keiner will es gewesen sein. Aber die Hausfrauen stellen fest, daß sie auch beim Fleisch mehr als je bezahlen. Ich hätte eigentlich gedacht, die Herren Minister würden von sich aus einmal Gelegenheit nehmen, die Ausführungen der Bundesnotenbank in ihrem Oktoberheft zur Preisentwicklung und zur Einfuhr- und Vorratspolitik der Bundesrepublik zu zitieren.
Da Sie das nicht getan haben, Herr Schwarz, möchte ich sagen, immerhin steht im Oktoberbericht der Bundesnotenbank zu lesen:
Der verstärkte Rinderauftrieb wurde in seinen preismäßigen Auswirkungen zunächst weitgehend durch beträchtliche Fleischeinlagerungen zu wesentlich höheren Preisen als im Vorjahr aufgefangen.
Nimmt man dazu noch die Preisbeobachtungen des Bundesmarktverbandes Vieh und Fleisch, die ja allen zur Verfügung stehen, dann stellt man fest, daß die durchschnittlichen Schlachtviehpreise für Rinder und Schweine in den Monaten April, Mai, Juni, Juli, August und September wesentlich über denen des Vorjahres lagen. Nun kann man natürlich sagen - und Herr Bundesernährungsminister Schwarz hat gesagt: wir streben einen Durchschnittspreis von 105,1 DM an —, solange dieser Preis nicht erreicht ist, besteht hinsichtlich der Preisentwicklung auf dem Verbrauchermarkt für die Bundesregierung keinerlei Sorge. Aber es steht immerhin fest, Herr Bundesminister — das hat die Bundesnotenbank unterstrichen —, daß die Bundesregierung durch Auslegerungen aus dem Markt zu verhältnismäßig hohen Preisen in den Monaten, in denen die Schlachtviehpreise ohnehin gestiegen sind, nicht nur das Sinken der Schlachtviehpreise verhindert, sondern das Steigen der Schlachtviehpreise geradezu bewirkt hat.
Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie sagen, es sei falsch, nur die neuralgischen Monate herauszugreifen. Wenn man ständig kritisiert — ich kritisiere das auch —, daß das Fleischerhandwerk in seinen Endverbraucherpreisen gegenüber den Erzeugerpreisen zu hoch liegt, dann darf man nicht durch die eigenen Auslagerungen zu verhältnismäßig hohen Preisen die Preise zunächst einmal hinauftreiben; denn es ist eine alte Erfahrungstatsache, daß die Spannen sehr rasch mitgehen, wenn die Preise in die Höhe gehen, aber leider nicht zurückgehen, wenn die Preise sinken.
Angesichts der Tatsache, daß wir nicht so viel Zeit haben, möchte ich darauf verzichten, Ihnen im einzelnen die Schlachtviehpreise zu nennen. Aber ich möchte darauf aufmerksam machen, daß der Bericht der Bundesnotenbank vom Oktober aussagt,
die Spannen beim Fleischerhandwerk sind vom April I 1959 von 1,38 DM auf 1,73 DM im September 1959 gestiegen. Die „Agrarwirtschaft", eine Zeitschrift, die agrar- und preispolitische Fragen sehr genau untersucht, teilt in ihrem Oktoberheft zu den Spannen auch einiges mit. Herr Bundesernährungsminister Schwarz hat behauptet, es gebe leider keinen Spannenvergleich mit den vorhergehenden Jahren. Nun, gerade in der „Agrarwirtschaft" steht, daß bei den Preisspannen für Fleisch der Durchschnitt der letzten drei Monate eine Höhe erreicht hat, wie sie in den vergangenen sechs Jahren noch nicht beobachtet worden ist. Man kann das alles mit Zahlen belegen. Ich will es nur deswegen nicht tun, um Sie nicht allzu lange aufzuhalten. Aber ich darf darauf aufmerksam machen, daß die „Agrarwirtschaft" eine wissenschaftliche Zeitschrift ist, die solche Veröffentlichungen nur macht, wenn sie wissenschaftlich begründet sind.
Der „Münchner Merkur", eine Zeitung, die Ihnen sehr nahesteht — mir sagte einmal kürzlich draußen am Zeitungsstand ein Kollege: ich kaufe mir immer den „Merkur", weil das die eigentliche CSU-Zeitung ist —,
hat in einer Ausgabe vom November festgestellt, daß die Preiserhöhungen für Fleisch und Wurst im November gegenüber dem November 1958 zwischen 3 und 10 % lagen. Das sind Feststellungen des Statistischen Amtes von München.
Damit Sie nicht behaupten, wir schieben das alles den Erzeugern in die Schuhe, darf ich dazu noch sagen: fest steht, daß der Preis für Lebendvieh beim Rind im Oktober nur um 1/2 % höher war als im Jahre 1958 und im November sogar um 1 % niedriger. Die Schweineschlachtviehpreise waren im Oktober und November niedriger als im Oktober und November des vorigen Jahres. Bei uns aber kostet heute Kochschinken 10 % mehr als im vorigen Jahr, und Kotelett ist auch wesentlich teurer usw.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal zum Vergleich holländische Preise nennen, die ich selber am Mittwochabend in Maastricht am Schaufenster festgestellt habe. In Holland kosten zur Zeit ein Pfund Kotelett 1,93 DM, 100 Gramm Kasseler Rippen 83 Pfennig und 100 Gramm Schinken 71 Pfennig. Womit hängt das eigentlich zusammen?
Der Herr Bundesernährungsminister hat gesagt, die Bundesregierung habe auch auf dem Gebiet der Futtermittelpreise alles getan, um dafür zu sorgen, daß die deutsche Landwirtschaft billigere Futtermittel und entsprechend höhere Futtermengen bekomme. Die Futtermittelpreise in der Bundesrepublik liegen leider beträchtlich höher als in den vergleichbaren Ländern. Mir geht eigentlich nie recht ein, warum nicht Verbraucher, Erzeuger und Handel gerade beim Futtermittelpreis an einem Strang ziehen und eine wesentliche Senkung der Futtermittelpreise in dieser Situation der Knappheit verlangen. Darf ich Sie einmal darauf aufmerksam machen, daß die Futtermittelpreise in Holland — legt man den von der EWG bei Preisvergleichen
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1959 5201
Frau Strobel
festgesetzten Index zugrunde -- zwischen 85 und 100 liegen, während sie in der Bundesrepublik zwischen 118 und 125 liegen. Wir brauchen uns also nicht zu wundern, wenn die Schweinefleischpreise, die Eierpreise und die Geflügelpreise in Holland wesentlich niedriger als bei uns sind.
Nun hat das Bundesernährungsministerium in seiner Verlautbarung zu den Maßnahmen gegen die hohen Preise die Verbraucher mit der Erklärung beruhigt, sie brauchten keine Sorge zu haben, daß etwas getan werde, um die billigen Eier- und Geflügeleinfuhren zu verhindern. Meine Damen und Herren, man könnte dem deutschen Erzeuger z. B. eine zusätzliche und sehr günstige Einkommensquelle verschaffen, wenn man ihn durch niedrige Futtermittelpreise in die Lage versetzte, an dem steigenden Konsum an Schlachtgeflügel und Eiern entsprechend teilzunehmen.
Der Herr Bundesernährungsminister hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Bundesregierung durch die Auslagerung der Schmalzfleischdosen nunmehr auch den Endverbraucherpreis, d. h. die Spannen entsprechend beeinflussen wolle. Er hat aber gleichzeitig gesagt, daß es keine gesetzliche Handhabe gebe, den Abgabepreis für die Endverbraucher bei diesen Dosen festzulegen. Nun, Herr Bundesernährungsminister, danach hatten wir uns auch erkundigt. Wenn feststeht, das das Kartellgesetz der Bundesregierung keine Möglichkeit gibt, im Falle solcher Auslagerungen — die zu dem Zweck erfolgen, die Preise auf dem Markt für die Verbraucher zu drücken und zu stabilisieren — Endverbraucherpreise festzusetzen, dann wäre es doch höchste Zeit für die Bundesregierung, sich eine solche gesetzliche Handhabe zu schaffen, es sei denn, sie will sie überhaupt nicht; und daraus ließen sich dann natürlich auch Schlüsse ziehen.
Sie haben nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung — Sie haben das heute auch hier getan —in München sehr beklagt, daß Sie keine Möglichkeiten hätten, gegen Preisüberforderungen einzuschreiten, weil die gesetzlichen Möglichkeiten dafür unzureichend seien. Nun, Herr Minister, wo sind eigentlich Ihre Vorschläge, diesen ungenügenden Zustand zu ändern? Wir könnten uns vorstellen, daß Sie z. B. durch die Veröffentlichung eines Preisspiegels als Orientierungsmittel die Möglichkeit hätten, alle beteiligten Kreise immer darüber zu unterrichten, was der Erzeuger bekommt, was der Verbraucher zahlt und wie sich die Spannen bewegen. Wenn Sie es aber, wie Sie heute gesagt haben, nicht für tunlich halten, zu sagen, was für Preise die Bundesregierung eigentlich anstrebt, dann können Sie natürlich darauf keinen Einfluß nehmen. Aber dann müssen Sie sich auch gefallen lassen, daß Sie kritisiert werden.
Herr Bundesminister, Sie haben leider darauf verzichtet, bei diesen Marktordnungswaren einen Ausblick über den gegenwärtigen Augenblick hinaus zu geben. Ich glaube, daß unsere Große Anfrage so verstanden werden muß: Wie wollen Sie das eigentlich in Zukunft handhaben? Erlauben Sie mir — weil Sie auf diese Probleme nicht eingegangen sind —, Sie am Ende meiner Ausführungen zu fragen: Wie beurteilen Sie eigentlich die Entwicklung auf dem Sektor Schlachtvieh, bei Fleisch, z. B. bei Qualitätsrindern im Frühjahr? Steht es nicht heute schon fest, daß es darin eine Lücke geben wird? Wie wollen Sie die Notierung zu dieser Zeit beeinflussen? Wie steht es mit ausreichenden und rechtzeitigen Ausschreibungen für Gefrierfleischeinfuhren? Denken Sie daran, das Einfuhrverfahren so zu lassen, wie ,esgegenwärtig ist, bei dem sich ein ständiger Kampf um die Quoten abspielt oder haben Sie nicht doch in Ihre Überlegungen eine Änderung des Einfuhrverfahrens einbezogen? Beispiele dafür gibt es ja, nicht weit von uns, z. B. in der Schweiz oder in Osterreich. Dort wird ,ein anderes Einfuhrverfahren angewandt und erzielt dann auch einen anderen Effekt. Ich glaube, der gegenwärtige Zeitpunkt wäre sehr geeignet, um von seiten der Bundesregierung darüber Überlegungen anzustellen. Dazu haben Sie uns leider auch nichts gesagt.
Zu den weiteren von Ihnen angeschnittenen Fragen wird sich noch meine Kollegin Keilhack äußern.
Abschließend möchte ich folgendes sagen: Wir stellen fest, daß der Tauschwert der in der Landwirtschaft erzeugten Waren gegenüber der Vorkriegszeit gesunken ist. Ich stelle das ausdrücklich fest, weil wir mit unserer Großen Anfrage nicht mißverstanden werden wollen. Warum ist der Tauschwert gesunken? — Herr Struve, Sie lachen. Sie haben die Mehrheit in diesem Hause. Sie haben die Möglichkeit, nicht nur die Landwirtschaftspolitik, sondern auch die gesamte Wirtschaftspolitik zu beeinflussen.
Es ist doch eine Folge der gesamten Wirtschaftspolitik, daß die Produktivitätsgewinne in der gewerblichen Industrie nicht in genügendem Maße auch an die Landwirtschaft für ihre Produktionskosten weitergegeben worden sind.
Der Herr Bundesernährungsminister hat es so dargestellt, als wollten wir mit unserer Großen Anfrage eine hektische Entwicklung nach unten herbeiführen. Das ist absolut nicht der Fall.
Es kommt uns darauf an, daß die Marktordnung so gehandhabt wird, daß sie sowohl dem Erzeuger als auch dem Verbraucher je nach Marktsituation Rechnung trägt. Wir haben ein Interesse an ausgeglichenen Märkten, an ausgeglichenen Preisen und an einer ausgeglichenen Beschickung. Möglich ist das, wenn die Bundesregierung die Marktordnung so handhabt, daß sie im Fall der Knappheit alle Einfuhrmöglichkeiten rechtzeitig ausschöpft und im Fall des Überflusses alle Auslagerungsmöglichkeiten rechtzeitig benutzt. Im ersteren Falle, im Falle der Knappheit, hat die Bundesregierung in den entscheidenden Monaten Juli, August, September versagt.
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