Rede von
Käte
Strobel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Es ist von meinem Kollegen Bading bereits gesagt worden — und ich glaube, es geht aus den Fragen sehr deutlich hervor —, daß wir diese Große Anfrage nicht gestellt haben, um in erster Linie die Erzeuger zu kritisieren. Im Gegenteil! Wir haben in den letzten Wochen und Monaten den Eindruck bekommen, daß sich die Erzeuger an der Kritik an dieser Preisentwicklung ebenfalls beteiligt haben.
Ich möchte Ihnen an einem Beispiel zeigen, daß hohe Preise nicht immer bedeuten, daß die Erzeuger die Nutznießer dieser hohen Preise sind. Gerade weil das so ist, könnte es, meine ich, in solchen Fällen auch einmal eine Einheitsfront des Bundestages gegen die hohen Preise geben. Ich habe am vergangenen Sonntag in einer Bauernversammlung zwei Diskussionsredner — unter anderen —gehabt, von ,denen der eine der Leiter eines Altersheimes ist, der in einer bestimmten Zeit an eine bestimmte Molkerei für Butter statt 6,25 DM 6,80 DM bezahlen mußte. Das ist eine Preiserhöhung um 9 %. Der andere Diskussionsredner war der Obmann des Bauernverbandes, der mitteilte, daß er seine Milch an dieselbe Molkerei abliefert und für die Milch, aus der diese Butter gewonnen wurde, in derselben Zeit, in der ,der Butterpreis um 9 % stieg, eine Preiserhöhung von 34 auf 34,7 Pf bekommen hat;
das ist eine Erhöhung um 2 %.
Nun, meine Damen und Herren und Herr Bundesminister Schwarz, halten Sie diese Entwicklung für richtig — Erhöhung des Butterpreises um 9 %, Erhöhung des Auszahlungspreises für Milch bei derselben Molkerei um 2 %?
Es ist nun gesagt worden, man habe ja nicht voraussehen können, daß der Verbrauch eine solche Entwicklung nehmen würde; es ist in etwas kritisierender Weise gesagt worden, daß nun ausgerechnet die Hausfrauen auch noch mehr gekauft haben. Meine Damen und Herren, man konnte an der Entwicklung der vorhergehenden Jahre schon sehr deutlich sehen, daß mit steigender Kaufkraft auch der Verbrauch steigt; man hätte sich ja nur die Entwicklung von 1956 auf 1957 und von 1957 auf 1958 anzuschauen brauchen, um festzustellen, daß schon in der ersten Hälfte des Jahres 1959 ein siebenprozentiger Mehrverbrauch an Fleisch bzw. Butter bestand. Wozu sind eigentlich die statistischen Erhebungen da, wozu machen wir eine Versorgungsbilanz, wenn wir daraus nicht die entsprechenden Konsequenzen ziehen?
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1959 5199
Frau Strobel
Es wird hier immer wieder behauptet: „Aber die Preissteigerungen in anderen, vergleichbaren Ländern sind doch wesentlich höher als bei uns!" Meine Damen und Herren, ich glaube, da macht man insofern einen großen Fehler, als man uns bei diesen Gelegenheiten niemals den Ausgangspunkt der Preise in den anderen Ländern verrät. Gewiß ist es richtig, daß der Butterpreis in Holland in der gleichen Zeit um — wie gesagt wurde — 60 % gestiegen ist. Aber in Holland gibt es ja keine Marktordnung für Butter. Die holländischen Hausfrauen, die holländischen Verbraucher sind die Nutznießer niedriger Weltmarktpreise bei Butter, und sie sind dann natürlich auch die Leidtragenden bei hohen Weltmarktpreisen. Wir haben hier aber eine Marktordnung, die ein ausgeglichenes Preisniveau anstreben soll. Insofern kann man die Entwicklung bei uns nicht mit der Entwicklung in Holland vergleichen. — Im übrigen kann ich Ihnen sagen: ich habe heute vormittag in Bonn ein Viertelpfund Butter gekauft, das kostete 94 Pf; das macht also für das halbe Pfund 1,88 DM. Ich bin am Mittwochabend durch Maastricht gefahren und habe mir in Holland die Butterpreise angeschaut; da kostete das halbe Pfund 1,35 DM.
Das ist zur gleichen Zeit. Daraus können Sie sehen, daß immerhin zwischen dem deutschen Preis und dem holländischen Preis auch heute ein erheblicher Unterschied zugunsten der holländischen Verbraucher besteht.
Wenn Sie aber in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, solche Erklärungen herausgeben, wie es z. B. unser Kollege Ruf dieser Tage im Pressedienst der CDU/CSU getan hat, worin er sagt, in einer freien Marktwirtschaft bestimmten nun einmal Angebot und Nachfrage die Preise, und die Verbraucher müßten sich deshalb daran gewöhnen, daß in knappen Zeiten die Preise höher seien, möchte ich dazu sagen: Meine Damen und Herren, dann müssen Sie aber auf die Marktordnung verzichten.
Denn die Marktordnung hat doch schließlich gerade den Sinn, bei den wichtigen Lebensmitteln solche Entwicklungen zu verhindern.
Es ist immerhin ganz interessant, festzustellen, daß 70 % der Ernährungsgüter unter die Marktordnung fallen. Denjenigen, die keine Sorge haben, daß bei einer solchen Entwicklung und einer solchen Handhabung der Marktordnung durch die Bundesregierung zu Lasten der Verbraucher die Marktordnung Schaden leiden kann, möchte ich empfehlen, einmal eine Studie von Professor Kermann, Bremen, zu lesen. Er hat errechnet, daß die Marktordnung bei Marktordnungsgütern allein je Erwerbsperson im Jahre 1956 46 DM und im Jahre 1958 34 DM gekostet hat.