Rede von
Dr.
Rudolf
Vogel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich bin durchaus nicht abgeneigt, mich in eine Diskussion einzulassen, weil wir in dieser Beziehung gar nichts zu fürchten haben. Aber wir können ja das Thema nachher in der zweiten und dritten Lesung noch vertiefen; ich glaube, wir werden uns gegenseitig nichts ersparen.
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eine allgemeine Bemerkung einflechten. Es täte mir leid, wenn die Erfahrungen, die von über fünfzig Kollegen quer durch alle Fraktionen hindurch bei Auslandsreisen gesammelt worden sind, dem Hohen Hause verlorengingen. Wir sollten einmal ernstlich nachdenken, ob das, was draußen in der Welt gesehen worden ist, nicht in irgendeiner vernünftigen Form dem ganzen Hohen Hause zugänglich gemacht werden sollte. Wir können, glaube ich, alle miteinander etwas daraus lernen, wenn einzelne von uns Beobachtungen in Afrika, in Mittelamerika, in Südamerika, also in entlegenen Gebieten, gemacht haben.
Lassen Sie mich, bevor ich zum Schluß komme, noch ein kurzes Wort zu den sogenannten Sondervermögen sagen. Wir haben mit Vergnügen festgestellt, daß in der Zwischenzeit bei der Bundespost, nicht zuletzt dank der energischen Bemühungen unseres Kollegen Stücklen — ich glaube, hier muß ich ihm ein Lob aussprechen — eine Wandlung zum Besseren stattgefunden hat und daß hier die neuen großen Investitionen vor allem im Fernsprech- und Fernmeldeverkehr ihre Früchte getragen haben. Im Haushaltsausschuß sind wir immer dankbar, wenn die Umsätze der Bundespost sich erhöhen und infolgedessen auch dem Bundeshaushalt mehr zufließt und wir hier nicht in Anspruch genommen werden, wie das bei der Bundesbahn der Fall ist.
Ich spreche einen Wunsch meiner Freunde aus, wenn ich der Erwartung Ausdruck gebe, daß das Bundesverkehrsministerium mit großer Energie
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5161
Dr. Vogel
daran geht, ein neues Bundesbahngesetz zu erarbeiten. Wir erwarten, daß es uns im kommenden Jahr vorgelegt wird. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns völlig darin einig, daß das Brandtsche Gutachten und die anderen bereits erstatteten Gutachten wahrscheinlich nur dann einen Sinn haben werden, wenn sie auch zu einer Änderung des Bundesbahngesetzes führen und wenn an der Spitze der Bundesbahn eine elastischere, eine kaufmännischere Führung möglich wird, als das bis jetzt auf Grund des allzu starren Gesetzes der Fall war.
In den letzten Tagen hörten wir eine Meldung, die, glaube ich, von mancher Seite mißdeutet worden ist. Es wurde gemeldet, der Bargeldumlauf in der Bundesrepublik habe zum erstenmal die 20-Milliarden-Grenze überschritten. Das stimmt den einfachen Mann zunächst bedenklich. Aber ich glaube, man kann an dieser Stelle ruhig sagen, daß mit der Ausweitung des Bruttosozialprodukts, das 1958 bereits eine Höhe von 236 Milliarden DM erreicht hatte, naturgemäß auch das Umlaufgeld mit wachsen muß, wenn es seinen Funktionen gerecht werden soll. Wir haben aller Voraussicht nach im kommenden Jahr eine Steigerung des Bruttosozialprodukts um mindestens 6 % zu erwarten und werden uns auch mit einer Steigerung des Bargeldumlaufs abfinden müssen.
Ich möchte noch ein Wort an die Adresse bestimmter Kreise sagen, die im Zusammenhang mit Veröffentlichungen des auch von mir sehr geschätzten Professors Hahn wieder das Thema der Aufwertung der Mark anklingen lassen. Ich glaube, die bisherige Entwicklung hat klar bewiesen, daß wir mit dem Festhalten an dem jetzigen Mark-Kurs gut getan haben und daß wir keinerlei Veranlassung haben, etwa gerade in diesem Augenblick an eine Aufwertung der Mark oder an irgendeine Kursveränderung zu denken.
Die Entwicklung in diesem Dezember wird besonders interessant werden. In dem letzten Bundesbank-Bericht können Sie Hinweise darauf finden, daß man unter Umständen mit einer Rückkehr von über einer Milliarde Mark von im Ausland angelegtem deutschem Geld rechnen könne. Ich weiß nicht, ob eine solche Erwartung angesichts der neuen Zinserhöhungen in den Vereinigten Staaten noch gerechtfertigt ist. Wir dürfen unsere Augen allerdings nicht davor verschließen, daß wir zur Zeit zwar eine aktive Handelsbilanz, aber eine passive Kapitalbilanz haben. Das ist ein Faktum, das der Allgemeinheit noch viel zuwenig bewußt geworden ist. Zwar haben wir, auch im Rahmen des Haushalts, eine Reihe von Kapitalexporten vorgenommen, die nicht ohne Einfluß darauf geblieben sind. Aber insgesamt werden wir uns in den kommenden Jahren vielleicht doch einmal überlegen müssen, ob die Auslandsreisen, die das deutsche Volk sich jetzt angewöhnt hat, noch weiter in dem gleichen Umfang gesteigert werden können, wie das bis jetzt der Fall war. Auch hier sehe ich eine bestimmte Grenze kommen, die einfach durch unsere Handels- und unsere Kapitalbilanz gezogen wird.
Ich habe jedoch keine Sorge, daß die Konjunkturentwicklung des nächsten Jahres den Optimismus des Bundesfinanzministers nicht rechtfertigen wird. Ich habe im allgemeinen bis jetzt die Erfahrung gemacht — ich glaube, Sie werden sie mit mir gemacht haben —, daß eine überhitzte Konjunktur unter Umständen weitaus gefährlichere Folgen haben kann als eine kleine Rezession, eine kleine Abschwächung. Einer kleinen Abschwächung kann man mit Regierungsmaßnahmen begegnen, einer überhitzten Konjunktur kann jedenfalls eine Regierung nur sehr schwer entgegentreten. Die Regierung wird alle Hände voll zu tun haben, um in diesem Winter und im kommenden Jahr einer solchen Überhitzung entgegenzutreten, falls sie sich noch weiter entwickeln sollte.
Ich freue mich, daß der Bundesfinanzminister den Grundsatz, daß keine neuen Ausgaben ohne neue Steuern denkbar sind, zum Kern seiner Ausführungen gemacht hat. Dieser Grundsatz ist ein uralter Grundsatz jeder vernünftigen. Haushaltsgebarung gewesen und sollte es auch in der Zukunft sein. Keiner von uns kann über seine Verhältnisse leben, wenn er nicht jemanden findet, der ihn für vertrauenswürdig genug hält und ihm das Geld dafür borgt, daß er über seine Verhältnisse — eine gewisse Zeitlang vielleicht - leben kann. Auch kein Land kann über seine Verhältnisse hinaus leben. Wie schwer Anleihen zu bekommen sind, wie schwer es ist, wieder Fundamente in das nach zwei Inflationen schwer erschütterte Vertrauen des deutschen Volkes zu senken, das haben wir alle am eigenen Leibe mit gespürt. Seien wir dankbar dafür, daß es gelungen ist, wieder eine neue Vertrauensbasis zu schaffen, und arbeiten wir alle gemeinschaftlich daran, daß uns diese Vertrauensbasis weiter erhalten bleibt!