Rede:
ID0309900800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 99. Sitzung Bonn, den 10. Februar 1960 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Korspeter, Dr. Leiske und Dr. Brecht 5379 A Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. die Deutsche Einheit (Drucksache 1383) Dr. Achenbach (FDP) 5380 A Dr. von Brentano, Bundesminister 5388 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5395 A Erler (SPD) . . . . . . . . 5397 B Dr. Gradl (CDU/CSU) . . . . . 5406 B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 5413 A Dr. Schneider (Lollar) (LW) . . . 5418 B Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Kriegswaffengesetz) (Drucksache 1589) — Erste Beratung — . . . . . . . . 5422 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. August 1959 mit dem Königreich Norwegen über Leistungen zugunsten norwegischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind (Drucksache 1591) — Erste Beratung — . . . 5422 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. August 1959 mit dem Königreich Dänemark über Leistungen zugunsten dänischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind (Drucksache 1592) — Erste Beratung — . . . 5423 A Sammelübersicht 16 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 1579) 5423 C Nächste Sitzung 5423 C Anlage 5425 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Februar 1960 5379 99. Sitzung Bonn, den 10. Februar 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.04 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 2. Dr. Atzenroth 10.2. Bauereisen 15.2. Frau Bennemann 12. 2. Bergmann 10.2. Dr. Deist 29. 2. Deringer 10. 2. Eberhard 13. 2. Eichelbaum 10.2. Geiger (München) 10.2. Glüsing (Dithmarschen) 12.2. Dr. Greve 12.2. Dr. Gülich 16.4. Horn 12.2. Frau Dr. Hubert 12.2. Illerhaus 12. 2. Jacobi 13. 2. Dr. Jaeger 13.2. Jahn (Frankfurt) 23. 4. Dr. Jordan 12.2. Dr. Kanka 12.2. Frau Klemmert 15.5. Frau Korspeter 10.2. Kramel 10.2. Lenz (Brühl) 10.2. Leukert 16.2. Dr. Leverkuehn 12.2. Dr. Lindenberg 12.2. Lulay 29.2. Maier (Freiburg) 16.4. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Müller (Worms) 12.2. Nieberg 12.2. Frau Pitz-Savelsberg 12.2. Rademacher 10.2. Rohde 10.2. Frau Rudoll 12. 2. Dr. Rutschke 13. 2. Scharnowski 15.2. Dr. Schellenberg 10.2. Schneider (Hamburg) 12.2. Schütz (München) 12. 2. Dr. Starke 13. 2. Frau Dr. Steinbiß 17.2. Storch 12. 2. Striebeck 13. 2. Frau Strobel 12.2. Dr. Weber (Koblenz) 12.2. Dr. Willeke 1.3. b) Urlaubsanträge Benda 19. 2. Brüns 2. 7. Dr. Eckhardt 28.2. Even (Köln) 29. 2. Frau Friese-Korn 27. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 20. 2. Jacobs 7. 3. Müser 20. 2. Pelster 19. 2. Dr. Pflaumbaum 19. 2. Wehr 23. 4. Frau Welter (Aachen) 27. 2. Werner 24. 2.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich von Brentano


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, Ihre Heiterkeit zeigt schon, daß Sie sich der Absurdität einer solchen Vorstellung in jedem Fall bewußt sind.

    (Anhaltende Heiterkeit bei der SPD, — Abg. Dr. Menzel: Der Groschen ist noch nicht gefallen! — Abg. Dr. Mende: Wir dachten an Fritz Schäffers und Vinzenz Müllers Begegnung in Ost-Berlin 1956!)

    Ich darf wieder zur Sache zurückkehren. Die Situation ist doch zu ernst. Auch das, was Herr Kollege Achenbach dazu gesagt hat, sollten wir nicht nur von diesem etwas fröhlichen Standpunkt aus diskutieren.
    Ich wiederhole: Wir wünschen das Gespräch mit den Menschen in der sowjetisch besetzten Zone zu führen, und wir stehen für ein solches Gespräch jederzeit zur Verfügung. Dieses Gespräch kann nicht besser geführt werden als an einem Tage, an dem wir gemeinsam eine Wahlentscheidung treffen, die wir gemeinsam sorgfältig vorbereiten wollen, an der alle teilnehmen mögen in beiden Teilen Deutschlands. Wir erkennen heute schon — weil wir Demokraten sind — diese Wahlentscheidung des gesamten deutschen Volkes an.

    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    Aber andere Wege, ein gesamtdeutsches Ge spräch zu führen, sehe ich nicht. Andere Wege wird die Bundesregierung auch nicht gehen, weil — ich wiederhole es — der Gesprächspartner drüben nicht einen Teil des deutschen Volkes repräsentiert, sondern nichts anderes repräsentiert als den Willen des Kreml, und mit dem Kreml wollen wir dann lieber direkt sprechen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte die Antwort auf die zweite Frage der Großen Anfrage noch einmal kurz zusammenfassen: Die Bundesregierung wird wie bisher alles tun, was in ihrer Macht steht, um den bevorstehenden Ost-, West-Verhandlungen zum Erfolg zu verhelfen. Sie ist der Überzeugung, daß die Frage der allgemeinen und kontrollierten Abrüstung sowohl der konventionellen wie der nuklearen Waffen von entscheidender Bedeutung ist, und glaubt, daß diese Frage, in den bevorstehenden Verhandlungen an die erste Stelle rücken sollte. Sie weiß sich mit ihren Verbündeten in dieser Frage einig und begrüßt es, daß auch die Sowjetunion neuerdings offensichtlich dem Problem der Abrüstung gesteigerte Bedeutung beimißt.
    Die Bundesregierung ist überzeugt, daß echte Fortschritte auf dem Gebiet der Abrüstung, die die Verteidigungsmöglichkeiten der beteiligten Staaten nicht zum Nachteil des einen oder zum Vorteil des anderen Vertragspartners beeinflussen dürfen, die Voraussetzung dafür sein werden, auch die Lösung der politischen Probleme in Angriff zu nehmen. In ) diese Abrüstungsverhandlungen hat sich die Bundesregierung bereits aktiv eingeschaltet. Sie wird alles tun, was in ihrer Kraft steht, um auch durch eigene Vorstellungen so wie seinerzeit bei der Londoner Kommission zu diesem Gespräch beizusteuern, und sie wird alle Vereinbarungen, die dem genannten Ziel entsprechen und auf der Grundlage der Gegenseitigkeit getroffen werden, verwirklichen. Sie wird auch wie seither bemüht sein, zu der poli- tischen Entspannung beizutragen. Das wird sie nicht etwa in der Weise tun, daß sie auf berechtigte Forderungen, weil ihnen die Sowjetunion Widerstand entgegensetzt, verzichtet. Aber sie weiß sich auch mit ihren Verbündeten darin einig, daß die Lösung der politischen Fragen ebenso wie die Abrüstung nur schrittweise erfolgen kann, und sie glaubt, daß der westliche Friedensplan hier echte Perspektiven eröffnet hat, die von jedem ernsthaft geprüft werden sollten, dem es wirklich darum geht, die Spannung zu beseitigen oder zu vermindern.
    Allerdings, meine Damen und Herren — ich glaube, diese Überlegung müssen wir auch anstellen —, sollten wir uns einmal klarzumachen versuchen, was Entspannung bedeutet. Herr Kollege Achenbach hat mit Recht gesagt: Sicherlich ist kein Volk so sehr daran interessiert, daß diese Unruhe aus der Welt verschwindet und die Gefahr, daß die Spannung zu einer Katastrophe führt, ausgeräumt wird, wie das deutsche Volk, nicht nur weil es seine Vergangenheit noch in Erinnerung hat, sondern auch weil uns die geographische Situation mitten in diese Spannung hineingestellt hat.
    Abel wir massen uns klar sein, daß auch Entspannung keine Zauberformel ist, und dadurch, daß man von Entspannung spricht, ändert sich an den harten Realitäten des politischen Lebens nichts. Entspannung, wie wir sie wollen, kann sich nur in politischen Entscheidungen zeigen.
    Voraussetzung einer Entspannung ist z. B., daß wir uns einmal über die Definition der sogenannten Koexistenz einig werden. Noch vor wenigen Monaten haben wir eine authentische Interpretation des Begriffes „Koexistenz", wie ihn die Sowjetunion versteht, gehört. Es hieß:
    Der Weg der Normalisierung der internationalen Beziehungen kann nicht über eine Aussöhnung der Ideologien und über Absagen an unsere Grundsätze verlaufen. Kommunisten können auf den Kampf für den Sieg der Diktatur des Proletariats nicht verzichten. Sie können nicht verzichten auf den Kampf für die Umwandlung des privaten kapitalistischen Besitzes in einen staatlichen. Auf den ideologischen Kampf verzichten würde bedeuten, freiwillig den Platz an die bürgerliche Ideologie abtreten. Unsere sozialistische Ideologie ist ein Abbild der unbestreitbaren Tatsache, daß die Errichtung der kommunistischen Gesellschaft in der ganzen Welt unvermeidlich ist.
    Meine Damen und Herren, wenn das die Koexistenzvorstellung der Sowjetunion ist, dann müssen wir sagen: sie befriedigt uns in keiner Weise, und wir sind nicht bereit, sie zu akzeptieren. Koexistenz setzt zunächst einmal voraus, daß derjenige, der von ihr spricht, die Existenz des anderen anerkennt. Und das ist bis zur Stunde nicht geschehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Damit komme ich zu dem Wort „Entspannung". Von demjenigen, der von Entspannung spricht, ist als erster Schritt zur Entspannung eine entsprechende Haltung oder Handlung zu verlangen. Wenn die Sowjetunion von der Entspannung spricht — und wir wollen glauben, daß sie daran auch interessiert ist —, muß sie die Konsequenzen ziehen und anerkennen, daß, wer heute um die Entspannung ringt, darauf verzichten muß, einseitig Handlungen zu unternehmen, die die Spannungen erhöhen können. Das gilt für den Bereich der sowjetisch besetzten Zone wie für den Bereich Berlin. Solange die Sowjetunion droht, einen einseitigen Friedensvertrag mit einem Teil Deutschlands abzuschließen, solange sie droht, ihre Vorstellungen über Berlin im Wege der Gewalt zu verwirklichen, ist der Zweifel berechtigt, ob das, was die Sowjetunion „Entspannung" nennt, mit dem, was wir wünschen, in irgendeiner Weise vereinbar ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Zum Schluß komme ich noch auf den dritten Punkt der Großen Anfrage der FDP. — Über die Vorstellungen der Bundesregierung in bezug auf die deutsche Wiedervereinigung habe ich bereits gesprochen. Daher brauche ich dazu, obwohl diese Frage erneut gestellt ist, wohl nichts mehr zu sagen. — Zur Frage der Sicherung des freiheitlichen Status



    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    von West-Berlin sowie der Erhaltung West-Berlins als integralen Bestandteil der Bundesrepublik habe ich mich ebenfalls schon geäußert. Ich bitte mir zu gestatten, auch insoweit auf die Regierungserklärung vom 5. November zu verweisen. Ich habe in dieser Erklärung die Bemühungen geschildert, die die Außenminister unserer Verbündeten auf der Genfer Konferenz unternommen haben. Die vorbereitenden Gespräche, die in den vergangenen Wochen — sei es in Washington, sei eis in London oder Paris — geführt worden sind, zeigen, daß sich die Bundesregierung in dieser Frage auch weiterhin der vollen Unterstützung ihrer Verbündeten sicher sein darf.
    Noch in jüngster Zeit hat die Bundesregierung ihren Standpunkt betreffend Berlin klargelegt. Ich verweise auf die Ausführungen, die der Herr Bundeskanzler am 11. Januar dieses Jahres vor dem Berliner Abgeordnetenhaus gemacht hat. Er hat in dieser Erklärung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß noch im vergangenen Jahre die Verbündeten ihre Entschlossenheit bestätigt haben, ihre Position und ihre Rechte in bezug auf Berlin und das Recht auf freien Zugang dorthin zu wahren.
    Ich möchte es auch hier aussprechen: es geht darum, alles zu tun, um die Rechtsgrundlage zu erhalten, auf der heute die Freiheit Berlins beruht. Sie wissen, daß die Sowjetunion die Meinung vertritt, das Besatzungsrecht sei der Ausdruck einer anomalen Lage und es müsse beseitigt werden. In einer Erklärung, die Herr Chruschtschow in diesen Tagen anläßlich des Besuchs des italienischen Staatspräsidenten abgegeben hat, heißt es:
    Man muß die Änderungen anerkennen, die nach dem zweiten Weltkrieg erfolgt sind. Man muß diese Änderungen verankern, den Friedensvertrag mit Deutschland unterzeichnen und so die Berlinfrage lösen. Eben dies erstreben wir. Wir schlagen vor, das Besatzungsregime in West-Berlin zu liquidieren.
    Es klingt gut: „wir wollen das Besatzungsrecht liquidieren", diesen letzten Rückstand aus Zeiten, die hinter uns liegen. Aber die Sowjetunion sollte doch zunächst einmal die Frage stellen, wie eigentlich die Bevölkerung Berlins darüber urteilt, unter welchen rechtlichen, tatsächlichen und politischen Bedingungen die Bevölkerung Berlins leben will. Warum stellt Herr Chruschtschow diese Frage nicht? Er stellt sie nicht an die Menschen in der Bundesrepublik, er läßt sie nicht zu in Berlin, er läßt sie nicht zu in der sowjetisch besetzten Zone. Er würde von allen Deutschen wohl die gleiche Antwort bekommen: daß sie in gesicherter Freiheit leben wollen.
    Der sowjetrussische Regierungschef spricht so oft von den Realitäten und beruft sich so oft auf die Vernunft und die Einsicht, daß man ihm antworten sollte: Hat er noch nicht begriffen, daß der elementare Wunsch, den das ganze deutsche Volk teilt, der Wunsch nach Freiheit, in der Tat eine Realität ist? Es würde ihm sehr gut anstehen, soviel Vernunft und Einsicht aufzubringen, diese Realität auch anzuerkennen. Damit würde er mehr zum Frieden in der Welt, mehr zur Entspannung, mehr auch zur
    Entwicklung beständiger guter Beziehungen zwischen dem deutschen und dem russischen Volk beitragen als durch alle die Erklärungen, die in der letzten Zeit wieder abgegeben worden sind und die doch nur geeignet sind, das deutsche Volk zu kränken und es mit tiefem Mißtrauen gegen die Ziele der Sowjetunion zu erfüllen.
    Zur Frage der Regelung der deutschen Ostgrenzen, die in dieser Anfrage auch gestellt ist, brauche ich nur auf die Regierungserklärung vom 5. November Bezug zu nehmen. Ich habe damals gesagt:
    Es kommt hinzu . . ., daß in der Frage der Oder-Neiße-Linie der Standpunkt der Bundesregierung sich nicht geändert hat. Zum Problem der deutschen Ostgebiete und zur Frage des Heimatrechts der Vertriebenen als Ausfluß und Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts hat die Bundesregierung am 28. Juni 1956 und am 31. Januar 1957 Erklärungen abgegeben, die auch heute noch gültig sind.
    Ich glaube, daß ich den Rest dessen, was ich zu diesem Thema gesagt habe, nicht zu zitieren brauche. Die Haltung der Bundesregierung zu dieser Frage hat sich seit diesen Jahren und insbesondere seit dem 5. November 1959 in keiner Weise geändert.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Schluß noch ein Wort. Herr Kollege Achenbach hat an einer Stelle seiner Rede mit Recht darauf hingewiesen, wieviel stärker der Einfluß der deutschen Außenpolitik in der Welt wäre, wenn sie von dem ganzen deutschen Volk, ja, wenn sie von dem ganzen Deutschen Bundestag getragen wäre. Ich habe diesen Appell gehört, und ich möchte ihn unterstreichen.
    Sicherlich haben wir auch heute aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Achenbach entnehmen müssen, daß in vielen Fragen noch tiefgehende Meinungsverschiedenheiten bestehen. Ich habe nicht verschwiegen, daß wir nicht bereit sind, die Wege zu gehen, die Herr Kollege Achenbach uns gezeigt hat. Wir werden in dieser Diskussion auch noch — das ist das Wesen einer solchen Diskussion — andere Kritik hören. Aber ich glaube, es wäre eine Stärkung für die Verwirklichung des Anliegens, das das ganze deutsche Volk hat, wenn wir uns nicht scheuten, einmal auch über die Gemeinsamkeit des Zieles zu sprechen, und die Verschiedenheit der Methoden ein wenig in den Hintergrund treten ließen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es sollte kein Zweifel bestehen und kein Zweifel offenbleiben, weder im Westen noch im Osten, daß diese gewissen Grundsätze, von denen ich soeben sprach, Gemeingut des deutschen Volkes sind und daß niemand im deutschen Volk, in keiner politischen Partei, bereit ist, sich von diesen Grundsätzen zu entfernen. Wenn dies das Ergebnis einer solchen Debatte wäre, würde ich das dankbar begrüßen; denn es würde die deutsche Position bei den bevorstehenden Verhandlungen entscheidend stärken.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)






Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Den Ausführungen des Herrn Kollegen Achenbach bin ich mit großer Aufmerksamkeit gefolgt, wenigstens zu zwei Dritteln der Rede; nachher langte mein Geist nicht mehr, um folgen zu können. Ich habe den Eindruck
    — ich habe meine Notizen über seine Rede hier vor mir liegen und sie soeben noch einmal durchgeblättert —, als wenn an seiner Erklärung zwei Männer gearbeitet hätten. Das erste war ganz gut.

    (Heiterkeit.)

    Was nachher kam, war weniger gut.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Das erste — Herr Kollege von Brentano hat das soeben unterstrichen — war ein Appell an alle Parteien dieses Hauses, in entscheidenden Fragen, in Lebensfragen des deutschen Volkes, zumal in der Außenpolitik, wenn irgend möglich und soweit wie irgend möglich, gemeinsam zu gehen. Das ist ein Appell — Herr Achenbach hat darauf hingewiesen —, den ich auch in meiner ersten Regierungserklärung dieser Legislaturperiode des Bundestages ausgesprochen habe und der mir seit dieser Zeit immer und immer wieder am Herzen liegt, auch jetzt am Herzen liegt, meine verehrten Damen und Herren.
    Ich hoffe, daß wir uns doch wenigstens schrittweise näherkommen, und ich habe den Eindruck, daß dies der Fall ist. Besonders klar hat sich dies mir gezeigt, als ich Anfang dieses Jahres vor dem Berliner Abgeordnetenhaus sprach, in dem ja dieselben Parteien wie in diesem Hause vertreten sind. Dort konnte ich zu meiner großen Freude feststellen, daß wir in dieser Frage des Schicksals Berlins völlig einig waren.
    Dieses Schicksal Berlins steht nicht für sich allein da, sondern hängt mit der ganzen weltpolitischen Lage und der sich aus dieser nach meiner Überzeugung notwendig ergebenden Richtung unserer Außenpolitik zusammen. Wir liegen in der Mitte. Ich las dieser Tage zufällig einen Satz, in dem stand, daß ein Land, das in der Mitte liegt, darin keinen Gewinn erblicken kann und darf, sondern eine große Last und eine sehr ernste Mahnung. Das ist auch richtig. Weil wir in der Mitte liegen, ist uns
    — davon bin ich überzeugt — unsere Politik in den großen Zügen zwangsläufig vorgeschrieben.
    Herr von Brentano hat schon auf verschiedene Ausführungen des Herrn Achenbach geantwortet. Ich möchte dem nur noch wenige Sätze hinzufügen. Das Verhalten Sowjetrußlands in der Frage Berlin auf der Maikonferenz ist ein Testfall dafür, ob Sowjetrußland eine Entspannung ernsthaft will oder nicht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich glaube, man kann nicht von Entspannung sprechen, wenn man gleichzeitig — meine Damen und Herren, ich wiederhole: gleichzeitig — von einem Vertrage, von einer Rechtsbasis, die man an sich anerkennt — denn das hat Herr Chruschtschow getan; er hat es noch in dem letzten Brief an mich getan —, abgeht und von den anderen Teilnehmern, die auf derselben Rechtsbasis stehen, verlangt, daß sie einem folgen. Ob Sowjetrußland wirklich ernsthaft eine Entspannung will, wird sich, glaube ich, auf der Maikonferenz bei der Behandlung der Frage Berlin zeigen.
    Herr von Brentano hat längere Ausführungen über unseren Standpunkt bezüglich Berlin gemacht. Ich kann mich daher kurz fassen und sagen
    — und ich befinde mich da in voller Übereinstimmung mit dem gesamten Abgeordnetenhaus und dem Senat von Berlin sowie mit seinem Bürgermeister Brandt —, daß die jetzige Rechtslage, der jetzige Rechtsstatus Berlins nicht beeinträchtigt werden darf, ehe die ganze deutsche Frage wirklich gelöst werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Alles, was man jetzt tun würde, würde zum Schaden Berlins gereichen, und das, meine verehrten Damen und Herren, können wir einfach nicht verantworten.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist sehr schwer — das weiß ich —, mit Herrn Chruschtschow zu verhandeln. Ich weiß es von meinem damaligen Besuch in Moskau, ich weiß es auch von dem Briefwechsel, den ich mit ihm führe. Diesen Briefwechsel wollen wir fortführen. Er will es, und ich will es. Nicht daß dieser Briefwechsel jetzt schon irgendeinen sichtbaren Erfolg gehabt hätte, aber ich bin der Auffassung, daß man in einer so außerordentlich wichtigen Frage wie dieser Frage zwischen Sowjetrußland und uns niemals die Geduld verlieren darf,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    sondern daß man immer und immer wieder versuchen sollte, irgendwie und an irgendeiner Stelle eine Möglichkeit zu erspähen, sich näherzukommen zu dem gemeinsamen Ziel. Dieses gemeinsame Ziel
    — das möchte ich auch Herrn Achenbach gegenüber noch einmal betonen — ist die kontrollierte Abrüstung für alle. Selbstverständlich! Er hat die Frage gestellt, ob wir bereit seien, uns in ein solches System hineinzustellen. Ich habe das seit Jahr und Tag erklärt, meine Damen und Herren,

    (Zustimmung in der Mitte)

    und ich habe bei Zusammenkünften mit den Spitzen der mit uns verbündeten Staaten immer wieder betont, daß diese Frage der kontrollierten Abrüstung über das Schicksal der ganzen Welt entscheidet und daher die entscheidende Frage für alle sein muß.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe soeben gesagt, daß mit Herrn Chruschtschow schwer zu verhandeln und auch schwer zu schreiben ist. Aber das Neueste will ich Ihnen doch nicht vorenthalten. Herr Chruschtschow — ich möchte den Namen hier nicht zu oft nennen, damit das Ganze nicht wie eine Auseinandersetzung zwischen mir und Chruschtschow aussieht. Ein solcher Gedanke wäre ja Unsinn. Es handelt sich vielmehr



    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    um eine Auseinandersetzung im Lebenskampf zwischen der Freiheit und der Unfreiheit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was wollen wir, meine Damen und Herren? Was wollen wir für uns, was wollen wir für die Deutschen, auch für die Deutschen in der Zone, auch für die Deutschen in Berlin? Wir wollen nichts anderes als das Recht, über sein eigenes Schicksal zu bestimmen, ein Recht, das jedem Volk in Afrika jetzt zuerkannt wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In dem Gespräch, das jetzt in Moskau zwischen dem Staatspräsidenten Gronchi, dem italienischen Außenminister Pella und den russischen Vertretern, an der Spitze natürlich Herr Chruschtschow, stattgefunden hat, ist von italienischer Seite die Frage gestellt worden, ob Sowjetrußland bereit sei, den von ihm gemachten Vorschlag, Berlin zu einer „freien Stadt" zu machen, einem Volksentscheid der Berliner Bevölkerung zu unterbreiten. Was ist von Herrn Chruschtschow darauf geantwortet worden? Er hat gesagt, daß er das Selbstbestimmungsrecht der Berliner Bevölkerung nur hinsichtlich der Wahl des sozialen und wirtschaftlichen Regimes, aber nicht darüber hinaus anerkennen könne.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Das, meine Damen und Herren, ist eine sehr ernste und ungemein wichtige Erklärung.
    Berlin! Es wird jetzt vom Auswärtigen Amt eine auch in rechtlicher Beziehung sehr notwendige Zusammenstellung darüber gefertigt, wie sich die ganze Frage Berlins entwickelt hat. Meine Damen und Herren, Berlin gehört nicht Sowjetrußland, Berlin gehört zu Deutschland und ist von vier Mächten besetzt. Nach meiner Auffassung der Dinge kann gar keine Rede davon sein, daß irgendwie und irgendwann und irgendwo der Berliner Bevölkerung das Recht nicht zugesprochen werden muß, über ihr Schicksal selbst zu entscheiden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei der FDP.)

    Herr von Brentano hat schon Ausführungen über die gegenwärtige Lage und über die Mai-Konferenzen gemacht. Lassen Sie mich dem noch einige Worte hinzufügen. Sie wissen, daß ich binnen kurzem eine Reise in die Vereinigten Staaten antreten werde. Es liegt mir sehr viel daran, gerade in den Vereinigten Staaten in dieser Zeit bei den Vertretern der öffentlichen Meinung, bei der Presse, bei den Mitgliedern des Senats und des Repräsentantenhauses, darauf hinzuweisen, wie wir die deutsche Frage sehen und wie wir innerhalb der deutschen Frage die Berlin-Frage sehen. Sie wissen auch, daß ich eine längere Zusammenkunft mit dem Präsidenten Eisenhower und danach mit dem Staatssekretär Herter haben werde. Ich bin überzeugt, daß man in den Vereinigten Staaten für unsere Situation und für unsere Einstellung zu den ganzen Fragen Verständnis hat.
    Die West-Ost-Konferenz wird in der zweiten Hälfte Mai in Paris stattfinden. Die maßgebenden Teilnehmer — Sie wissen, daß wir nicht zu ihnen gehören; deswegen will ich mich aber nicht etwa von dem, was ich jetzt sage, irgendwie absetzen — haben von Anfang an davon gesprochen: da man nicht damit rechnen könne, daß die sehr großen und sehr wichtigen Fragen, die auf die Tagesordnung der West-Ost-Konferenz kommen, in den wenigen Tagen, die zur Verfügung stehen, gelöst werden könnten, würden weitere derartige Konferenzen folgen. Darum wiederhole ich: nicht die Geduld verlieren!
    Nach der West-Ost-Konferenz findet die Reise Eisenhowers nach Sowjetrußland statt. Es ist interessant, daß seinerzeit der Juni als Termin für diese Reise von sowjetrussischer Seite vorgeschlagen worden ist, doch offenbar in der Erwartung, daß man sich bei dieser Reise mit dem wichtigsten und mächtigsten Partner des Westens über die Vorgänge auf der West-Ost-Konferenz weiter unterhalten und weitere Gedanken austauschen könne.
    Herr von Brentano hat von der Entspannung geredet. Auch hier möchte ich das sagen, was er gesagt hat: Das Wort „Entspannung" bedeutet an sich noch gar nichts. Die Entspannung kann vielmehr nur durch Vereinbarungen über Abrüstung und durch die Lösung anderer Fragen herbeigeführt werden. Aber Herr Chruschtschow hat vor kurzem zwei Raketen in den Pazifischen Ozean geschossen. Das hat er nicht zur Entspannung getan, meine Damen und Herren. Er hat es vielleicht als Vorbereitung getan, weil er glaubt, daß er durch diese Dokumentierung der Macht Sowjetrußlands, einer Macht, die keiner von uns irgendwie verkennt, seine Position, die russische Position auf der West-Ost-Konferenz, der Gipfelkonferenz, stärken würde. Er liebt solche Gesten. Er ist ein sehr temperamentvoller Mann, und man muß die Männer nehmen, wie sie sind.

    (Heiterkeit.)

    Aber man muß auch selbst so sein, wie man ist,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    und deswegen darf man sich von solchen Gesten nicht zu sehr beeindrucken lassen. Ich meine, die Aussichten, zu einer verständigen Regelung der ganzen Fragen zu kommen, sind viel besser, wenn man sich auch seiner eigenen Kraft und seiner eigenen Stellung bewußt ist, und das, glaube ich, kann man sowohl von den Vereinigten Staaten wie von Großbritannien wie von Frankreich sagen. Aber auch wir, die wir ja nun Vorbereiter, Zuhörer und Zuschauer sind, und unser deutsches Volk insgesamt sollten sich nicht zu sehr davon beeindrucken lassen. Denn bei solchen Verhandlungen, bei solchen Auseinandersetzungen und Aussprachen, wie sie dort sein werden, ist natürlich — lassen Sie es mich noch einmal sagen, meine verehrten Damen und Herren — die Kenntnis von der Macht des Gegners notwendig, aber ebensogut auch das Bewußtsein der eigenen Stärke, und daran wollen wir mit großer Geduld festhalten.
    Ich glaube, daß das Parlament, die Volksvertretung in irgendeiner Form unterrichtet werden muß, wenn die jetzigen, sehr intensiv betriebenen Vorarbeiten für die Gipfelkonferenz bis zu einem ge-



    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    wissen Stadium gekommen sind. Denn diese Gipfelkonferenz wird doch ein Ereignis von sehr großer Bedeutung sein — vielleicht der Anfang einer Entwicklung, jedenfalls aber ein Ereignis von sehr großer Bedeutung. Daher fühle ich auch die Verpflichtung, meine Damen und Herren, wenn, wie ich soeben sagte, die Vorbereitungen bis zu einem gewissen Stadium gediehen sind, so daß man wirklich eine klare Ubersicht darüber geben kann, wie die Dinge liegen, den Vertretern des Bundestages — in welcher Form und mit wem, darüber müssen wir uns noch verständigen — Einblick in diese Dinge zu geben.

    (Lachen bei der SPD.)

    Aber ich wiederhole, meine Damen und Herren —
    und ich bitte Sie, mir das zu glauben — —

    (Lachen bei der SPD.)

    — Wenn Sie sagten: Ich bitte, mir zu glauben, würde ich nicht lachen,

    (Heiterkeit — Beifall bei der CDU/CSU)

    und wenn ich lachte, würde ich es nur innerlich tun.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Aber ich lache gar nicht über das, was Sie sagen, meine Damen und Herren von der SPD. Im Gegenteil, ich nehme Ihre Stellung, die Stellung der Opposition sehr ernst.

    (Lachen und Zurufe von der SPD.)

    — Wenn ich Sie ernst nehme, brauche ich doch nicht alles zu tun, was Sie wollen. Sonst gäbe ich mich ja selbst auf.

    (Heiterkeit. — Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber ich wiederhole: Ich nehme Sie sehr ernst und überlege Ihre Darlegungen sehr wohl und sehr genau. Denn über das, was sich in den zehn Jahren, die hinter uns liegen, ereignet hat und in den nächsten Jahren ereignen wird, werden wir alle miteinander einmal dem deutschen Volke Rechenschaft geben müssen, und das deutsche Volk, die Zukunft wird über uns urteilen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Deswegen sage ich nochmals: ich nehme Ihre Einwendungen durchaus ernst. Denn auch das ist richtig: wenn es uns gelänge, in den entscheidenden Lebensfragen des deutschen Volkes, um die es sich in dieser ganzen Periode handelt, im großen und ganzen — nicht in allen Einzelheiten — einig zu sein, würde das einen großen Vorteil für die Sache des deutschen Volkes in der ganzen Welt bedeuten.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)