Ja, das haben Sie auch. Und in bezug auf dieses Preisniveau können Sie — bitte, tut mir leid - nicht mit 8 oder 10 Prozent debattieren, da können Sie für die Zeit von 1958 zu 1959 nur über 1 Prozent debattieren; und
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1959 5217
Dr. Burgbacher
dieses 1 Prozent nenne ich das Mindeste, was in einer vollkommenen sozialen Marktwirtschaft an Abweichung von der „Vollendung" zuzugestehen ist.
Zurück zur Großen Anfrage! Wer die Geschichte der Menschheit kennt, weiß, welche Folgen Dürrejahre früher für die Menschen gehabt haben. Wenn man sich das überlegt und dann sieht, daß es heute vorübergehend um die Butter- und Fleischpreise geht, muß man doch wahrhaftig feststellen, daß wir unter einem System leben, das ganz bedeutende Fortschritte gebracht hat.
—Warum sagen Sie denn „oder"? Sagen Sie doch „und", und dann stimmt alles!
Wir sollten überhaupt viel mehr „und" statt „oder" sagen. Hier muß man schon „und" mit Rücksicht auf die Vermehrung der Bevölkerung sagen.
Meine Formulierung wäre: Diese Fortschritte sind
natürlich durch die Gnade Gottes, die Klugheit der
Menschen und die Technik erzielt worden. Aber man
kann das alles auch durch die Politik kaputt machen.
Unser System läßt hier eben der Entwicklung freien Raum, und wir halten dieses System nun einmal für das beste.
Mit Rücksicht darauf, daß wir alle möglichst bald zum Schluß zu kommen wünschen — ich möchte auch die anderen nicht behindern —, will ich auf vieles verzichten, was ich mir noch notiert hatte. Aber auf eines möchte ich doch noch zu sprechen kommen. Ich habe gesagt, daß durch die Erhöhung des sozialen Standings die Personalkostenanteile an den Preisen der Produkte steigen, soweit sie nicht durch Automation oder Technisierung aufgefangen werden können. Es gibt Produkte, bei denen dieses Auffangen einfach nicht möglich ist und bei denen man den Preis gelten lassen muß.
Noch ein Weiteres! Ich freue mich darüber, daß mit steigendem Einkommen auch die Ansprüche aller unserer Mitbürger an die Qualität der Ware steigen und die Nachfrage nach Massenware zurückgeht.
Das ist ein sozialpolitisch erfreuliches Zeichen. Man darf sich allerdings nicht wundern, wenn dadurch auch eine Veränderung im Preisfächer eintritt.
Man darf sich nicht wundern, daß ein Metzger, der, während sein Kollege vor hundert Jahren nur zwei oder drei Sorten Wurst anbot, heute 15 bis 20 Sorten Wurst anbieten muß, um genügend Kunden zu
bekommen, einen ganz anderen Aufwand hat als sein Kollege früher.
Die Nachfrage nach einer besseren Qualität bedingt eine Veränderung des Preisfächers. Das ist gar nicht anders möglich.
Ich habe den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Köhler mit Vergnügen entnommen — ist Herr Atzenroth da? —, daß er sich als Sprecher der FDP dazu bekannt hat, daß Korrekturen an dem freien Ablauf der Marktwirtschaft notwendig sein können. Ich möchte das sozusagen ausdrücklich zu Protokoll erklären und empfehlen, diesen Spruch vielleicht eingerahmt im Fraktionssaal der FDP aufzuhängen. Denn wir sind schon wiederholt angegriffen worden, wenn wir auf anderen Gebieten als dem Ihren, Herr Kollege Köhler, Korrekturen anbringen wollten. Ich nehme nach dieser grundsätzlichen Erklärung an, daß Ihnen in Zukunft der Kohlenzoll und die Heizölsteuer sympathischer sind.
Was haben wir getan? Wir haben eine vollbeschäftigte Wirtschaft, wir haben eine Verbesserung des sozialen Standings erreicht. Gewisse Schwankungen bei den Lebensmittelpreisen, die wir hier genügend debattiert haben, haben wir entweder ganz oder teilweise überwunden. Bitte sagen Sie uns, ob das Gesamtbild unserer Wirtschaft gut oder schlecht ist, ,das Gesamtbild dieser Wirtschaft, die unter der Führung Professor Ludwig Erhards steht!