maßlos sind seine Behauptungen!
Maßlos ist Ihre Kritik, Herr Bundesminister Erhard! Wen meinen Sie denn eigentlich mit der „Straße"? Meinen Sie damit die Arbeitnehmer? Meinen Sie die Verbraucher? Warum drücken Sie sich immer so aus, daß Ihre Ausführungen als maßlos in stärkstem Sinne bezeichnet werden müssen?
Herr Bundesminister Erhard, ich kann mich darauf beschränken, auf die Dinge bei der Marktordnung einzugehen, nach denen wir in unserer Großen Anfrage gefragt haben und die Herr Bundesminister
Schwarz für meine Begriffe zwar recht interessant, aber unzureichend beantwortet hat. Meine Kollegen werden später noch insbesondere auf die Ausführungen von Herrn Bundesminister Erhard eingehen.
Wir haben allerdings den Eindruck, daß die Bundesregierung den Versuch gemacht hat, sich für die Behandlung der Großen Anfrage ein besseres Preisklima zu schaffen, als es zu der Zeit war, in der wir die Große Anfrage stellten. Ich möchte dem Herrn Bundesernährungsminister einige Fragen stellen, die im Zusammenhang stehen mit seiner Behauptung, die Bundesregierung habe alles getan, um eine stete Versorgung und, soweit es die Dürre zuließ, stabile Preise für Lebensmittel durch die Marktordnung zu sichern. Herr Bundesminister, wir haben z. B. die EWG-Verpflichtung, 8000 t Butter im Jahr einzuführen. Warum ist man dieser EWG-Verpflichtung erst im August nachgekommen? Es wäre richtig gewesen, das im Juni zu tun. Warum haben Sie die Butter, die nach der EWG-Verpflichtung einzuführen war, nicht wenigstens für die Berlin-Reserve verwendet? Dann hätten Sie nicht die 7500 t, die für die Berlin-Reserve notwendig waren, aus der Einfuhr- und Vorratsstelle nehmen müssen. Warum haben Sie noch am 1. August die Einfuhrmenge im kleinen Grenzverkehr auf ein halbes Pfund reduziert, wenn Sie bedauern, daß die Verbraucher — mindestens einige Monate lang - so hohe Butterpreise zahlen mußten? Es ist doch bekannt, daß zu der Zeit, in der der Butterpreis bei uns den Höchststand erreicht hatte, die Verbraucher im kleinen Grenzverkehr das Pfund Butter aus Osterreich zu 2,95 DM einführen konnten; zur gleichen Zeit kostete die Butter in München 3,80 DM. Wenn Ihnen wirklich daran lag, daß die Verbraucher zu billiger Butter kamen, hätten Sie nicht ausgerechnet in diesem Augenblick die Einfuhrmenge pro Person auf ein halbes Pfund reduzieren dürfen, dann hätten Sie wenigstens den Verbrauchern, die an der Grenze wohnen, diese Möglichkeit lassen müssen. Warum mußte es, Herr Minister, erst dazu kommen, daß Heilstätten und Krankenhäuser die Butterrationen kürzen mußten, um die Verpflegungssätze einhalten zu können? Im Juni hätten wir in Holland die Butter noch für 5,65 DM das Kilo einkaufen können, wenn zu dieser Zeit Ausschreibungen dagewesen und für unsere Importeure Einfuhrmöglichkeiten eröffnet gewesen wären.
Nun wird immer gesagt, man hätte damals noch nicht gewußt, daß es zu dieser Butterknappheit kommen würde. Im „Münchener Merkur" vom 2. Dezember kann man lesen, der Preisanstieg bei Butter sei vom Fachgroßhandel vorausgesehen worden. Der Berufsverband habe deshalb schon Ende Juni Importausschreibungen vom Bundesministerium für Landwirtschaft gefordert.
Außerdem steht fest — alle die, die mit diesen Dingen arbeiten, wissen es —, daß z. B. Frankreich, das auch eine große Butterknappheit und große Milchsorgen hatte, auf dem internationalen Markt schon sehr frühzeitig und immer vor der Bundesrepublik die Butterreserven auf dem internationalen und europäischen Markt aufgekauft hat.
5198 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1959
Frau Strobel
Der Herr Bundesminister hat angeführt, daß die ersten Ausschreibungen — wenn ich richtig gehört habe — am 29. Juli erfolgt seien. Herr Bundesminister, wir haben immer wieder kritisiert, daß Sie die Einfuhrmöglichkeiten nicht nur zu spät ausgeschrieben, sondern daß Sie sie auch begrenzt haben; Sie haben auch zu lange am Butterzoll festgehalten. Die Ausschreibungen vom 29. Juli waren auf die OEEC-
Länder begrenzt und mußten bis zum 15. Oktober realisiert sein. Das hat natürlich die Möglichkeiten der Importeure von vornherein erheblich eingeschränkt. Was sich dann um den Zoll abgespielt hat, ist dem Hause allgemein bekannt.
Der Herr Bundesminister Erhard und der Herr Bundesminister Schwarz haben soeben behauptet, daß die Bundesregierung ihre Maßnahmen zur Vermeidung von unerwünschten Preissteigerungen bei so wichtigen Lebensmitteln rechtzeitig und nicht im Hinblick auf den Antrag der SPD eingeleitet hätte. Darf ich daran erinnern, daß die sozialdemokratische Bundestagfraktion den Antrag, den Butterzoll vorübergehend auszusetzen, am 20. Oktober gestellt hat und daß es zumindest im Ernährungsausschuß zunächst ein Verzögerungsmanöver in dieser Sache gegeben hat, und darf ich außerdem daran erinnern, daß die Bundesregierung erst in dem Augenblick, als wir den Antrag auf Aussetzung des Butterzolls gestellt hatten, im Ernährungs- und im Außenhandelsausschuß mitgeteilt hat, daß sie jetzt bereit sei, die Einfuhren freizugeben und die Einfuhrausschreibungen nicht mehr hinsichtlich Menge und hinsichtlich der Länder zu begrenzen?
Gelegentlich wird bei solchen Debatten gesagt, die Hausfrauen brauchten die teure Butter nicht zu kaufen; sie sollten eben auf andere Ernährungsgüter ausweichen. Im Hinblick auf den hohen Butterpreis ist den Hausfrauen immer wieder empfohlen worden, Margarine zu kaufen. Mir hat gerade in der Zeit, als diese Empfehlungen gegeben wurden, eine Hausfrau aus Hessen geschrieben, daß sie diesen Versuch gemacht und daß ihre Familie beschlossen habe, solange die Butterpreise so hoch seien, nur noch Margarine und Wurstfett zu konsumieren. Was hat diese Hausfrau festgestellt? Sie hat zweimal eine Halbpfundtüte Wurstfett für 40 Pfennig eingekauft. Als sie drei Tage später dieses Wurstfett wieder kaufen wollte, war die gleiche Tüte im Preis um 10 Pfennig auf 50 Pfennig gestiegen,
und das zu einer Zeit, zu der im Rundfunk durchgegeben wurde, daß die Preise für Schlachtschweine gefallen seien.
— Den Hausfrauen kommt es auf das an, was sie wirklich bezahlen, und nicht darauf, was Sie für Vorstellungen haben.
— Entschuldigen Sie, das war eine Hausfrau, die das dem Bundestag mitgeteilt hat; die anderen empfinden das genauso. Es ist doch eine Tatsache, daß Verknappungen und hohe Preise auf einem Sektor dazu führen, daß die Preise auf einem anderen Sektor auch in die Höhe gehen.