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ID0309900200

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    Deutscher Bundestag 99. Sitzung Bonn, den 10. Februar 1960 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Korspeter, Dr. Leiske und Dr. Brecht 5379 A Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. die Deutsche Einheit (Drucksache 1383) Dr. Achenbach (FDP) 5380 A Dr. von Brentano, Bundesminister 5388 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5395 A Erler (SPD) . . . . . . . . 5397 B Dr. Gradl (CDU/CSU) . . . . . 5406 B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 5413 A Dr. Schneider (Lollar) (LW) . . . 5418 B Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Kriegswaffengesetz) (Drucksache 1589) — Erste Beratung — . . . . . . . . 5422 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. August 1959 mit dem Königreich Norwegen über Leistungen zugunsten norwegischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind (Drucksache 1591) — Erste Beratung — . . . 5422 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. August 1959 mit dem Königreich Dänemark über Leistungen zugunsten dänischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind (Drucksache 1592) — Erste Beratung — . . . 5423 A Sammelübersicht 16 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 1579) 5423 C Nächste Sitzung 5423 C Anlage 5425 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Februar 1960 5379 99. Sitzung Bonn, den 10. Februar 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.04 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 2. Dr. Atzenroth 10.2. Bauereisen 15.2. Frau Bennemann 12. 2. Bergmann 10.2. Dr. Deist 29. 2. Deringer 10. 2. Eberhard 13. 2. Eichelbaum 10.2. Geiger (München) 10.2. Glüsing (Dithmarschen) 12.2. Dr. Greve 12.2. Dr. Gülich 16.4. Horn 12.2. Frau Dr. Hubert 12.2. Illerhaus 12. 2. Jacobi 13. 2. Dr. Jaeger 13.2. Jahn (Frankfurt) 23. 4. Dr. Jordan 12.2. Dr. Kanka 12.2. Frau Klemmert 15.5. Frau Korspeter 10.2. Kramel 10.2. Lenz (Brühl) 10.2. Leukert 16.2. Dr. Leverkuehn 12.2. Dr. Lindenberg 12.2. Lulay 29.2. Maier (Freiburg) 16.4. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Müller (Worms) 12.2. Nieberg 12.2. Frau Pitz-Savelsberg 12.2. Rademacher 10.2. Rohde 10.2. Frau Rudoll 12. 2. Dr. Rutschke 13. 2. Scharnowski 15.2. Dr. Schellenberg 10.2. Schneider (Hamburg) 12.2. Schütz (München) 12. 2. Dr. Starke 13. 2. Frau Dr. Steinbiß 17.2. Storch 12. 2. Striebeck 13. 2. Frau Strobel 12.2. Dr. Weber (Koblenz) 12.2. Dr. Willeke 1.3. b) Urlaubsanträge Benda 19. 2. Brüns 2. 7. Dr. Eckhardt 28.2. Even (Köln) 29. 2. Frau Friese-Korn 27. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 20. 2. Jacobs 7. 3. Müser 20. 2. Pelster 19. 2. Dr. Pflaumbaum 19. 2. Wehr 23. 4. Frau Welter (Aachen) 27. 2. Werner 24. 2.
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    Rede von Dr. Ernst Achenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Auftrag, im Namen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei die Große Anfrage betreffend die Deutsche Einheit, Drucksache 1383, zu begründen. Die Anfrage trägt das Datum des 12. November 1959. Sie wurde eingebracht wenige Tage nach der letzten außenpolitischen Debatte in diesem Hohen Hause am 5. November — einer Debatte, die bedauerlicherweise durch Mehrheitsbeschluß vorzeitig beendet wurde, mit dem Ergebnis, daß weder die Ausführungen meines Freundes Mende seitens der Regierung sachlich diskutiert wurden noch der auf der Rednerliste anstehende Vizepräsident Dr. Max Becker zu Worte kam. Dieses unbefriedigende Ergebnis war der unmittelbare Anlaß unserer Anfrage.
    Inzwischen hat sich jedoch die internationale Lage so entwickelt, daß auch ohne diesen unmittelbaren Anlaß im jetzigen Zeitpunkt eine außenpolitische Debatte sich geradezu aufdrängt. Im Dezember hat in Paris die westliche Gipfelkonferenz stattgefunden, es steht jetzt fest, daß im Mai dieses Jahres in Paris die Ost-West-Gipfelkonferenz zusammentritt, und wir haben inzwischen Kenntnis erhalten von dem fortgesetzten Briefwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem sowjetischen Ministerpräsidenten. Es ist meine und meiner Freunde Auffassung, daß vor dieser für unser Volk so wichtigen Ost-West-Gipfelkonferenz, auf der, wenn sie auch sicherlich nicht alle Probleme einer unverzüglichen Lösung zuführen kann, zum mindesten mit Sicherheit die Weichen für die zukünftige gute oder schlechte Entwicklung gestellt werden, der Deutsche Bundestag nicht schweigen sollte, wie er es vor der Genfer Außenministerkonferenz leider getan hat.
    Ich meine darüber hinaus, daß es unser aller Pflicht wäre, wenigstens zu versuchen, in den entscheidenden Lebensfragen unserer Nation zu einer einmütigen Stellungnahme des gesamten Parlaments zu kommen.
    Ich wiederhole das, was ich seinerzeit in der März-Debatte 1958 in diesem Hohen Hause erklärt habe: Eine Außenpolitik, die in kritischen Zeiten der Nation von allen Seiten dieses Hauses aus ehrlicher Überzeugung mitgetragen wird, hat international ein sehr starkes Gewicht, sie ist jedenfalls besser als ein Auseinanderfallen von Regierung und Opposition in wesentlichen Lebensfragen der Nation. Es ist deshalb, wie ich glaube, unser aller Pflicht unserem Volke gegenüber — und ich möchte für mein Teil, gestützt auf die Zustimmung meiner Freunde, heute dieser Pflicht nachkommen —, immer wieder unter Zurückstellung jeglicher Ressentiments und auch unter Zurückstellung parteipolitischer und wahltaktischer Gesichtspunkte zu prüfen, ob nicht eine gemeinsame Grundlage für eine gemeinsame richtige Außenpolitik gefunden werden kann.
    Ich habe die sehr herzliche Bitte an Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU, von der SPD, von der DP, und auch an Sie, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister, daß Sie meine Ausführungen in dem sachlichen und verantwortungsbewußten Geist aufnehmen, in dem ich mich bemühen werde, sie zu machen. Über den Parteien steht in der Tat das Vaterland. Sie haben selbst, Herr Bundeskanzler, in Ihrer Regierungserklärung zu Beginn dieser Legislaturperiode der Hoffnung Ausdruck gegeben — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten —,
    daß in entscheidenden Fragen, die das Wohl und Wehe des gesamten Volkes berühren, namentlich auch in Fragen der Außenpolitik, eine gemeinsame Arbeit mit den in Opposition stehenden Fraktionen sich ermöglichen läßt, weil nach unser aller Überzeugung das Wohl des gesamten Volkes über dem Wohle einer Partei steht.
    Darf ich in diesem Zusammenhang, meine sehr verehrten Damen und Herren und Herr Kollege Gradl, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten auch noch einen Ausschnitt aus einer Entschließung des Exilparteitags 1959 in Fulda vom 21. und 22. Juni 1959 zitieren:
    Unser nationales Verlangen nach Wiedervereinigung wird so lange beeinträchtigt sein, wie wir in gesamtdeutschen und damit zusammenhängenden außenpolitischen Fragen in der Bundesrepublik uneinig sind. Die Exil-CDU wiederholt daher ihren dringenden Appell an die politischen Parteien der Bundesrepublik, gesamtdeutsche Fragen aus dem parteipolitischen Streit herauszulassen. Das Verlangen des deutschen Volkes nach Wiedervereinigung wird den Kreml um so mehr beeinflussen, je geschlossener und einmütiger es vollbracht wird.
    Ich teile diese Auffassung.
    Ich möchte, bevor ich auf dieser Linie weiter argumentiere, eine Bemerkung über die Form unserer Großen Anfrage einschalten. Wenn wir unsere Fragen an Sie, Herr Bundeskanzler, persönlich richten, so bitte ich darin nicht irgendeine Spitze gegen Sie oder den Bundesaußenminister zu sehen oder zu glauben, wir wollten damit andeuten, daß wir zwischen Ihnen und dem Herrn Bundesaußenminister Meinungsverschiedenheiten vermuten oder konstruieren wollen. Wir fragen Sie, Herr Bundeskanzler, weil Sie in der Debatte vom 2. Juli 1958 Bemerkungen meines Freundes Max Becker zum Anlaß nahmen, besonders klar zu unterstreichen, daß Sie nach dem Grundgesetz die Richtlinien der Politik bestimmen und vor dem Parlament in den entscheidenden Fragen die Verantwortung tragen.
    Daß Sie sich nicht um Einzelheiten und Kleinigkeiten kümmern können, verstehen wir. Es wird uns daher nicht einfallen, Herr Bundeskanzler, eine Frage etwa nach der Bedeutung eines strittigen Paragraphen im Rahmen eines Doppelbesteuerungsabkommens an Sie persönlich zu richten. Aber die Fragen, die wir heute an Sie richten, sind, wie Sie zugeben werden, Lebensfragen der Nation; hier bestimmen Sie die Richtlinien, und hier wollen wir auch von Ihnen persönlich eine Antwort.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)




    Dr. Achenbach
    Wir kennen das Ausmaß ihrer Arbeitslast und wollen Sie gewiß nicht über Gebühr strapazieren; aber in der jetzigen Legislaturperiode sind Sie lediglich ein einzigesmal zum Auswärtigen Ausschuß gekommen, um uns ihre Ansicht über die Lage in Berlin zu sagen. Wir waren damals mit Ihnen der Meinung, daß jedes einseitige Vorgehen in Berlin den Weltfrieden gefährde. Es haben dann noch drei oder vier interfraktionelle Besprechungen bei Ihnen stattgefunden; aber diese Übung ist seit langem eingeschlafen.
    Sie werden, Herr Bundeskanzler, billigerweise zugeben müssen, daß, wenn es schon auch Ihr in Ihrer Regierungserklärung bekundeter Wunsch ist, in entscheidenden Fragen alle Kräfte in einer Nation zusammenzufassen, es eher der Sache der Regierung als der Opposition oder zumindest beider Aufgabe ist, sich nachdrücklich und stetig um eine gemeinsame Außenpolitik zum Wohle der Nation zu bemühen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es gäbe für Sie, Herr Bundeskanzler, und für Ihre Regierung eigentlich noch einen besonders naheliegenden Grund, sich auf dem außenpolitischen Gebiet um eine Zusammenfassung aller staatstragenden, freiheitlichen und rechtsstaatlichen Kräfte zu bemühen. Nach Ihrer wie nach unserer oft bekundeten Auffassung — und selbst in der sogenannten DDR werden für diese Auffassung zumindest Lippenbekenntnisse abgegeben — gibt es nur e i n deutsches Volk; es gibt kein westdeutsches Volk, dem ein mitteldeutsches Volk gegenüberstünde. Sie sind dann der legitime Sprecher der Mehrheit dieses einheitlichen deutschen Volkes, wenn Sie in konkreten außenpolitischen Fragen und Methoden den gesamten Bundestag, alle freiheitlichen und rechtsstaatlichen Parteien hinter sich haben. Sie sind der Sprecher des gesamten deutschen Volkes, selbst dann, wenn — wir alle wissen zwar, daß das nicht der Fall ist; nur Herr Chruschtschow tut so, als sei er vom Gegenteil überzeugt — die SED einen großen Teil der Stimmen der in Mitteldeutschland lebenden Deutschen hinter sich bringen könnte. Ich behaupte, Herr Bundeskanzler, daß mit etwas gutem Willen von allen Seiten eine gemeinsame Außenpolitik, eine geschlossene Willensäußerung in den Lebensfragen der Nation zu erreichen wäre. Ich habe in der Zeit, in der ich die Ehre habe, diesem Hohen Hause anzugehören, versucht, mich ohne Voreingenommenheit umzusehen. Ich habe mit vielen Kollegen aller Parteien gesprochen und glaube als wirklichen Sachverhalt ermittelt zu haben, daß wir weit einiger sind, als manche anzunehmen geneigt sind. Zweimal ist es in diesem Hohen Hause möglich gewesen, einmütig außenpolitische Entschließungen zu verabschieden, und zwar die Entschließung vom 2. Juli und vom 1. Oktober 1958. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, daß das ganze Haus noch heute hinter der Entschließung vom 1. Oktober 1958 steht. Der Herr Bundesaußenminister hat zu unserer Befriedigung in der Regierungserklärung vom 5. November 1959 dargelegt, daß die Bundesregierung sich auch weiterhin bemühen werde, im Sinne dieser Entschließung zu handeln.
    Die Frage, die nun zu stellen ist, ist die: Verfolgt die Bundesregierung bei ihren Bemühungen, dem Auftrag des Bundestages vom 1. Oktober 1958 gerecht zu werden, die richtige Methode? Verfolgt sie eine Methode, die nach unserer aller Auffassung die Möglichkeit eines Weiterkommens, die Erreichung konkreter Ergebnisse verspricht? Hier im Methodischen müssen wir uns, meine Damen und Herren, in einigen Punkten noch zusammenraufen. Aber sollte das wirklich unmöglich sein, wo wir doch in der Sache, in der guten Sache unseres Volkes alle einig sind?
    Wir wollen alle den Weltfrieden erhalten, wir wollen alle die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit. Damit fordern wir für unser deutsches Volk nicht mehr als das, was wir jedem anderen Volk zu geben bereit sind: das Recht, in einem Staat nach seinen eigenen Gesetzen zu leben und sein inneres Gefüge nach seinem freien Entschluß zu gestalten.
    Hinsichtlich des militärischen Bereichs sind wir alle bereit — ich bitte Sie, Herr Bundeskanzler, dies auch namens der Bundesregierung zu bestätigen —, uns in ein internationales System einzugliedern, das jedem Volk eine ungestörte Existenz in Freiheit erlaubt und allen Völkern, insbesondere unseren Nachbarn, aber auch uns selbst, Sicherheit und Frieden gewährleistet. Wir sind bereit, alle Abrüstungsbemühungen zu unterstützen und den Abrüstungsoder Teilabrüstungsabkommen beizutreten, auf die sich die Gipfelkonferenz einigen wird.
    Nun zur Methode unseres Vorgehens in der internationalen Auseinandersetzung über die deutsche Frage, in der wir uns heute befinden! Zunächst ein kurzer historischer Rückblick: Als einige Jahre nach dem totalen deutschen Zusammenbruch die große antideutsche durch Hitler verschuldete Koalition verfiel und die Zeit der dauernd wachsenden Spannung zwischen den Machtblöcken in Ost und West begann, haben Sie, Herr Bundeskanzler, in dieser ohne unser Zutun entstandenen Lage mit Billigung der Freien Demokraten — ja, ich darf wohl sagen: grundsätzlich mit Billigung des ganzen Hauses — die Partei des Westens ergriffen und mit Konsequenz und Stetigkeit erreicht, daß die Bundesrepublik nunmehr über vertrauensvolle Beziehungen zu den Staaten des Westens, insbesondere zu den Vereinigten Staaten von Amerika, zu England und Frankreich, ja zur gesamten freien Welt verfügt und heute ein geachtetes Mitglied des großen westlichen Verteidigungsbündnisses ist.
    Wir Freien Demokraten haben diese Politik mitgetragen, halten sie nach wie vor für richtig und stehen auch weiterhin dazu. Für Sie wie für uns ist das Bündnis mit den angelsächsischen Staaten ebenso wie das mit Frankreich der Eckpfeiler der deutschen Außenpolitik. Wir wollen dieses Bündnis fortsetzen. Das bedeutet, daß wir verpflichtet sind, für außenpolitische Initiativen, die wir im Interesse unseres Landes für richtig halten, unter Einsatz all unserer Überzeugungskraft das Verständnis und die



    Dr. Achenbach
    Zustimmung unserer großen Verbündeten zu erlangen, und daß wir in der Tat, Herr Bundesaußenminister, bei allem, was wir tun, auch die berechtigten Interessen unserer Verbündeten berücksichtigen müssen. Was wir hier klar und unmißverständlich für uns aussprechen, gilt umgekehrt aber ebenso für die Politik unserer Verbündeten im Verhältnis zu uns. In dem großen westlichen Verteidigungsbündnis freier und gleicher Staaten müssen auch unsere Verbündeten bei der Ausarbeitung der gemeinsamen Außenpolitik der Allianz die Lebensinteressen des deutschen Volkes berücksichtigen, und so wie wir für ihre, müssen sie für unsere Belange eintreten. Das erfordert die Achtung vor dem gegebenen Wort, die Ehre und das wohlverstandene nationale Interesse jedes Bündnispartners.
    Nun, Herr Bundeskanzler, bei Fortdauer des Kalten Krieges, in dem die Sowjets in den Amerikanern ausschließlich angriffslüsterne Monopolkapitalisten, die Amerikaner die Sowjets ausschließlich als angriffslüsterne Weltrevolutionäre ansahen, konnte das Lebensinteresse des deutschen Volkes, die Überwindung seiner Spaltung, von unseren westlichen Bündnispartnern begreiflicherweise nicht genügend wahrgenommen werden, weil der Kalte Krieg par excellence der Zustand ist, der den Status quo wiederum begreiflicherweise immer fester zementiert, weil das alles überschattende Mißtrauen jede Seite veranlaßt, fest auf den inne-gehabten Positionen zu verharren und keine Veränderungen zuzulassen, aus Furcht, sie könnten die Positionen der einen Seite auf Kosten der anderen verbessern.
    Der Status quo aber ist für unser gespaltenes Volk unerträglich. Uns allein bläst der Wind ins Gesicht, nicht den Russen, nicht den Amerikanern, auch nicht den Engländern und Franzosen. Für sie allerdings war der Kalte Krieg, neben dem ein immer schärfer werdender Rüstungswettlauf einherging, auch eine Gefahr, eine Lebensgefahr; denn Spannung, Kalter Krieg plus Rüstungswettlauf bedeuten Krieg: certus an, incertus quando — gewiß daß, ungewiß wann.
    Bei dieser Sachlage — Fortdauer des unerträglichen Status quo und sichere Kriegserwartung zu einem Zeitpunkt X — konnte kein Volk ein größeres Interesse an der Entspannung zwischen West und Ost haben als das deutsche; denn wie die Dinge nun einmal liegen, wäre es im Fall eines der Spannung folgenden Kriegsausbruchs Schauplatz dieses Krieges. Nur die Entspannung verhindert dieses grausige Ergebnis, nur die Entspannung eröffnet eine Chance, den unerträglichen Status quo, die Spaltung unseres Volkes, zu überwinden.
    Bei dieser klaren Sachlage, an der kein verständiger Mensch zweifeln kann, müssen wir alle gemeinsam — und Sie werden es sicher selbst gleich tun, Herr Bundeskanzler — die Unterstellungen und Vorwürfe, mit denen uns der Ostblock überschüttet, als geradezu grotesk zurückweisen. Die Bundesrepublik und das deutsche Volk können nichts anderes als Frieden und Entspannung wollen, und sie wollen auch nichts anderes, weil Frieden und Entspannung so eindeutig dem Interesse und dem Willen des deutschen Volkes und der Bundesrepublik entsprechen. An dieser Stelle möchte ich dem Chef der Vormacht des Westens, dem Präsidenten Eisenhower, Dank sagen dafür, daß er auch in Wahrnehmung der Interessen des deutschen Volkes das ganze Gewicht seines Amtes und seines persönlichen Prestiges in die Waagschale des Friedens und der Entspannung geworfen hat

    (Beifall bei der FDP)

    und nach freimütiger Aussprache mit dem sowjetischen Ministerpräsidenten in Camp David die Bahn für die nun im Mai dieses Jahres in Paris zusammentretende Ost-West-Gipfelkonferenz frei gemacht hat, der wir alle einen wirklichen Erfolg für die Befestigung des Friedens wünschen.
    Es ist ein weiter Weg von der Zeit, als die Untersuchungskommission des Senators MacCarthy die Schlagzeilen der amerikanischen Presse lieferte, bis zum Geist von Camp David. Es ist, wie ich meinen möchte, auch ein Stück Weges zurückgelegt worden von den ständigen virulenten Angriffen Moskaus gegen die Westmächte bis zu den heutigen häufig doch freundlichen, ja warmherzigen Worten des sowjetischen Ministerpräsidenten in bezug auf diese Mächte.
    Wir sollten, Herr Bundeskanzler, den Friedenswillen des sowjetischen Ministerpräsidenten aus politischer Fairneß und Klugheit nicht bezweifeln, wir sollten ihn beim Wort nehmen. Herr Chruschtschow wird bei seiner Intelligenz und geistigen Beweglichkeit allerdings sicher begreifen, wie schwer uns das fällt, wenn wir sehen müssen, wie er uns, der Bundesrepublik, gegenüber leider noch in der Tat hier und da die Sprache des Kalten Krieges führt und Äußerungen macht, wie jetzt bei dem Besuch der Italiener in Moskau, die an das vae victis des Brennus erinnern und uns die tiefe Besorgnis vermitteln, er wolle uns einen Diktatfrieden im Stile eines Über-Versailles aufzwingen.
    Ich weiß nicht, ob der sowjetische Ministerpräsident versteht -- und er möge es einem freien deutschen Abgeordneten nicht verargen, wenn dieser es ihm hier vor aller Weltöffentlichkeit sagt —, wie sehr er den Stolz des deutschen Volkes bis ins innnerste Mark verwundet, wenn er in seinem letzten Brief erklärt, daß der deutsche Bundeskanzler in bezug auf Berlin lediglich eine Privatperson sei. Will er uns wirklich einen Diktatfrieden aufzwingen? Liegt wirklich kein Mißverständnis gutgläubiger Art hinsichtlich seiner Unterstellungen betreffend die angeblich bei uns herrschenden Zustände vor? Dann lasse er sich von einem Abgeordneten der Opposition, die freimütig auch ihrer eigenen Regierung gleich vorhalten wird, was sie nach unserer Auffassung falsch gemacht hat, sagen, daß das deutsche Volk einer solchen Haltung gegenüber Widerstand leisten wird.

    (Beifall bei der FDP.)

    Die Sowjetunion ist gewiß stärker als wir. Ihre Macht ist vielfach größer. Aber das deutsche Volk ist kein gehorsames Satellitenvolk. Wenn man un-



    Dr. Achenbach
    serem Stolz und unserer nationalen Würde zu nahe tritt, so widerstehen wir. Dann wird in uns der Geist unserer Vorfahren lebendig, die den Kopf nicht beugten, die da sagten „Lieber tot als Sklave", „Hier stehe ich! ich kann nicht anders. Gott helfe mir! Amen.", „Und wenn die Welt voll Teufel wär, es muß uns doch gelingen!"
    Mir kam bei der Lektüre mancher Tirade des Ostens, insbesondere des Briefes des Herrn Ulbricht, die Erinnerung an jenen Turm in der kleinen französischen Stadt St.-Marie-de-la-Mer am Mittelmeer, in dem lange Jahre eine Protestantin aus den Cevennen gefangengehalten wurde, weil sie ihrem Glauben nicht abschwören wollte. Trotz aller Drohungen und Verlockungen blieb sie standhaft, und noch heute kann man dort sehen, wie sie mit ihren Fingernägeln in die Mauer ihres Verlieses das Wort eingeritzt hatte: résister — widerstehen!
    Wir werden widerstehen, Herr Ministerpräsident Chruschtschow, wenn Sie uns wirklich einen Diktatfrieden aufzwingen wollen. In diesem Widerstand werden wir sein „ein einig Volk von Brüdern", und noch heute gilt das Wort Schillers: „Wir wollen frei sein wie die Väter waren".
    Noch haben wir Freien Demokraten jedoch die die Hoffnung nicht aufgegeben, daß manche Ihrer Erklärungen, Herr Chruschtschow, auf Mißverständnissen beruhen. Das deutsche Volk — ich bitte Sie, Herr Bundeskanzler, dies zu bestätigen — will mit dem russischen Volk wie mit allen seinen Nachbarn im Westen und Osten, wie mit allen Völkern der Welt in Frieden und Freundschaft leben. Es weiß die liebenswerten Eigenschaften des russischen Volkes und seine große Begabung zu schätzen. Die ideologischen Meinungsverschiedenheiten sind, wie sowohl Herr Chruschtschow als auch der Herr Bundeskanzler in ihrem Briefwechsel mit Recht erklärt haben, kein Hindernis für die friedliche Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik.
    Meine Freunde und ich wünschen, daß der Deutsche Bundestag mit seiner ganzen Autorität als Volksvertretung diese Einstellung bekräftigt. Wir werden Ihnen daher folgende Entschließung zur Annahme unterbreiten:
    Der Bundestag wolle beschließen:
    Der Deutsche Bundestag macht sich die in dem Briefwechsel zwischen Bundeskanzler Dr. Adenauer und Ministerpräsident Chruschtschow von beiden Seiten übereinstimmend vertretene Auffassung zu eigen, daß ideologische Unterschiede kein Hindernis für die friedliche Zusammenarbeit von Staaten verschiedener Gesellschaftsstrukturen sein dürfen. Ausgehend von der Überzeugung, daß bei vernünftiger Berücksichtigung der Interessen aller beteiligten Staaten und bei gemeinsamem aufrichtigem Streben nach Frieden jede strittige internationale Frage, auch wenn sie noch so kompliziert erscheinen mag, geregelt werden kann, gibt der Deutsche Bundestag seiner Hoffnung Ausdruck und richtet in diesem Sinne einen dringenden Appell an die
    beteiligten Regierungschefs, daß die bevorstehende Ost-West-Gipfelkonferenz zur Festigung des allgemeinen Friedens beitragen und eine wesentliche Entspannung in den Beziehungen zwischen den Staaten des Westens und des Ostens herbeiführen möge.
    Der Deutsche Bundestag erklärt sich bereit, alle Verhandlungen zu unterstützen, die nach Auffassung der an der Gipfelkonferenz beteiligten Mächte diesem Ziele dienen. Der Deutsche Bundestag wünscht, daß die Bundesrepublik in vorderster Front an der großen und edlen Aufgabe mitwirkt, einen dauerhaften Frieden in der Welt zu sichern.
    Die Annahme einer solchen Entschließung würde wesentlich dazu beitragen, das immer wieder gegen uns aufflammende Mißtrauen zu zerstreuen.
    Nun, Herr Bundeskanzler, wende ich mich an Sie. Auch von Ihrer Regierung muß noch manches geschehen, damit der Zustand erreicht wird, den wir für unser Volk und Land als notwendig und erstrebenswert in der Weltöffentlichkeit ansehen, nämlich daß, wenn der Name Bundesrepublik fällt, jeder in der ganzen weiten Welt damit als selbstverständlich den Begriff „Hort des Friedens" verbindet, jedermann mit Selbstverständlichkeit an die ständig vorhandene Bereitschaft glaubt, jede Verständigungsanregung unvoreingenommen aufzugreifen, jede Friedensanregung, woher sie auch kommen mag, tatkräftig zu unterstützen, jeden beim Wort zu nehmen, der erklärt, dem Frieden dienen zu wollen.
    Am Schluß meiner Rede, die ich im März 1958 in diesem Hohen Hause gehalten habe, habe ich Ihnen zugerufen:
    Sorgen Sie dafür, Herr Bundeskanzler, daß die ganze Welt erkennt und anerkennt: Die Deutschen haben sich redlich bemüht, neuem Unheil vorzubeugen!
    Dieses Ziel, Herr Bundeskanzler, werden Sie allerdings nur erreichen, wenn gewisse Äußerungen sowohl Ihrerseits wie prominenter Mitglieder der Regierungspartei in Zukunft unterbleiben. Man kann sich billigerweise über das Echo nicht wundern, wenn von einem prominenten Mitglied Ihrer Partei einmal erklärt worden ist, die Hälfte der Welt werden von Gentlemen, die andere Hälfte von Banditen regiert.
    Ich habe mich auch nicht, Herr Bundeskanzler, gewundert über die Reaktion des sowjetischen Ministerpräsidenten in seinem letzten Brief an Sie auf den von Ihnen bei Ihrem Empfang durch Papst Johannes XXIII. ausgesprochenen Satz:
    Ich glaube, daß Gott dem deutschen Volk in den jetzigen stürmischen Zeitläuften eine besondere Aufgabe gegeben hat, Hüter zu sein für den Westen gegen jene mächtigen Einflüsse, die von Osten her auf uns einwirken.
    Selbst im Westen hat dieser Satz nicht gefallen.
    Und wie er im Osten wirkt, hätte ich Ihnen, wenn
    5384 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode —99. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Februar 1960
    Dr. Achenbach
    Sie sich einmal mit der Opposition beraten hätten, mit Sicherheit voraussagen können.

    (Beifall bei der FDP und Abgeordneten der SPD.)

    Ich glaube Ihnen, wenn Sie, Herr Bundeskanzler, in Ihren Briefen an Chruschtschow ausführen, daß Sie keinen Haß gegen Sozialismus oder Kommunismus empfinden,

    (Oho!-Rufe bei der SPD)

    und wenn Sie sagen, daß ideologische Meinungsverschiedenheiten das Gespräch und die friedliche Zusammenarbeit zwischen den Staaten nicht unmöglich machen dürfen. Ich möchte auch annehmen, daß Sie, als Sie den vorzitierten Satz aussprachen, persönlich subjektiv nicht das Gefühl hatten, dem Osten gegenüber aggressiv zu sein. Ich nehme an, daß Sie Seiner Heiligkeit dem Papst, der naturgemäß als oberste Autorität der katholischen Kirche die kommunistische Ideologie — wie im übrigen wir alle — ablehnt, versichern wollten, daß der Kommunismus im deutschen Volk keine Resonanz finde. Das wußte ja auch schon Josef Stalin, als er einmal erklärte: „Der Kommunismus paßt zu den Deutschen wie der Sattel zu einer Kuh", — womit er wirklich völlig recht hatte. Ich halte es für notwendig, Herr Bundeskanzler, daß Sie zu der Frage Stellung nehmen, was Sie mit diesem Ihrem Satz wirklich haben sagen wollen; denn: wie Sie sehen, haben Sie dem empfindlichen Mißtrauen des Ostens neue Nahrung gegeben.
    ) Gestatten Sie mir, daß ich mich nunmehr in Zusammenhang mit der ersten Frage unserer Großen Anfrage auch kritisch mit gewissen Verhaltensweisen der Bundesregierung und ihrer Verbündeten während der Genfer Außenministerkonferenz auseinandersetze.
    Wir haben es zunächst begrüßt und als einen Fortschritt empfunden, daß die Bundesregierung bei den im Einklang mit den Wünschen dieses Hohen Hauses unternommenen Bemühungen im Hinblick auf das Zustandebringen der Außenministerkonferenz in der Anwesenheit einer Delegation der sogenannten DDR kein Hindernis für ihre eigene Teilnahme erblickte. Wir haben es auch als einen Schritt auf dem richtigen Wege empfunden, daß die Bundesregierung und ihre westlichen Verbündeten einen gesamtdeutschen Ausschuß und damit die Nützlichkeit eines Gesprächs unter Deutschen über die Schaffung eines Wahlgesetzes für eine verfassunggebende gesamtdeutsche Nationalversammlung anerkannten.
    Was wir nicht verstanden haben, ist, daß, nachdem wir alle im Auswärtigen Ausschuß immer der einmütigen Meinung waren, daß eine dauerhafte Lösung des Berlin-Problems nur im Rahmen einer Gsamtlösung der deutschen Frage möglich sei, ausgerechnet die erste Stufe des westlichen Friedensplans das Berlin-Problem als solches in den Vordergrund rückte und dazu noch in einer Form, bei der man billigerweise zugeben muß, daß die eingetretene Reaktion des Ostens von vornherein zu erwarten war. Dadurch, daß man weiterhin — wie ich meine, völlig unnötigerweise — unterstrich, dieser Plan sei ein unauflösbares Ganzes, das nur insgesamt angenommen oder abgelehnt werden könne, stand eben wegen der Ausgestaltung der ersten Stufe das Scheitern des Gesamtplans von vornherein fest. Ich weiß nicht, Herr Bundeskanzler, ob Ihnen die eindringlichen Hinweise der Freien Demokraten bekanntgeworden sind, wie nach unserer Meinung der russischen Berlin-Note vom 27. November 1958 verständigerweise hätte begegnet werden sollen. Ich habe hier nicht etwaige Hintergedanken der Sowjetunion zu analysieren. Ich muß mich, wenn internationale Verhandlungen überhaupt möglich sein sollen, mit den Argumenten auseinandersetzen, die von der Gegenseite offiziell in einer offiziellen Note vorgetragen werden.
    Wie haben die Russen das Berlin-Problem in ihrer Note vom 27. November 1958 gestellt? Auf eine knappe Formel gebracht, Herr Bundeskanzler, folgendermaßen: Da die Westmächte nicht gewillt sind, über einen Friedensvertrag mit Deutschland zu verhandeln, da die Regierung der Bundesrepublik nicht gewillt ist, sich mit der Regierung der sogenannten DDR über mögliche Wege und Methoden zu einer Wiedervereinigung Deutschlands zu unterhalten, wird es wohl mit der Wiedervereinigung noch lange dauern. Ist dem aber so, dann erscheint uns Sowjets die Lage in Berlin mit der dort zwischen Ost und West wogenden Propagandaschlacht auf die Dauer so gefährlich, daß eine Änderung eintreten muß.
    Man wird nicht bestreiten können, daß die Sowjets das Berlin-Problem so, d. h. subsidiär gestellt haben, d. h. angeblich wegen der durch das Verhalten des Westens und der Bundesrepublik nicht zustande kommenden Wiedervereinigung. In seinem letzten Brief an Sie, Herr Bundeskanzler, hat Herr Chruschtschow erneut zugestanden, daß, wenn das Problem der deutschen Wiedervereinigung gelöst werde, es kein Berlin-Problem mehr gebe; aber eben zu dieser Wiedervereinigung komme nicht, weil die Bundesregierung die Realität der DDR leugne und sich mit ihr über die Wege zu einer Wiedervereinigung nicht unterhalten wolle.
    Lassen Sie mich an dieser Stelle Ihnen kurz die Entschließung vortragen, die wir zum Berlin-Problem einbringen wollen:
    Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, daß eine dauerhafte Lösung des Berlin-Problems nur im Rahmen einer Gesamtregelung der Deutschlandfrage möglich ist. Deshalb richtet der Deutsche Bundestag an die im Mai dieses Jahres in Paris zusammentretende Gipfelkonferenz den Appell, unter Ablehnung aller Interimslösungen alle Kraft auf eine baldige Lösung der Deutschlandfrage durch einen gerechten Friedensvertrag mit Deutschland zu konzentrieren.
    Herr Bundeskanzler, Sie werden mir nicht unteistellen, ich hätte die Absicht, hier zu sagen, daß die von mir wiedergegebene Argumentation der Sowjetunion gerechtfertigt sei. Sicherlich sind wir im Recht, wenn wir sagen, die sogenannte DDR ist durch sowjetische Einmischung in die inneren deutschen



    Dr. Achenbach
    Verhältnisse künstlich geschaffen worden, ihre Regierung sitzt auf den russischen Bajonetten. Herr Chruschtschow kann nicht erwarten, daß wir seinen Hinweis auf die Einheitswahlen in der Sowjetzone ernst nehmen. Die Regierung Grotewohl-Ulbricht entspricht nicht dem freien Volkswillen der Deutschen in der DDR. Bleibt jedoch die Tatsache, daß die Sowjetunion offiziell so argumentiert, wie ich es geschildert habe, und da wir ja etwas erreichen wollen, Herr Bundeskanzler, müssen wir uns wohl oder übel mit dieser Argumentation auseinandersetzen und uns dabei auch fragen, warum die Sowjetunion so argumentiert, ob es nur eine heuchlerische Finte ist, um West-Berlin zu kassieren und die DDR zu konsolidieren, oder ob nicht aus der Entwicklung der Vergangenheit heraus die Sowjetunion selber sich in einer Interessen- oder sogar Zwangslage befindet, die ihr diese Argumentation zur Gesichtswahrung nahelegt.
    Es ist gewiß nicht meine Aufgabe, das sowjetische Prestige zu wahren oder sowjetische Interessen über Gebühr zu berücksichtigen. Das tun die Sowjets schon selber. Wohl aber bin ich von meinem eigenen Standpunkt aus verpflichtet, die Lage der Sowjetunion und ihre Motive zu analysieren, um festzustellen, ob vernünftigerweise mit einer Änderung ihres Standpunktes gerechnet werden kann. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, und der deutschen Öffentlichkeit eine Gedankenreihe vortragen, die der Herr Bundesaußenminister aus den Debatten des Außenpolitischen Ausschusses kennt und nach meiner Meinung nicht hat widerlegen können, wenn er auch keine Schlußfolgerungen daraus gezogen hat. Diese Schlußfolgerungen und die meines Erachtens notwendigen Entscheidungen erbitten wir von Ihnen, da Sie die Richtlinien der Politik bestimmen und solche Entscheidungen treffen können.
    Würden Sie zustimmen, Herr Bundeskanzler, wenn ich sage, daß eine Weltmacht, die einen verbündeten Freund fallenläßt, damit auch ihren Kredit bei ihren anderen Verbündeten und anderen Freunden in der Welt beeinträchtigt? Wenn Sie das zugeben, müßten Sie auch anerkennen, daß über das reine Prestige hinaus bei der Sowjetunion sogar ein sachlicher Grund dafür besteht, das ihr verbündete und befreundete Regime der sogenannten DDR nicht einfach fallenzulassen, ebenso wie die Amerikaner uns, ihren treuen Verbündeten, die Bundesrepublik Deutschland, nicht einfach im Stich lassen können und natürlich auch nicht wollen, ohne daß überall sonst in der Welt Zweifel an dem Wert der amerikanischen Freundschaft aufkämen.
    Nun, im Falle Sowjetunion—DDR kommt hinzu, daß vom kommunistischen Standpunkt aus subjektiv, gutgläubig ein kommunistischer Staat wie ein ehren- und lobenswerter Staat erscheint, nicht wie von unserem ideologischen Standpunkt aus als ein die Freiheit des Bürgers und seine gesicherte Rechtssphäre zerstörender Zwangsstaat. Mit dem kommunistischen, in ihren Augen durchaus respektablen Staat, genannt DDR, hat die Sowjetunion einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen, durch welchen sie diesem Staat die Souveränität einräumt, gewiß, in unseren Augeh in Anführungsstrichen, aber immerhin eine Souveränität, auf Grund deren der Herr Bolz in Genf in lauten Trompetentönen seine völlige Entscheidungsfreiheit — sicher wiederum in Anführungsstrichen — herausstellen konnte.
    Wenn wir nun von der Sowjetunion verlangen, daß sie mit uns die Auffassung vertreten soll, die sogenannte DDR sei einfach nicht da, sei nonexistent, so, fürchte ich, muß das in den Augen der kommunistischen Welt wie eine Aufforderung an die Sowjetunion wirken, sich selbst zu ohrfeigen. Meine praktische Lebenserfahrung, Herr Bundeskanzler, sagt mir, daß, wenn ich von jemand etwas erreichen will — und gegen die Sowjetunion ebenso natürlich wie gegen die USA kommen wir selbstverständlich in unserem Anliegen der Wiedervereinigung nicht weiter —, ich die Verhandlungen zweckmäßigerweise nicht damit beginne, daß ich den Gesprächspartner bitte, sich zunächst einmal selbst zu ohrfeigen.
    Wenn ich mich nun leider der Erkenntnis nicht verschließen kann, daß vielleicht nicht nur Boshaftigkeit die Sowjetunion veranlaßt, uns auf unser Verlangen, unser berechtigtes Verlangen, nach Selbstbestimmung und Wiedervereinigung stereotyp zu antworten, sie habe für dieses Anliegen des deutschen Volkes Verständnis, sie wolle es fördern, aber wir müßten darüber auch mit der Regierung der DDR sprechen, so frage ich mich, warum wir eigentlich diese Methode nicht akzeptieren. Fällt uns dabei wirklich ein Zacken aus der Krone? Begeben wir uns damit wirklich auf den Weg der Kapitulation? Endet dieser Weg wirklich in dem Bolschewismus für das ganze deutsche Volk? Gefährden wir damit wirklich, ohne für die 17 Millionen in Mitteldeutschland die Freiheit zu erreichen, die Lebensform der 52 Millionen, die jetzt in der Bundesrepublik in gesicherter Freiheit wohnen? Ich brauche hier nicht noch einmal zu betonen, daß selbstverständlich wir Freien Demokraten wie Sie, wie alle Parteien hier im Hause, die Wiedervereinigung nicht um jeden Preis, nicht um den Verlust der Freiheit, wollen, sondern nur in Freiheit für unser ganzes deutsches Volk. Was aber steckt wirklich an Substanz hinter der Behauptung, damit werde die sogenannte DDR aufgewertet? Ein Argument, das uns auch immer entgegengehalten wird, wenn wir sagen, wir sollten diplomatische Beziehungen zu allen Ländern aufnehmen, ohne Rücksicht auf ihr Regime, einfach deshalb, weil, wenn man abwesend ist, nicht mit einem, sondern über einen, und meistens nicht gut, gesprochen wird.
    Herr Bundeskanzler, lassen Sie mich Ihnen ganz offen sagen, das alles sind blutleere, künstliche Argumente ohne jeden Wert, sind Argumente von Leuten, die den Wald vor Bäumen nicht mehr sehen, sind Argumente von hochjuristischen Experten, die möglichst schnell durch verständige Laien zu ersetzen ich Ihnen nur raten kann,

    (Beifall bei der FDP und SPD)

    was man immer dann tun soll, wenn die sogenannten Experten sich allzusehr verrannt haben.



    Dr. Achenbach
    Halten Sie es, Herr Bundeskanzler, unter dem Gesichtspunkt der Würde der deutschen Nation für ein besonders schönes Schauspiel, wenn durch sich immer steigernde Bemühungen um sogenannte Öffentlichkeitsarbeit auf beiden Seiten demnächst sämtliche afro-asiatischen Marktplätze von dem schrillen Geschrei der deutschen Stammesfehden widerhallen werden, wobei, da ja jede Seite die anderen Deutschen als schlechte und bösartige Menschen darstellt, die dortigen Völker im Endergebnis von allen Deutschen einen schlechten Eindruck bekommen werden? Glauben Sie nicht, daß es uns wohl anstünde und von unserer inneren Sicherheit und Gelassenheit zeugen würde, wenn man den Leuten in Ostberlin sagte: Was haben wir eigentlich von diesen Streitigkeiten in Afrika und Asien, bei denen wir vergessen, daß wir schließlich alle Deutsche sind, und die dortigen Völker mit Querelen behelligen, die sie doch nur befremden können? Und das in einer Zeit, wo im Zeichen einer Ost-West-Entspannung davon geredet wird, daß die Hilfe an die Entwicklungsländer und die Bekämpfung des Hungers ohne politische Hintergedanken von den hochentwickelten Industrieländern in West und Ost gemeinsam geleistet werden sollten.
    Herr Bundeskanzler, ich meine, daß wir unsere sachliche Position in gar keiner Weise beeinträchtigen, daß wir in gar keiner Weise kapitulieren, wenn wir uns, nachdem wir in Genf an der Außenministerkonferenz mit einer Beraterdelegation teilgenommen haben und auch eine ostzonale Beraterdelegation da war, bereit erklären, einer Aufforderung ) der Gipfelkonferenz Folge zu leisten, in Anwesenheit von Beobachtern der vier Mächte — sie sollen unbedingt dabei sein, damit jeder sicher ist, daß nichts geschieht, was gegen seine Interessen verstößt — auch innerdeutsche Gespräche zu führen, die den kalten Krieg auch in Deutschland abbauen und die sich insbesondere auch auf die Schaffung eines Wahlgesetzes für eine verfassunggebende gesamtdeutsche Nationalversammlung erstrecken sollen.
    Warum sollte in diesen Gesprächen nicht auch über einen Friedensvertrag gesprochen werden? Herr Bundeskanzler, 15 Jahre nach Beendigung der Feindseligkeiten ist es tatsächlich an der Zeit, damit zu beginnen, über einen Friedensvertrag zu diskutieren. Sosehr es zweckmäßig erscheinen mag, einen Friedensvertrag nicht unmittelbar nach Beendigung der Feindseligkeiten zu schließen, weil in der noch fortdauernden Atmosphäre des Hasses, der bei den Siegern im Rausche des Sieges leicht entstehenden Überheblichkeitskomplexe und der bei den Besiegten durch die bittere Niederlage aufkommenden Minderwertigkeitsgefühle kein gutes Resultat, vermutlich nur ein auferlegtes Diktat mit all den später daraus entstehenden Folgerungen herauskommen wird, kann, wenn man zu lange wartet, ein fait accompli geschaffen werden, das ebenfalls voller Ungerechtigkeiten ist und kaum revisibel ist. Ich will gar nicht von den Verdächtigungen reden, denen man, nicht ohne propagandistische Wirkung, ausgesetzt ist, Herr Bundeskanzler, wenn man über einen Friedensvertrag nicht sprechen will. Sicherlich wäre es natürlicher und besser, wir hätten eine freigewählte gesamtdeutsche Regierung, die über diesen Vertrag verhandeln könnte. Aber, Herr Bundeskanzler, wenn Sie sich entschließen könnten, auf außerpolitischem Gebiet einen Burgfrieden mit der Opposition zu schließen und alle Kräfte dieses Hauses auf eigene Friedensvertragsgegenvorschläge zu einigen, wäre dann eine heute auf Grund einer gesamtdeutschen Wahl gebildete Regierung etwas wesentlich anderes als eine Regierung der Bundesrepublik, die sich auf alle freiheitlichen und rechtsstaatlichen Kräfte dieses Hauses stützt?
    Ein Friedensvertrag kann ohne die Zustimmung der Bundesrepublik nicht zustande kommen. Können wir uns nicht mit Gelassenheit die Auffassung der Vertreter der Regierung der sogenannten DDR anhören in dem sicheren Bewußtsein, daß sie nur einen verschwindend kleinen Teil des deutschen Volkes repräsentieren und in einem gesamtdeutschen Parlament Vertreter der SED-Opposition wären, mit denen man dann ja auch im Rahmen der von uns erstrebten gesamtdeutschen parlamentarischen Demokratie sprechen würde?
    Warum, Herr Bundeskanzler, sehen wir eigentlich Probleme, wo für einen selbstbewußten, ausgeglichenen vernünftigen Menschen an sich keine sind? Haben wir etwa Minderwertigkeitskomplexe? Haben wir Angst vor den Kommunisten? Scheuen wir die geistige Auseinandersetzung mit ihnen? Meinen Sie, Herr Bundeskanzler, die Kommunisten seien klüger als wir?
    Um die Auseinandersetzung mit ihnen kommen wir, wenn wir die Wiedervereinigung wollen, so oder so nicht herum. Wenn wir sie nicht anfangen, fangen die sie an. Wir brauchen die Auseinandersetzung auch nicht zu scheuen. Ich versichere Ihnen, Herr Bundeskanzler, die Kommunisten sind nicht klüger als wir. Daß wir zudem das größere Eigengewicht der besseren Sache, der Sache des Rechts und der Freiheit, auf unserer Seite haben, wird wohl niemand hier im Hause bezweifeln. Ich müßte mich doch sehr täuschen, Herr Bundeskanzler, wenn ich annähme, Sie seien der Meinung, eine Auseinandersetzung mit den deutschen Kommunisten nicht bestehen zu können. Sie sind doch auch nach Moskau gefahren und doch deshalb nicht Kommunist geworden.

    (Heiterkeit.)

    Aus meiner Siegerländer Heimat, die Sie ja auch kennen, auf deren steinigem Boden, wie der Kollege Siebel sicher bestätigen wird, der Kommunismus bestimmt nie gedeihen wird, habe ich das irgendwie selbstverständliche Selbstbewußtsein mitgebracht — und dieses Selbstbewußtsein müßten Sie, Herr Bundeskanzler, das ist Ihre Aufgabe, dem ganzen deutschen Volk vermitteln—, daß, wenn ich mich mit einem Kommunisten an den Tisch setze und mich mit ihm unterhalte, doch nur die einzige Frage existiert, ob der noch als Kommunist aufsteht. Vielleicht ja, vielleicht aber auch nein. Daß ich als Kommunist aufstehen könnte, erscheint mir völlig undenkbar.
    Mein Freund Döring hat in Stuttgart mit Recht hingewiesen — als auf eine der beeindruckendsten Tatsachen im öffentlichen Leben der USA — auf



    Dr. Achenbach
    dieses selbstsichere Grundgefühl der Freiheit, das den Bürger jede persönliche oder staatliche Krise mit der Haltung begegnen läßt: was auch kommen mag, ich bin ein freier Mann, und dies ist und bleibt ein freies Land. Glauben Sie, Herr Bundeskanzler, daß Sie diesen stolzen Geist erzeugen mit dem gekünstelten und gestelzten Argument voller Angstlichkeit: „Ja nicht reden mit einem Mann von drüben, sonst werte ich den auf."
    Genauso gefährlich für das freie Selbstbewußtsein des freien Bürgers ist die leider immer noch zu beobachtende Methode, alle Bemühungen von vornherein als aussichtslos zu bezeichnen, und der Versuch, denjenigen, die etwas tun möchten, mit hohler Überheblichkeit die Zivilcourage abzukaufen mit der Frage: Haben Sie wirklich den naiven Kinderglauben, Sie könnten durch Verhandlungen mit den Kommunisten etwas erreichen?
    Schließlich geht es auch nicht an, das Volk in falsche Sicherheit zu wiegen und es vor den Realitäten der auf uns zukommenden harten Auseinandersetzungen zu bewahren. Die deutsche Lage zwischen den Machtblöcken nach dem Zusammenbruch des Jahres 1945 ist schwierig, — wer wollte das leugnen? Sie kann nur mit nüchterner Gelassenheit, mit Mut und mit Unerschrockenheit gemeistert werden und mit der unbedingten Willensstärke jenes Wilhelmus von Nassauen aus Dillenburg, der da sagte: Point n'est besoin d'espérer pour entreprendre ni de réussir pour persévérer, — es ist nicht möglich, hoffen zu können, um etwas zu unternehmen, und man braucht auch nicht gleich zu reüssieren, um beharrlich fortzufahren.
    Deshalb bekennen wir uns hier offen zu unseren Meinungen. Ich will Ihnen auch sagen, wie wir uns verhalten würden, wir Freien Demokraten: wir würden die Bundesregierung auffordern, die vier Regierungschefs Frankreichs, Großbritanniens, der Sowjetunion und der USA zu bitten, auf der am 16. Mai 1960 in Paris beginnenden Gipfelkonferenz folgenden Beschluß zu fassen:
    Die Vier Mächte erkennen das Recht des deutschen Volkes auf Wiederherstellung der Einheit Deutschlands an. Sie fordern die beiden deutschen Delegationen, die an der Genfer Außenministerkonferenz beratend teilgenommen haben, auf, unverzüglich nach dem Wiederzusammentritt der Konferenz in Verhandlungen einzutreten, in denen in Anwesenheit von Beobachtern der Vier Mächte über die für die Wiederherstellung der deutschen Einheit notwendigen Maßnahmen beraten werden soll.
    Sie bringen ihre Bereitschaft zum Ausdruck, diesen Verhandlungen jegliche Unterstützung zu gewähren und die Verständigung zwischen den beiden Teilen Deutschlands zu fördern.
    Zweitens steht unter I unseres Entschließungsentwurfs:
    Zu den von den beiden deutschen Delegationen zu beratenden Maßnahmen gehören nach Auffassung — —

    (Fortgesetzte Unruhe bei der CDU/CSU, — Zurufe.)

    — Lassen Sie mich meine Demonstration zu Ende l bringen!


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Der Abgeordnete möchte seine Rede fortsetzen!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Achenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Zu den von den beiden deutschen Delegationen zu beratenden Maßnahmen gehören nach Auffassung des Deutschen Bundestages Vereinbarungen über die Modalitäten und den Zeitpunkt von Wahlen zu einer gesamtdeutschen Nationalversammlung.
    Dann sollte dieser Bundestag auch sagen, daß er keinem Friedensvertrag, der für die Zukunft völkerrechtlich verbindlich den territorialen und militärischen Status Deutschlands festlegt, sein Einverständnis geben wird, wenn nicht gleichzeitig mit Zustimmung der Vier Mächte verbindliche Abmachungen über die Modalitäten und den Zeitpunkt von gesamtdeutschen Wahlen zu einer gesamtdeutschen Nationalversammlung getroffen werden.
    Unter III besagt unser Entschließungsentwurf:
    Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, daß der vorzubereitende Friedensvertrag dauerhafte Voraussetzungen für die Entwicklung guter Beziehungen Deutschlands zu seinen Nachbarstaaten schaffen soll. Die Grenzen Deutschlands im Osten müssen deshalb so gezogen werden, daß nicht durch eine Verletzung der Grundsätze der Gerechtigkeit und der Vernunft die vom deutschen Volk aufrichtig gewünschte dauerhafte Versöhnung mit seinen Nachbarstaaten im Osten in der Zukunft gefährdet wird.
    IV.
    Der Deutsche Bundestage ist der Auffassung, daß im Rahmen einer Politik des entspannenden Ausgleichs nach allen Seiten Deutschland Vertragspartner eines Bündnissystems werden soll, dessen Ziel die Festigung der gesamteuropäischen Sicherheit ist und dem neben anderen Staaten zumindest die USA, die Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich angehören sollen. Dieser europäische Sicherheitsvertrag soll gleichzeitig mit dem deutschen Friedensvertrag abgeschlossen werden.
    Schließlich sollte unser Appell an die Gipfelkonferenz sein: Schafft einen auf Gerechtigkeit für alle Völker gegründeten dauerhaften Frieden!
    Sie sehen, Herr Bundeskanzler, die Freien Demokraten haben die stolze Gelassenheit, alle heißen Eisen anzufassen.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    — Darüber sollte man nicht lachen, meine Damen und Herren. Erinnern Sie sich an jenen schönen Vers:
    Drum mutig drein und nimmer bleich, Denn Gott ist allenthalben.
    Die Freiheit und das Himmelreich Gewinnen keine Halben!

    (Beifall bei der FDP.)