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    Deutscher Bundestag 90. Sitzung Bonn, den 12. November 1959 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Dr. Bleyler . . . . . . . . . 4871 A Ergänzung der Tagesordnung . . . . . 4871 A Fragestunde (Drucksache 1347) Frage des Abg. Wittrock: Gefährdung der Rheinschiffahrt durch Stromschnellen und Felsbarrieren Dr. Seiermann, Staatssekretär . 4871 B, C Wittrock (SPD) 4871 C Frage des Abg. Wittrock: Versuche, künstlich Regen zu erzeugen Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4871 D, 4872 A Wittrock (SPD) . . . . . . . . 4872 A Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen) : Behörden-Kennzeichen für Kraftfahrzeuge Dr. Seiermann, Staatssekretär . 4872 B, C Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . 4872 B, C Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen) : Lärmbelästigung durch Kraftfahrzeuge Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4872 D Frage des Abg. Koch: Lärmbelästigung durch Kraftfahrzeuge Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4873 A Koch (CDU/CSU) . . . . . . . 4873 A Frage des Abg. Mischnick: Autobahnverbindung Bad Hersfeld—Würzburg Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4873 B Frage des Abg. Memmel: Schritte der Deutschen Botschaft im Falle Podola Dr. von Merkatz, Bundesminister . . 4873 C Frage der Abg. Frau Dr. Hubert: Ratifizierung des europäischen Abkommens über den Austausch von therapeutischen Substanzen menschlichen Ursprungs Dr. von Merkatz, Bundesminister 4873 C, D Frau Dr. Hubert (SPD) . . . . . 4873 D Frage der Abg. Frau Herklotz: Grenznaher Grundbesitz pfälzischer Familien in Frankreich Dr. von Merkatz, Bundesminister . . 4874 A Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Umwandlung des Beobachter-Status in der Belgrader Donau-Konvention in eine ordentliche Mitgliedschaft Dr. von Merkatz, Bundesminister 4874 B, C Bauer (Würzburg) (SPD) . . . . . 4874 C II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1959 Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen) : Gesetzesinitiative der Bundesregierung Lücke, Bundesminister . . . . . 4874 C Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 4874 D Frage des Abg. Ritzel: Doppelstecker Lücke, Bundesminister . . 4875 A, C Ritzel (SPD) 4875 B, C Frage des Abg. Simpfendörfer: Behördenhandel Lücke, Bundesminister . . 4875 D, 4876 A Simpfendörfer (CDU/CSU) . . . . 4876 A Frage des Abg. Dr. Brecht: Zinsverbilligungsmaßnahmen des Wohnungsbauministers „Besser und schöner wohnen" und „Junge Familien" Lücke, Bundesminister . . 4876 B, C, D Dr. Brecht (SPD) . . . . . . . . 4876 C Frage des Abg. Dr. Brecht: Einheitliche Richtlinien über die Gewährung von Zinszuschüssen für Wohnungsbaudarlehen Lücke, Bundesminister 4876 D, 4877 A, B Dr. Brecht (SPD) 4877 A, B Frage des Abg. Höhmann: Schulbauplatz der Stadt Waldkappel im Kreise Eschwege Lücke, Bundesminister . . . . . 4877 B Frage des Abg. Lohmar: Abdruck der drei Strophen des Deutschlandliedes in einem Kommentar zum Grundgesetz Dr. Schröder, Bundesminister . . . 4877 D Frage des Abg. Dr. Arndt: Erlaß des BM. d. Innern vom 28. August 1959 über die Beflaggung der Dienstgebäude des Bundes Dr. Schröder, Bundesminister 4878 A, B, C Jahn (Marburg) (SPD) . . . . . 4878 B, C Frage des Abg. Felder: Ausländerlager bei Zirndorf Dr. Schröder, Bundesminister . . . 4878 C, 4879 A, B Felder (SPD) 4879 A, B Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Bürgerkrieg ausländischer Terrororganisationen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Schäffer, Bundesminister . . . 4879 C, D Jahn (Marburg) (SPD) . . . . 4879 D Entwurf einer Neunten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Butter); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1365, 1380) 4880 A Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (Drucksache 1375) — Erste Beratung — . . . . . 4880 A Entwurf eines Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Mietrecht (Drucksache 1234) Lücke, Bundesminister . . . . . 4880 B Dr. Hesberg (CDU/CSU) . . . . . 4889 C Hauffe (SPD) . . . . . . . . . 4894 A Dr. Will (FDP) . . . . . . . . 4898 C Dr. Preusker (DP) . . 4900 D, 4904 A, 4912 A, B Frau Berger-Heise (SPD) . . . . . 4904 A Mick (CDU/CSU) . . . . . . . 4905 D Dr. Brecht (SPD) . . . 4909 A, 4912 A, B, 4915 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 4914 D, 4915 C Dr. Czaja (CDU/CSU) . . . . . . 4918 D Jacobi (SPD) . . . . . . . . . 4921 B Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 4921 D Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . . 4922 A Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . 4922 B Redaktionelle Anpassungen betr. dritte Beratung des Entwurfs einer Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) (Drucksachen 55, 1094 Anlage 1, 1321) . . . . . 4923 A Nächste Sitzung . . . . . . . . 4923 C Anlagen 4925 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1959 4871 90. Sitzung Bonn, den 12. November 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.04 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Graf Adelmann 25. 11. Dr. Arndt 12. 11. Dr. Baade 13. 11. Dr. Bärsch 12. 11. Bauereisen 12. 11. Bausch 12. 11. Bergmann 15. 11. Fürst von Bismarck 20. 11. Blachstein 12. 11. Brüns 12. 12. Dr. Burgbacher 25. 11. Caspers 12. 11. Dr. Dittrich 12. 11. Drachsler 12. 11. Dr. Dresbach 12. 11. Eilers (Oldenburg) 12. 11. Finckh 1. 12. Gaßmann 12. 11. Gedat 12. 12. Geiger (München) 12. 11. Dr. Gradl 12. 12. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 15. 12. Günther 12. 11. Hackethal 12. 11. Hahn 28. 11. Dr. von Haniel-Niethammer 12. 11. Dr. Harm 12. 11. Dr. Hellwig 12. 11. Heye 25. 11. Hilbert 1. 12. Jacobs 15. 11. Jahn (Frankfurt) 15. 12. Josten 15. 11. Kalbitzer 12. 11. Kisters 28. 11. Frau Klemmert 12. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 25. 11. Dr. Kohut 28. 11. Kramel 12. 11. Kreitmeyer 25. 11. Lange (Essen) 12. 11. Lulay 31. 12. Lünenstraß 12. 11. Maier (Freiburg) 15. 12. Matthes 15. 11. Mauk 13. 11. Mensing 13. 11. Meyer (Oppertshofen) 12. 11. Muckermann 12. 11. Ollenhauer 12. 11. Prennel 13. 11. Probst (Freiburg) 25. 11. Rademacher 12. 11. Ramms 12. 11. Dr. Ratzel 12. 11. Frau Renger 12. 11. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Scheel 12. 11. Schmidt (Hamburg) 12. 11. Frau Schmitt (Fulda) 25. 11. Schneider (Bremerhaven) 12. 11. Schultz 12. 11. Spitzmüller 13. 11. Dr. Starke 12. 11. Storch 14.11. Sühler 12. 11. Theis 20. 11. Dr. Vogel 25. 11. Wagner 12. 11. Dr. Wahl 14. 11. Walpert 12. 11. Frau Welter (Aachen) 12. 11. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Höcherl zur ersten Lesung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Mietrecht (Drucksache 1234). Für meine Freunde von der CSU darf ich erklären, daß wir den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf, mit dem die stufenweise Überführung der Wohnungszwangswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft erreicht werden soll, begrüßen. Die Bundesregierung hat seit 1949 5 Millionen Wohnungen mit einem Kostenaufwand von etwa 30 Milliarden DM neu errichtet oder wiederaufgebaut. Sie hat damit eine in der ganzen Welt einmalige Aufbauleistung vollbracht und so die tatsächlichen Voraussetzungen für die Wiederherstellung der Marktwirtschaft auf dem Wohnungssektor geschaffen. Der Erfolg der vorgeschlagenen Maßnahmen und die Einhaltung des Zeitplanes hängen davon ab, daß wir die früheren Bauleistungen weiterhin erbringen können. Die Aufrechterhaltung der bisherigen Zuwachsrate von jährlich J/2 Million neuer Wohnungen wird die übertriebenen Befürchtungen eines Teils der beteiligten Bevölkerungskreise entkräften. Die CSU begrüßt den stufenweisen Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und unterstützt die Bestrebungen der Bundesregierung, auch den 5 Millionen Althausbesitzern bis zur endgültigen Freigabe der Mietpreise und Aufhebung der Wohnungszwangswirtschaft angemessene Erträgnisse zu geben, um so die notwendige Instandsetzung und Verbesserung im Altwohnungsbestand zu ermöglichen. Denn von den 5 Millionen Altwohnhäusern gehören 1,5 Millionen Personen, die selbst mit den Mieteinnahmen nicht einmal die Durchschnittseinkünfte der Arbeiter und der Angestellten erreichen, wie sie unserer Rentengesetzgebung zugrunde liegen. Diese 4926 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1959 Verhältnisse sind in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt. Die Gleichsetzung von Hausbesitz und Wohlstand beruht auf einer überholten Auffassung. Allein die aus Notzeiten stammende Wohnungszwangswirtschaft mit ihrem Preisstopp ist für diesen Zustand verantwortlich. Es ist nach unserer Wirtschaftsauffassung völlig klar, daß der Staat nicht das Recht hat, bei ständig verbesserten allgemeinen Verhältnissen gerade die Hausbesitzer auf kurze Ration zu setzen. Deswegen soll mit dem vorliegenden Gesetz als erster Schritt diesem Personenkreis eine, wenn auch bescheidene, Verbesserung seiner materiellen Lage und damit die Anpassung an den Fortschritt unserer Gesamtwirtschaft ermöglicht werden. Eine 15prozentige Mietanhebung auf die Grundmiete für die 5 Mill. Altwohnungen und eine Erhöhung von 10 Pf pro Quadratmeter für die im sozialen Wohnungsbau von 1948 bis 1956 errichteten Neubauwohnungen halten sich in tragbarem Rahmen und sind in gerechter Abwägung der Interessen der Mieter und der Hausbesitzer durchaus zu vertreten. Sie sollen eine Annäherung der Erträge des Hausbesitzers an die Höhe bewirken, die zur Deckung der Instandhaltungskosten erforderlich ist. Es erscheint angemessen, die Großwohnungen einer schärferen Anhebung zu unterwerfen, die aber nicht mehr als weitere 20 % ausmachen darf. Voraussetzung für unsere Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf war immer, daß die einkommenschwachen und kinderreichen Mieter nicht in eine soziale Notlage gebracht werden. Das Gesetz sieht daher Mietbeihilfen vor, die keinen Fürsorgecharakter haben, sondern auf die ein Rechtsanspruch besteht. Um die zähflüssige Verwaltungsvereinfachung voranzutreiben und den Prinzipien unserer Wirtschaftsauffassung zu entsprechen, soll die Wohnungszwangswirtschaft dort abgebaut werden, wo die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Selbstverständlich muß der besonderen Entwicklung des Wohnungsbedarfs in bestimmten Brennpunkten unseres wirtschaftlichen Wachstums durch eine besondere Regelung auch auf diesem Gebiet Rechnung getragen werden. Entscheidend war für uns der Umstand, daß objektive Maßstäbe gefunden werden konnten, nach denen bei der Aufhebung der Wohnungszwangswirtschaft zu verfahren ist und die keinen Manipulationen unterliegen. In absehbarer Zeit wird bei Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Bauvolumens die Wohnungszwangswirtschaft in allen Teilen des Bundesgebietes aufgehoben werden. Wir sind der Meinung, daß das bisherige Mieterschutzrecht, das in Kriegs- und Inflationszeiten entstand, heute durch eine moderne Gesetzgebung abgelöst werden muß. Das soll durch das soziale Mietrecht geschehen, dessen Funktion es sein wird, zwar den, Grundsatz der Vertragsfreiheit wiederherzustellen, aber den anständigen Mieter vor Willkürmaßnahmen zuverlässig zu schützen. Zusammenfassend darf ich sagen, daß die CSU-Landesgruppe den vorliegenden Gesetzentwurf billigt und Herrn Minister Lücke den besonderen Dank für diesen mutigen Schritt ausspricht, vor allem auch dafür, daß er durch eine gesteigerte Bauleistung dem Gesetz die tatsächliche Grundlage gegeben hat, die allein es möglich machen wird, die einzelnen Maßnahmen durchzuführen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Julius Brecht


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf hat interessanterweise in der Numerierung der Bundestagsdrucksachen die „Zensurskala" 1-2-3-4 bekommen, und so war auch die bisherige Debatte. Es wurden Zensuren ausgeteilt, die in der Regel gut waren; nur gelegentlich ging es mal in die Vier. Vielleicht haben einige auch schon gedacht, es ginge in die Fünf.

    (Abg. Dr. Czaja: Auch von Ihrer Fraktion?)

    -- Auch von unserer Fraktion, Herr Dr. Czaja. Warum nicht? Wir sind gewöhnt — nicht nur bei diesem Gesetz, sondern auch bei anderen Gesetzen —, den Dingen sehr objektiv entgegenzutreten. Ich glaube, wir haben Ihnen bei der bisherigen Beratung des Bundesbaugesetzes trotz der heute bedauerlicherweise getroffenen Entscheidung keinen Anlaß gegeben, an unserer Objektivität und Sachkunde bei der Mitberatung irgendwie zu zweifeln.

    (Abg. Dr. Czaja: Im Gegenteil!)

    Ich habe heute manchmal gehofft, einiges würde in der Grundsatzdebatte stärker herauskommen. Es ist sehr wohl ein ernstes Problem, ob man bei der Eigengesetzlichkeit der Wohnungswirtschaft ohne weiteres zur Marktwirtschaft übergehen kann. Es bleibt sehr wohl zu prüfen, ob es sich nicht darum handelt, lediglich gewisse marktwirtschaftliche Formen auf die Wohnungsversorgung anzuwenden, wobei die Eigengesetzlichkeit der Wohnungswirtschaft — die Wohnung ist eben keine Ware — berücksichtigt werden muß. Aber seien Sie sicher — mein Freund Hauffe hat es ja deutlich gesagt —: auch wir sind nicht für die Zwangswirtschaft. Wir möchten mit aller Schärfe betonen, daß wir mit diesem Gesetz etwas erreichen wollen, was für uns ein gesellschaftspolitisches Leitbild ist, nämlich die freie Konsumwahl der Wohnungskonsumenten. Nicht der Staat oder eine Behörde soll entscheiden, wie man wohnt, bei wem man wohnt, zu welchem Preis man wohnt, ob man das oder jenes darf und das oder jenes nicht darf, ob man unbedingt in einer schlechten Wohnung hausen muß oder ob man sich in eine gute Wohnung begeben kann, sondern wir wollen die freie Konsumwahl für die Wohnungskonsumenten. Unsere Beurteilung des vorliegenden Gesetzentwurfs werden wir an diesem oberen Leitbild orientieren.
    Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat in seiner Denkschrift und in vielen Reden eine ganze Menge sich zum Teil widersprechender gesellschaftspolitischer Leitbilder aufgestellt: Ertragssicherung des Hausbesitzes, Mietenentzerrung, Befreiung von der Subvention, Steuerersparnis usw. usw., ich will das gar nicht alles aufzählen. Aber gerade das Leitbild der freien Konsumwahl auch bei diesem Konsumgut vermißt man in der ganzen sogenannten Konzeption, die hier zugrunde liegen soll.
    Wir werden in bezug auf die Verwirklichung dieses Grundsatzes der freien Konsumwahl sehr konsequent sein und werden also sehr opponieren, daß in Art. IX — den haben viele von Ihnen wahrscheinlich gar nicht gelesen; denn der steht in diesem Mammutgesetz ganz hinten — völlig gegen diesen Grundsatz der freien Konsumwahl die „Töpfchenwirtschaft" aufrechterhalten wird: die ganze Ghettobildung, die wir in unserer Wohnungsversorgung bekommen haben, nach sozialen Gruppen, nach Berufsgruppen, statt einer soziologischen Mischung. Das alles soll in Art. IX erhalten werden. Nein, wenn man freie Konsumwahl will, wenn man gegen die Zwangswirtschaft ist, dann müssen auch solche Bindungen, soweit sie nicht aus anderen Gründen notwendig sind, aufgegeben werden. Dann wird das hohe Bundeswohnungsbauministerium, das jetzt gerade dabei ist, Zwangsmietverträge zu machen, sich auch in vielem anderen auf einen freiheitlicheren Stil besinnen müssen, der dann wie in die Wohnungsversorgung auch dort hineinkommen muß.
    Es ist heute viel von der Wohnungsproduktion gesprochen worden. Ich will dazu nicht allzu viel sagen. Ich halte die Bedarfszahlen, die der Herr Wohnungsbauminister angegeben hat — global 1,5 Millionen plus 1 Million — im wesentlichen für richtig. Wir müssen uns nur klar sein, daß in diesem Gesetzentwurf überhaupt keine Sicherung nach der Richtung enthalten ist, daß und wie lange und in welchem Umfang der Wohnungsbau fortgeführt wird. Da haben wir nur das Zweite Wohnungsbaugesetz, das ja inzwischen ausläuft. Der Bundesrat ist es allein, der eine Sicherung im Gesetz eingebaut haben will, um so den Wohnungsbau auch über diesen Termin hinaus zu sichern.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das sollte man nicht von vornherein so willkürlich ablehnen, sondern darüber sollte man wirklich einmal nachdenken. Es gibt zwei Methoden des Übergangs von der gegenwärtigen Situation der Wohnungsversorgung in eine Marktwirtschaft. Die eine ist eine natürliche, die andere eine dirigistische. Die Bundesregierung wählt den dirigistischen Weg. der natürliche Weg wäre nämlich, durch verstärkte Wohnungsproduktion einen Markt zu schaffen und so viel Wohnungen auf den Markt zu bringen, daß ein Überangebot an Wohnungen vorhanden ist. Dann hebt sich mancherlei dieser Wohnungszwangswirtschaft von selbst auf.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich habe mit großen Bedenken hier einige Verlautbarungen gehört, die etwa darauf abzielten, die knappen öffentlichen Mittel, soweit überhaupt noch welche vorhanden sind, künftig mehr nach dem Lande, nach draußen in Gebiete zu lenken, in denen nach den statistischen Ergebnissen der geringere Wohnungsbedarf besteht. Man will die Ballungsgebiete bei der Hergabe der öffentlichen Mittel be-



    Dr. Brecht
    nachteiligen. Genau umgekehrt müßte es sein; die öffentlichen Mittel müßten dorthin fließen, wo Bedarfsgebiete sind und nicht dorthin, wo schon ein Überfluß vorhanden ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Raumordnung!)

    — Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie oft haben wir mit Ihnen über wirkliche Maßnahmen der Raumordnung und der Landesplanung gerungen! Nichts ist daraus geworden.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Wir haben die beste Chance für eine Raumordnung und für eine Landesplanung, eine Chance, die wir in der Umstellung unseres Wirtschaftskörpers seit 1950 hatten, nutzlos vertan. Jetzt, nachdem wir am Ende der Wohnungsproduktion angelangt sind, kommen Sie und sagen: Jetzt muß alles mit Raumordnung gemacht werden.
    Also wir sind gar nicht für die Ballungsgebiete.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Moment, Herr Dr. Czaja. Sie müssen etwas genauer hinhören. Wir sind nicht dafür, daß die Ballungsgebiete noch vermehrt werden.

    (Abg. Dr. Czaja: Na also!)

    Aber wenn in den Ballungsgebieten ein echter Wohnungsbedarf nachgewiesen wird und Sie im Übergang zur marktwirtschaftlichen Versorgung eben den Bedarf decken wollen, dann bleibt gar nichts anderes übrig als eben dem Bedarf nachzugeben und in den Bedarfsgebieten zu bauen.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Zur Finanzierung will ich nichts sagen; darüber ist schon von Herrn Dr. Hesberg und anderen gesprochen worden. Man könnte dafür manche andere Prognose geben. Ich möchte nur auf eines hinweisen. Vergessen Sie bei diesem Gesetz eines nicht: Sie fördern den Übergang von der Wohnungsbaufinanzierung zur sogenannten Finanzierung mit Aufwendungsbeihilfen. Gut, ich bin durchaus ein Verfechter auch der Finanzierungsmethode der verstärkten Kapitalmarktförderung und der Aufwendungsbeihilfen.
    Vielleicht wird das hohe Wohnungsbauministerium endlich auch einmal einsehen, daß dazu nicht die jetzigen Bürgschaftsrichtlinien ausreichen, auch nicht die, die in den nächsten Tagen herausgehen sollen, sondern wirklich eine neue konstruktive Bürgschaftsregelung. Ihnen ist sicherlich bekannt, daß die Aufwendungsbeihilfen auf fünf bis sechs Jahre befristet sind, sofern sie nicht in der Form von Zinszuschüssen für die Laufzeit der ersten Hypothek gegeben werden. Zu den Mieten nach diesem Gesetz im neu geförderten Wohnungsbau, kommen Steigerungen um 40 und 60 Pfennig, wenn die Aufwendungsbeihilfen nach fünf Jahren wegfallen, noch hinzu. Ich will nicht sagen, daß es da und dort nicht möglich wäre, aber man muß das in die Kalkulation der Mietpreisregelung unbedingt einbeziehen.
    Sie wollen künftig öffentliche Mittel wegen der Eigentumsförderung usw. vorzugsweise aufs Land hinausgeben. Schön, dann soll man eines Tages einfach sagen: das Zweite Wohnungsbaugesetz ist kein Gesetz mehr zur Beseitigung von Wohnungsnotständen, sondern ein Gesetz zur Eigentumsförderung. Dann lassen wir darüber mit uns reden. Aber dann müssen Sie eine neue Regelung treffen, um die echten Notstände in den Bedarfsgebieten zu überwinden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Gehen Sie doch einmal in die Städte oder lesen Sie nur den Artikel von Herrn Brüggemann! Dann werden Sie finden, wo diese Wohnungsnotstände sind. Man kann nicht ihre Existenz einfach in Abrede stellen.
    Eine lebhafte Diskussion wird darüber geführt, wie groß der Wohnungsbedarf sei und wie er gedeckt werden solle. Das ist zweifellos ein ernstes, interessantes Anliegen. Ich habe im offiziösen Bundesbaublatt des Bundeswohnungsbauministers einen Artikel eines seiner oberen Beamtengelesen, worin es sinngemäß heißt, in Frankreich fehlten noch 2 Millionen Wohnungen, deshalb könne dieses Land noch nicht zur Beseitigung des Wohnungsbewirtschaftungs- und des Mietpreisrechts übergehen. Ich muß sagen, das ist genau die Situation, in der wir stehen. Wenn das für Frankreich gilt, müßte es in etwas abgewandelter Form auch für uns gelten.
    Bei all den Überlegungen über die Bedarfsermittlungen begeht man einen großen Fehler. Sowohl die Bundesregierung wie der Bundesminister für Wohnungsbau meinen, weil sie verwaltungswirtschaftlich und nicht marktwirtschaftlich denken, daß man hier ein statisches Prinzip anwenden müsse. Niemand anders als das Statistische Bundesamt hat darauf hingewiesen, daß diese statische Berechnung — das Ausgehen von einem bestimmten Stichtag — nichts über die marktwirtschaftliche Situation aussagt, daß für sie ganz andere Dinge maßgebend sind. Das ist der tiefere Grund, weshalb wir sagen, man kann nicht zentral einen Termin oder drei Termine festlegen, zu denen die Wohnraumbewirtschaftung aufzuheben ist, wenn vom echten Bedarf ausgegangen wird.
    Es ist nicht so, Herr Minister, wie Sie es dargestellt haben, daß man eine Korrespondenz mit 25 000 Gemeinden führen müßte. Niemand hat gesagt, daß der Wohnungsbauminister bei 25 000 Gemeinden zentral die Wohnraumbewirtschaftung aufheben müßte. Es ist vielmehr gesagt worden, man solle bei der Bedarfsermittlung bei den Gemeinden ansetzen, und dann sollten die Gemeinden entscheiden, was nach den tatsächlich gegebenen Verhältnissen zu geschehen hat. Ich habe den Eindruck, daß hier schon Annäherungen zu verzeichnen sind. Sie haben bereits gesagt, man könne innerhalb der Kreise einige größere Gemeinden ausnehmen. Herr Mick hat ähnliche Anregungen gegeben. Hier ließe sich wohl eine Verständigung erzielen.
    Jedoch drohte bisher angesichts der Hartnäckigkeit des Herrn Ministers die Auseinandersetzung über die Frage, ob ein Absinken des Defizits auf 3% oder auf 0% Voraussetzung für die Freigabe der Wohnungsbewirtschaftung sein soll, zum



    Dr. Brecht
    Weltanschauungskampf zu werden. Mit Weltanschauungen hat diese Frage nichts zu tun. Es ist eine reine Sachfrage, über die man reden kann und die man einer Lösung zuführen könnte, wenn man von den Verhältnissen in den einzelnen Gemeinden ausgeht. Man darf den Gemeinden nicht vorschreiben, daß sie bei einem bestimmten Prozentsatz des Defizits die Wohnraumbewirtschaftung aufheben müssen, darf auch nicht sagen, daß sie sie aufheben können, sondern man muß den Gemeinden eine gewisse Spanne lassen, innerhalb deren sie — nicht die Gemeindeverwaltung, sondern die politischen Gemeindegremien —, gestützt auf ihr Selbstverwaltungsrecht, entscheiden können, ob eine Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung erfolgen soll.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Sie haben Angst davor; wir haben keine Angst davor. Wir sind der Überzeugung, daß die Gemeinden objektiv und sachlich die Feststellungen treffen und dann die Entscheidung fällen werden.
    Sie selber haben in der Debatte viele Beispiele dafür gebracht, wie differenziert der Bedarf ist und welche unterschiedlichen Einwirkungen maßgeblich sind. Sie haben aber nur von der Zuwanderung und von den Haushaltsgründungen gesprochen, Herr Minister. Sie haben beispielsweise nichts von dem Bedarf gesagt, der sich aus der Sanierung ergibt. Sie haben vor allen Dingen, Herr Minister, nie etwas davon gesagt, daß Sie durch dieses Gesetz den Wohnungsbedarf steigern. Sie steigern ihn nämlich dadurch, daß Sie den Besitzern von Ein- und Zweifamilienhäusern gestatten, die Zweitwohnungen für sich in Anspruch zu nehmen. Dadurch entsteht zweifellos ein zusätzlicher Bedarf am Wohnungsmarkt. Das muß berücksichtigt werden. Aber gerade all diese Details führen dazu, daß man den Gemeinden die Entscheidung überlassen sollte, ob und wie die Wohnraumbewirtschaftung aufzuheben ist.
    Ich bin dabei ebenso wie mein Freund Hauffe nicht der Meinung, daß man jeder Gemeinde mit 500 oder 600 Einwohnern das Entscheidungsrecht geben sollte. Hier gibt es vorgeordnete Körperschaften, sagen wir einmal, die Körperschaften, die die Wohnraumbewirtschaftung schon betreiben, oder meinetwegen die Kreise. Aber im Prinzip mull die Entscheidung bei den Gemeinden fallen.
    Sie haben vorhin immer gesagt — und sämtliche Redner haben es nachgesagt —, es führe zur Verewigung der Wohnraumbewirtschaftung, wenn man auf den Nullpunkt abstelle. Wer das behauptet, hat die Statistik nicht gelesen. Denn die amtliche Statistik des Statistischen Bundesamtes weist zum 31. Dezember 1958 aus, daß es in der Bundesrepublik bereits 14 Kreise gibt, in denen die Zahl der Wohnungen größer ist als die der Haushaltungen. Dort wird also ein Strich gemacht. Dort ist die Null-Linie nicht nur erreicht, sondern unterschritten. Ich bin der Überzeugung, daß zum 31. Dezember 1959 diese Zahl noch zunehmen wird. Es ist also gar nicht wahr, daß das eine Methode sei, bei der ein solcher Ausgleich nicht gegeben sein könne.
    Ich möchte meine Ausführungen abkürzen und nur noch auf die zeitliche und sachliche Synchronisierung der Freigabe der Mietpreise und der Wohnraumbewirtschaftung hinweisen. Die Rede, die Sie, Herr Minister, in Hamburg vor dem Parteitag gehalten haben und die dann groß durch die Presse gegangen ist, hat viel Wirbel und Unklarheit ausgelöst. Sie sprachen nur von einer Verlängerung des Stufenplans in der Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung. Ich gebe das, glaube ich, richtig wieder. Man hat draußen aber noch etwas anderes gemacht, man hat das auf den Stufenplan der Mietfreigabe übertragen. Wenn dieser von der Regierung noch nicht gemachte, aber von dem Herrn Minister angekündigte Zusatz käme, würde es tatsächlich dahin kommen, daß im Jahre 1963 die Mietpreisregelung aufgehoben wird und es keine Mietpreisbindung mehr gibt. Aber die Wohnraumbewirtschaftung würde in den Stufen vereinzelt noch bis 1965 oder sogar 1966 bestehenbleiben.
    Glaubten Sie denn, meine Damen und Herren, daß eine Wohnraumbewirtschaftung noch irgendeinen praktischen Sinn hat, wenn bereits drei Jahre vorher die Mietpreisregelung freigegeben ist? Jede Mietpreisentwicklung am Markt, die dann zulässig wäre, macht Ihnen doch jegliche Wohnraumbewirtschaftung, auch wenn sie die Stufen noch so weit hinausschieben, einfach unmöglich.
    Vor einem möchte ich warnen. Wir dürfen nicht etwa denken, der Wohnungsbedarf werde dadurch eingeengt — das ist hier ein paarmal angeklungen —, daß wir die Mieten heraufsetzen, eingeengt, weil dann soundso viele Familien sich eine kulturell angemessene Wohnung nicht mehr leisten können.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Unruhe in der Bevölkerung wegen Ihres Plans beruht teilweise auf Erinnerungen oder Erfahrungen aus der marktwirtschaftlichen Situation vor 1914. Ich bin der letzte, der sagt, es ist heute genauso; ich weiß genau, daß es Unterschiede gibt. Aber tatsächlich wird darauf Rücksicht zu nehmen sein, daß man eben entgegen einer These, die hier vertreten worden ist, in der Wohnungsversorgung den Markt durch den Preis nicht so regulieren kann wie die Märkte für Strümpfe, Eier, Butter, Schuhe oder Autos. Da gibt es eben Grenzen. Das gehört zur Eigengesetzlichkeit der Wohnungswirtschaft; die Wohnung hat nicht den Charakter einer Ware. Man kommt hier mit dem Preis an eine Grenze, wo eine Regulierung über den Preis nicht mehr möglich ist, wo man den Menschen die Wohnungsversorgung eben nicht gewährleistet.
    Sie werden sagen: Das kommt mit den Mietbeihilfen. Dazu will ich noch etwas sagen. Das ist derselbe gefährliche Gedanke wie der, den Herr Dr. Preusker geäußert hat, indem er sagte: Man kann in der Wohnraumbewirtschaftung gar nicht auf die Null-Grenze zurückgehen, weil sonst niemand mehr das rechte Interesse hat, noch Wohnungen zu produzieren. Herr Dr. Preusker, Sie wissen selbst, daß das falsch ist; denn auch dann gibt es weiterhin einen Wohnungsbedarf. Auch hier ist es eben so, daß man diese Knappheit nicht erst noch künst-
    4912 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 90, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1959
    Dr. Brecht
    lieh erhalten muß, um zur Produktion zu kommen. Da muß man vielmehr andere Anreizmittel verwenden.


Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Preusker?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Julius Brecht


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bitte sehr!