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ID0309901000

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    Deutscher Bundestag 99. Sitzung Bonn, den 10. Februar 1960 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Korspeter, Dr. Leiske und Dr. Brecht 5379 A Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. die Deutsche Einheit (Drucksache 1383) Dr. Achenbach (FDP) 5380 A Dr. von Brentano, Bundesminister 5388 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5395 A Erler (SPD) . . . . . . . . 5397 B Dr. Gradl (CDU/CSU) . . . . . 5406 B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 5413 A Dr. Schneider (Lollar) (LW) . . . 5418 B Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Kriegswaffengesetz) (Drucksache 1589) — Erste Beratung — . . . . . . . . 5422 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. August 1959 mit dem Königreich Norwegen über Leistungen zugunsten norwegischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind (Drucksache 1591) — Erste Beratung — . . . 5422 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. August 1959 mit dem Königreich Dänemark über Leistungen zugunsten dänischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind (Drucksache 1592) — Erste Beratung — . . . 5423 A Sammelübersicht 16 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 1579) 5423 C Nächste Sitzung 5423 C Anlage 5425 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Februar 1960 5379 99. Sitzung Bonn, den 10. Februar 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.04 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 2. Dr. Atzenroth 10.2. Bauereisen 15.2. Frau Bennemann 12. 2. Bergmann 10.2. Dr. Deist 29. 2. Deringer 10. 2. Eberhard 13. 2. Eichelbaum 10.2. Geiger (München) 10.2. Glüsing (Dithmarschen) 12.2. Dr. Greve 12.2. Dr. Gülich 16.4. Horn 12.2. Frau Dr. Hubert 12.2. Illerhaus 12. 2. Jacobi 13. 2. Dr. Jaeger 13.2. Jahn (Frankfurt) 23. 4. Dr. Jordan 12.2. Dr. Kanka 12.2. Frau Klemmert 15.5. Frau Korspeter 10.2. Kramel 10.2. Lenz (Brühl) 10.2. Leukert 16.2. Dr. Leverkuehn 12.2. Dr. Lindenberg 12.2. Lulay 29.2. Maier (Freiburg) 16.4. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Müller (Worms) 12.2. Nieberg 12.2. Frau Pitz-Savelsberg 12.2. Rademacher 10.2. Rohde 10.2. Frau Rudoll 12. 2. Dr. Rutschke 13. 2. Scharnowski 15.2. Dr. Schellenberg 10.2. Schneider (Hamburg) 12.2. Schütz (München) 12. 2. Dr. Starke 13. 2. Frau Dr. Steinbiß 17.2. Storch 12. 2. Striebeck 13. 2. Frau Strobel 12.2. Dr. Weber (Koblenz) 12.2. Dr. Willeke 1.3. b) Urlaubsanträge Benda 19. 2. Brüns 2. 7. Dr. Eckhardt 28.2. Even (Köln) 29. 2. Frau Friese-Korn 27. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 20. 2. Jacobs 7. 3. Müser 20. 2. Pelster 19. 2. Dr. Pflaumbaum 19. 2. Wehr 23. 4. Frau Welter (Aachen) 27. 2. Werner 24. 2.
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    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Den Ausführungen des Herrn Kollegen Achenbach bin ich mit großer Aufmerksamkeit gefolgt, wenigstens zu zwei Dritteln der Rede; nachher langte mein Geist nicht mehr, um folgen zu können. Ich habe den Eindruck
    — ich habe meine Notizen über seine Rede hier vor mir liegen und sie soeben noch einmal durchgeblättert —, als wenn an seiner Erklärung zwei Männer gearbeitet hätten. Das erste war ganz gut.

    (Heiterkeit.)

    Was nachher kam, war weniger gut.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Das erste — Herr Kollege von Brentano hat das soeben unterstrichen — war ein Appell an alle Parteien dieses Hauses, in entscheidenden Fragen, in Lebensfragen des deutschen Volkes, zumal in der Außenpolitik, wenn irgend möglich und soweit wie irgend möglich, gemeinsam zu gehen. Das ist ein Appell — Herr Achenbach hat darauf hingewiesen —, den ich auch in meiner ersten Regierungserklärung dieser Legislaturperiode des Bundestages ausgesprochen habe und der mir seit dieser Zeit immer und immer wieder am Herzen liegt, auch jetzt am Herzen liegt, meine verehrten Damen und Herren.
    Ich hoffe, daß wir uns doch wenigstens schrittweise näherkommen, und ich habe den Eindruck, daß dies der Fall ist. Besonders klar hat sich dies mir gezeigt, als ich Anfang dieses Jahres vor dem Berliner Abgeordnetenhaus sprach, in dem ja dieselben Parteien wie in diesem Hause vertreten sind. Dort konnte ich zu meiner großen Freude feststellen, daß wir in dieser Frage des Schicksals Berlins völlig einig waren.
    Dieses Schicksal Berlins steht nicht für sich allein da, sondern hängt mit der ganzen weltpolitischen Lage und der sich aus dieser nach meiner Überzeugung notwendig ergebenden Richtung unserer Außenpolitik zusammen. Wir liegen in der Mitte. Ich las dieser Tage zufällig einen Satz, in dem stand, daß ein Land, das in der Mitte liegt, darin keinen Gewinn erblicken kann und darf, sondern eine große Last und eine sehr ernste Mahnung. Das ist auch richtig. Weil wir in der Mitte liegen, ist uns
    — davon bin ich überzeugt — unsere Politik in den großen Zügen zwangsläufig vorgeschrieben.
    Herr von Brentano hat schon auf verschiedene Ausführungen des Herrn Achenbach geantwortet. Ich möchte dem nur noch wenige Sätze hinzufügen. Das Verhalten Sowjetrußlands in der Frage Berlin auf der Maikonferenz ist ein Testfall dafür, ob Sowjetrußland eine Entspannung ernsthaft will oder nicht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich glaube, man kann nicht von Entspannung sprechen, wenn man gleichzeitig — meine Damen und Herren, ich wiederhole: gleichzeitig — von einem Vertrage, von einer Rechtsbasis, die man an sich anerkennt — denn das hat Herr Chruschtschow getan; er hat es noch in dem letzten Brief an mich getan —, abgeht und von den anderen Teilnehmern, die auf derselben Rechtsbasis stehen, verlangt, daß sie einem folgen. Ob Sowjetrußland wirklich ernsthaft eine Entspannung will, wird sich, glaube ich, auf der Maikonferenz bei der Behandlung der Frage Berlin zeigen.
    Herr von Brentano hat längere Ausführungen über unseren Standpunkt bezüglich Berlin gemacht. Ich kann mich daher kurz fassen und sagen
    — und ich befinde mich da in voller Übereinstimmung mit dem gesamten Abgeordnetenhaus und dem Senat von Berlin sowie mit seinem Bürgermeister Brandt —, daß die jetzige Rechtslage, der jetzige Rechtsstatus Berlins nicht beeinträchtigt werden darf, ehe die ganze deutsche Frage wirklich gelöst werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Alles, was man jetzt tun würde, würde zum Schaden Berlins gereichen, und das, meine verehrten Damen und Herren, können wir einfach nicht verantworten.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist sehr schwer — das weiß ich —, mit Herrn Chruschtschow zu verhandeln. Ich weiß es von meinem damaligen Besuch in Moskau, ich weiß es auch von dem Briefwechsel, den ich mit ihm führe. Diesen Briefwechsel wollen wir fortführen. Er will es, und ich will es. Nicht daß dieser Briefwechsel jetzt schon irgendeinen sichtbaren Erfolg gehabt hätte, aber ich bin der Auffassung, daß man in einer so außerordentlich wichtigen Frage wie dieser Frage zwischen Sowjetrußland und uns niemals die Geduld verlieren darf,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    sondern daß man immer und immer wieder versuchen sollte, irgendwie und an irgendeiner Stelle eine Möglichkeit zu erspähen, sich näherzukommen zu dem gemeinsamen Ziel. Dieses gemeinsame Ziel
    — das möchte ich auch Herrn Achenbach gegenüber noch einmal betonen — ist die kontrollierte Abrüstung für alle. Selbstverständlich! Er hat die Frage gestellt, ob wir bereit seien, uns in ein solches System hineinzustellen. Ich habe das seit Jahr und Tag erklärt, meine Damen und Herren,

    (Zustimmung in der Mitte)

    und ich habe bei Zusammenkünften mit den Spitzen der mit uns verbündeten Staaten immer wieder betont, daß diese Frage der kontrollierten Abrüstung über das Schicksal der ganzen Welt entscheidet und daher die entscheidende Frage für alle sein muß.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe soeben gesagt, daß mit Herrn Chruschtschow schwer zu verhandeln und auch schwer zu schreiben ist. Aber das Neueste will ich Ihnen doch nicht vorenthalten. Herr Chruschtschow — ich möchte den Namen hier nicht zu oft nennen, damit das Ganze nicht wie eine Auseinandersetzung zwischen mir und Chruschtschow aussieht. Ein solcher Gedanke wäre ja Unsinn. Es handelt sich vielmehr



    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    um eine Auseinandersetzung im Lebenskampf zwischen der Freiheit und der Unfreiheit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was wollen wir, meine Damen und Herren? Was wollen wir für uns, was wollen wir für die Deutschen, auch für die Deutschen in der Zone, auch für die Deutschen in Berlin? Wir wollen nichts anderes als das Recht, über sein eigenes Schicksal zu bestimmen, ein Recht, das jedem Volk in Afrika jetzt zuerkannt wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In dem Gespräch, das jetzt in Moskau zwischen dem Staatspräsidenten Gronchi, dem italienischen Außenminister Pella und den russischen Vertretern, an der Spitze natürlich Herr Chruschtschow, stattgefunden hat, ist von italienischer Seite die Frage gestellt worden, ob Sowjetrußland bereit sei, den von ihm gemachten Vorschlag, Berlin zu einer „freien Stadt" zu machen, einem Volksentscheid der Berliner Bevölkerung zu unterbreiten. Was ist von Herrn Chruschtschow darauf geantwortet worden? Er hat gesagt, daß er das Selbstbestimmungsrecht der Berliner Bevölkerung nur hinsichtlich der Wahl des sozialen und wirtschaftlichen Regimes, aber nicht darüber hinaus anerkennen könne.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Das, meine Damen und Herren, ist eine sehr ernste und ungemein wichtige Erklärung.
    Berlin! Es wird jetzt vom Auswärtigen Amt eine auch in rechtlicher Beziehung sehr notwendige Zusammenstellung darüber gefertigt, wie sich die ganze Frage Berlins entwickelt hat. Meine Damen und Herren, Berlin gehört nicht Sowjetrußland, Berlin gehört zu Deutschland und ist von vier Mächten besetzt. Nach meiner Auffassung der Dinge kann gar keine Rede davon sein, daß irgendwie und irgendwann und irgendwo der Berliner Bevölkerung das Recht nicht zugesprochen werden muß, über ihr Schicksal selbst zu entscheiden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei der FDP.)

    Herr von Brentano hat schon Ausführungen über die gegenwärtige Lage und über die Mai-Konferenzen gemacht. Lassen Sie mich dem noch einige Worte hinzufügen. Sie wissen, daß ich binnen kurzem eine Reise in die Vereinigten Staaten antreten werde. Es liegt mir sehr viel daran, gerade in den Vereinigten Staaten in dieser Zeit bei den Vertretern der öffentlichen Meinung, bei der Presse, bei den Mitgliedern des Senats und des Repräsentantenhauses, darauf hinzuweisen, wie wir die deutsche Frage sehen und wie wir innerhalb der deutschen Frage die Berlin-Frage sehen. Sie wissen auch, daß ich eine längere Zusammenkunft mit dem Präsidenten Eisenhower und danach mit dem Staatssekretär Herter haben werde. Ich bin überzeugt, daß man in den Vereinigten Staaten für unsere Situation und für unsere Einstellung zu den ganzen Fragen Verständnis hat.
    Die West-Ost-Konferenz wird in der zweiten Hälfte Mai in Paris stattfinden. Die maßgebenden Teilnehmer — Sie wissen, daß wir nicht zu ihnen gehören; deswegen will ich mich aber nicht etwa von dem, was ich jetzt sage, irgendwie absetzen — haben von Anfang an davon gesprochen: da man nicht damit rechnen könne, daß die sehr großen und sehr wichtigen Fragen, die auf die Tagesordnung der West-Ost-Konferenz kommen, in den wenigen Tagen, die zur Verfügung stehen, gelöst werden könnten, würden weitere derartige Konferenzen folgen. Darum wiederhole ich: nicht die Geduld verlieren!
    Nach der West-Ost-Konferenz findet die Reise Eisenhowers nach Sowjetrußland statt. Es ist interessant, daß seinerzeit der Juni als Termin für diese Reise von sowjetrussischer Seite vorgeschlagen worden ist, doch offenbar in der Erwartung, daß man sich bei dieser Reise mit dem wichtigsten und mächtigsten Partner des Westens über die Vorgänge auf der West-Ost-Konferenz weiter unterhalten und weitere Gedanken austauschen könne.
    Herr von Brentano hat von der Entspannung geredet. Auch hier möchte ich das sagen, was er gesagt hat: Das Wort „Entspannung" bedeutet an sich noch gar nichts. Die Entspannung kann vielmehr nur durch Vereinbarungen über Abrüstung und durch die Lösung anderer Fragen herbeigeführt werden. Aber Herr Chruschtschow hat vor kurzem zwei Raketen in den Pazifischen Ozean geschossen. Das hat er nicht zur Entspannung getan, meine Damen und Herren. Er hat es vielleicht als Vorbereitung getan, weil er glaubt, daß er durch diese Dokumentierung der Macht Sowjetrußlands, einer Macht, die keiner von uns irgendwie verkennt, seine Position, die russische Position auf der West-Ost-Konferenz, der Gipfelkonferenz, stärken würde. Er liebt solche Gesten. Er ist ein sehr temperamentvoller Mann, und man muß die Männer nehmen, wie sie sind.

    (Heiterkeit.)

    Aber man muß auch selbst so sein, wie man ist,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    und deswegen darf man sich von solchen Gesten nicht zu sehr beeindrucken lassen. Ich meine, die Aussichten, zu einer verständigen Regelung der ganzen Fragen zu kommen, sind viel besser, wenn man sich auch seiner eigenen Kraft und seiner eigenen Stellung bewußt ist, und das, glaube ich, kann man sowohl von den Vereinigten Staaten wie von Großbritannien wie von Frankreich sagen. Aber auch wir, die wir ja nun Vorbereiter, Zuhörer und Zuschauer sind, und unser deutsches Volk insgesamt sollten sich nicht zu sehr davon beeindrucken lassen. Denn bei solchen Verhandlungen, bei solchen Auseinandersetzungen und Aussprachen, wie sie dort sein werden, ist natürlich — lassen Sie es mich noch einmal sagen, meine verehrten Damen und Herren — die Kenntnis von der Macht des Gegners notwendig, aber ebensogut auch das Bewußtsein der eigenen Stärke, und daran wollen wir mit großer Geduld festhalten.
    Ich glaube, daß das Parlament, die Volksvertretung in irgendeiner Form unterrichtet werden muß, wenn die jetzigen, sehr intensiv betriebenen Vorarbeiten für die Gipfelkonferenz bis zu einem ge-



    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    wissen Stadium gekommen sind. Denn diese Gipfelkonferenz wird doch ein Ereignis von sehr großer Bedeutung sein — vielleicht der Anfang einer Entwicklung, jedenfalls aber ein Ereignis von sehr großer Bedeutung. Daher fühle ich auch die Verpflichtung, meine Damen und Herren, wenn, wie ich soeben sagte, die Vorbereitungen bis zu einem gewissen Stadium gediehen sind, so daß man wirklich eine klare Ubersicht darüber geben kann, wie die Dinge liegen, den Vertretern des Bundestages — in welcher Form und mit wem, darüber müssen wir uns noch verständigen — Einblick in diese Dinge zu geben.

    (Lachen bei der SPD.)

    Aber ich wiederhole, meine Damen und Herren —
    und ich bitte Sie, mir das zu glauben — —

    (Lachen bei der SPD.)

    — Wenn Sie sagten: Ich bitte, mir zu glauben, würde ich nicht lachen,

    (Heiterkeit — Beifall bei der CDU/CSU)

    und wenn ich lachte, würde ich es nur innerlich tun.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Aber ich lache gar nicht über das, was Sie sagen, meine Damen und Herren von der SPD. Im Gegenteil, ich nehme Ihre Stellung, die Stellung der Opposition sehr ernst.

    (Lachen und Zurufe von der SPD.)

    — Wenn ich Sie ernst nehme, brauche ich doch nicht alles zu tun, was Sie wollen. Sonst gäbe ich mich ja selbst auf.

    (Heiterkeit. — Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber ich wiederhole: Ich nehme Sie sehr ernst und überlege Ihre Darlegungen sehr wohl und sehr genau. Denn über das, was sich in den zehn Jahren, die hinter uns liegen, ereignet hat und in den nächsten Jahren ereignen wird, werden wir alle miteinander einmal dem deutschen Volke Rechenschaft geben müssen, und das deutsche Volk, die Zukunft wird über uns urteilen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Deswegen sage ich nochmals: ich nehme Ihre Einwendungen durchaus ernst. Denn auch das ist richtig: wenn es uns gelänge, in den entscheidenden Lebensfragen des deutschen Volkes, um die es sich in dieser ganzen Periode handelt, im großen und ganzen — nicht in allen Einzelheiten — einig zu sein, würde das einen großen Vorteil für die Sache des deutschen Volkes in der ganzen Welt bedeuten.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es entspricht der Auffassung des gesamten Bundestages, daß diese Aussprache keine Spezialdebatte über Berlin ist. So ist sie auch eingeleitet worden, und so werden wir sie
    fortführen. Wir werden die Berlin-Frage in die größeren Zusammenhänge hineinstellen, in die sie hineingehört. Denn wenn wir verlangen, daß in der internationalen Debatte das Berlin-Problem nicht isoliert behandelt wird, müssen wir auch hier im Bundestag ein Beispiel dafür setzen, in welche Zusammenhänge im Ganzen es hineingehört.
    Einige der großen Probleme, um die es dabei geht, sind heute sowohl in der Begründung der Großen Anfrage durch die Freien Demokraten als auch dann von der Bundesregierung bereits gekennzeichnet worden.
    Im Jahre 1960 werden wir es vermutlich mit einer beginnenden Serie von Konferenzen zu tun haben. Zu diesen Konferenzen sind die Weltmächte gezwungen, weil ihnen das „Gleichgewicht des Schrekkens" keinen anderen Weg übrig läßt. Sie müssen miteinander reden. Sie suchen einen bewaffneten Konflikt zu vermeiden.
    Mich hat sehr beeindruckt, was der amerikanische Außenminister Herter zu diesem Zwang, der die Weltmächte an den Verhandlungstisch treibt, kürzlich ausgeführt hat. Er meinte:
    Die oberste Frage, der sich unsere Welt heute gegenübersieht, lautet: Wie kann sich das Rivalisieren zwischen politischen Systemen im Laufe der Geschichte lösen, ohne daß es zu einer Atomkriegsexplosion führt? ... Dieses gemeinsame Interesse liegt einfach in dem fundamentalen Willen, zu überleben, der von der freien Welt wie von den Kommunisten gleichermaßen geteilt wird.... Beide Seiten sehen sich nicht hinzunehmenden Risiken eines allgemeinen Atomkrieges, der gegenseitigem Selbstmord nahekommen würde, gegenüber, wenn nicht der Lauf der Ereignisse geändert wird, und zwar sehr bald.
    Und dann fuhr Herter fort — und ich glaube, das ist schon in vielen Dingen eine etwas tiefere Sprache, als wir sie zu diesem Problem vom Herrn Bundesaußenminister soeben vernommen haben —:
    Der Wettbewerb wird weiter hart bleiben. Chruschtschow macht keine Umstände hinsichtlich seiner letzten Ziele. Aber die Notwendigkeit, beide Tatsachen — das Bedürfnis nach gemeinsamen grundlegenden Regeln und den aggressiven Wettbewerb — klar zu erkennen, wird eine schwere Probe auf die politische Reife unseres Volkes sein.
    Und, so meint Herter:
    Es war viel einfacher, als wir in Schwarz und Weiß denken konnten. . . . Es wird daher im höchsten Grade guter und starker Nerven bedürfen, um eine neue Beziehung zwischen den entgegengesetzten Systemen aufzubauen. Aber es muß getan werden, wenn die Zivilisation überleben soll!

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich habe dieses Zitat hier gebracht, weil ich meine, daß wir es uns nicht so einfach machen dürfen, zu verlangen, Voraussetzung der Entspannung



    Erler
    sei, daß Herr Chruschtschow oder die sowjetische Führung ihrer kommunistischen Ideologie abschwören. Meine Damen und Herren, Sie müssen sich darauf einrichten, daß die das nicht tun werden. Die Wahrscheinlichkeit, daß Chruschtschow dem Kommunismus abschwört, ist genauso groß wie die, daß der Papst evangelisch wird. Beides werden wir wohl kaum erwarten dürfen.

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD.)

    Wir werden uns, auch wenn Chruschtschow Kommunist bleibt, mit der Realität drüben auf die geeignete Weise auseinandersetzen müssen. Der Wettbewerb wird weitergehen. Unsere Aufgabe ist es, zu beweisen, daß unsere Ordnung die überlegene und die bessere ist — darauf, glaube ich, kommt es an —,

    (Beifall bei der SPD)

    und zu verhindern, daß uns etwa eine Ideologie und Herrschaftsform aufgezwungen wird, die wir nicht mögen.
    Wir dürfen davon ausgehen, daß beide Seiten entschlossen sind, einen bewaffneten Konflikt zu vermeiden, daß beide aber auch ebenso fest entschlossen sind, hart zurückzuschlagen, falls sie angegriffen würden. Das gilt für beide Seiten.
    Ich sage das, weil ich nachdrücklich vor einer Drachensaat warnen möchte, die augenblicklich in unserem Volke zu säen versucht wird, vor jener Ideologie, welche die Illusion nährt, man könne die Sowjetunion durch glaubhafte Drohung mit Krieg dazu zwingen, Berlin, Mitteldeutschland, die Gebiete jenseits der Oder und Neiße herauszugeben und die kommunistischen Regime in Mittel- und Osteuropa aufzugeben.

    (Zuruf von der Mitte: Wer sagt denn das?)

    — Sie wissen, von wem ich spreche; aber ich werde es Ihnen auch gleich noch sagen. Die These jener schrecklichen Vereinfacher lautet, die Sowjetunion brauche den Frieden mehr als der Westen — nebenbei: wer mit einem solchen Argument operiert, der macht für die Kommunisten eigentlich noch Propaganda und hat sich bei ihnen einen Orden verdient —, deshalb müsse man sie nur deutlich genug mit dem Atomkrieg bedrohen, um sie zum Rückzug zu zwingen. Wäre der Westen, so meint jener Mann, glaubhaft entschlossen, den Krieg für diese Ziele und nicht etwa nur für die Verteidigung gegen einen sowjetischen Angriff wirklich zu führen, so würde die Sowjetunion kampflos zurückweichen.
    Meine Damen und Herren, das ist ein katastrophaler Irrtum. Der Sowjetunion wäre diese Entschlossenheit nur dadurch glaubwürdig zu beweisen, daß man den Krieg auch anfinge und damit praktisch ein Verbrechen beginge; das wäre zugleich der kollektive Selbstmord unseres Volkes.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der gefährlichste, leider allzusehr akklamierte Vertreter dieser simplifizierenden Demagogie ist Herr Schlamm. In Münster hat er ausgeführt, der Westen solle die Russen mit der ultimativen Drohung des Atomkrieges auffordern, Europa zu räumen; wir müßten zum Atomkrieg glaubhaft, d. h. ernstlich bereit sein. Wohlgemerkt: nicht zum Schutze gegen einen sowjetischen Angriff, sondern zur Lösung der uns bewegenden politischen Fragen!
    Die Bundesregierung hat wiederholt, so auch heute, erklärt, daß die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit nur mit friedlichen Mitteln herbeigeführt werden darf. Die Thesen des fahrenden Demagogen Schlamm stehen in diametralem Gegensatz zu diesen Erklärungen der Bundesregierung. Die Aufforderung, zu einem solchen Kriege, wie er ihn meint, entschlossen zu sein, verstößt gegen Art. 26 Abs. 1 des Grundgesetzes:
    Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Bürger zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten,
    — dazu gehört ja doch wohl auch die ideologische Vorbereitung —
    sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
    Damit stellt sich angesichts des Aufsehens, das jener Mann nicht nur in Deutschland, sondern darüber hinaus erregt, eine Reihe von Fragen an die Bundesregierung, ob sie sich von jenen Lehren distanziert und wie sie dem Grundgesetz Geltung zu verschaffen gedenkt.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Da sind wir doch völlig einig! — Weitere Zurufe.)

    Das Grundgesetz gilt nicht nur für deutsche Staatsbürger, es giltauch für Ausländer.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    In anderen Fällen achtet die Bundesregierung sehr darauf, daß Ausländer sich in unserem Lande in politischen, Fragen einer gewissen Zurückhaltung befleißigen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Mich beschleicht beim Auftreten jenes Mannes die beklemmende Erinnerung an einen anderen Osterreicher.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Er peitscht genau jene Gefühle in unserem Volke auf, die ein anderer einmal zum Verderben der Nation mobilisiert hat.

    (Wiederholter Beifall bei der SPD.)

    Die Bundesregierung darf es nicht dulden, daß Zweifel an der deutschen Glaubwürdigkeit entstehen, die Wiedervereinigung nur mit friedlichen Mitteln herbeiführen zu wollen. Die Bundesregierung spricht davon, daß — auch wenn Reden anderer dazu nicht ausreichten, sondern Taten notwendig seien — sie sich einsetze für eine Politik der Entspannung, für eine Politik der Abrüstung; so äußerte sich der Bundeskanzler in zahlreichen Erklärungen der jüngsten Zeit und auch heute wieder und so steht es auch in seinem Brief an den sowjetischen Ministerpräsidenten Chruschtschow.
    Deutscher Bundestag - Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Februar 1960 5399
    Erler
    Diese Erklärungen werden unglaubwürdig, wenn Herr Schlamm die deutsche Politik kommentiert und die Bundesregierung das hinnimmt oder indirekt vielleicht sogar fördert.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Unerhört!)

    - Meine Dannen und Herren, Schlamms Auftreten
    und seine Förderung — und sei es auch nur durch gewisse, den Regierungsparteien nahestehende Organisationen in Frankfurt am Main — schädigen die Interessen des deutschen Volkes.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP.)

    Wer sich nicht eindeutig von diesen Thesen distanziert und damit dean Beifall klatschenden Teil der Studentenschaft klarmacht, daß er sich in Widerspruch zur Politik dieses Hauses — und auch der Mehrheitsparteien — befindet, der läßt unter Umständen den Verdacht einer geistigen Verwandtschaft, aufkommen, den er schleunigst ans dem Wege räumen sollte.

    (Abg. Dr. Vogel: Das wäre Reklame für Schlamm! — Abg. Dr. Krone: Das ist doch allerhand, was Sie da sagen! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Meine Damen und Herren, dann äußern Sie sich doch dazu, wir warten darauf!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Cillien: Das haben wir gar nicht nötig! — Abg. Dr. Krone: Erst verdächtigen! — Fortgesetzte Zurufe von der Mitte.)

    Zudem ist zu sagen, daß Worte, die unserem Volke erneut ein gewisses Sendungsbewußtsein einzuimpfen versuchen,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    auch nicht gerade geeignet sind, die Absage an
    Herrn Schlamm besonders glaubwürdig zu machen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Militärische Anstrengungen zur eigenen Sicherheit sind eine Sache; aber sie sind untauglich zum Erlangen dessen, was wir leider nicht besitzen, nämlich zur Erlangung der Einheit unseres Volkes und zur Sicherung eines friedlichen Zusammenlebens eines wiedervereinigten deutschen Volkes. Diese Art Politik der militärischen Stärke, die darauf abzielt, durch militärische Anstrengungen dahin zu gelangen, ist gescheitert. Politische Probleme verlangen politische Lösungen.
    Der Herr Bundeskanzler hat uns in Erinnerung gerufen, daß wir ein Volk der Mitte seien. Ich möchte hier einflechten, daß eis zwischen uns — das sei ganz offen ausgesprochen — jene langandauernde Meinungsverschiedenheit gegeben hat und noch gibt, welche politischen Notwendigkeiten sich aus dieser Mittellage ableiten. Es ist unbestritten, daß 'es eine vordringliche Aufgabe der Deutschen sein mußte, den Ausgleich mit den früheren politischen Gegnern im Westen zu suchen. In Ordnung! Aber die Methoden zur Erreichung dieses Ausgleichs durften nicht so beschaffen sein, daß man durch sie unsere Verhältnisse nach Osten unnötig zuspitzte. Dias ist der wesentliche Differenzpunkt vieler 'außenpolitischer Diskussionen der letzten Jahre.

    (Abg. Dr. Krone: Danach sind w i r also an dieser Zuspitzung schuld?)

    — Nein, sicher nicht allein;

    (Zuruf von der Mitte: Warum sagen Sie dann 'das?)

    aber die Vorrangigkeit mancher Ziele hat mit zu einer Entwicklung beigetragen, deren bittere Ergebnisse heute vor uns liegen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler hat uns beschworen — und ich teile hier seine Sehnsucht, nur hängt es auch sehr von ihm ab, wieweit wir sie erfüllen können —, man möge doch künftig in den Lebensfragen der Nation gemeinsame Lösungen finden. Sicher, das wäre für unser ganzes Volk geradezu eine Erlösung, es wäre eine unerhörte Stärkung auch der die Geschäfte führenden, die Politik betreibenden Bundesregierung, wenn sie vor die Umwelt treten könnte und nicht nur in der Frage Berlin — dort kann sie es heute schon — vor der ganzen Welt sagen könnte: Wir sprechen in diesen Fragen für die ganze Nation und nicht nur für die Regierungsmehrheit, — wenn das auch in den großen Fragen der Wiedervereinigung und der Sicherheitspolitik möglich wäre.
    Vom Wünschen allein aber kommt die Gemeinsamkeit nicht. Dazu gehört von der Seite der Regierung mindestens die Bereitschaft, mit der Opposition, mit den anderen demokratischen Kräften die politischen Entscheidungen zu erörtern, bevor sie gefallen sind, und nicht hinterher den Anschluß zu verlangen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP.)

    Was nützen uns heute Beschwörungen der Gemeinsamkeit durch den Kanzler und den Außenminister, wenn — das sei nur ein kleines Beispiel
    — in der letzten Sitzung des Auswärtigen Ausschusses dem Ausschuß verschwiegen wurde — der Minister hat vergessen, es ihm zu sagen —, daß am Nachmittag des gleichen Tages in Moskau der Antwortbrief des Bundeskanzlers auf den letzten Brief Chruschtschows überreicht wurde? Weder von der Tatsache des Briefes noch gar von seinem Inhalt ist der Auswärtige Ausschuß unterrichtet worden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Eine solche mangelnde Bereitschaft auch nur zur Information, geschweige denn zur gemeinsamen Erarbeitung einer politischen Linie kann doch nicht die Grundlage sein, um darauf eine wirkliche gemeinsame Außenpolitik zu bauen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dazu gehört auch, daß man in den innenpolitischen Auseinandersetzungen den politischen Gegner nicht verketzert. Herr Bundeskanzler, es tut mir leid, auf diesem Gebiet sind Sie ein unerreichter Meister. Die Gemeinsamkeit der Außenpolitik setzt



    Erler
    voraus, daß der Regierungschef auch den anderen Parteien gegenüber und nicht nur in diesem Hause eine Sprache spricht, die den Graben in der Nation nicht vertieft und aufreißt, sondern sich bemüht, Brücken zueinander zu schlagen. Wer die höchste Verantwortung trägt, muß auch diese spüren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP.)

    In der deutschen Frage haben wir also leider in den letzten 10 Jahren keine Fortschritte zu verzeichnen. Ein jeder gibt zu, daß die Lage heute schlechter ist als manchesmal in der Vergangenheit. Den Darlegungen des Außenministers zu diesem Thema hat kürzlich der bekannte Publizist Paul Sethe gewissermaßen im voraus geantwortet. Er schrieb:
    Nach schweren Niederlagen sind die Anhänger einer vernünftigen Politik immer in der verzweifelten Lage, nicht mathematisch beweisen zu können, daß sie das Unheil hätten vermeiden können. Nach den deutsch-englischen Verhandlungen um die Jahrhundertwende, nach der Mission Haldanes 1912, nach dem ersten Weltkrieg, nach den russischen Noten 1952 bis 1955, immer sind kluge und gelehrte Leute gekommen, die uns nachgewiesen haben, daß durch die Politik der Gegenseite „wie ein roter Faden" nackter Machtegoismus oder ideologische Selbstsucht zu erkennen seien, daß geschicktere, wirklichkeitsnähere Verhandlungsführung doch keinen Sinn gehabt hätte. Aber man hat sie ja niemals versucht!
    So Paul Sethe. Doch nur um darzulegen, wie weit Gemeinsamkeit in der Vergangenheit möglich war oder nicht, habe ich das hier heraufbeschworen. Lassen wir uns jetzt nicht unnötig durch die Vergangenheit beschweren, sondern versuchen wir die Gegenwart einer Prüfung zu unterziehen und die Aufgaben der Zukunft miteinander zu erörtern.
    Jetzt steht die Berlin-Diskussion im Schatten ernster Drohungen. Die Lage Berlins ist tatsächlich unnatürlich, aber sie ist es deshalb, weil Deutschland gespalten ist und weil Berlin nicht die ordentliche Aufgabe der funktionierenden Hauptstadt eines ganzen Deutschlands innehat, die ihm gebührt. Die Lage wird unnatürlich bleiben, solange Berlin nicht wieder die Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschlands ist. Ganz Berlin ist unter dem Dach des Viermächtestatus eine selbst noch einmal zweigeteilte Stadt.
    Die einzige wirkliche Lösung ist die, von der ich eben sprach: Wiederherstellung der Hauptstadtfunktion im Zuge der Wiedererlangung der deutschen Einheit. Erst dann wäre Berlin keine Insel mehr. Solange das nicht erreicht ist, wird Berlin immer dem Druck der Umgebung ausgesetzt, also gefährdet sein.
    Nun kann der Druck, der jetzt ausgeübt wird, veranlassen, zu sagen: Um bis zur Wiedervereinigung Deutschlands die Lösung der Deutschland-Frage und auch das Los unserer Landsleute in Berlin nicht zu gefährden, wäre es am besten, dort alles beim alten zu lassen und gar nicht über Berlin zu reden. Ich fürchte, man wird über Berlin sprechen, und zwar ganz einfach deshalb, weil die amerikanische Regierung im Worte ist. Wenn wir uns in unserer Sicherheit sehr weitgehend auf das Wort der amerikanischen Regierung verlassen, dann müssen wir auch hinnehmen, daß der amerikanische Präsident anderen gegenüber ein gegebenes Wort hält. Es wird also über Berlin gesprochen werden.
    Aber worauf es ankommt, ist das Wie. Deshalb ist es notwendig, daß der Bundestag am heutigen Tage — und darüber bin ich froh — in seinem Beitrag zu dieser Seite der anstehenden 'Probleme die gemeinsame Haltung unseres Volkes einschließlich der Berliner klarmacht und dabei wohl auch die gemeinsame Haltung unserer westlichen Verbündeten zutreffend interpretiert.
    Wir können uns hier auf ein interessantes Dokument stützen, auf die Fünf-Punkte-Erklärung, die der Regierende Bürgermeister Brandt im Auftrage des Berliner Senats am 7. Januar 1960 im Berliner Abgeordnetenhaus abgegeben und der sich der Herr Bundeskanzler dann angeschlossen hat. Ich möchte die wesentlichen Kernpunkte in Erinnerung rufen.
    Erstens. Die Anwesenheit der Westmächte in Berlin und ihre Rechte in bezug auf Berlin beruhen auf ihrer sicheren Rechtsposition aus den Vereinbarungen der Jahre 1944 und 1945.
    Zweitens. West-Berlin gehört zum freien Teil Deutschlands. Die mit Wissen und Billigung der Westmächte in den vergangenen zehn Jahren erfolgte Eingliederung Berlins in das Rechts-, Finanz-und Wirtschaftssystem des Bundes ist ein Grundpfeiler für die freiheitliche Existenz dieser Stadt. Berlin kann auch seine Funktion als Klammer zwischen den beiden Teilen Deutschlands nur dann wirksam erfüllen, wenn die engen Bande zwischen Berlin und dem Bund erhalten bleiben und, wo immer möglich, gefestigt werden.
    Hierzu muß ich eine Anmerkung machen. Unsere Position wäre heute stärker, wenn die Bundesregierung diese klare Verbindung der Bundesrepublik mit Berlin auch früher schon eindeutig bekundet hätte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Leider haben wir schon während der Berlin-Krise im vergangenen Jahr durch den Herrn Innenminister und einen damals ergangenen Kabinettsbeschluß anläßlich der Wahl des Bundespräsidenten in Berlin kein gutes Beispiel gehabt.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich bin deshalb sehr froh, daß sich die Bundesregierung nunmehr — jedenfalls bei dem Besuch in Berlin — dazu entschlossen hat, die damals vertretene Meinung des Bundestages ausdrücklich zu teilen. Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Drittens. Der freie Zugang von und nach Berlin darf nicht eingeschränkt, sondern sollte vervollkommnet und verbessert werden. So ist es nach der Aufhebung der Blockade durch die Vier-Mächte-Beschlüsse zugesagt worden.



    Erier
    Viertens. Jede etwaige Vereinbarung über Berlin darf den eindeutigen Willen der Berliner Bevölkerung nicht unberücksichtigt lassen. Alles andere wäre ein Verstoß gegen das Selbstbestimxnungsredit.
    Fünftens. Berlin muß weiterhin Begegnungsstätte für zwischenmenschliche Beziehungen, vor allem unter den Deutschen aus beiden Teilen Deutschlands, bleiben.
    Soweit die fünf Punkte, die, glaube ich, eine gute Grundlage für eine gemeinsame Politik des ganzen Hauses in dieser Frage sind.
    Das Ulbricht-Regime behauptet, die Bundesrepublik habe keinerlei rechtlich fundierte Beziehungen zu Berlin, und die einzige für Berlin — und zwar sogar auch für West-Berlin — zuständige Regierung sei die in Pankow. Das, meine Damen und Herren, ist eine Anmaßung, die ganz klar zurückgewiesen werden muß.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Die Vier-Mächte-Vereinbarungen des Jahres 1944 schufen die Besatzungszonen und gaben Berlin außerhalb dieser Besatzungszonen einen Sonderstatus. Am 12. September 1944 wurde in den Londoner Protokollen die Einrichtung von Besatzungszonen in Deutschland und eines ,besonderen Berliner Gebiets vereinbart. Dieses Gebiet sollte von den damaligen Alliierten gemeinsam besetzt und ausdrücklich aus der sowjetischen Besatzungszone ausgenommen sein. Von einer Zugehörigkeit Berlins zu dieser Zone war nie die Rede.
    Tatsädilich waren, bevor die Vereinbarungen durchgeführt wurden, sowjetische Truppen zuerst in ganz Berlin, dafür aber amerikanische Truppen zuerst in großen Teilen Mitteldeutschlands, in ganz Thüringen und in Sachsen bis zur Elbe und zur Mulde. Dann wurden die Vereinbarungen durchgeführt. Wenn man den damaligen Briefwechsel nachliest, kann man sich davon überzeugen, daß die seinerzeitige Führung der Vereinigten Staaten den Rückzug aus jenen Gebieten der Sowjetzone ausdrücklich nur unter der Bedingung vorgenommen hat, daß damit der neue Status für Berlin gesichert würde, und zwar für ganz Berlin außerhalb der sowjetischen Zone. Von der späteren Pankower Regierung war in diesem Zusammenhang gar keine Rede.
    Mit der Organisierung deutscher Staatsgewalt in den beiden Teilen Deutschlands kam es schließlich zur Anwesenheit beider Staatsteile unter dem VierMächte-Dach in ganz Berlin. Es gibt keinen VierMächte-Status mir für West-Berlin; das muß auch einmal festgehalten werden.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir sind uns einig, daß eine isolierte Erörterung der Berlin-Frage gefährlich wäre. Die Sowjetunion hat die Krise selbst heraufbeschworen. Dafür sind verschiedene Motive denkbar. Vielleicht wollte sie auf diese Weise einen Hebel haben, um ein Direktgespräch mit den Vereinigten Staaten zu erwirken, das ja tatsächlich eingeleitet worden ist. Ein Motiv hat die Sowjetunion sicher nicht gehabt: den freiheitlichen Status West-Berlins zu verbessern.
    Worauf es jetzt ankommt, ist, die physische An wesenheit der Westmächte zum Schutze der Frei. heit Berlins zu sichern, die Zugehörigkeit Berlin: zum Währungs-, Wirtschafts- und Rechtssystem de: Bundesrepublik zum Schutz der Lebensfähigkeit de: Stadt und als Ausdruck freier Entscheidung ihre: Bürger zu garantieren. Worauf es weiter ankommt ist, kein drittes Staatsfragment auf deutschem Bo den schaffen zu lassen, weil das überall als Be siegelung der Teilung Deutschlands empfunder würde.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Die Erreichung dieser Ziele kann aber nur in engster Solidarität mit den Westmächten, vor allem der Vereinigten Staaten und Großbritannien, gewährleistet werden. Es ist bedauerlich, daß es da in letzter Zeit einige Störungen gegeben hat. Bei Kanzlerreisen zeugten zwar die Kommuniqués immer vor einem großen Einvernehmen, aber zu Hause hörte man es dann mitunter anders. Unfreundliche Außerungen über Motive verbündeter Regierungschefs sind geeignet, Bundesgenossen zu verstimmen, und zwar gerade jene, die mit ihrer Kraft nicht anderwärts gebunden sind, und auf diese kommt es ja wohl entscheidend an.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir wollen also die Berlinfrage in die größeren Zusammenhänge hineinstellen. So hat es mit Recht schon nach den ersten Äußerungen der Deutschen selbst, z. B. auch des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei, damals im Dezember 1958 der NATO-Rat in Paris in Punkt 6 seines Kommuniqués dargelegt:
    Der Rat ist der Ansicht, daß :die Berliner Frage nur im Rahmen eines Abkommens mit der Sowjetunion über die gesamte Deutschlandfrage geregelt werden kann. Er ruft in Erinnerung, daß die Westmächte sich wiederholt bereit erklärt haben, dieses Problem ebenso wie das der europäischen Sicherheit und der Abrüstung zu prüfen. Sie sind zu einer Diskussion aller dieser Fragen nach wie vor bereit.
    Dieser Beschluß wurde von den westlichen Regierungschefs ein Jahr darauf, am 21. Dezember 1959, ausdrücklich bestätigt. Es ist bedauerlich, daß in den Erläuterungen hierzu nur noch von der Einbettung der Berlinfrage in die deutsche Frage gesprochen wird, daß die Abrüstung völlig unabhängig davon im NATO-Beschluß auftaucht und die europäische Sicherheit dabei überhaupt verschwunden Ist. Damit ist . eine Aussicht weniger gegeben, um zu einem vernünftigen Gespräch über alle Probleme, auch das Berlinproblem, in den größeren Zusammenhängen zu gelangen, die man herstellen muß, um auch die sowjetische Bereitschaft für die Diskussion zu erlangen. Die Verbindung mit der deutschen Frage allein führt rasch zu dem bekannten unversöhnlichen Standpunkt, die Wiedervereinigung sei Sache der Deutschen selbst. Jeder von uns weiß, daß das im Augenblick jedenfalls und sicher auf lange Zeit einfach auf eine Verweigerung der Wiedervereinigung hinausläuft,



    Erler
    Übrigens, Herr Bundesminister, Sie haben in diesem Zusammenhang von den Gesprächen gesprochen und erwähnt, daß ,der Justizminister sich sicher nicht mit Hilde Benjamin zusammensetzen würde. Davon bin ich überzeugt, denn er hatte ja in Ost-Berlin ganz andere Gesprächspartner; er brauchte Hilde Benjamin nicht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Doch zurück! Der sowjetische Standpunkt, die Wiedervereinigung sei Sache der Deutschen selbst, ist eine für den Westen unmögliche Position. Auf der anderen Seite hat auch der Westen eine solche Position mindestens in einer Frage bezogen, eine Position, von der jedermann weiß, daß sie für die andere .Seite auch unannehmbar ist, nämlich daß das wiedervereinigte Deutschland die Entscheidungsfreiheit für seine Militärbündnisse haben müsse. Jeder weiß, daß das praktisch bedeutet, das wiedervereinigte Deutschland müsse die Möglichkeit haben, sich dem Atlantikpakt anzuschließen. Daß hierin eine Blockierung der Wiedervereinigung Deutschlands liegt, weil es sich um eine einseitige Machtveränderung zum Nachteil der Sowjetunion handeln würde, ist so offensichtlich, daß man darüber heute eigentlich die Akten schließen könnte.
    Eine Verbesserung der Ausgangsposition ist an- gesichts dieser unversöhnlichen Standpunkte nur möglich, wenn das Klima zwischen den Hauptverhandlungspartnern sich ändert und wenn beide Seiten ihre Haltung in bestimmten Punkten zu modifizieren bereit sind. Zu einer solchen Klimaänderung können Abrüstungsverhandlungen, wie es die Bundesregierung auch heute dargetan hat, sicher nützlich sein.
    In diesem Zusammenhang möchte ich das Haus von der Einschätzung des amerikanischen Präsidenten Eisenhower unterrichten, die er diesem Problem gegeben hat. Er meint:
    Die Menschheit erreichte einen Stand, bei dem die gegenseitige Vernichtung eine Möglichkeit geworden ist. Nichts anderes in der Welt von heute ist dieser Tatsache an Bedeutung gleich. Wir müssen danach streben, den verhängnisvollen Kreis der Fehlschläge und Krisen zu durchbrechen, der, wenn er nicht durchbrochen wird, ins atomare Unglück, in den äußersten Wahnsinn führen könnte. Plötzliche und umwälzende Ergebnisse können wir nicht abwarten, aber wir müssen einen Start finden.
    So Präsident Eisenhower.
    Jetzt geht es also um diesen Start. Wir haben am 5. November 1959 versucht, von dieser Tribüne her einige Anregungen zu diesem Thema zu geben und damit einen Beitrag zu dem zu leisten, was der Herr Bundeskanzler vorhin gefordert hat: man sollte nach Möglichkeiten spähen, wie man eventuell weiterkommen könne. Abgesehen von einigen kümmerlichen Pressenotizen, daß der Herr Bundeskanzler den Ausführungen aufmerksam gelauscht habe, haben wir nicht 'vernommen, daß die Bundesregierung ernsthaft versucht habe, auf diesem Gebiete mitzuspähen und zu helfen, wie man da vielleicht weiterkommt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Im Gegenteil! Wenn irgendwo einmal ein wenn auch noch so kleiner Fortschritt erzielt wird, dann wird er in den Organen der Bundesregierung nicht begrüßt, sondern bekrittelt.
    Nehmen wir z. B. den kleinen Fortschritt — aber immerhin, er ist einer — auf dem Gebiete der unter Kontrolle stattfindenden Freihaltung der Antarktis von irgendwelchen militärischen Zwecken, Im Zeitalter der Raumfahrt ist das vielleicht gar nicht so uninteressant. Präsident Eisenhower hat dazu gesagt:
    Dieser Vertrag Ist ein bedeutsamer Beitrag zum
    Frieden, zur internationalen Zusammenarbeit
    und für den Fortschritt der Wissenschaft.
    Herr von Brentano war schon milder. Er hat immerhin gesagt, es handle sich dabei um ein gewisses Anzeichen einer Entspannung. Aber das Bulletin der Bundesregierung schlug sowohl dem amerikanischen Präsidenten als auch dem Bundesaußenminister direkt ins Gesicht, indem es am 8. Dezember 1959 meinte, der Grund für dieses Abkommen sei doch nur die Tatsache, „daß die Antarktis für alle Atommächte zur Zeit als Aufmarschgebiet einigermaßen entbehrlich sei, daß die Schaffung von Basen dort mühselig und kostspielig wäre und keine besonderen Vorteile verspräche."

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Statt die Entwicklung zu fördern, so bescheiden die Ansätze auch sein mögen, wird sie bekrittelt.
    Dasselbe haben wir bei den Genfer Verhandlungen erlebt. Statt ein Abkommen über den Atomversuchsstopp zu fördern, heißt es im Bulletin:
    Alle Versuche, sogenannte saubere Bomben
    mit weniger schädigenden Wirkungen zu vervollkommnen, sind durch die Versuchseinstellung, ... unmöglich gemacht worden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dort wird ausdrücklich die Versuchseinstellung bedauert.
    Ja, wie ist denn nun die Haltung der Bundesregierung? Will sie praktische Abrüstungsschritte fördern oder nimmt sie gegen solche Abrüstungsschritte Stellung?

    (Zuruf von der SPD: Anscheinend dagegen!)

    Sicher wären die Versuchsexplosionen nur ein
    Schritt. Ein Schließen des Atomklubs wäre ein
    zweiter. Das haben wir schon dargelegt. Aber auf diesem Gebiet halte ich es mit einem Satz des Bundeskanzlers an den sowjetischen Ministerpräsidenten: „Die in Betracht kommenden Fragen sind zu wichtig, als daß man die Wiederholung scheuen dürfte."
    Die Bundesregierung hat in Paris am 17. Dezember erklärt, sie sei froh darüber, daß auf die gesamten Abrüstungsverhandlungen deutscher Einfluß gesichert wäre. Dann ist es wichtig zu wissen: In welchem Sinne wird dieser Einfluß nun eigentlich ausgeübt?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)




    Erler
    Positiv oder negativ? Hat z. B. die Bundesregierung auf die Regierung der Vereinigten Staaten im Rat der Allianz im Sinne der Verbreitung von Atomgeheimnissen eingewirkt oder dagegen gesprochen? Der amerikanische Außenminister hat eine interessante Begründung für die beabsichtigte Änderung der amerikanischen Atompolitik gegeben. Er hat gesagt, das sei eine Frage des Konflikts zwischen den Ländern, die keine Ausbreitung des atomaren Wissens wollten, und denjenigen, die mehr Atommacht erlangen wollten. Wer ist denn das eigentlich, der da mehr Atommacht erlangen will, und gibt es vielleicht Möglichkeiten, im Rate der Verbündeten auch mit denen, die mehr Atommacht erlangen wollen, ein vernünftiges Wort im Sinne einer Begrenzung des Atomklubs zu sprechen? Das ist doch wohl die wirkliche Aufgabe, die vor uns steht. Denn die Ausbreitung des Atomklubs auf zahlreiche andere Staaten gefährdet mit Sicherheit ein künftiges Abrüstungsabkommen. Sie verstößt auch gegen die UNO-Resolution, die ausdrücklich das Gegenteil gefordert hat.
    Minister Strauß hat in Kanada selber erklärt, man solle den Atomklub so klein wie möglich halten. Ich kann diese Erklärung nur begrüßen.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Na also!)

    — Sicher! Aber es wäre gut, wenn es nicht bei Erklärungen in der Öffentlichkeit bliebe, sondern wenn die Bundesregierung den von ihr mit Stolz registrierten Einfluß auf die praktischen Abrüstungsverhandlungen bei ihren Verbündeten mit vollem Gewicht in die Waagschale würfe. Darauf kommt es
    an. (Beifall bei der SPD.)

    Angeblich ist die Austeilung der Geheimnisse zunächst nur für Großbritannien, das sich ja schon im Klub befindet, und für Frankreich vorgesehen, das demnächst dabei ist. Aber, meine Damen und Herren, hier handelt es sich doch um den Beginn einer Kettenreaktion. Das hat auch Konsequenzen für andere und möglicherweise schließlich auch für die Bundesrepublik.
    Ich kann den unglücklichen Satz des Bundeskanzlers vom 13. Oktober 1959 in London nicht vergessen, wo er, ganz apodiktisch, gesagt hat, eine mindere Bewaffnung der Bundesrepublik wäre eine politische Deklassierung und würde das Ende der NATO bedeuten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Was heißt denn das? — Das sei demjenigen Kollegen gesagt, der soeben „Sehr richtig" gerufen hat. Zu Ende gedacht heißt das auch deutsche Produktion, heißt das auch deutsche Verfügungsgewalt über Atomwaffen, heißt das auch deutsche Wasserstoffbomben.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    Denn wenn Sie das alles nicht meinen, kann man den Schnitt ebensogut woanders ziehen. Dann ist das Prinzip längst durchbrochen, dann kann man den Schnitt auch diesseits der Massenvernichtungsmittel ziehen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben der Bundesregierung im vergangenen Jahr eine Initiative vorgeschlagen. Wir haben dabei von der Bundesregierung keinerlei Vorleistungen verlangt, sondern sie lediglich aufgefordert, an die drei Atommächte heranzutreten und zu sagen: „Wenn Ihr Euch einigt, Eure Atomwaffen nicht an andere auszuteilen, wollen auch wir keine haben." Damit wäre eine deutsche Initiative wirklich ein Schritt gewesen, um den Atomklub ohne irgendwelche einseitigen Belastungen der Bundesrepublik zu schließen.
    Wie nötig das ist, kann man daran sehen, daß jetzt sogar Herr Ulbricht droht. Natürlich, ihm geht es darum, eine Entspannung zu torpedieren. Denn er ist Nutznießer der Spannung und des Kalten Krieges. Er sucht die Aufwertung seines Regimes, er will an den Drücker der Erpressung mit den Atomwaffen heran. Da sollten wir uns nicht einfach nur auf die Sowjetunion verlassen und sagen: Die wird schon vernünftig genug sein. Sie trauen doch auch sonst der Sowjetunion nicht immer soviel friedenerhaltende Politik zu. Ich meine, hier ist einfach auf allen Seiten eine andere Politik erforderlich, um jenes Unheil auszuschließen.
    Wir sollten auch die Verringerung konventioneller Streitkräfte begrüßen. Sicher, es handelt sich dabei noch um keine Abmachung — die Kontrolle fehlt —, und sicher handelt es sich dabei auch um Umrüstung. Selbst wenn Herr Chruschtschow den Begriff nicht liebt, — in Wahrheit geht es auch darum.
    Das ist ja damals im Zeichen des Radford-Planes von den Vereinigten Staaten vorgemacht worden. Als wir uns hier das erste Mal über den Radford-Plan unterhalten haben, hat der Herr Bundeskanzler gesagt, den gebe es gar nicht. Inzwischen ist er durchgeführt worden.

    (Lachen bei der SPD.)

    Die Reden, die neuerdings von sowjetischen Militärs gehalten werden, erinnern mich in gespenstischer Weise an die Reden amerikanischer Militärs, die diese damals im Zeichen des Radford-Planes gehalten haben, und sogar manche Formulierungen des verstorbenen Außenministers Dulles feiern nun auf der anderen Seite fröhliche Urständ und tauchen dort auf. Da heißt es in den Reden der Militärs hüben wie drüben, der Angreifer müsse genau wissen, daß er zerschmettert werde. Nun sicher, der Angreifer, oder, sagen wir einmal, der andere weiß das. Dieses Wissen darum ist es ja, das ihn an den Verhandlungstisch treibt. Deshalb braucht man es nicht immer ausdrücklich zu betonen und braucht nicht durch derartige martialische Reden das Klima in den internationalen Beziehungen zu vergiften.
    Da steht natürlich auch die noch geltende NATO-Doktrin zur Erörterung, daß man die Überlegenheit der Sowjetunion in konventionellen Streitkräften ausgleichen müsse durch Atomwaffen, und zwar auch dann, wenn die Sowjetunion keine einsetze, sondern einfach im Hinblick auf ihre Überlegenheit an konventionellen Streitkräften. Nun, der erstmalige, nicht als Repressalie vorgenommene Einsatz



    Erler
    von Atomwaffen ist völkerrechtlich schon höchst zweifelhaft; aber davon will ich heute nicht sprechen. Ich meine, aus dieser Fessel muß man heraus. Die Begrenzung konventioneller Streitkräfte auf beiden Seiten bietet die Möglichkeit, aus dieser selbst angelegten Fessel herauszukommen, ohne daß man sich auf das Abenteuer eines ganz groß angelegten konventionellen Wettrüstens einlassen müßte.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Herabsetzung der konventionellen Streitkräfte der Sowjetunion, zumal wenn sie fortgesetzt und im Rahmen einer anzustrebenden internationalen Vereinbarung unter Kontrolle gebracht würde, erhöht ja auch den Schutz unseres Landes vor Besetzung. Denn mit Atombomben und Raketen kann man zwar ein Land zerstören, einen großen Krieg entfesseln, aber besetzen kann man damit ein Land nicht.
    Lassen Sie mich noch ein Wort zur Kontrolle sagen. Es handelt sich dabei um den alten Kreislauf. Früher hat der Westen gesagt: Erst vollständige Kontrolle, dann könnten wir mit der Abrüstung anfangen. Und die Sowjetunion hat gesagt: Erst Abrüstung, dann könnten wir uns über ein Kontrollsystem unterhalten. Die richtige Haltung nahm, und zwar von uns damals wohl begrüßt, der französische Delegierte Jules Moch ein; er sagte, für jeden Schritt praktischer Abrüstung müsse man die ihm angemessene Maßnahme der Kontrolle vereinbaren.
    Ähnlich äußert sich überraschenderweise jetzt die Sowjetunion. Herr Chruschtschow gab der französischen Zeitschrift „Horizons" ein Interview. Die TASS-Meldung darüber vom 30. Januar enhält folgenden Satz:
    Nach Ansicht der Sowjetregierung muß der Umfang und Charakter der Kontrolle in jeder Etappe der Abrüstung den jeweils zur Durchführung gelangenden Maßnahmen entsprechen.
    Darauf sollte man die Sowjetunion mit ganz konkreten Vorschlägen festnageln, statt nun unnnötige Prinzipienreiterei zu betreiben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Teil des Briefes des Bundsekanzlers, der sich mit diesem Problem beschäftigt, scheint mir nicht sehr glücklich abgefaßt zu sein.
    Für politische Fortschritte ist, glaube ich, die Rüstungsbegrenzung und Kontrolle in Mitteleuropa besonders wichtig. Ich kann dazu auf die Rede meines Freundes Helmut Schmidt in der letzten außenpolitischen Debatte des Bundestages verweisen. Es ging dabei um die Abgrenzung des Gebietes, um den Katalog der zugelassenen konventionellen Streitkräfte und Waffen, um das vereinbarte Stärkeverhältnis der konventionellen Streitkräfte der in fiesem Gebiet liegenden Länder selbst, um den —ehr wichtig! — allmählichen Abzug der fremden Truppen aus dem gesamten Gebiet — aber nur daraus —, um den Fortbestand der Bündnisse, solange lie Wiedervereinigung Deutschlands nicht erreicht ist, um die Garantien der Weltmächte für die Aufrechterhaltung der so etablierten Friedensordnung and um die Überzeugung, daß allein der Abzug der
    Roten Armee imstande wäre, die politischen Fragen in Bewegung zu bringen.
    Man sage mir, wie man das sonst in Bewegung bringen will. Dann bin ich gern bereit, über jeden anderen Gedanken zu diskutieren. Wir haben die unseren vorgelegt, und wir vermissen die Gedanken der Regierung zu diesem Punkt.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Es besteht nämlich die Gefahr, daß die Zeit gegen uns arbeitet. Wir haben damals schon darauf hingewiesen, daß die Bundeswehr von vielen im In-und Ausland allmählich als die Ablösung der westlichen Truppen auf deutschem Boden betrachtet wird, nicht etwa als der Garant dafür, daß sie dableiben. Es wäre sehr gefährlich, wenn im Zuge einer solchen Entwicklung die Truppen der Vereinigten Staaten uns verließen, aber die Sowjettruppen auf deutschem Boden blieben.
    Die offene Darlegung dieser Gefahr hat leider zu einer völligen Verzerrung unserer Ansicht in Ihrer Propaganda, meine Damen und Herren, geführt. Es hat da geheißen, die Sozialdemokraten hätten bisher die Möglichkeit eines amerikanischen Abzuges geleugnet. Mitnichten! Wir haben uns lediglich dafür eingesetzt, daß man ihn in denjenigen Grenzen hält, in denen es, wenn man sie zu internationalen Verhandlungen ausnutzt, möglich ist, das politische Problem der deutschen Wiedervereinigung in Gang zu bringen. Ein begrenzter Abzug der Amerikaner zum Aushandeln einer Lösung mit dem Abzug der Sowjettruppen auszunutzen wäre die Aufgabe. Die Zeit rinnt rasch. Lesen Sie die Meldungen aus den Vereinigten Staaten über die zukünftigen Planungen! Dann werden Sie sagen: Fünf Jahre vergehen schnell. Ich möchte hoffen, daß wir uns nicht in fünf Jahren wieder einmal über ungenutzte Verhandlungsmöglichkeiten zu unterhalten haben.
    Fortschritte auf diesem Felde müssen natürlich interessant für alle sein; denn man kann keinen an- deren beschwatzen, sich auf eine Vereinbarung einzulassen, die nur Nachteile für ihn bringt. Verhandlungen darüber können aber auch Berlin entlasten. In der Genfer Konferenz, die auch ein Ergebnis der von der Sowjetunion heraufbeschworenen BerlinKrise war, hat der sowjetische Außenminister Gromyko am 5. Juni dargelegt:
    Meine zweite Frage bezieht sich auf irgendeine Art von Zone oder Gegend in Europa. Dieser Gedanke wurde von verschiedenen Teilnehmern dieser Konferenz in der unterschiedlichsten Weise geäußert. Aber er wurde niemals weiter entwickelt oder geklärt. Hier wiederum möchten wir die Außenminister der drei Westmächte bitten, freundlicherweise konkretere Ansichten über diese Angelegenheit zu äußern.
    Dieser Bitte ist in Genf leider nicht entsprochen worden. So haben wir nun die Verstärkung des Drucks auf Berlin erlebt. Wir stehen jetzt vor der Drohung mit einem Separatfrieden mit Pankow. Man darf eine solche Drohung nicht leicht nehmen; denn sie ist natürlich durchführbar. Allerdings brächte ihre Durchführung der Sowjetunion nicht das eine Ziel ein, das sie sicher auch hat, nämlich



    Erler
    eine westliche Unterschrift unter einem Vertrag mit der Ulbricht-Regierung und damit deren internationale Anerkennung und die Besiegelung des Status quo durch eine westliche Unterschrift. Ein Separatfrieden zwischen der Sowjet-Union und Herrn Ulbricht wäre kein Frieden mit dem Westen. Er wäre ein Vertrag mit sich selbst. Ein solcher Vertrag kann Rechte anderer nicht berühren, insbesondere nicht die Rechte der Westmächte, der Bundesrepublik und der Berliner Bevölkerung.
    Wir meinen dennoch, daß das Stichwort Friedensvertrag für Verhandlungen aufgegriffen werden sollte. Wir sind uns einig, daß der sowjetische Entwurf eines Friedensvertrages mit der Zementierung der Spaltung Deutschlands und seinem anderen unannehmbaren Inhalt nicht die Grundlage der Verhandlungen bilden kann. Er soll den Status quo fixieren und würde in Wahrheit damit auch die Spannungen fixieren. Er würde keinen Frieden schaffen, und der Frieden muß doch schließlich das Ziel eines Friedens-Vertrages sein.
    Aber der Westen sollte bereit sein, eine friedensvertragliche Regelung mit ganz Deutschland zu erörtern, weil das für eine ganze Reihe von Fragen, die wir miteinander erörtern müssen, Luft schaffen kann. Diese Bereitschaft hat der Westen bisher leider nicht bekundet. Am 8. Februar sagte der amerikanische Außenminister Herter:
    Sollte die Sowjetunion mit der deutschen Sowjetzone vor einer umfassenden Diskussion und Verhandlung einen gesonderten Friedensvertrag abschließen, dann würde dieser den Geist des Übereinkommens vom September des vergangenen Jahres in Camp David verletzen.
    Er sprach also von einer umfassenden Diskussion und Verhandlung. Also sollten eine umfassende Diskussion und Verhandlung einer Friedensregelung auch angefangen werden.
    Wir können es uns nicht so bequem machen wie Paul Henri S p a a k es uns einmal empfohlen hat: Man sollte einfach auf einen Friedensvertrag verzichten. Kriege würden heuzutage nicht mehr erklärt, sie brächen so aus, und dann brauche man auch keinen Friedensvertrag mehr. Die Bundesrepublik — und das halte ich für ein gefährliches Argument — habe ja bereits ihren Vertrag mit dem Westen. Wer so argumentiert, der beschwört geradezu den Separatvertrag der anderen Seite mit Pankow herauf.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ein solcher wechselseitiger Vertragsabschluß, jeder nach seiner Seite hin, wäre tatsächlich die Besiegelung der Spaltung unseres Landes. Deshalb Hände weg von einer solchen gefährlichen Argumentation! Deshalb kann man auf den Friedensvertrag im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung nicht verzichten.
    Unerträglich wäre aber ein Diktat statt eines Vertrages. Ein Vertrag heißt, daß man über die Dinge verhandelt. Die Sprache des sowjetischen Ministerpräsidenten in seinen Briefen an den Bundeskanzler und auch in der kürzlichen Diskussion mit dem italienischen Staatspräsidenten Gronchi kann hier nur schwerste Besorgnisse erwecken. In Genf haben alle vier Mächte, auch die Sowjetunion, vor einer Wiederholung der Fehler von Versailles gewarnt. Eigentlich liegt darin doch die Bekundung: Ein Friedensvertrag muß ausgehandelt, er darf nicht als einseitiges Diktat von den Siegern dem Besiegten auferlegt werden. Sonst entsteht kein Frieden, sonst sät man neuen Unfrieden und schafft neue Spannungen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Freundschaft kann nicht auf ein Dokument des Hasses gegründet werden. Das Verhandeln muß sich auf den Inhalt des Vertragswerkes beziehen, das es abzuschließen gilt, auch auf die Grenzen, die ein solcher Vertrag zu enthalten hätte. Auch über sie muß verhandelt werden, sie können nicht einseitig auferlegt werden.
    Meine Damen und Herren! Herr Chruschtschow erwähnt in seinem Brief auch den Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts. Er spricht in diesem Zusammenhang merkwürdigerweise von den „zwei deutschen Völkern in zwei Staaten". Das Notwendige hierzu ist schon gesagt worden. Es gibt nicht zweideutsche Völker in zwei Staaten, sondern es gibt ein deutsches Volk, das um seine freie Selbstbestimmung ringt, wie sie die sowjetische Politik für Völker anderer Kontinente ausdrücklich fordert.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Der Hinweis, die Wahlen des Herrn Ulbricht seien ein Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts, ist ein Hohn auf dieses Recht. Wir Deutschen wissen, wie 99 %ige Wahlresultate zu bewerten sind. Ich habe einmal ein interessantes Beispiel herausgesucht: Am 10. April 1938 fanden in Deutschland sogenannte Reichstagswahlen statt; damals betrug die Zahl der abgegebenen Stimmen 99,60 % der Wahlberechtigten, die Zahl der Stimmen für die Liste des „Führers" 99,08 %. Die Volkskammerwahlen 1958 hatten eine Wahlbeteiligung von 98,9 % der Wähler, und die Zahl der Stimmen — diesmal nicht für die Liste des „Führers", sondern dort herrscht ja „kollektive Führung", und deshalb heißt es dort: für die Kandidaten der Nationalen Front des ,demokratischen Deutschland betrug 99,87 %.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wir wissen zudem, in welchem Umfange die offene Stimmenabgabe erpreßt worden ist. Wie doch die Namen sich ändern, aber die schreckliche Unterdrückung der Freiheit in den Prozentzahlen zum Ausdruck kommt! In beiden Fällen ist das kein Beweis für die Zustimmung des Volkes, sondern nur ein Beweis für die Skrupellosigkeit der herrschenden Staatsparteigewesen.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Meine Damen und Herren! Entspannungspolitik und Druck auf Berlin vertragen sich nicht miteinander.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Übrigens vertragen sich auch Entspannungspolitik und forciertes atomares Wettrüsten nicht miteinander.

    (Beifall bei der SPD.)




    Erler
    Mußten gerade wir Deutschen im Dezember 1959 auf die Erfüllung der atomaren Planung des Westens drängen?
    Schon gar nicht aber vertragen sich mit Entspannungspolitik Drohungen mit Rechtsbrüchen. Die Verantwortung für die Zuspitzung und die Zerstörung jeder Hoffnung auf Entspannung als Folge eines Rechtsbruchs gegenüber Berlin läge im Bewußtsein unseres Volkes und der Weltöffentlichkeit eindeutig bei der Sowjetunion.
    Daher richten wir einen eindringlichen Appell an alle Verantwortlichen. Die Lage ist zu gefährlich, als daß man sich einer freimütigen Aussprache entziehen könnte. Sie muß geführt werden mit der Bereitschaft zur Verständigung, selbstverständlich ohne Kapitulation, aber auch ohne der anderen Seitenine Kapitulation in Lebensfragen zuzumuten.
    Berlin ist für uns und den gesamten Westen eine Frage der Standhaftigkeit, der Moral und der Glaubwürdigkeit. Wer das deutsche Volk von seiner Hauptstadt zu trennen sucht, stößt auf seinen entschlossenen Widerstand und den Widerstand aller derer, denen die Freiheit dieser Stadt ein Symbol für die Bewahrung der Freiheit überhaupt geworden ist.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD. — Beifall bei allen anderen Fraktionen des Hauses.)