Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat gestern über die Vorlage der Bundesregierung beraten und bei Stimmenthaltung meiner Fraktion dem Hohen Hause empfohlen, die Vorlage der Bundesregierung anzunehmen. Sie scheinen entschlossen zu sein, meine Damen und Herren, dem zu folgen. Erlauben Sie mir trotzdem, einige noch offene Fragen hier anzusprechen, von denen meine Freunde und ich glauben, daß sie einer präziseren Beantwortung durch die Bundesregierung bedürfen, als wir sie in den Beratungen des Ausschusses für Kulturpolitik und Publizistik und im Haushaltsausschuß bekommen konnten.
Zunächst möchte ich zum Ausdruck bringen, daß es gut gewesen wäre, wenn das Parlament bzw. seine Ausschüsse rechtzeitiger mit dieser Vorlage befaßt worden wären. Es ist eine schlechte Sache, unter Zeitdruck über eine solche Vorlage verhandeln zu müssen, deren politisches Gewicht sich nicht aus dem Kaufpreis ergibt — so wichtig er sein mag —, sondern aus der Tatsache, daß wir es bei der Wochenschau um einen der entscheidenden Faktoren in der öffentlichen Meinungsbildung zu tun haben.
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Fragen zum Kaufpreis stellen, um mit dem am wenigsten gravierenden Problem zu beginnen. Die Revisions- und Treuhand AG in Frankfurt, eine angesehene Firma, hat den Wert der „Deutschen Wochenschau", um deren Veräußerung oder Teil-
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veräußerung an die UFA es sich heute handelt, auf etwa 5 Millionen DM geschätzt. Die Bundesregierung und die UFA sind mit Zustimmung der Mehrheit des Haushaltsausschusses zu der Meinung gekommen, man sollte die „Deutsche Wochenschau" zu einem sehr viel geringeren Betrag veräußern. Meine Frage an die Bundesregierung ist deshalb die: aus welchen Gründen hat die Bundesregierung darauf verzichtet, einen dem Wert des Gegenstandes angemessenen Kaufpreis auszuhandeln? Wir haben auf unsere entsprechenden Fragen in den Beratungen im Kulturpolitischen Ausschuß vom Vertreter der Bundesregierung leider nicht erfahren können, ob in den Verhandlungen mit der UFA überhaupt der Versuch gemacht worden ist, einen dem Gegenstand angemessenen Preis zu erhalten.
Unser Eindruck bei diesen Beratungen war der, daß das Interesse, das die UFA im Hinblick auf eine wirtschaftliche Monopolisierung der Wochenschauen in ihrer Hand an dem Ankauf der „Deutschen Wochenschau" hat, von der Bundesregierung bei weitern nicht hoch genug veranschlagt worden ist und daß man bei einem ernsthaften Versuch, mit der UFA zu verhandeln, sicherlich zu einem angemesseneren Preis hätte kommen können. Die Tatsache, daß der Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik zwar in der Frage des Kaufpreises keinen Beschluß gefaßt, sondern diese Frage an den Haushaltsausschuß zurückgegeben hat, aber in seinen Beratungen klar erkennen ließ, daß seine Mitglieder der Meinung waren, die „Deutsche Wochenschau" solle hier unter Preis an einen privaten Interessenten verhökert werden, diese Tatsache hat die Bundesregierung offensichtlich unbeeindruckt gelassen; denn uns ist nichts von einem seither etwa unternommenen Versuch bekanntgeworden, in dieser Frage zu neuen, befriedigenderen Vereinbarungen zu kommen.
Die zweite Frage, die ich Herrn Minister Lindrath stellen möchte, bezieht sich auf die Absichten, die die Bundesregierung mit dieser Teilprivatisierung im Ganzen verbindet. Es gibt dazu zwei interessante Versionen, die man in den letzten Tagen in den Wandelgängen dieses Hauses erfahren konnte.
Die erste Version besagt: es entspricht der Absicht der Bundesregierung, entsprechend der Vorlage, über die wir heute zu befinden haben, lediglich einen Gesamtanteil von 74 % an einen privaten Interessentenkreis zu veräußern, während die Sperrminorität von 26 % in der Hand des Bundes bleiben soll.
Es gibt eine zweite Version — meine Damen und Herren, vielleicht interessiert das sogar die Mehrheit dieses Hauses —, wonach es innerhalb der Bundesregierung eine Meinungsverschiedenheit darüber geben soll, ob es sich bei der Teilprivatisierung, die jetzt zur Debatte steht, um einen ersten oder um einen endgültigen Schritt handelt. Anders gesagt: hat die Bundesregierung die Absicht, den restlichen Anteil von 26 %, der nach der jetzigen Vorlage in der Hand des Bundes verbleiben soll, zu einem späteren Zeitpunkt an private Interessenten zu veräußern? Und ist es zutreffend, daß sich in den Verhandlungen um die Teilprivatisierung der „Deutschen Wochenschau" nicht das Bundesschatzministerium, sondern das Bundespresseamt gegen eine volle Privatisierung der „Deutschen Wochenschau" gewandt hat? Wenn ja, welche Gründe haben das Bundespresseamt bewogen, hier auf einer Sperrminorität des Bundes zu bestehen, die aber nach der neuen rechtlichen Konstruktion ausschließlich durch die Bundesregierung repräsentiert werden soll, während die Verhandlungsführer der Bundesregierung offensichtlich auf eine starke Stellung des Beirats der Wochenschau, auf den ich jetzt zu sprechen kommen werde, kein Gewicht gelegt haben?
Die „Deutsche Wochenschau" hat — die meisten von Ihnen werden es wissen — bisher einen Beirat gehabt. Er besteht zur Zeit aus 13 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter sechs Mitgliedern dieses Hohen Hauses, nämlich fünf Abgeordneten der Christlich-Demokratischen Union und einem Sozialdemokraten. Auch das ist bezeichnend für die Art, wie sich die Regierung die „Zusammenarbeit" in diesem Beirat offenbar vorstellt.
Dieser Beirat hat bis jetzt die Möglichkeit gehabt, seine Meinung über die Güte oder die mangelnde Qualität der „Deutschen Wochenschau" von Zeit zu Zeit in seinen Beratungen zum Ausdruck zu bringen. Nun ging es darum an dieser Frage haben wir im Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik angesetzt —, welche Stellung dieser Beirat nach der neuen Vereinbarung mit der Ufa besitzen soll. Die Frage war: Soll dieser Beirat bestehenbleiben? Wenn ja, mit welchen Kompetenzen soll er bestehenbleiben? Einige Sprecher der Unionsfraktion haben uns im Ausschuß für Kulturpolitik gesagt, man könne es angesichts des geschäftlichen Risikos, das die Ufa übernehme, der Ufa nicht zumuten, einen Beirat zu akzeptieren, der mehr sei, als das Wort Beirat besage, der also mehr Rechte habe, als von Zeit zu Zeit ohne verbindliche Konsequenzen seine Auffassungen zur Wochenschau und ihrer Qualität zu äußern. Auf der anderen Seite stand von vornherein die Auffassung, daß dieses Argument zwar richtig sei, daß es aber eine völlig andere Sache sei, ob ein Beirat, der zur Hälfte aus Parlamentariern bestehe, eine öffentliche Mitverantwortung für eine solche Institution übernehme und aus dieser öffentlichen Mitverantwortung auch das Recht ableiten müsse, in der Sache mitentscheiden zu können.
Die sozialdemokratischen Mitglieder des Kulturpolitischen Ausschusses haben es sehr begrüßt, daß im Ausschuß schließlich eine einmütige Meinung über diese Frage zustande gekommen ist. Diese Meinung hat der Vorsitzende des Ausschusses, Herr Dr. Heck, dahin gehend zusammengefaßt, daß der Beirat das Recht haben müsse, seinen Vorstellungen über die Arbeit und das Aussehen der Wochenschau dadurch Nachdruck zu verleihen, daß er bei der Besetzung oder Entlassung der Redaktion mitwirke. Es wäre interessant zu erfahren, Herr Bundesminister, inwieweit die Bundesregierung bereit und in der Lage ist, in Verhandlungen mit der Ufa diesem An-
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liegen des Kulturpolitischen Ausschusses Rechnung zu tragen. Es wäre sicher eine gute Vorbereitung der heutigen Entscheidung gewesen, wenn man den Ausschuß vor der Beratung hier hätte wissen lassen, wie die Dinge in dieser Frage stehen.
Lassen Sie mich dazu noch ein paar sachliche Bemerkungen machen. Bei der Wochenschau handelt es sich um zwei Probleme. Das eine Problem hat vor ein paar Wochen die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" in einigen knappen, aber treffenden Sätzen angesprochen. Ich darf sie mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren. Sie beziehen sich auf die „Neue Deutsche Wochenschau". Die FAZ schreibt dazu:
Nach der „Neuen Deutschen Wochenschau" könnte man meinen, daß die Politik vorwiegend aus freundlich lächelnden Staatsmännern und Militärparaden bestehe und die übrige Welt aus Aschenbahnrennen, Modenschauen und den Affen im Zoo ... In dürren Worten: Die Wochenschau ist miserabel!
Diesem Urteil braucht man nichts hinzuzufügen, und es wird sicherlich von denjenigen unter Ihnen geteilt, die ab und zu des Vergnügens eines Kinobesuches teilhaftig werden.
Hier, meine ich, liegt die erste, inhaltlich klar zu umreißende Aufgabe eines Beirats, der sich darum bemühen müßte, diese Als-ob-Vorstellung von der Politik, die heute die Wochenschauen den Menschen vermitteln, durch eine realistische, objektive Darstellung dessen zu ersetzen, was sich im Raum des Staates und der Politik tut. Wenn ich das sage, meine Damen und Herren, dann mit der sehr nachdrücklichen Frage an die Regierung, wie sie sich etwa angesichts der Rolle des Bundespresseamtes bei den bisherigen Verhandlungen eine Entwicklung der neuen Wochenschau denkt, die einen parteipolitischen Mißbrauch ausschließt. Wir jedenfalls haben kein Bedürfnis, uns jede Woche die politischen Schüttelreime des Bundeskanzlers in den Wochenschauen anzuhören. Wir meinen, daß die Wochenschau ein objektives Bild des politischen Geschehens geben soll, wozu selbstverständlich auch die Meinungen des Regierungschefs gehören. Aber es wäre sicher eine zu weitgehende Strapazierung der Langmut der Kinobesucher, wenn man ihnen ausschließlich, wie das in der „Deutschen Wochenschau" bisher mehr als in anderen Wochenschauen der Fall war, den Bundeskanzler allein und in den verschiedensten Situationen darstellte.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Es gibt zwei Möglichkeiten, sich in der Frage der Teilprivatisierung der „Deutschen Wochenschau" vernünftig zu verhalten. Wenn Sie eine Teilprivatisierung wollen, wenn Sie also dem Bund eine in den Eigentumsverhältnissen begründete Mitverantwortung weiterhin geben und wenn Sie einen Beirat bestehen lassen wollen, dem Mitglieder dieses Hohen Hauses angehören, dann müssen Sie diesen Beirat in seinen inhaltlichen und personellen Mitwirkungsrechten so ausstatten, daß er mehr ist als ein Aushängeschild für die UFA, daß er der Sache nach in der Lage ist, diese seine Mitverantwortung zu übernehmen. Wenn Sie dem Beirat diese Stellung nicht geben
wollen, dann entschließen Sie sich zu einer völligen Privatisierung! Dann halten Sie den Bund völlig aus der Sache heraus! Aber tun Sie auf keinen Fall etwas, was die Kompetenzen und die Verantwortlichkeiten unklar werden läßt, indem Sie eine Verbindung von wirtschaftlicher und staatlicher Macht schaffen, die nachher niemand mehr durchschauen, niemand kontrollieren und für die niemand mehr geradestehen kann.
Vizepräsident Dr. Preusker: Das Wort hat der Abgeordnete Zoglmann.