Ich habe den Hinweis auf die Straße, die man zweifellos besser als Offentlichkeit bezeichnet hätte,
so verstanden, daß er eben auf die Gefahr hinweisen wollte, daß aus Preisdebatten Käuferpsychosen entstehen; deshalb hat er sich an die Öffentlichkeit gewandt.
Es wird niemand im Saale sein, der den Gewerkschaften die Verdienste, die Mitverdienste um den Aufbau der Wirtschaft bestreitet.
Und wenn Herr Erhard von Maßlosigkeit gesprochen
hat, dann hat er von Maßlosigkeit aller gesprochen
und damit nicht nur die Forderungen einzelner Gewerkschaften, sondern auch das Verhalten von Unternehmern gemeint, die den Markt ausnutzen.
— Er hat ausdrücklich von allen gesprochen.
Wenn die Gewerkschaft ÖTV im Gesamtergebnis eine 20%ige Lohnerhöhung fordert, Herr Kollege Deist — diese Rechnung ergibt sich daraus, daß sie noch das 13. Monatsgehalt dazu fordert —, dann kann man das, so glaube ich, ebensowenig als maßvoll bezeichnen, als wenn ein Unternehmer unter Mißbrauch der Nachfrage übersetzte Preise fordert.
Um dieses Maßhalten in der Wirtschaft geht es uns, und der Appell des Ministers war an alle und nicht an einen Stand oder an eine Gruppe gerichtet.
Im übrigen hat es mich beglückt, daß Herr Kollege Deist in der Lage war, den Herrn Bundeswirtschaftsminister so oft zu zitieren. Er hat damit das nachgeholt, was der Herr Minister wegen der Kürze seiner Ansprache nicht sagen konnte, und er hat damit den Beweis geliefert, daß Herr Erhard objektiv zu denken weiß.
Es läßt sich auch nicht bestreiten — und darüber sind wir froh und glücklich —, daß der Bruttostundenverdienst im Jahre 1959 um 5 % höher als im Jahre 1958 war. Wir sind der Meinung, daß allen Anteil am Fortschritt der Produktivität im Maße der Produktivitätssteigerung gehört. Daß in einer Zeit der Vollbeschäftigung mehr Aufträge erteilt werden, als man bei einer ruhigeren Konjunktur erteilen würde, liegt auf der Hand. Ich wage mir gar nicht vorzustellen, was wir heute von dem Herrn Kollegen Dr. Deist gehört hätten, wenn die Wirtschaft über mangelnde Aufträge zu klagen hätte.
Glauben Sie denn, wir wären solche Zauberkünstler
— wenn Sie das glauben, dann ehrt uns Ihr Vertrauen —, daß wir einen völligen Ausgleich von Angebot und Nachfrage, von Auftragseingang und Fertigung erreichen könnten? Das Spiel des Marktes erlaubt es nicht, daß man unter Preisstabilität Preisstarrheit versteht. Das ist völlig unmöglich. In einer modernen Wirtschaft revidiert sich der sogenannte Preisfächer laufend. Es ist auch nicht ganz korrekt — ich bitte um Entschuldigung, wenn ich das sage —, den einen Punkt herauszugreifen, an dem eine Steigerung ersichtlich ist und die Gesamtsituation weniger klar herauszustellen. Es ist zuzugeben, daß wir leider eine Kaufkraftsenkung um 1 % in einem Jahr haben.
Ich gehöre zu denen, die der Meinung sind, daß alle Arbeitnehmer Anteil an der Produktivitätssteigerung haben sollten und daß das Einkommen
— so Gott es will und die Konjunktur und die allgemeine Weltlage es erlauben — laufend steigen sollte. Das bedeutet aber implicite, daß alle Produkte mit einem relativ hohen Anteil an Personalkosten dann entweder verschwinden oder teurer werden. Wie wollen Sie denn den gestiegenen Personalaufwand, der sich in den Produkten sehr verschieden als Kostenfaktor auswirkt, anders abgelten? Sie müssen diese Entwicklung als eine der Folgen einer fortschrittlichen wirtschaftlichen Entwicklung hinnehmen.
— Andere Preise sind auch gesunken. Sie haben gesagt, die Textilpreise seien gestiegen. Das ist wahr. Aber sie liegen noch 2,2 % unter dem Stand vom Vorjahr und trotz der inzwischen eingetretenen Steigerung — nun hören und staunen Sie — 84 % unter dem Stand von 1950.
— Ja, natürlich, sonst hätten sie keine 84 % heruntergehen können, Sie Hellseher!