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ID0309302700

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    Deutscher Bundestag 93. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1959 Inhalt: Nachruf auf die Opfer der Staudammkatastrophe bei Fréjus . . . . . . . 5119 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Diel und Wittmer-Eigenbrodt . . . 5119 A Begrüßung der Senatoren Johnston und Case des amerikanischen Senats . . . 5132 A Wahl des Abg. Niederalt in den Schuldenausschuß bei der Bundesschuldenverwaltung 5119 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das .Rechnungsjahr 1960 (Haushaltsgesetz 1960) (Drucksache 1400) — Erste Beratung — Etzel, Bundesminister . . 5119D, 5172 A Ritzel (SPD) 5137 D, 5172 D Dr. Vogel (CDU/CSU) 5151 C Lenz (Trossingen) (FDP) . . . . 5161 D Niederalt (CDU/CSU) 5167 C Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr (Drucksache 1435) ; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 1448) — Zweite und dritte Beratung — Ritzel (SPD) 5133 D Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (CDU/CSU) (Drucksache 515); Berichte des Haushaltsund des Finanzausschusses (Drucksachen 1346, 1270, zu 1270) — Zweite und dritte Beratung — Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . . 5134 C, 5136 A Wieninger (CDU/CSU) 5135 C Dollinger (CDU/CSU) . . . . . 5136 B Zur Tagesordnung Rösing (CDU/CSU) . . . . . . . 5136 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland und Italiens zu den zwischen den Regierungen Belgiens, Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande und des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland geschlossenen und am 17. April 1950 in Brüssel unterzeichneten Übereinkommen über Grenzarbeitnehmer und über Gastarbeitnehmer (Drucksache 1188); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 1447) — Zweite und dritte Beratung — 5136 D Sammelübersicht 15 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache 1427) 5137 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und des Umsatzsteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1403) — Erste Beratung — . . . . . . . . 5137 B Antrag der Abg. Wilhelm, Bach, Ritzel, Schmitt (Vockenhausen) u. Gen. betr. Abgeltungsbetrag und Härteausgleichszahlung für Arbeiter, Angestellte und Beamte des öffentlichen Dienstes im Saar land (Drucksache 1453) 5137 B Antrag des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes betr. Zustimmung zur Veräußerung einer Beteiligung an der Deutsche Wochenschau GmbH, Hamburg (Drucksache 1039); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 1474) Lohmar (SPD) . . 5176 D, 5179 B Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 5178 C Dr. Lindrath, Bundesminister . . . 5179 C Entwurf einer Zehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Vorprodukte zur Herstellung von Hormonen usw.); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1454, 1475) 5180 C Entwurf einer Elften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Zolltarifvereinbarungen mit der Schweiz usw.) ; Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1455, 1476) . . . 5180 C Entwurf einer Zwölften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Gefriergemüse usw.); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1462, 1478) Wehr (SPD) 5180 D Nächste Sitzung 5181 C Anlagen 5183 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5119 93. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 12. 12. Blachstein 11. 12. Brüns 12. 12. Dr. Dahlgrün 11. 12. Dr. Deist 10. 12. Dr. Dittrich 12. 12. Dopatka 11. 12. Engelbrecht-Greve 11. 12. Even (Köln) 11. 12. Gaßmann 11. 12. Gedat 12. 12. Geiger (München) 11. 12. Gewandt 12. 12. Dr. Gradl 12. 12. Dr. Greve 12. 12. Dr. Gülich 15. 12. Hahn 12. 12. Hellenbrock 10. 12. Hilbert 15. 12. Jacobi 10. 12. Jahn (Frankfurt) 15. 12. Kemmer 11. 12. Frau Klemmert 11. 12. Könen (Düsseldorf) 10. 12. Dr. Kopf 11. 12. Dr. Kreyssig 10. 12. Kriedemann 12. 12. Dr. Löhr 10. 12. Lulay 31. 12. Maier (Freiburg) 15. 12. Margulies 11. 12. Prennel 12. 12. Rademacher 11. 12. Rasner 11. 12. Dr. Ratzel 11. 12. Richarts 11. 12. Scheel 11. 12. Dr. Schild 11. 12. Schoettle 12. 12. Dr. Starke 12. 12. Stenger 11. 12. Frau Strobel 10. 12. Theis 12. 12. Dr. Willeke 12. 12. Wittmer-Eigenbrodt 11. 12. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Memmel betreffend Bundesmittel für die bayerischen Winzergenossenschaften (Fragestunde der 89. Sitzung vom 11. 11. 1959, Drucksache 1347) : Ich frage die Bundesregierung, welche Mittel - aufgegliedert nach verlorenen Zuschüssen und zinsverbilligten Darlehen - bisher den bayerischen Winzergenossenschaften vom Bund zugeflossen sind. In Ergänzung der in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 11. November 1959 mündlich erteilten Antwort darf ich mitteilen, daß nach Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bayerische Winzergenossenschaften seit dem Jahre 1954 bis zum Abschluß der Zinsverbilligungsaktion „Anschaffung von Gemeinschaftseinrichtungen und -maschinen" am 30. Juni 1959 Darlehen von insgesamt 956 500 DM in Anspruch genommen haben, die mit Bundesmitteln zinsverbilligt wurden. Schwarz Anlage 3 Erklärung zur Abstimmung gemäß § 59 der Geschäftsordnung. Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei hat zu Punkt 2 der Tagesordnung der 93. Sitzung des Deutschen Bundestages den Änderungsanträgen zur 2. Beratung des Entwurfs des 10. Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Umdrucke 447 und 449) zugestimmt, weil sich diese mit einem Änderungsantrag decken, den die Fraktion ,der FDP als Umdruck 450 eingebracht hat, der aber nicht mit zur Abstimmung gestellt werden konnte, weil er infolge eines eigenen technischen Versehens dem Hohen Hause zu spät vorgelegt wurde. Mauk Dr. Bucher Anlage 4 Umdruck 447 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 515, 1270, zu 1270). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 wird die neugefaßte Ziffer 4a des § 4 wie folgt ergänzt: i. Hinter dem Wort „Früchte" wird das Wort „ , frisch, " eingefügt. 2. Hinter den Worten „Gemüse und Küchenkräuter" wird das Wort „ , frisch," eingefügt. 3. Hinter den Worten „Kaffee-Ersatzmittel und Kaffee-Ersatzmittelextrakte" wird das Wort „Kindernährmittel" neu eingefügt. Bonn, den 8. Dezember 1959 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 Umdruck 449 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 515, 1270, zu 1270). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 wird die neugefaßte Ziffer 4a des § 4 wie folgt ergänzt: 1. Hinter dem Wort „Früchte" wird das Wort „ , frisch," eingefügt. 2. Hinter den Worten „Gemüse und Küchenkräuter" wird das Wort „ , frisch," eingefügt. Bonn, den 9. Dezember 1959 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Hermsdorf, ich werde stets anerkennen, daß gerade bei Ihnen persönlich unid Ihren Freunden diese Bereitschaft bei der Berlinfrage und den sich daraus entwikkelten Fragen da war.

    (Abg. Hermsdorf: Auch danach, als Sie in Amerika waren und es um die Öffentlichkeitsarbeit ging!)

    — Ja, ich hörte nachher, daß Sie zustimmten, gemeinschaftlich etwas zu unternehmen. Wir sind die allerletzten, die das abstreiten wollen. Herr Kollege Hermsdorf, wenn wir uns nicht langsam angewöhnen, in Dingen, die die Existenz dieser Nation angehen, zusammenzustehen, dann ist dieses Volk in der Situation, in der es sich befindet, verloren.

    (Zustimmung in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

    — Das bestreitet Ihnen niemand. Aber Sie müssen mir erlauben, bei einer solchen Gelegenheit auf einen Gefahrenpunkt hinzuweisen, den wir gemeinsam sehen müssen.
    Lassen Sie mich jetzt zu weiteren Punkten kommen, die im Zusammenhang mit der Haushaltsaufstellung stehen. Der Haushalt des Jahres 1960 gründet sich im Grunde genommen auf zwei Dinge: erstens auf die Steuereingänge, die vorauskalkuliert sind, und zweitens auf die Bereitschaft des Kapitalmarkts, die 3 Milliarden DM aufzubringen, die der Bundesfinanzminister vom Kapitalmarkt haben möchte. Auf den letzten Punkt bin ich bereits etwas näher eingegangen. Auch ich teile mit dem Bundesfinanzminister die Sorge, die der Zentralrat der Bundesbank ausgesprochen hat. Ich glaube, die Mitglieder des Hohen Hauses werden alle mit Nutzen die Rede des Herrn Präsidenten der Deutschen Bundesbank vom 30. Oktober lesen, die er vor der Industrie- und Handelskammer in Essen über den gegenwärtigen Stand der deutschen Konjunktur gehalten hat und die in der Oktober-Nummer der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank abgedruckt ist. Es ist eine überaus lesenswerte konzentrierte Darstellung des Ablaufs des Jahres 1959.
    Lassen Sie mich noch etwas hinzufügen, weil es auch für den künftigen Haushalt von entscheidender Bedeutung sein kann. Herr Kollege Professor Dr. Erhard ist in der deutschen Presse manchmal etwas
    spöttelnd kritisiert worden, er sei als eine Art Wanderprediger durch die Lande gezogen, um in bestimmten Gefahrenmomenten der deutschen wirtschaftlichen Entwicklung seine Stimme zu erheben. Professor Erhard hat etwas durchaus Richtiges getan. Er ist ein sehr kluger Psychologe, der die volle Bedeutung dessen begriffen hat, was es heißt, eine bestimmte Meinung auch in der Wirtschaft zu bilden. Nicht umsonst hat der Präsident der Bundesbank dabei gesagt, daß z. B. der Kreditmarkt wahrscheinlich buchstäblich „zerredet" worden ist, und nicht umsonst ist darauf hingewiesen worden, was für eine ungeheure Bedeutung eine bestimmte herrschende Meinung über den Konjunkturablauf auch für die Dispositionen in der gesamten Wirtschaft haben kann und wahrscheinlich auch haben wird. Wenn erst einmal ein Verdacht erwacht und allzuviel geredet wird, daß es besser sei, sich jetzt ein großes Lager anzulegen, weil die Entwicklung in der Währung vielleicht nicht ganz so sein könnte, wie man erwarte, und wenn erst einmal davon geredet wird, es sei besser, jetzt nicht festverzinsliche Werte zu kaufen, weil eine kurze Notiz in den Zeitungen stand, man könne nach Meinung der Bundesbank mit billigeren Zinssätzen im kommenden Frühjahr rechnen — das war eine Vermutung, die die Bundesbank jetzt dementiert hat —, dann geht davon eine ungeheure suggestive Kraft aus; sie hat in der Vergangenheit bestimmte wirtschaftliche Aufschwungserscheinungen und auch Rezessionen bewirkt. Ich glaube, daß es infolgedessen durchaus richtig ist, wenn hier rechtzeitig mit allem Nachdruck erklärt wird: Nein, ihr müßt mit dem Zinssatz von 51/2 % rechnen, der augenblicklich auf dem Markt gilt, und wenn die Bundesregierung klipp und klar sagt, daß sie entschlossen ist, alles . in ihren Kräften Stehende zu tun, um irgendwelchen weiteren Preisausweitungen entgegenzutreten. Wir werden das ja morgen hoffentlich in konzentrierter Form bei der Preisdebatte hören.
    Es ist übrigens ganz interessant, sich einmal die ungeheuren Differenzen in dem Konjunkturablauf des vergangenen Jahres vor Augen zu führen. An der Spitze der Ausweitung standen die Kunststoffe mit 28 %. Dann kam der Schiffsbau mit 20 %; das ist eine sehr bemerkenswerte Entwicklung in den Hafenstädten. Es folgten die Fahrzeugindustrie mit nur 14 % und die Elektroindustrie mit 9 %. Weite Bereiche der deutschen Wirtschaft haben sich sehr wenig verändert, wobei die Textilindustrie im ersten Quartal sogar ein Minus von 5 % gegenüber dem Vorjahr hatte und erst in den letzten beiden Quartalen mit 3,9 % und 3,2 % aufholte. Der Bergbau wies gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 4,1 % auf.
    Für eine Betrachtung der künftigen Konjunktur sind aber entscheidender als diese Ziffern die Auftragseingänge. Hier ist die Entwicklung folgende: Seit April haben wir eine Steigerung der Auftragseingänge von über 20 % — immer am Vorjahr gemessen — und im August von 25 %, im September von 34 %. Diese Entwicklung hält an und kann natürlich unter Umständen im kommenden Jahr zu einer Überhitzung führen.
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5159
    Dr. Vogel
    Wir können unsere Augen aber auch nicht vor bestimmten großen strukturellen Veränderungen verschließen, und hier komme ich zu einem zweiten Problem, dessen Erörterung mir in diesem Zusammenhang ganz besonders am Herzen liegt; das ist die zentrale Stellung, die der deutsche Export nicht nur jetzt hat, sondern auch in den kommenden Jahren im deutschen Wirtschaftsleben immer haben wird.
    Meine Damen und Herren, wir sind in der Bundesrepublik nun einmal in die Lage hineingedrängt worden, in der sich England seit ungefähr einer Generation befindet. Von dem Steigen oder Fallen des deutschen Exports wird der Lebensstandard des deutschen Volkes in den kommenden Jahren in ganz entscheidender Weise abhängen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Infolgedessen werden wir gut daran tun, diese Dinge sehr genau zu überwachen und uns hier auch bestimmte Strukturveränderungen vor Augen zu führen. Es ist, glaube ich, bis in weite Teile des deutschen Volkes noch nicht durchgedrungen, daß die Vereinigten Staaten der erste Abnehmer Deutschlands — vor Holland — geworden sind, daß auch Kanada einen entsprechenden Sprung vorwärts getan hat und daß wir einer wachsenden Verlagerung unseres Exports entgegengehen. Diese Dinge werden naturgemäß bestimmte Rückwirkungen auf den Kapital- und Geldverkehr zwischen diesen Ländern haben.
    Eines jedoch sollten wir uns dabei ständig vor Augen halten: Wir wollen alle eine weitere Steigerung unseres nationalen Lebensstandards; aber der Export hängt — das wissen wir alle — auf das allerengste mit der Preisfrage zusammen, und wir werden nicht mehr exportieren können, wenn wir in den Preisen nicht mehr mit den Hauptkonkurrenten auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig sein werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Hier sehen wir den Ring sich schließen — einen Ring, der um die Preisfrage, die Lohnfrage, die Frage der Arbeitszeit und den deutschen Export fest geschlossen ist. Alle diese Probleme sind ein untrennbares Ganzes, und wir können sie nicht voneinander trennen. Wir können unseren Export nur dann, steigern, wenn wir mehr arbeiten, wenn wir m e h r produzieren. Wir sind nicht in der Lage, dieselben Kapitalinvestitionen wie die Vereinigten Staaten in unsere Wirtschaft hineinzugeben. Wir sind nicht in der gleichen Lage wie England und Frankreich, die keine Inflation hinter sich haben. Wir Deutsche leben im Grunde genommen mehr oder weniger von unserer Hände Arbeit. Infolgedessen sollten wir sehr sorgsam beachten, daß wir immer ein wenig mehr und intensiver arbeiten müssen, als die anderen Völker zu arbeiten brauchen, die sich noch ihr Kapital erhalten haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich erkenne dankbar an, daß in der vergangenen Zeit auch von seiten der Gewerkschaften Maß gehalten worden ist. Wir von der CDU — und das möchte ich in diesem Zusammenhang mit dem gleichen Nachdruck sagen — haben stets auf dem Standpunkt gestanden, daß steigende Gewinne auch steigende Löhne oder, wenn das nicht möglich ist, zum mindesten Preissenkungen seitens der mehr verdienenden Industrie nach sich ziehen sollen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das ist ein gesunder und vernünftiger Grundsatz; das ist nicht nur ein Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit, sondern er entspringt einer ganz kühlen und nüchternen volkswirtschaftlichen Überlegung. Aber wir alle können gerade jetzt am Jahresende unsere Sorge vor einer sich hier und da bereits abzeichnenden neuen Lohn-Preis-Spirale nicht verbergen. Dann wird wieder ein langes Gerede über die Schuldfrage einsetzen.
    Vergessen wir nicht, meine Damen und Herren: wir haben bereits in den letzten zwei Jahren eine kleine Schere sich öffnen sehen. Wir haben eine sehr schnelle Steigerung der Reallöhne beobachtet. Ich habe hier in den vergangenen Jahren klipp und klar gesagt: Ich sehe in einem solchen Voraneilen der Reallöhne keine Gefahr für die deutsche Volkswirtschaft, solange das deutsche Volk in dem gleichen Maße weiter spart, wie es bisher gespart hat, d. h. wenn es nicht das, was es mehr verdient, gleich verzehrt, sondern es zurücklegt und dadurch zu einer Zinsverbilligung und zu neuen Investitionen beiträgt. Dieser Sparsinn ist uns Gott sei Dank erhalten geblieben, und ich glaube, wir haben allen Grund, der deutschen Öffentlichkeit dafür dankbar zu sein, daß sie diesen Sparsinn weiter gepflegt und entwickelt hat und damit sich selbst und dem ganzen deutschen Volke einen großen volkswirtschaftlichen Dienst erwiesen hat.
    Lassen Sie mich aber im Zusammenhang mit diesen Bewegungen auf dem Kapital- und Geldmarkt auf eins zu sprechen kommen, was wir gewöhnlich übersehen: Durch die neuen großen Kapitalbeteiligungen der Bundesrepublik an den neuen supranationalen Institutionen wie der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds, dem EWG-Fonds, dem Europäischen Fonds usw. werden außerhalb der Bundesrepublik gewaltige neue Vermögen geschaffen. Wenn Sie z. B. nur die in den kommenden Jahren einzuzahlenden Beträge hei der Weltbank und beim Währungsfonds zusammennehmen, kommen Sie allein bei diesen beiden Institutionen auf eine deutsche Beteiligung - ich sage ausdrücklich, wenn die Einzahlungen vollzogen sein werden —, die größer sein wird als das jetzige ERP-Vermögen in Höhe von 7 Milliarden DM. Auch diese Bewegungen sollten wir bei unseren Betrachtungen nicht ganz außer acht lassen; wir sollten sie keineswegs verschweigen, wenn wir im Ausland gefragt werden, was wir bisher für die Entwicklungsländer unternommen haben. Ich glaube, wir können mit Stolz darauf verweisen, daß wir hier his an die Grenze unserer Kapitalleistungsfähigkeit gegangen sind. Wir werden in der Zukunft vielleicht noch neue Beiträge auf diesem Gebiet zu leisten haben.
    5160 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959
    Dr. Vogel
    Wer aus diesem Hohen Hause mit mir zusammen an der Begegnung mit den afrikanischen Politikern in Cannes teilgenommen hat, wird sich erinnern, wie zugespitzt bereits die Forderungen sind, die uns von einer Reihe von afrikanischen Entwicklungsländern heute unterbreitet werden. Wenn heute die afrikanischen Länder z. B. unter Berufung auf die — von niemandem geleugneten — alten, traditionellen Verbindungen zwischen uns und Afrika aus einer langen gemeinsamen Geschichte — nicht nur einer Kolonialgeschichte, sondern einer in die Jahrtausende zurückreichenden alten Kulturgeschichte — die Forderung stellen: „Ihr Europäer seid auf Grund dieser Bindungen verpflichtet, zuerst für uns in Afrika etwas zu tun und dann erst für die anderen etwas zu tun", so wirft das für uns alle eine ungeheuer folgenschwere Frage auf. Ich weiß nicht, ob wir heute schon in der Lage sind, auf eine solche Forderung zu antworten; ich weiß nicht, ob wir es uns heute leisten können, die weiten Gebiete Asiens in das zweite Glied zurücktreten zu lassen und unsere volle finanzielle Kraft zuerst auf Afrika zu konzentrieren. Ich fürchte, meine Freunde, daß das Ausland zum Teil zu hohe Erwartungen hegt, die Vorstellungen über die deutsche Leistungsfähigkeit zu hoch emporgeschraubt hat — wir haben das sicherlich nicht beabsichtigt, aber es ist so — und daß man in die Möglichkeit der Entsendung von Tausenden von deutschen Ingenieuren, von noch viel mehr Tausenden von deutschen Lehrkräften, von Medizinern heute ganz bestimmte Erwartungen setzt, während wir selber im Inland noch nicht einmal die nötigen Kräfte haben, um unsere Fachschulen, um unsere Hochschulen, um die Arbeitsplätze in unserer Industrie zu besetzen. Das alles wird zu weitergehenden Folgerungen führen, auf die ich hier zunächst noch nicht näher eingehen möchte, die uns aber bei der zweiten Lesung, vor allen Dingen der Einzelpläne 05 und 06, der Haushaltspläne des Auswärtigen Amtes und des Innenministeriums, beschäftigen werden.

    (Abg. Dr. Schäfer: Dann müßten Sie also in Zukunft unseren Anträgen zustimmen!)

    — Herr Kollege Dr. Schäfer, soweit bei Ihren Anträgen die Möglichkeit einer vernünftigen Deckung besteht, haben wir uns, glaube ich, immer verständigen können.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Wenn aber heute morgen in den Zeitungen zu lesen ist, daß auch Ihr Kollege von Knoeringen in Ihrer eigenen Fraktion, glaube ich, schon auf einige Schwierigkeiten hinsichtlich der Erfüllbarkeit seiner finanziellen Vorstellungen gestoßen ist, dann, meine ich, wird es notwendig sein, auch diese einmal einer bestimmten Korrektur zu unterziehen und zu prüfen, was in den nächsten Jahren überhaupt möglich ist. Das werden wir einmal gemeinsam untersuchen.

    (Abg. Erler: Zwischen Korrektur und grundsätzlicher Ablehnung ist aber noch ein Unterschied!)

    — Nun, was die gegenseitige Ablehnung betrifft, so haben wir uns vermutlich gegenseitig nichts vorzuwerfen, Herr Kollege Erler.

    (Abg. Erler: Na, na! 85 Prozent der Vorlagen der Regierung werden doch mit uns angenommen; aber ich erinnere mich aus den letzten Jahren nicht, daß Sie je einen sozialdemokratischen Antrag angenommen hätten!)

    — Herr Kollege Erler, es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen alle Anträge zuzureichen, bei denen wir mit Ihnen gestimmt haben. Sie können sich darauf verlassen; mein Gedächtnis und das meiner Freunde in dieser Beziehung ist sehr präzise.

    (Abg. Erler: Wenn Sie denselben Antrag einbringen, nur damit ein CDU-Antrag angenommen wird und nicht ein SPD-Antrag!)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Erler, ich bitte Sie, sich nachher zu Wort zu melden, wenn Sie eine Rede halten wollen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich bin durchaus nicht abgeneigt, mich in eine Diskussion einzulassen, weil wir in dieser Beziehung gar nichts zu fürchten haben. Aber wir können ja das Thema nachher in der zweiten und dritten Lesung noch vertiefen; ich glaube, wir werden uns gegenseitig nichts ersparen.
    Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eine allgemeine Bemerkung einflechten. Es täte mir leid, wenn die Erfahrungen, die von über fünfzig Kollegen quer durch alle Fraktionen hindurch bei Auslandsreisen gesammelt worden sind, dem Hohen Hause verlorengingen. Wir sollten einmal ernstlich nachdenken, ob das, was draußen in der Welt gesehen worden ist, nicht in irgendeiner vernünftigen Form dem ganzen Hohen Hause zugänglich gemacht werden sollte. Wir können, glaube ich, alle miteinander etwas daraus lernen, wenn einzelne von uns Beobachtungen in Afrika, in Mittelamerika, in Südamerika, also in entlegenen Gebieten, gemacht haben.
    Lassen Sie mich, bevor ich zum Schluß komme, noch ein kurzes Wort zu den sogenannten Sondervermögen sagen. Wir haben mit Vergnügen festgestellt, daß in der Zwischenzeit bei der Bundespost, nicht zuletzt dank der energischen Bemühungen unseres Kollegen Stücklen — ich glaube, hier muß ich ihm ein Lob aussprechen — eine Wandlung zum Besseren stattgefunden hat und daß hier die neuen großen Investitionen vor allem im Fernsprech- und Fernmeldeverkehr ihre Früchte getragen haben. Im Haushaltsausschuß sind wir immer dankbar, wenn die Umsätze der Bundespost sich erhöhen und infolgedessen auch dem Bundeshaushalt mehr zufließt und wir hier nicht in Anspruch genommen werden, wie das bei der Bundesbahn der Fall ist.
    Ich spreche einen Wunsch meiner Freunde aus, wenn ich der Erwartung Ausdruck gebe, daß das Bundesverkehrsministerium mit großer Energie
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5161
    Dr. Vogel
    daran geht, ein neues Bundesbahngesetz zu erarbeiten. Wir erwarten, daß es uns im kommenden Jahr vorgelegt wird. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns völlig darin einig, daß das Brandtsche Gutachten und die anderen bereits erstatteten Gutachten wahrscheinlich nur dann einen Sinn haben werden, wenn sie auch zu einer Änderung des Bundesbahngesetzes führen und wenn an der Spitze der Bundesbahn eine elastischere, eine kaufmännischere Führung möglich wird, als das bis jetzt auf Grund des allzu starren Gesetzes der Fall war.
    In den letzten Tagen hörten wir eine Meldung, die, glaube ich, von mancher Seite mißdeutet worden ist. Es wurde gemeldet, der Bargeldumlauf in der Bundesrepublik habe zum erstenmal die 20-Milliarden-Grenze überschritten. Das stimmt den einfachen Mann zunächst bedenklich. Aber ich glaube, man kann an dieser Stelle ruhig sagen, daß mit der Ausweitung des Bruttosozialprodukts, das 1958 bereits eine Höhe von 236 Milliarden DM erreicht hatte, naturgemäß auch das Umlaufgeld mit wachsen muß, wenn es seinen Funktionen gerecht werden soll. Wir haben aller Voraussicht nach im kommenden Jahr eine Steigerung des Bruttosozialprodukts um mindestens 6 % zu erwarten und werden uns auch mit einer Steigerung des Bargeldumlaufs abfinden müssen.
    Ich möchte noch ein Wort an die Adresse bestimmter Kreise sagen, die im Zusammenhang mit Veröffentlichungen des auch von mir sehr geschätzten Professors Hahn wieder das Thema der Aufwertung der Mark anklingen lassen. Ich glaube, die bisherige Entwicklung hat klar bewiesen, daß wir mit dem Festhalten an dem jetzigen Mark-Kurs gut getan haben und daß wir keinerlei Veranlassung haben, etwa gerade in diesem Augenblick an eine Aufwertung der Mark oder an irgendeine Kursveränderung zu denken.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Entwicklung in diesem Dezember wird besonders interessant werden. In dem letzten Bundesbank-Bericht können Sie Hinweise darauf finden, daß man unter Umständen mit einer Rückkehr von über einer Milliarde Mark von im Ausland angelegtem deutschem Geld rechnen könne. Ich weiß nicht, ob eine solche Erwartung angesichts der neuen Zinserhöhungen in den Vereinigten Staaten noch gerechtfertigt ist. Wir dürfen unsere Augen allerdings nicht davor verschließen, daß wir zur Zeit zwar eine aktive Handelsbilanz, aber eine passive Kapitalbilanz haben. Das ist ein Faktum, das der Allgemeinheit noch viel zuwenig bewußt geworden ist. Zwar haben wir, auch im Rahmen des Haushalts, eine Reihe von Kapitalexporten vorgenommen, die nicht ohne Einfluß darauf geblieben sind. Aber insgesamt werden wir uns in den kommenden Jahren vielleicht doch einmal überlegen müssen, ob die Auslandsreisen, die das deutsche Volk sich jetzt angewöhnt hat, noch weiter in dem gleichen Umfang gesteigert werden können, wie das bis jetzt der Fall war. Auch hier sehe ich eine bestimmte Grenze kommen, die einfach durch unsere Handels- und unsere Kapitalbilanz gezogen wird.
    Ich habe jedoch keine Sorge, daß die Konjunkturentwicklung des nächsten Jahres den Optimismus des Bundesfinanzministers nicht rechtfertigen wird. Ich habe im allgemeinen bis jetzt die Erfahrung gemacht — ich glaube, Sie werden sie mit mir gemacht haben —, daß eine überhitzte Konjunktur unter Umständen weitaus gefährlichere Folgen haben kann als eine kleine Rezession, eine kleine Abschwächung. Einer kleinen Abschwächung kann man mit Regierungsmaßnahmen begegnen, einer überhitzten Konjunktur kann jedenfalls eine Regierung nur sehr schwer entgegentreten. Die Regierung wird alle Hände voll zu tun haben, um in diesem Winter und im kommenden Jahr einer solchen Überhitzung entgegenzutreten, falls sie sich noch weiter entwickeln sollte.
    Ich freue mich, daß der Bundesfinanzminister den Grundsatz, daß keine neuen Ausgaben ohne neue Steuern denkbar sind, zum Kern seiner Ausführungen gemacht hat. Dieser Grundsatz ist ein uralter Grundsatz jeder vernünftigen. Haushaltsgebarung gewesen und sollte es auch in der Zukunft sein. Keiner von uns kann über seine Verhältnisse leben, wenn er nicht jemanden findet, der ihn für vertrauenswürdig genug hält und ihm das Geld dafür borgt, daß er über seine Verhältnisse — eine gewisse Zeitlang vielleicht - leben kann. Auch kein Land kann über seine Verhältnisse hinaus leben. Wie schwer Anleihen zu bekommen sind, wie schwer es ist, wieder Fundamente in das nach zwei Inflationen schwer erschütterte Vertrauen des deutschen Volkes zu senken, das haben wir alle am eigenen Leibe mit gespürt. Seien wir dankbar dafür, daß es gelungen ist, wieder eine neue Vertrauensbasis zu schaffen, und arbeiten wir alle gemeinschaftlich daran, daß uns diese Vertrauensbasis weiter erhalten bleibt!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)