Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stehen schwere Vorwürfe im Raum. Ich glaube, uns alle verbindet der Wunsch, daß unsere Demokratie intakt und sauber ist. Wenn wir den Boden verlieren, dann schwankt alles. Oft zeigen sich auch an kleinen Dingen Fehlentwicklungen.
Es handelt sich um den Hintergrund der Bestimmung des § 12 Absatz 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes, das in diesem Hohen Hause am 18. Februar 1959 — später noch einmal in Bestätigung eines Beschlusses des Vermittlungsausschusses, der aber diese Sache nicht berührte — einstimmig beschlossen worden ist. Eingefügt wurde der Satz:
Als Schuldverschreibung gelten auch im Inland ausgestellte Schuldscheine, wenn sie über Teile eines Gesamtdarlehens ausgestellt sind.
Daran hat sich nun eine sehr harte Kritik in der Öffentlichkeit angeschlossen, nicht nur von politischer Seite, nicht nur von interessierter Seite, sondern besonders durch durchaus seriöse Steuerrechtswissenschaftler und durch Publizisten.
Damit Sie erkennen, wie weit diese Vorwürfe reichen und wie sehr sie jeden einzelnen von uns im Hause angehen, darf ich eine kleine Auslese geben. Im „Betriebsberater" hat Professor Meilicke aus Bonn am 13. Juni 1959 diese Bestimmung über Schuldscheine als einen gesetzgeberischen Fehlschlag bezeichnet. Viel härter noch hat sich der Senior unserer Steuerrechtswissenschaft, Herr Professor Dr. Bühler, ausgedrückt, der am 11. September 1959 von ,,Tax-Lobbyismus", vom Mißbrauch der Gesetzgebungsgewalt gesprochen und zur Begründung angeführt hat, eine hinter den Kulissen tätige Interessentengruppe habe hier zwar nicht für sich eine Begünstigung, aber für ihre wirtschaftlichen Konkurrenten eine Sonderbelastung erwirkt, von deren Ausmaß und Wirkung der Bundestag sich offenbar kein Bild verschafft habe, als er diese Bestimmung beschloß.
Diese Wertung des Herrn Professor Dr. Bühler ist noch eine sehr wohlwollende; denn diese Interessentengruppe — ob sie hinter den Kulissen tätig war, wollen wir erst noch sehen — hat nicht nur eine Sonderbelastung für einen wirtschaftlichen Konkurrenten erreicht, sondern — ich muß schon sagen: sehr am Gesetzgeber vorbei — auch eine handfeste Begünstigung für sich, und zwar durch die Änderung der §§ 21 und 22 des Kapitalverkehrsteuergesetzes. Das hatte nämlich zur Folge, daß Geschäfte mit Wertpapieren und auch mit Schuldscheinen für die Banken — bei Geschäften von Bank zu Bank — von der Umsatzsteuer befreit worden sind.
Professor Dr. Katz, Köln, sprach von dieser Schuldscheinbestimmung als einer der unpassendsten Vorschriften, die der Deutsche Bundestag in der Steuergesetzgebung bisher beschert hat. Der ausgezeichnete Kommentator des Kapitalverkehrsteuergesetzes, Professor Dr. Kinnebrock, München, hat festgestellt, daß dieser gesetzlichen Bestimmung alle Grundlagen fehlten, daß der Schuldschein eben wesentliche Eigenschaften der Obligationen nicht besitze und deswegen nicht mit Schuldverschreibungen gleichgestellt werden könne und daß ihre Gleichstellung dazu führe, daß der Schuldschein auch von der Börsenumsatzsteuer erfaßt werde; das könne der vernünftige Gesetzgeber gar nicht gewollt haben, weil es gegen den Begriff, gegen das Wesen der Wertpapiere, gegen die Systematik des Gesetzes, gegen die Rechtssicherheit und gegen die Bestimmbarkeit steuerlicher Tatbestände verstoße. Er erklärt, diese Bestimmung müsse vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben werden.
Schwerer können die materiellrechtlichen Bedenken gar nicht mehr sein als die, die hier von Wissenschaftlern geltend gemacht werden.
Aber der härteste Vorwurf wird von dem sicher vielen von Ihnen bekannten Herrn Professor Dr. Flume von der hiesigen Universität erhoben, der zwischen dem Willen des Gesetzgebers und dem Willen der Initiatoren des Gesetzes unterscheidet und von der Möglichkeit spricht, daß die Initiatoren den Gesetzgeber über die denkbaren Konsequenzen im unklaren gelassen hätten. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem Mißbrauch der Gesetzgebung, der eine Perfidie sei.
Das sind die Vorwürfe gegen den Bundestag, die im Raume stehen und über die wir uns nach meiner Meinung mit allem Ernst unterhalten müssen.
Auch Professor Flume ist der Meinung, daß die Unterstellung von Darlehen mit Teilschuldscheinen unter die Börsenumsatzsteuer verfassungswidrig sei. Er fährt dann fort:
Sollten die Initiatoren des Gesetzes die Auswirkung, daß durch die Anwendung der Börsenumsatzsteuer die bisherige Praxis der Schuldscheindarlehen verhindert wird, tatsächlich erkannt haben, so ist der Wille der Initiatoren des Gesetzes nicht der Wille des Gesetzgebers und erst recht nicht des Gesetzes.
Selbst ein Mitglied des Finanzausschusses, also ein Mitglied unseres Hauses, der Herr Kollege Dr. Eckhardt, schreibt in einem Gutachten, daß nach seiner Meinung eine Verfassungsbeschwerde Erfolg haben werde, wenn der Nachweis geliefert werden könne, daß das Gesamtbild bei der Entstehungsgeschichte des Gesetzes eine gegen wenige Finanzmakler gerichtete Tendenz ergebe und daß es Ziel und Zweck des Gesetzes gewesen sei, gerade diese Personen um ihre Rechte zu bringen.
Also schwere Vorwürfe! Wir haben Anlaß, die Dinge genau zu erforschen und aus Anlaß dieses Falles zu prüfen, ob sich nicht in unsere Arbeit Methoden eingeschlichen haben, die als Fehlentwicklung des Parlamentarismus gewertet werden müssen.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1959 5053
Dr. Dehler
Ich glaube, es ist notwendig, daß wir uns das Zustandekommen der gesetzlichen Bestimmung des § 12 Abs. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes ganz genau überlegen und uns den Hintergrund sowie den Ablauf der Dinge vergegenwärtigen, damit wir ein klares Bild haben. Es besteht die Möglichkeit, beinahe wie bei einem anatomischen Präparat klarzulegen, wie die Dinge gelaufen sind. Es ergibt sich kein erfreuliches Bild.
Eine Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes war bei der Steuerreformgesetzgebung, die von der Bundesregierung Anfang 1958 eingebracht worden ist, mitgewollt. Ziel dieser Reform der Steuergesetzgebung war es, steuerliche Maßnahmen zur Entwicklung eines gesunden Kapitalmarktes und eine Vereinfachung der Steuerpraxis zum Nutzen der Steuerpflichtigen und auch der Finanzverwaltung, auch im Interesse der Steuergerechtigkeit durchzuführen. Dabei sollte der Grundsatz der wirtschaftlichen Neutralität der Steuerpolitik befolgt werden.
Herr Kollege Etzel hat, als er diese Gesetzgebung einbrachte, ausdrücklich darauf hingewiesen, man müsse den Mut haben, bequeme Finanzierungsmöglichkeiten zu beenden; wir müßten uns zu der Erkenntnis durchringen, daß es in der Marktwirtschaft auch eine unternehmerische Aufgabe ist, das Kapital über den Markt hereinzuholen, wenn man es mit den Grundsätzen und dem Begriff des Eigentums ernst meint. Er hat dabei auch die Vereinfachung der Besteuerung, insbesondere in der Praxis der Verwaltung, als ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung bezeichnet. Ich glaube, es bestand bei allen Sachkundigen an sich Einverständnis: gerade diese Kapitalverkehrsteuer ist eine Steuer, die nicht im Sinne der Tendenzen liegt, die uns der Herr Kollege Etzel aufgezeigt hat, sondern an sich nur wider Willen mitgeschleppt wird. Sie ist Steuerquelle der Länder, eine ungerechte Steuer, die nur wenige, willkürlich herausgegriffene Fälle erfaßt, während die Masse der Kredite, die Masse der Kapitalerhöhungen in Wirklichkeit steuerfrei bleiben.
Sie ist doppelt deplaciert im Hinblick auf die Notwendigkeiten des Kapitalverkehrs in dem größeren Raume der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die erstrebte wirtschaftliche Harmonisierung erfordert auch im Hinblick darauf, daß verschiedene Länder diese Steuer nicht kennen, den Abbau.
Das Gegenteil geschah. Man hat im Schoße des Finanzausschusses die Steuer nicht abgebaut, sondern ausgebaut. Darum geht es. Die Vorlage hat nur sehr wenige technische Bestimmungen, daneben einige wichtige materiell-rechtliche Herabsetzungen der Kapitalverkehrsteuer, insbesondere der Gesellschaftsteuer.
In der ersten Lesung im Ausschuß am 13. Mai 1958 gingen die Dinge erregungslos über die Bühne. Kaum Änderungen! Man hat sich an die Vorlage der Bundesregierung gehalten und sie gebilligt. Nicht anders in der zweiten Lesung ein halbes Jahr später am 5. November 1958! Damals hat der Herr Kollege Dr. Eckhardt im Hinblick auf eine
Denkschrift des Bundes der Steuerzahler und eine Stellungnahme der Gesellschaft für Betriebswirtschaft erwogen, ob nicht die Aufhebung der Börsenumsatzsteuer am Platz sei, da sie kapitalmarktfeindlich, kostspielig, auch nicht voll realisierbar ist. Darüber hat man sich unterhalten, und der Ausschuß hat beschlossen, daß eine entsprechende Entschließung mit einer Tendenz zur Aufhebung der Börsenumsatzsteuer hin vorgelegt werden soll.
Dann dritte Lesung wieder ein Vierteljahr später am 14. Januar 1959! Mit einem Male völlig neue materiell-rechtliche Bestimmungen aus heiterem Himmel, man weiß nicht woher, ohne ordnungsgemäße Behandlung ganz entscheidende materiellrechtliche Veränderungen des Kapitalverkehrsteuergesetzes. Das sieht im Protokoll dann so aus:
Als Ergebnis der Ausschußdiskussionen über
eine Vereinfachung der Börsenumsatzsteuer ...
— niemals ist eine solche Diskussion geführt worden, nach dem Protokoll vom 5. November 1958 lediglich „eine Diskussion über die Aufhebung der Börsenumsatzsteuer!" —
hat das Bundesfinanzministerium einen Vereinfachungsvorschlag zu den §§ 18 bis 34 Kapitalverkehrsteuergesetz vorgelegt, der mit den zuständigen Wirtschaftskreisen abgesprochen sei. Den Überlegungen lag der Wunsch der Banken, die Erhebungskosten der Börsenumsatzsteuer zu senken und eine Vereinfachung bei der Abrechnung herbeizuführen, zugrunde. Künftig sollen nur noch die Kundengeschäfte börsenumsatzsteuerpflichtig sein, die Händlergeschäfte dagegen steuerfrei. Dadurch würden sich die Kosten für die Kunden jedoch kaum verändern; die Aktien würden etwas billiger, die Industrieobligationen etwas teurer werden.
Also ganz wesentliche materielle Änderungen mit der großen Bedeutung, daß die Geschäfte von Bank zu Bank börsenumsatzsteuerfrei sind. Aus heiterem Himmel, wir wissen nicht von wem, beantragt! Die Banken haben es gewünscht, und der Finanzausschuß des Bundestages vollzieht diesen Wunsch!
Herr Kollege Preusker hat wieder die Auffassung vertreten, daß die Börsenumsatzsteuer überhaupt beseitigt werden soll. Sodann ist die Anregung des Bundesfinanzministeriums behandelt und im wesentlichen akzeptiert worden. Die Beratung im Ausschuß ist abgeschlossen worden. Es waren noch der Haushalts- und der Wirtschaftsausschuß mitberatend, wodurch sich keine Änderungen ergeben haben. Dann wurde der Bericht des Berichterstatters, des Herrn Kollegen Dr. Harm, vom 22. Januar vorgelegt. Er ist sehr knapp gehalten, und es ist für denjenigen, der die Vorlage nicht genau prüft, nicht erkennbar, daß ganz entscheidende materiell-rechtliche Änderungen über den Antrag der Bundesregierung hinaus, in das Gesetz eingearbeitet worden sind.
Jetzt hätte man erwarten können, daß die Dinge glatt über die Bühne gingen; es war alles abgeschlossen. Nun, wir kennen - nicht dadurch, daß wir nachgebohrt haben, sondern durch die Publika-
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Dr. Dehler
timen aus Anlaß dieses Falles — genau die Hintergründe, die da eine Rolle gespielt haben. Das Kapitalverkehrsteuergesetz war im Ofen. Nun entstand bei den Interessenten die Frage: was kann man in dieses Gesetz noch hineinbacken?
Im kreditpolitischen Ausschuß des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes ist am 2. Februar eine sehr scharfe Rede gehalten worden, die zu einem Verfahren vor dem Bundeskartellamt wegen Boykotterklärung geführt hat. In dieser Rede wurde mitgeteilt, daß unser Kollege Herr Dr. Pferdmenges schon kurze Zeit vorher bei dem Präsidenten der Bundesbank, Herrn Dr. Blessing, vorstellig geworden sei, weil er bestimmte Schuldscheindarlehnsgeschäfte bekämpft wissen wollte. Hier kam also nun der Gedanke auf, in das Kapitalverkehrsteuergesetz — -
— Ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Sie haben als ein guter Bänker bei der Konkurrenz Gefahren gewittert, vor allem natürlich, Herr Kollege Dr. Pferdmenges, Gefahren für Ihr privates Bankgewerbe.
— Darüber müßte man sich unterhalten.
Der Bundestag hat entschieden und der Finanzausschuß hat entschieden, ohne daß diese Frage jemals sachlich erörtert, ohne daß sie jemals geklärt worden ist.
Ich kenne die Protokolle, und ich weiß aus Ihren eigenen Zugeständnissen und aus dem, was die Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage erklärt hat, daß Sie keine Unterlagen hatten, also gar nicht in der Lage waren, objektive Feststellungen darüber zu treffen, daß bestimmte Kreditgeschäfte, die an den Banken vorbeigehen, eine Gefahr für unsere Währung in einer bestimmten Lage bedeuten könnten. Und wenn dies der Fall wäre, wäre es Ihre Pflicht und Schuldigkeit gewesen, Herr Kollege Neuburger und Herr Kollege Dr. Pferdmenges, hier heraufzugehen und diesem Hause, das nichts davon wußte, wenigstens mit einem Wort zu sagen, was hinter diesem. § 12 Abs. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes steht.
Sie haben wohlweislich geschwiegen. Darum geht es, und darüber wollen wir uns unterhalten.
Wir wissen jetzt aus den Erklärungen, die das Ministerium im Ausschuß gegeben hat, genau, wie die Entwicklung weitergegangen ist. Am 17. Februar 1959, am Tage vor der Verabschiedung des Kapitalverkehrsteuergesetzes in diesem Hause, war der Arbeitskreis III der CDU/CSU-Fraktion zusammengetreten. Er hat sich auch mit diesem Gesetz befaßt. Nach dem ganzen Zusammenhang kann es nicht anders gewesen sein, als daß aus diesem Anlaß der Herr Kollege Dr. Pferdmenges auf Grund seiner Rücksprache mit Herrn Dr. Blessing von der Bundesbank die Gefahren — ich muß richtig formulieren —, die in bestimmten Schuldscheingeschäften liegen können, dargelegt und danach gerufen hat, daß eine entsprechende Regelung für diese Geschäfte noch rasch vor Toresschluß in das Kapitalverkehrsteuergesetz hineinkommt. Das Bundesfinanzministerium selbst sagt, daß es angerufen worden ist und Rücksprache mit dem Bundeswirtschaftsministerium und mit der Bundesbank genommen hat und dann — ich zitiere die Erklärung des Bundesfinanzministeriums in der Sitzung des Finanzausschusses vom 22. Oktober dieses Jahres —... im Einvernehmen mit einem Vertreter des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes einen Formulierungsvorschlag erarbeitet hat.
Ein herrlicher Zustand!
Es geht um die Wünsche des privaten Bankgewerbes gegen einen Konkurrenten im Kapitalmarkt. Und das Bundesfinanzministerium holt sich diesen Konkurrenten zur Formulierung eines Gesetzes! Und das Groteske, meine Damen und Herren, die Dinge sind dann so gelaufen, daß wir — ich muß schon sagen — noch dazu den gesetzgeberischen Mist, den der Justitiar des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes am 17. Februar ausgeheckt hat, hier einstimmig angenommen haben. Da steigt einem die Schamröte ins Gesicht;
da sind wir alle mitschuldig. Aber wir fragen danach, wer dieses Hohe Haus in diese einfach unmögliche Lage gebracht hat, und wollen verhindern, daß sich das jemals wiederholt.
Wir haben eine Erklärung des Bundesverbandes, die folgendes über die Vorgänge am 17. Februar sagt:
Tatsache ist, daß die Geschäftsführung des Bundesverbandes im Laufe des 17. Februar erstmalig eine im Parlament
— in Wirklichkeit in dem Arbeitskreis III der CDU/CSU-Fraktion —
bestehende Absicht, bei der Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes auch Schuldscheine der Kapitalverkehrsteuerpflicht zu unterwerfen, erfahren hat. An diesem Tage wurde uns nämlich die Bitte des Bundesfinanzministeriums übermittelt, zum Zwecke der Klärung des Sachverhalts und zur Hilfe bei der Formulierung eines zu erwartenden Initiativantrags an einer Sitzung im Bundesfinanzministerium um 18 Uhr des gleichen Tages teilzunehmen.
Es ist köstlich, wenn man sich das vorstellt: Der einseitige Interessent, der nicht aus Sorge um den Kapitalmarkt, nicht wegen irgendwelcher Gefahren handelt, die einmal bei wirtschaftlichen Rückschlägen eintreten könnten, sondern — das wissen wir klar aus den vorausgegangenen Auseinandersetzungen — um eine konkurrierende wirtschaftliche
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Dr. Dehler
Macht — na, Macht ist zuviel gesagt —, um einen Konkurrenten im wirtschaftlichen Markte auszuschalten, formuliert selber das Gesetz gegen den Konkurrenten!
Das war am 17. Februar. Am 18. Februar vormittags trat der Finanzausschuß aus anderem Anlaß nochmals zusammen. Nachmittags war Plenum. Auf dessen Tagesordnung stand das Kapitalverkehrsteuergesetz. Im Finanzausschuß hat — ich darf Ihnen das Protokoll verlesen — vor Eintritt in die Verhandlung der Herr Vorsitzende mitgeteilt, daß die sich ständig vermehrende Aufnahme von Schuldscheindarlehen es ratsam erscheinen lasse, auch die Ausstellung von Schuldscheinen über Teildarlehen der Wertpapier- und Börsenumsatzsteuer zu unterwerfen. Es sei im Interesse der Kapitalmarktpflege nicht zu verantworten, wenn die bisherige Kapitalverkehrsteuerfreiheit dieser Schuldscheindarlehen dazu führe, daß sie annähernd die Größenordnung der Obligationenausgabe erreichten. Ergänzend teilte Ministerialdirektor Mersmann mit, daß sich auch die Bundesbank, das Bundeswirtschaftsministerium, der Bundesverband des privaten Bankgewerbes für eine steuerliche Gleichstellung mit Industrieobligationen einsetzten.
Der Ausschuß beschließt ohne Aussprache, ohne wirkliche Behandlung, einen interfraktionellen Antrag zur Einfügung des § 12 Abs. 3 im Kapitalverkehrsteuergesetz einzubringen und die Börsenumsatzsteuer auf diese Darlehen auszudehnen, dafür jedoch den Steuersatz für Schuldverschreibungen und Dividendenwerte statt auf 3 auf 21/2 vom Tausend festzusetzen.
Eine Besprechung in den Fraktionen war nicht mehr möglich. Der Vormittag des 18. Februar war durch Ausschußsitzungen in Anspruch genommen. Den Fraktionen, zumindest meinem Kollegen Lenz , ist dieser Antrag vorgelegt worden mit der Erklärung, soweit wir feststellen können — er ist an den Mitarbeitern in unserer Fraktion vorbeigegangen —: es handle sich nur um eine Formsache.
— Sie müssen ja herumgeschickt haben, Herr Kollege Neuburger. Von Ihnen ist es ja ausgegangen.
— Der ist genau so getäuscht worden wie die anderen auch, Herr Kollege Krammig!
— Dann haben Sie Hellsehergaben gehabt; wenn Sie auf Grund dieser Eingabe in der Lage waren, die wirtschaftspolitischen Voraussetzungen und die steuerrechtlichen Grundlagen dieser Bestimmung des § 12 Abs. 3 festzulegen, dann beneide ich Sie um Ihre divinatorischen Fähigkeiten. Das muß ich schon sagen.
Dann vollzog sich die Verabschiedung hier im Hause. Herr Präsident Dr. Gerstenmaier hat präsidiert:
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 217 Ziffer 1. Es ist ein interfraktioneller Antrag. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Auf Begründung wird verzichtet. Wird zur Sache das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über Ziffer 1 des Änderungsantrags. Wer ist dafür? — Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
So vollzog sich dieses traurige Schauspiel.
Die Dinge gingen dann in den Bundesrat. Während der Beratung im Bundesrat ist dann die erste sachliche Grundlage in den Gesetzgebungsgang gegeben worden. Am 24. Februar hat nämlich die Deutsche Bundesbank durch die Herren Dr. Troeger und Dr. Wolf gegenüber dem Präsidenten des Bundesrates zum Entwurf über die Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes Stellung genommen und dann zu dieser Frage — das ist vielleicht auch nicht uninteressant — ausgeführt:
Der noch immer verhältnismäßig große Umfang der Aufnahme von Schuldscheindarlehen bereitet uns gewisse Sorgen.
— Wir wissen also, daß Herr Kollege Dr. Pferdmenges den Herren diese Sorgen mitgeteilt hat. —
Wir sind der Ansicht, daß es gesünder wäre, die Schuldscheindarlehen wieder stärker zugunsten der Vergebung von Wertpapieren in den Hintergrund treten zu lassen. Die Tatsache, daß die Aufnahme von Schuldscheindarlehen steuerfrei ist, während die Begebung und der Umsatz von Wertpapieren besteuert werden, erschwert jedoch eine solche Entwicklung. Die mit der Gesetzesnovelle der Bundesregierung
— die Bundesbank nahm also an, die Bundesregierung habe diese Novelle zu § 12 Abs. 3 erstrebt, was nicht der Fall ist —
angestrebte steuerliche Gleichbehandlung von Schuldscheindarlehen und Wertpapieren würde im Sinne einer nicht unwichtigen Reform der Kapitalmarktverhältnisse liegen.
— Sie kommen doch noch zu Wort.