP) . . . 5469 D Dr. Knorr (CDU/CSU) . . . . . 5476 A Probst (Freiburg) (DP) 5477 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) 5479 B, 5480 D Dr. Schäfer (SPD) 5481 A Frau Dr. Maxsein (CDU/CSU) . 5481 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 5482 D Anlagen 5483 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1960 5437 101. Sitzung Bonn, den 12. Februar 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach 12. 2. Frau Albertz 29. 2. Bauer (Wasserburg) 12. 2. Bauereisen 15. 2. Benda 19. 2. Frau Bennemann 12. 2. Frau Berger-Heise 12. 2. Birkelbach 12. 2. Dr. Bleiß 12. 2. Brand 12. 2. Frau Brauksiepe 12. 2. Brüns 2. 7. Dr. Bucerius 12. 2. Dr. Dahlgrün 12. 2. Dr. Deist 29. 2. Dr. Dollinger 12. 2. Dowidat 12. 2. Eberhard 27. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Engelbrecht-Greve 12. 2. Even (Köln) 29. 2. Frau Friese-Korn 27. 2. Frau Dr. Gantenberg 13. 2. Geiger (München) 12. 2. D. Dr. Gerstenmaier 17. 2. Glüsing (Dithmarschen) 12. 2. Dr. Greve 12. 2. Dr. Gülich 16. 4. Haage 12. 2. Dr. Graf Henckel 12. 2. Hilbert 12. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 20. 2. Horn 12. 2. Frau Dr. Hubert 12. 2. Illerhaus 12. 2. Jacobi 13. 2. Jacobs 7. 3. Dr. Jaeger 13. 2. Jahn (Frankfurt) 23. 4. Dr. Jordan 12. 2. Kalbitzer 12. 2. Dr. Kanka 12. 2. Frau Klemmert 15. 5. Könen (Düsseldorf) 12. 2. Dr. Krone 12. 2. Leber 12. 2. Dr. Leiske 12. 2. Leukert 16. 2. Dr. Leverkuehn 12. 2. Dr. Lindenberg 12. 2. Lulay 29. 2. Maier (Freiburg) 16. 4. Margulies 12. 2. Mauk 12. 2. Mengelkamp 12. 2. Merten 12. 2. Müller (Worms) 12. 2. Müser 20. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Neuburger 12. 2. Nieberg 12. 2. Ollenhauer 12. 2. Pelster 19. 2. Dr. Pflaumbaum 19. 2. Frau Pitz-Savelsberg 12. 2. Prennel 12. 2. Frau Dr. Probst 12. 2. Rademacher 12. 2. Dr. Ratzel 12. 2. Richarts 12. 2. Ritzel 12. 2. Frau Rudoll 12. 2. Ruhnke 12. 2. Dr. Rutschke 13. 2. Scharnowski 15. 2. Scheel 12. 2. Dr. Schellenberg 12. 2. Dr. Schmidt (Gellersen) 12. 2. Schmücker 12. 2. Schneider (Hamburg) 12. 2. Schütz (München) 12. 2. Dr. Starke 13. 2. Frau Dr. Steinbiß 17. 2. Dr. Steinmetz 12. 2. Storch 12. 2. Striebeck 13. 2. Frau Strobel 12. 2. Wagner 12. 2. Dr. Weber (Koblenz) 12. 2. Wehr 23. 4. Weimer 12. 2. Frau Welter (Aachen) 27. 2. Werner 24. 2. Dr. Willeke 1. 3. Anlage 2 Umdruck 468 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Abkommen zwischen Bund und Ländern über Fragen der Kulturpolitik (Drucksache 1398). Der Bundestag wolle beschließen: Um die Einrichtungen der Forschung, der wissenschaftlichen Hochschulen, der Fachhochschulen und der allgemeinbildenden Schulen den Bildungs- und Ausbildungsbedürfnissen unserer Zeit anzupassen, wird die Bundesregierung ersucht, 1. die Verhandlungen mit den Ländern über die Abgrenzung der Aufgaben im kulturellen Bereich baldmöglichst zu einem Abschluß zu bringen, 2. dabei insbesondere eine Verwirklichung von Artikel 74 Nr. 13 des Grundgesetzes durch eine angemessene Beteiligung des Bundes an der Verwaltung und Etatgestaltung der überregionalen Forschungsinstitutionen anzustreben, 5484 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1950 3. im Haushaltsplan des Bundes in den folgenden 5 Jahren für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen je 200 Millionen DM vorzusehen, 4. im Einvernehmen mit den Ländern zu prüfen, inwieweit neben dem Ausbau der vorhandenen die Gründung neuer wissenschaftlicher Hochschulen notwendig ist, 5. im Einvernehmen mit den Ländern einen Plan über den Bau von Studentenwohnheimen, Studentenhäusern und über den Ausbau des Fachschulwesens aufzustellen, 6. gemeinsam mit den Ländern und dem Wissenschaftsrat die Vorschläge zur Reform der Lehrkörper an den wissenschaftlichen Hochschulen zu prüfen. Der Bundestag hält es für notwendig, die rund 700 Millionen DM, die dem Bund aus der Teilprivatisierung des Volkswagenwerks für 20 Jahre zur Nutzung zustehen, schon jetzt im Sinne der Stiftung, überwiegend zur Finanzierung der Aufgaben unter 4. und 5. unmittelbar zur Verfügung zu stellen und darüber Einvernehmen mit dem Land Niedersachsen anzustreben. Die Bundesregierung wird aufgefordert, in den schwebenden Verhandlungen über den Schuldendienst der Ausgleichsforderungen dahin gehend zu wirken, daß die Länder die 275 Millionen DM, die der Bund künftig übernimmt, zu einer entsprechenden Mehrleistung im kulturellen Bereich, insbesondere für Zwecke des Schulbaues verwenden, um die Voraussetzungen für die Einführung des 9. Schuljahres in allen Bundesländern baldmöglichst zu schaffen. Bonn, den 11. Februar 1960 Dr. Krone und Fraktion Anlage 3 Umdruck 469 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Abkommen zwischen Bund und Ländern über Fragen der Kulturpolitik (Drucksache 1398). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. die Verhandlungen mit den Ländern über die Bewältigung der Aufgaben im kulturellen Bereich bis zum 1. Juni 1960 abzuschließen und dem Bundestag unverzüglich über das Ergebnis schriftlich zu berichten; 2. die notwendigen Mittel im Haushaltsplan des Bundes für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen bereitzustellen, soweit sie nicht von den Ländern aufgebracht werden. Grundlage dafür sollen die Bedarfspläne des Wissenschaftsrates sein; 3. den Ländern die im Rahmen der Übernahme von Kriegsfolgelasten durch den Bund erforderlichen Mittel für den Schulhausbau zur Verfügung zu stellen. Bund und Länder sollen außerdem die Modernisierung der Schulen, die Einführung des 9. Schuljahres und die Beseitigung des Schichtunterrichtes berücksichtigen; 4. mit den Ländern, den Trägern der Erwachsenenbildung und den Hochschulen über einen Ausbau der Einrichtungen der politischen Bildung zu beraten und alle Bestrebungen auf diesem Gebiet nachdrücklich zu fördern; 5. die Höhe der Stipendien für Studenten und der Erziehungsbeihilfen den gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen; 6. den Anteil der geförderten Studenten zu erhöhen und eine Ausweitung des Kreises von Studierenden, deren Eltern als Arbeiter oder in der Landwirtschaft tätig sind, zu fördern; 7. im Einvernehmen mit den Ländern und den Trägern von Studentenwohnheimen dafür Sorge zu tragen, daß innerhalb von fünf Jahren 30 v. H. der Studenten in Wohnheimen aufgenommen werden können. Dabei sind ausländische Studenten, die in der Bundesrepublik studieren, besonders zu berücksichtigen. Bonn, den 12. Februar 1960. Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf — Drucksache 1444 —, den zu begründen ich die Ehre habe, ist nicht das Werk einer interfraktionellen Vereinbarung; die Fraktionen dieses Hauses als solche - als organisierte Gruppen — haben damit nichts zu tun. Der Entwurf ist von einer Reihe von Mitgliedern dieses Hauses, die verschiedenen Fraktionen angehören, erstellt worden. Er trägt eine Reihe von Unterschriften, auch die von Abgeordneten, die für sich selber ein Gesetz über die Altersversorgung der Abgeordneten nicht notwendig zu haben glauben. Sie haben ihre Unterschrift unter den Gesetzentwurf gesetzt, weil sie meinen, daß eine Altersversorgung der Abgeordneten aus staatspolitischen Gründen notwendig ist.
    Ich weiß, daß dieser Entwurf weithin unpopulär ist. In einer Menge Zeitungen sind Artikel erschienen, die es so darstellen, als wollten sich einige Leute mit diesem Entwurf eine Pfründe verschaffen, eine Art von ruhigem, gut dotiertem Lebensabend, nachdem sie eine Zeitlang recht ruhig in diesem Saale gesessen hätten.

    (Heiterkeit.)

    Wenn ich einige Zeitungsberichte und das, was darin über den Mann gesagt worden ist, der es auf sich nimmt, einen solchen Gesetzentwurf zu begründen, recht verstehe, muß ich eine Art von Don Quichotte sein; — denn was gehe mich denn ein Vorhaben an, aus dem ich selber doch keinen Nutzen ziehen werde. Nun, meine Damen und Herren, ich halte es nicht für eine Schande; denn dieser Ritter von der Traurigen Gestalt aus der Mancha zog gegen seine Windmühlen immerhin in dem Glauben aus, dies sei nötig, um für Witwen und Waisen zu kämpfen. . . .
    Ich bin der Meinung, daß für das gute Funktionieren des parlamentarischen Systems in der Bundesrepublik ein Gesetz von der Art, wie es dieser Entwurf vorsieht, notwendig ist. Ich begründe den Entwurf, weil ich glaube, daß es in den Fällen, in denen es sich um das gute Funktionieren des Parlaments handelt soweit das Gesetz dafür etwas tun kann —, das nobile Offizium des amtierenden Präsidenten ist, selber die Begründung zu geben.
    Gestatten Sie mir eine Reihe allgemeiner Bemerkungen im voraus. Wir wissen alle, daß die Deutschen zu ihrem Parlament nicht das Verhältnis haben wie etwa die Briten oder die Amerikaner zu ihren Parlamenten. Das hat eine ganze Reihe von Ursachen, die in unserer Geschichte und in der Geschichte der anderen Völker begründet liegen. Die Briten und die Amerikaner, auch die Franzosen insbesondere, haben häufig von den einzelnen Parlamentariern keine besondere Meinung; aber alle achten und ehren ihr Parlament als Ganzes und sind davon überzeugt, daß es ihnen ohne ein Parlament — ohne ein Parlament, das gut funktioniert und gut funktionieren kann — insgesamt schlechter ginge. Sie haben das Gefühl und das Bewußtsein, daß ihnen das Parlament einen Schutz bietet, unter anderem gegen den „Übermut der Ämter". Vielleicht sind wir in Deutschland durch unsere Beamten zu gut verwaltet worden

    (Heiterkeit)

    — ich meine das ganz ernsthaft -, als daß in
    unserem Volk elementar das Bedürfnis aufgestiegen wäre: Wir brauchen jemand, der uns vor diesen Leuten schützt, und das können nur gewählte Vertreter sein. — Vielleicht ist es so.
    Wenn man die Parlamentsgeschichte aller Völker übersieht, hat man den Eindruck, daß der Schrei nach dem Parlament nicht so sehr aus dem Bewußtsein der Bürger kam: „Wir müssen uns an der Verantwortung für den Staat selber mitbeteiligen", sondern aus ihrem Bedürfnis nach einem Schutz gegen Mißbrauch der staatlichen Gewalt, den man ich möchte sagen: leider — fast immer nur von seiten der Bürokratie und nicht auch von anderen, politischeren Stellen glaubt befürchten zu sollen.



    Dr. Schmid (Frankfurt)

    Mancher Kritiker mag auch glauben, daß nicht jeder einzelne Abgeordnete dieses Hauses über die Fähigkeiten eines mythischen römischen Senators verfüge und daß es deswegen vielleicht nicht angebracht sei, dafür zu sorgen, daß auch er sein Alter, wenn er nicht mehr in diesem Hause sitzen kann, in Würde soll vollenden können.
    Nun meine Damen und Herren, ich meine, daß wir selber und auch unsere Kritiker nicht so hochmütig sein sollten. Ein Parlament ist nirgends in der Welt ein Rat der Weisen — ein Rat von nur Weisen, möchte ich sagen, Herr Pferdmenges —,

    (Heiterkeit)

    sondern es ist ein gerafftes Abbild der Nation. Kein Parlament ist möglich — ich sage das in vollem Bewußtsein, auch im Bewußtsein der Wirklichkeit, von der ich spreche — ohne die Vorstellung, daß jedes einzelne Mitglied des Hauses für die Funktion des ganzen Hauses jedem anderen gleichwertig und mit jedem anderen gleich notwendig ist.
    Was ist der Abgeordnete denn eigentlich? Der Abgeordnete ist ein Mann, dem eine Wählergruppe, für das ganze Volk sprechend, ihr Vertrauen gegeben hat und der bereit ist, freiwillig seine Arbeit in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen, eine Arbeit, die er bei uns im Verband des Bundestages leistet. Um das ehrenamtlich tun zu können — wenn das Wort seinen Sinn haben soll und man nicht Ehrenamt auch Tätigkeit nennt, wofür man statt eines Gehalts eine „Aufwandsentschädigung" oder etwas Ähnliches bekommt —, um es ehrenamtlich, d. h. ohne dafür irgendeine Leistung seitens des Staates tun zu können, ist eine Reihe von Voraussetzungen nötig.
    Erstens. Diese Tätigkeit für den Staat darf nicht so sein, daß sie die gesamte Arbeitskraft des Abgeordneten absorbiert. Dieser Fall war in der Antike gegeben. Ein athenischer Voll-Bürger beschmutzte sich die Hände nicht mit Arbeit. Er ging auf die Agora, den Markt, und in die Palästra; was wir Berufsarbeit nennen, überließ er, wenn er keine Sklaven hatte, dem Banausos; wir haben das Wort „der Banause" daraus gemacht.

    (Heiterkeit.)

    Ich glaube, diese Zustände sind vorbei.
    Eine weitere Voraussetzung war, daß die Perioden des Zusammentritts der Parlamente oder Volksversammlungen kurz waren, also einen Tag oder zwei oder drei Tage dauerten und nicht mehr, wie das bei den Landgemeinden der kleinen Schweizer Kantone heute noch der Fall ist. Aber auch das gehört der Vergangenheit an.
    Eine andere Voraussetzung ist die Möglichkeit, sich von einem Beruf, in dessen Ausübung man seinen Lebensunterhalt verdient abkömmlich zu machen. Max Weber ist es gewesen, der in einem berühmt gewordenen Aufsatz nach dem ersten Weltkrieg diesen Begriff der notwendigen Abkömmlichkeit geprägt hat. Sich abkömmlich machen zu können, setzt einiges voraus. Entweder man hat Vermögen, das einem dieses Sich-abkömmlichMachen erlaubt, und die entsprechende Muße dazu, oder man hat ein Einkommen, daß aus unversieglichen Quellen fließt. Einige haben dies; sehr, sehr vielen anderen sind diese Möglichkeiten verschlossen.
    Eine dritte Voraussetzung für ehrenamtliche Ausübung des Mandats - das Wort, wie gesagt, pure verstanden und nicht nur so nebenher als ein bequemes und dekoratives Wort, das Dinge verdecken kann, die bei Namen zu nennen unangenehm wäre — ist, daß die Tätigkeit nicht allzu kompliziert, nicht so kompliziert sein darf, daß man sie nicht redlich wahrnehmen kann, wenn man sich nicht lange Zeit darum bemüht, das nötige Sach- und Fachwissen zu erwerben. Ehrenamtliche Tätigkeit im vollen Sinne des Wortes ist im allgemeinen — Ausnahmen bestätigen die Regel — nur dort möglich, wo gerade der Mangel an Kompliziertheit der Aufgabe einem erlaubt, nebenher für das Gemeinwohl tätig zu sein, gewissermaßen als ein intelligenter, besorgter und eifriger Dilettant — wobei das Wort Dilettant keinen Unwertakzent haben soll. Ich nehme das Wort wörtlich: als Bezeichnung eines Menschen, der seine Aufgabe liebt, aber nicht in der Lage ist, sich ganz in sie hineinzustellen.
    Die Entwicklung ging beim Abgeordneten nicht sehr viel anders als beim Beamten. Der Beamte war ja vor noch gar nicht so langer Zeit in den meisten Fällen ehrenamtlich tätig, wenn er nicht eine Pfründe hatte. Im kommunalen Bereich ist das bis in unsere unmittelbare Gegenwart hinein so gewesen. Aber man hat eingesehen auch dort, wo man fest davon überzeugt ist, daß der Freiherr vom Stein eine Wahrheit ausgesprochen hat —, daß man schließlich nur die Wahl zwischen einer fachlich ausgebildeten Berufsbürokratie und Dilettantismus hat; man hat daraus die Konsequenzen gezogen. Warum haben wir denn sonst neben unseren ehrenamtlichen Bürgermeistern die Oberstadtdirektoren? Warum stellen wir denn unsere Oberbürgermeister auf die verschiedenste Weise auch „frei", d. h. geben wir ihnen Gelegenheit, von ihren Berufen abkömmlich zu werden?
    Beim Abgeordneten ist es so: Die Aufgaben der Parlamente sind ständig gewachsen. Wir können unser Mandat nur dann redlich ausüben, wenn wir viel Zeit darauf verwenden, nicht nur hier zu sitzen, sondern uns auch das Sachwissen zu erwerben, ohne das wir hier ziemlich nutzlos wären. Wir können unser Mandat nicht ausüben, ohne recht viele Akten zu studieren, wie Beamte das tun und tun müssen. Das Schwergewicht unserer Tätigkeit liegt ja — das wissen Sie alle — nicht immer in diesem Saal, sondern in den kargen, bescheidenen Ausschußzimmern, in denen wir viele Tage des Jahres zusammensitzen und uns nicht mit den großen Prinzipien und dem, was der gesunde Menschenverstand für sich allein zu geben vermag, beschäftigen, sondern mit Dingen, bei denen wir soviel Sachverstand haben müssen wie die Referenten der Ministerien, von denen die Entwürfe stammen, mit denen wir uns zu befassen haben. Das kann man nicht „nebenher" machen, das kann man nicht als ein noch so arbeitswilliger Dilettant tun.



    Dr. Schmid (Frankfurt)

    Dazu kommt, daß die Häufung der gesetzgeberischen Aufgaben des Parlaments uns immer mehr Zeit abfordert, uns immer länger und öfter in diesen Saal hineinkommandiert, in diesem Hause festhält. Das erfordert eine Abkömmlichkeit vom Beruf, die nur sehr wenigen möglich ist. In nur sehr wenigen Berufen kann man sich für diese Arbeit so wie es notwendig ist, abkömmlich machen, ohne damit die eigene Existenz in diesem Beruf zugrunde zu richten.
    Man muß aus den Tatsachen Konsequenzen ziehen. Max Weber, den ich schon zitierte, hat nach dem ersten Weltkrieg in einem großartigen Aufsatz, den er überschrieben hat „Politik als Beruf", dargelegt, daß das parlamentarische System in dieser Zeit nur funktionieren kann, wenn sich genügend Menschen zur Verfügung stellen, die von ihren Lebensberufen abkömmlich sind. Er hat gesagt, daß dies bedingt, daß man anerkennt, ,daß, wer f ü r die Politik lebt, in der Politik müsse leben können. Das heißt, es ist Sache des Staates, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Abgeordnete der richtigen Qualität in ausreichender Zahl zur Verfügung sein können. Der Staat muß die Möglichkeit schaffen, daß sich genügend Menschen der Art, wie wir sie hier brauchen, von einer Berufstätigkeit abkömmlich machen können.
    Man muß diese Dinge ohne Romantik und ohne Biedermeierei anschauen. Man muß den Mut haben, die Fakten zu sehen. Sie wissen aus den Geschichtsbüchern, daß der Deutsche Reichstag ursprünglich keine Aufwandsentschädigung für Abgeordnete kannte, daß es eines langen Kampfes bedurft hat, um die Aufwandsentschädigung der Abgeordneten durchzusetzen. Bismarck war nicht sehr dafür. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn im Parlament nur Leute hätten sitzen können, die — sagen wir einmal — aus wirtschaftlichen Verhältnissen stammten, von denen er glaubte, daß sie den Menschen eine bestimmte „staatserhaltende Gesinnung" nahelegen würden. Was ich darunter verstehe, wissen Sie. Schließlich drangen dann doch die Kritiker durch, die sagten: auf diese Weise wird das Parlament Organ einer Plutokratie; das wäre eine schlechte Sache, das darf nicht sein. So kam man dann schließlich auch im Deutschen Reichstag zu einer Gesetzgebung, die für die Abgeordneten eine Aufwandsentschädigung vorsah, die ihnen also die Möglichkeit gab, sich wenigstens — wenigstens! — ein wenig von ihren Berufen abkömmlich zu stellen.
    Dies ist erreicht; die Frage hat in dem Parlament der Weimarer Verfassung und bei uns eine andere Regelung gefunden als die ursprüngliche. Es gibt da leider recht merkwürdige Vorstellungen in der Bevölkerung. Ich erinnere mich noch gut der Zeiten, wo kein Rheinschiff hier vorbeifuhr ohne den Chorgesang: „Wer soll das bezahlen!" Man hatte den Eindruck, als ob die Spazierfahrer glaubten, den Hauptteil der Steuerlast, der auf ihnen ruht, verschulde das Dasein des Parlaments.
    Ich will Ihnen Zahlen nennen; sie stammen allerdings aus dem Jahre 1954, werden aber heute noch etwa gleich sein. Die Parlamente von Bund und Ländern kosten — Bund u n d Ländern, betone ich — zusammen - Abgeordnetenentschädigung, Verwaltungskosten — 41 Millionen DM, das heißt 80 Pfennige pro Kopf der Bevölkerung.

    (Abg. Dr. Becker [Hersfeld]: Genausoviel wie die Wohnungsämter!)

    Genausoviel wie die Wohnungsämter, meinen Sie? Das weiß ich nicht, deren Kosten kenne ich nicht. Daß die Diäten notwendig sind, ist ins Bewußtsein der Bevölkerung eingegangen.
    Aber nun kommt die andere Frage: Ist, was bisher getan wurde, in Anbetracht dessen, was notwendig ist, ausreichend? Muß nicht auch für den Abgeordneten eine Altersvorsorge getroffen werden? Die Frage ist kontrovers. I c h bin der Meinung, daß eine solche Vorsorge getroffen werden muß, und zwar durch ein Gesetz.
    Es sagen viele, die Abgeordneten sollten doch Lebensversicherungen abschließen. Nun, nicht jeder wird in eine Lebensversicherung aufgenommen. Mancher wird in einem Alter Abgeordneter, in dem er nicht mehr ganz gesund ist. Ich kenne solche Fälle. Ich könnte Namen von Kollegen nennen, die abgewiesen wurden, weil die Lebensversicherung sie nicht für gesund genug hielt. Nicht jeder ist in der Lage, aus dem, was er an Aufwandsentschädigung bezieht, die hohen Prämien zu bezahlen, die nötig sind, wenn er spät in die Lebensversicherung eintritt.
    Es ist auch an den Fall zu denken, daß ein Abgegeordneter einmal für eine Wahlperiode nicht gewählt wird und dann eben keine Bezüge hat. Vielleicht wird er kaum etwas verdienen können. Er hat ja aus seinem Beruf aussteigen müssen, als er sich wählen ließ. Wie wird es ihm dann ergehen? Wir wissen, wie es einer Reihe von Kollegen von uns oder deren Hinterbliebenen gegangen ist. Ich will Ihnen hier einen Satz vorlesen, der nicht von mir ist:
    Die Politik kann der hartherzigste und auch der grausamste Arbeitgeber sein. So kommen iene tragischen Fälle zustande, daß ein Mann oft jahre-, ja jahrzehntelang im öffentlichen Leben stand und am Grabe die unversorgten Angehörigen zurückläßt.
    Diesen Satz hat ein hochangesehenes Mitglied dieses Hauses niedergeschrieben, das vor einigen Jahren tödlich verunglückt ist und an dessen Grab in der Tat dann unversorgte Angehörige standen, unser verehrter Kollege Gockeln. So, wie es ihm und seinen Angehörigen ging, ist es vielen anderen auch gegangen. Man sollte das nicht vergessen.
    Ein Abgeordneter, der seine 12, 16 und noch mehr Jahre im Parlament gesessen hat, und diese Zeit aus seinem Beruf ausgeschieden ist, und dann 60 Jahre und noch älter geworden ist und der nicht mehr gewählt wird oder sich nicht mehr wählen lassen will, weil er sich nicht mehr imstande fühlt, das Mandat auszuüben, steht doch fast immer vor dem Nichts. Wäre er nicht ins Parlament gegangen, hätte er einen Beruf ausüben können, in dem er sich — im allgemeinen wenigstens — das hätte ver-



    Dr. Schmid (Frankfurt)

    dienen können, was er gebraucht hätte, uni für sein Alter einen Notpfennig zu haben und um seinen Angehörigen etwas hinterlassen zu können.
    Nicht jeder hat ein Einkommen, das von selber fließt. Ich will hier ganz deutlich sprechen, und ich bitte mir zu vergeben, daß ich so deutlich spreche. Aber ich muß es tun: Nicht jeder hat einen Bauernhof, von dem er leben kann,

    (Beifall)

    einen Hof, den einer verwaltet, dem er Vertrauen zu schenken vermag. Nicht jeder ist Mitglied von Aufsichtsräten. Nicht jeder hat — wie ich — das Gehalt eines Professor emeritus, wenn er hier ausscheiden wird. Nicht jeder hat ein Unternehmen, das ein guter Prokurist in Ordnung und Blüte hält und ihm so die Möglichkeit gibt, bei uns zu arbeiten. Das ist kein Vorwurf — gegen niemand —, aber es sind Dinge, die man bedenken sollte.
    Die Altersversorgung für die Abgeordneten ist eine staatspolitische Notwendigkeit. Sie ist erforderlich, um jedermann den Zugang zum Parlament möglich zu machen, erforderlich, um eine echte Auslese treffen zu können und um diese Auslese nicht auf einige wenige Berufe, auf einige wenige abkömmliche Leute beschränken zu müssen. Es darf doch nicht dazu kommen, daß sich ins Parlament nur noch wählen lassen können — sagen wir einmal — Gutsbesitzer, Ruhestandsbeamte, Angestellte einer Partei oder eines Interessenverbandes oder Leute ähnlicher Berufsrichtung. Nichts gegen diese Leute! Sie sind notwendig, auch in dieser Funktion. Aber man sollte die Auswahl für das Parlament nicht auf solche Leute beschränken müssen. Ich kenne eine ganze Reihe von Leuten, tüchtigen Leuten, die eine Leidenschaft für politische Verantwortung haben, die es aber nicht wagen, sich als Kandidaten aufstellen zu lassen, weil sie sagen: Wie wird es denn, wenn ich einmal 65 Jahre alt bin, meiner Familie gehen, wer sorgt dann für sie?, ich werde dann nicht mehr für sie sorgen können, und solange ich Abgeordneter bin, kann ich das Nötige auch nicht tun.
    Aus staatspolitischen Gründen ist es aus einem weiteren Grunde nötig, eine Altersversorgung einzuführen: um der Unabhängigkeit der Abgeordneten willen, um sie der Notwendigkeit zu entheben, am Mandat kleben zu müssen.

    (Abg. Eisenmann: Das hat mit Charakter nicht zu tun? Charakter kann man nicht bezahlen!)

    — Aber Sie müssen auch die Voraussetzung dafür schaffen, daß jemand in dem Sinne den Sie meinen, charaktervoll sein kann, ohne damit anderen Leuten das Risiko dieses Charaktervollseins aufbürden zu müssen!

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Regierungsparteien.)

    Ich meine mit dieser Unabhängigkeit auch die Unabhängigkeit vor den Parteiapparaten und dem, was dahinter stehen mag, und auch die Unabhängigkeit der Parteiorganisationen selbst insoweit, als ich diese von der Notwendigkeit befreien möchte,
    sich fragen zu müssen: Können wir es denn moralisch verantworten, den Kollegen X nicht mehr als Kandidaten aufzustellen, nachdem er so lange auf einen Beruf verzichtet hat, in dem er sein Brot verdienen konnte, können wir das verantworten?, — nicht gut, also stellen wir ihn eben wieder auf! Und dies, obwohl man lieber einen Jüngeren gehabt hätte.. Meine Damen und Herren, wenn wir die Fraktionen verjüngen wollen — ich glaube, wir wollen es doch alle -, dann brauchen wir eine Altersversorgung der Parlamentarier!
    In anderen Ländern hat man diese Notwendigkeit nicht nur eingesehen, sondern hat man schon das Nötige dafür getan. Ich erlaube mir, Ihnen aus einer Tabelle die Regelungen in anderen Ländern darzulegen.
    In Norwegen bekommt der Abgeordnete eine Staatspension ohne Beiträge der Abgeordneten nach acht Jahren Mandat vom 65. Lebensjahr ab oder nach eingetretener Invalidität.
    In Finnland bekommt der Abgeordnete Staatspension ohne eigene Beiträge nach zehn Mandatsjahren, beginnend vom 30. Lebensjahr ab oder nach Erreichung des 60. Lebensjahres.
    In den Niederlanden bekommt der Abgeordnete eine Staatspension ohne Abgeordnetenbeiträge; eine Mindestmandatszeit entfällt, eine Altersgrenze ist nicht vorgesehen.
    In Schweden bekommt der Abgeordnete eine Staatspension ohne Beiträge nach acht Jahren Mandatszeit vom 65. Lebensjahr ab oder nach eingetretener Invalidität.
    In Dänemark bekommt der Abgeordnete eine Staatspension m i t Beiträgen der Abgeordneten — monatlich 13 DM übrigens — nach zehn Mandatsjahren vom 65. Lebensjahr ab.
    In Italien gibt es eine Pensionskasse, die durch Abgeordnetenbeiträge und Staatsbeiträge gespeist wird; der Abgeordnete trägt zwei Fünftel, der Staat drei Fünftel. Nach zwei Legislaturperioden bzw. fünf Mandatsjahren und Erreichung des 55. Lebensjahres tritt der Versorgungsfall ein.
    In Belgien gibt es eine Pensionskasse, die aus Abgeordneten- und Staatsbeiträgen gespeist wird. Abgeordneter und Staat zahlen je 126 DM. Nach acht Mandatsjahren kann der Versorgungsanspruch nach Eintritt ,des 55. Lebensjahres geltend gemacht werden.
    In Australien gibt es eine Pensionskasse mit Abgeordneten- und Staatsbeiträgen. Nach acht bzw. zwölf Jahren Mandatszeit erhält der Abgeordnete nach Eintritt des 45. Lebensjahres seine Pension.
    In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es einen Pensionsfonds mit Abgeordneten- und Staatsbeiträgen. Nach sechs Mandatsjahren und Eintritt des 62. Lebensjahres tritt der Versorgungsfall ein.
    In Frankreich gibt es einen Pensionsfonds mit Abgeordneten- und Staatsbeiträgen. Nach acht bzw. sechzehn Mandatsjahren und Eintritt des 55. Lebensjahres bzw. 50. Lebensjahres tritt der Versorgungsfall ein.



    Dr. Schmid (Frankfurt)

    In England gibt es einen Pensionsfonds mit Abgeordnetenbeiträgen ohne Staatsbeiträge. Der Versorgungsfall tritt nach zehn Mandatsjahren oder Erreichen des 60. Lebensjahres ein.
    Die Bundesrepublik kennt bisher eine Regelung dieser Art nicht. Es ist das Vorhaben der Unterzeichner des Entwurfs, auch bei uns vergleichbare Verhältnisse zu schaffen.
    Der Ihnen vorliegende Entwurf geht von dem Prinzip aus, daß die Abgeordneten und der Staat Beiträge bezahlen. Ich will Ihnen nicht die Einzelheiten des Entwurfs vortragen. Ich bin kein Versicherungsfachmann und verstehe von Versicherungsmathematik gar nichts.
    Um es vorweg zu sagen: ich habe den Entwurf unterzeichnet, obwohl ich mit einer Reihe seiner Bestimmungen nicht einverstanden bin. Der Entwurf sollte auch zunächst nicht mehr sein als eine Vorlage für den Ausschuß, an den er sicher überwiesen werden wird. Dort soll man die einzelnen Bestimmungen beraten, diskutieren und nach Anhören von Technikern des Versicherungswesens Beschlüsse fassen.
    Gewisse Bestimmungen des Entwurfs gefallen mir nach nicht. Der § 22 und der § 20 erscheinen mir bedenklich, der § 13 erweckt ebenfalls gewisse Sorgen bei mir, und auch § 16 Abs. 1 scheint mir einer Korrektur bedüftig zu sein. Aber wie gesagt, Einzelheiten will ich hier nicht vortragen. Der Ausschuß mag darüber diskutieren.
    Es sollten sich aber alle darüber klar sein, daß es bei diesem Entwurf nicht darum geht, bestimmten Mitgliedern des Hohen Hauses — wie man so schön sagt - „etwas zukommen zu lassen", ihnen also eine Pfründe zu geben. Vielmehr geht es darum, aus der Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, die in den letzten Jahrzehnten bei uns und in der ganzen Welt eingetreten ist, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Es geht darum, mit Fiktionen aufzuräumen und unser Verfassungs recht ein wenig näher an unsere Verfassungs wirklichkeit heranzurücken.
    An welche Auschüsse soll der Entwurf überwiesen werden? Ich habe mir das lange überlegt. Nach meiner Ansicht dürfte folgendes Verfahren das geeignetste sein. Zunächst möge sich der Ältestenrat mit dem Entwurf befassen, um zu versuchen, eine interfraktionelle Vereinbarung entweder über den Text als Ganzen oder über einige zu verwirklichende Prinzipien herbeizuführen. Alsdann sollte, was aus dem Ältestenrat kommt, an den Vorstand des Bundestages gegeben werden — wir brauchen ja ein Beschlußorgan für eine Vorlage für die zweite Lesung —; dieses Gremium erscheint mir zwar ein wenig zu umfangreich für eine solche Aufgabe, ab-er ich weiß kein besseres.
    Die letzte Entscheidung aber liegt bei uns hier in diesem Saale. Ich möchte hoffen, daß dieses Haus die Entscheidung unter Beachtung alles dessen treffen wird, was notwendig ist, um ein parlamentarisches System funktionsfähig zu erhalten und zu verhindern, daß das Parlament nur ein Ausschuß einer bestimmten, recht schmalen Gruppe von Angehörigen unseres Volkes wird.

    (Allgemeiner Beifall.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung durch Herrn Abgeordneten Schmid in seiner Eigenschaft als amtierender Bundestagspräsident gehört.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster hat sich der Abgeordnete Kohut zu Wort gemeldet.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Oswald Adolph Kohut


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein hochverehrter Herr Vorredner hat sehr warme und eindrucksvolle Worte zur Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs gefunden. Trotzdem scheint es mir eine heikle Angelegenheit zu sein, wenn sich dieses Parlament selber eine Rente bewilligt, obwohl es weiß, daß viele soziale Fragen in unserem Volke nicht gelöst sind. Ich weiß auch nicht, ob die historischen Vergleiche, die Herr Professor Schmid gebracht hat, auf unseren Teilstaat, auf die provisorische Bundesrepublik zutreffen und ob man es verantworten kann, unter den heutigen Umständen ein Altersversorgungsgesetz für die Mitglieder des Bundestages zu machen.
    Man könnte fast den Eindruck haben, daß viele von uns geradezu gezwungen worden seien, Abgeordnete zu werden, und daß ihnen das Mandat aufgedrängt worden sei. Nach 1945 ist jedoch keiner gezwungen worden, in eine Partei einzutreten. Ich habe mir sagen lassen, daß es viel mehr Bewerber gibt, als Mandate zur Verfügung stehen. Wer sich in die Politik hineinbegibt, muß auch das Risiko tragen, das damit verbunden ist.
    Die Freie Demokratische Partei lehnt diesen Gesetzentwurf aus folgenden Gründen ab. Erstens liegt kein Bedürfnis für ein soziales Sonderrecht für Bundestagsabgeordnete vor. Ich sage absichtlich „für Bundestagsabgeordnete"; die Folge würde nämlich sein, daß auch die Mitglieder der Landtage, vielleicht sogar der Kreistage und womöglich auch der Gemeinderäte versorgt werden wollten.

    (Lachen in der Mitte.)

    — Warum denn nicht?

    (Zurufe von der Mitte.)

    Nur würden wahrscheinlich in den Gemeinderäten
    — wegen der dort geltenden Bestimmungen — die Mitglieder, wenn sie in eigener Sache bestimmen sollen, den Saal verlassen; hier ist das nicht der Fall.
    Zweitens erscheint mir die gegebene Begründung in vielen Punkten sehr abwegig und anfechtbar zu sein. Drittens halte ich das Mandat immer noch für ein Ehrenamt, obwohl dieser Begriff weitgehend verloren gegangen zu sein scheint. Viertens müssen verantwortliche Abgeordnete, bevor sie in die Politik gehen, dafür sorgen, daß sie eine Altersversorgung haben.

    (Zuruf von der SPD: Schnapsfabrik!)

    — Sie rufen mir zu: „Schnapsfabrik". Meine Herren,
    Sie sitzen hier ja nicht in den ersten langen Hosen;



    Dr. Kohut
    das Durchschnittsalter der Abgeordneten beträgt 55 Jahre. Sie müssen wissen, was Sie tun, und Sie müssen auch beizeiten dafür sorgen, daß Sie eine Altersversorgung haben.

    (Zuruf von der SPD: Eine Schnapsfabrik haben! — Weiterer Zuruf: Kann man nicht eine Schnapsfabrik aufmachen?)

    – Das ist nicht sehr originell. Ich will Ihnen, meine Herren, nicht Ihren Beruf vorhalten. Nicht jeder, der hier im Bundestag ist, ist Berufspolitiker. Mein Beruf ist allerdings, Schnapsfabrikant zu sein, wenn Sie nichts dagegen haben.

    (Heiterkeit.)

    Schon bei der Diätenneuregelung im Jahr 1958 sollte die Altersversorgung mit den Diäten gekoppelt werden. Bereits damals hat die Freie Demokratische Partei darauf gedrungen, die Altersversorgung loszulösen. Wir stehen nun einmal auf dem Standpunkt, daß Abgeordneter sein kein Beruf ist und daß die Diäten keine Entlohnung und keine Abgeltung für etwa erbrachte Leistungen darstellen. Vielmehr handelt es sich um eine Entschädigung für Aufwendungen, die mit der Ausübung des Mandats im Zusammenhang stehen. Diejenigen, die den Gesetzentwurf eingebracht haben, wollen die Aufwandsentschädigung koppeln mit einer dynamischen Rente von 40 bis 50 Prozent der Aufwandsentschädigung.
    In der Begründung heißt es an erster Stelle, die unzureichende Alters- und Hinterbliebenenversorgung gefährde die Unabhängigkeit der Abgeordneten. Soll das etwa heißen, daß manche von uns Entscheidungen nach materiellen Gesichtspunkten treffen? Offenbar soll es sich hier um ein Gesetz mit vorbeugendem Charakter handeln. Ich frage Sie: Würden Abgeordnete, die das Materielle großschreiben, mit der Garantie der zusätzlichen Altersversorgung anders stimmen als zuvor? Und halten Sie es, meine Kollegen, für rühmlich, wenn der Deutsche Bundestag mit dieser Begründung sich eine Altersversorgung genehmigt?

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Habe ich die so begründet?)

    - Sie haben es nicht so begründet, Herr Professor.

    (Abg. Stingl: Aber es macht sich so gut!)

    Aber hier steht es darin. Unabhängigkeit, meine Damen und Herren, bedeutet doch Entscheidungsfreiheit. Es ist eine Sache des Charakters, wie man entscheidet, und ich hoffe, daß wir — mit oder ohne Altersversorgung — nicht nach materiellen Gesichtspunkten entscheiden.
    Des weiteren wird in der schriftlichen Begründung gesagt, es sei die Gefahr des sozialen Abstiegs gegeben, wenn ein Mandat auslaufe und ein nicht wiedergewählter Abgeordneter sich erneut um seinen Beruf oder sein Geschäft, das Schaden genommen habe, kümmern müsse, und dergleichen mehr. Grundsätzlich ist da zu fragen, ob es der Sinn des Mandats ist, den Lebensstandard des Abgeordneten u erhalten. Ich muß wieder die Parallele ziehen: Es handelt sich hier nicht um eine Entlohnung, sondern um ein Ehrenamt. Beim Verlust eines Ehrenamtes besteht keine Basis mehr für Entschädigungsansprüche.
    Gewiß könnte hier die, Überlegung am Platze sein, ob man nicht die Übergangshilfe, die etwas spärlich bemessen ist, erweitern und verlängern sollte.
    Nun heißt es: das Ganze soll eine zusätzliche Versorgung sein. Ich stelle erneut die Frage: Warum hat ein verantwortungsbewußter Abgeordneter nicht beizeiten für sich und seine Familie vorgesorgt? Die Lebensversicherungen sind bei der Währungsumstellung weitgehend entwertet worden.

    (Zuruf von der SPD: Mußten!)

    Wir können doch den Gedanken wieder aufgreifen — ich glaube, er kam schon einmal von meiner Fraktion —, die Lebensversicherungen aufzuwerten, aber nicht nur für die Abgeordneten, sondern für alle.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wenn wir den anderen Weg gehen, uns selbst zu versorgen, meine Damen und Herren, wird man dafür in der Öffentlichkeit kein Verständnis haben. Wir werden daran gemessen werden, wie wir uns zu Annahme oder Ablehnung dieses Selbstversorgungsgesetzes stellen werden. Und wie will man denn vom Staatsbürger Selbstverantwortung verlangen, wenn selbst Abgeordnete zu vorsorglichen Maßnahmen nicht in der Lage sind? Die Diätenregelung ist so, daß sie es jedem erlaubt, Zahlungen, mit denen man begonnen hat, im gleichen Umfange fortzusetzen; daran besteht gar kein Zweifel. Wer nichts unternommen hat, hat nicht allein durch die Tatsache, daß er MdB ist, Anspruch auf Staatshilfe.
    Es besteht ja schon eine Teilversicherung in Gestalt der Unfallversicherung. Die Versicherungssumme beträgt allerdings nur 40 000 DM. Ich bin der Meinung, daß dieser Betrag nicht mehr zeitgemäß ist. Man könnte wirklich überlegen, hier eine Änderung zu treffen.
    Dann spielen natürlich die Härtefälle — und .das ist eine sehr ernste Angelegenheit —, die Hinterbliebenenversicherung eine Rolle. Da habe ich mir sagen lassen, daß beim Herrn Bundestagspräsidenten ein Sonderfonds existiert, der bereits auf drei Millionen DM angelaufen sein soll und der so gut wie nie gebraucht wird. Nun frage ich Sie: Wenn es zutrifft, daß diese Mittel nicht ausgeschöpft worden sind, besteht dann noch ein Bedürfnis für die neue Regelung? Für Härtefälle, für besonders krasse Fälle ist doch gesorgt. Wenn einer von uns plötzlich aus dem Leben abgerufen wird und die Hinterbliebenen nicht versorgt sind, dann ist für solche Fälle doch dieser Fonds da. Was will man denn sonst mit diesem Fonds machen?

    (Abg. Stingl: Zuerst betteln gehen!)

    — Die Sache ist nicht scherzhaft genug, als daß sie diese schlechten Zwischenrufe vertrüge, meine Herren Kollegen. Lassen Sie sich etwas Besseres einfallen.

    (Erneute Zurufe von der Mitte.)

    Wer sich selbst Versorgungsmöglichkeiten verschafft, wie sie sonst im Erwerbsleben nicht zu

    Dr. Kohut
    erreichen sind, kann sie anderen nicht ablehnen, und Sie wissen, welche Wünsche noch an uns herangetragen werden. Wenn dieses Gesetz Wirklichkeit wird, werden wir uns nicht mehr gegen den Vorwurf wehren können, ein exklusiver Klub von Selbstversorgern zu sein. Man muß auch Maß halten können, wenn man im Parlament sitzt.
    Ich beantrage daher, den Entwurf nicht nur an den Vorstand des Bundestages zu überweisen, sondern auch an den Haushaltsausschuß,

    (Zurufe von der SPD: Selbstverständlich! — Sowieso!)

    in der Hoffnung, daß ihm dort nach einer rechnerischen Überprüfung ein Begräbnis erster Klasse beschieden sein möge.

    (Beifall bei der FDP. Abg. Rasner: So was Billiges habe ich selten gehört! — Weitere Zurufe. Große Unruhe.)