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ID0308804100

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    Deutscher Bundestag 88. Sitzung Bonn, den 6. November 1959 Inhalt: Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der Rentenversicherungen (Sozialbericht 1959) (Drucksache 1255) ; in Verbindung mit Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1959 (Zweites Rentenanpassungsgesetz —2. RAG) (Drucksache 1325) — Erste Beratung — Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Angestelltenversicherungsgesetzes und des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (FDP) (Drucksache 1276) — Erste Beratung — Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung und des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (FDP) (Drucksache 1277) Antrag betr. finanzielle Verpflichtungen des Bundes gegenüber den Trägern der Rentenversicherung (SPD) (Drucksache 1333) Blank, Bundesminister 4771 C, 4777 D Frau Friese-Korn (FDP) . . . . . 4774 B Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 4777 A Dr. Schellenberg (SPD) 4777 B, 4778 A Arndgen (CDU/CSU) . . . . . . 4777 B Horn (CDU/CSU) . . . . . . . . 4781 C Mischnick (FDP) . . . . . . . . 4784 C Frau Kalinke (DP) . . . 4777 C, 4786 D Frau Korspeter (SPD) . . . . . . 4793 A Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . 4794 B Killat (Unterbach) (SPD) 4796 C Stingl (CDU/CSU) . . . . . . 4798 A Dr. Starke (FDP) 4802 A Erklärung gemäß § 36 GO Dr. Mommer (SPD) . . . . . . 4803 C Nächste Sitzung 4803 D Anlage 4805 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1959 4771 88. Sitzung Bonn, den 6. November 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Graf Adelmann 25. 11. Dr. Atzenroth 7. 11. Berberich 6. 11. Dr. Besold 6. 11. Birkelbach 6. 11. Fürst von Bismarck 7. 11. Börner 7. 11. Dr. Brecht 6. 11. Dr. Bucerius 6. 11. Dr. Burgbacher 25. 11. Dr. Deist 6. 11. Dr. Dittrich 6. 11. Dr. Dollinger 6. 11. Drachsler 6. 11. Eilers (Oldenburg) 6. 11. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 6. 11. Geiger (Aalen) 6. 11. Dr. Gleissner 6. 11. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 15. 12. Haage 6. 11. Hahn 28. 11. Dr. Dr. Heinemann 6. 11. Dr. Hellwig 6. 11. Dr. Graf Henckel 6. 11. Heye 25. 11. Hilbert 1. 12. Frau Dr. Hubert 6. 11. Illerhaus 6. 11. Jacobs 15. 11. Jahn (Frankfurt) 15. 12. Josten 15. 11. Junghans 7. 11. Kisters 28. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 25. 11. Dr. Kohut 28. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kreitmeyer 25. 11. Leber 6. 11. Dr. Leiske 6. 11. Lenz (Trossingen) 6. 11. Lücker (München) 7. 11. Maier (Freiburg) 15. 12. Matthes 15. 11. Muckermann 6. 11. Müller-Hermann 6. 11. Müser 7. 11. Pietscher 6. 11. Prennel 6. 11. Dr. Preusker 6. 11. Probst (Freiburg) 25. 11. Dr. Ratzel 7. 11. Richarts 6. 11. Dr. Rutschke 6. 11. Scharnowski 6. 11. Dr. Schild 6. 11. Dr. Schmidt (Wuppertal) 6. 11. Frau Schmitt (Fulda) 25. 11. Schneider (Hamburg) 6. 11. Schüttler 6. 11. Dr. Seffrin 7. 11. Seuffert 6. 11. Stahl 6. 11. Stierle 7. 11. Dr. Vogel 25. 1.1. Wacher 6. 11. Wagner 6. 11. Walpert 12. 11. Wehking 6. 11. Weinkamm 7. 11. Dr. Willeke 6. 11. Wittrock 6. 11. b) Urlaubsanträge Blachstein 12. 11. Finckh 1. 12. Storch 14. 11.
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    Rede von Peter Horn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    daß es nämlich darauf ankommt, eine Konzeption für die Zukunft zu erhalten und zu sichern. Das muß ein moralisches Ziel jeder Sozialgesetzgebung sein!
    Aber wir dürfen Augen und Ohren nicht vor der Kettenreaktion verschließen, die es nun einmal in der Sozialpolitik gibt, und auch nicht vor der Gefahr, die sozialpolitische Versprechungen in sich tragen. Diese Gefahr ist allerdings auf allen
    Gebieten der Sozialpolitik permanent. Deshalb sind die Warnungen des Kollegen Horn und des Arbeitsministers wie die Signale im Sozialbericht nicht zu übersehen. Das im Sozialbericht gegebene Warnsignal ist, wenn ich es mit dem Verkehrssignal an der Straßenkreuzung vergleichen darf, zur Zeit auf Gelb gestellt. Aber wir dürfen dabei nicht übersehen, daß die nächste Farbe nicht Grün, sondern Rot sein wird.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Woher wissen Sie das?)

    Es gibt wahrscheinlich keine freie Fahrt in eine dritte Rentenanpassung, wenn nicht vorher der Finanzausgleich, von dem der Kollege Schellenberg zu Beginn gesprochen hat, durch die Rechtsverordnung geregelt sein wird und wenn nicht die Frage der Beitragserhöhung und der Staatszuschüsse redlich und offen diskutiert und gelöst wird.


Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schellenberg?

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    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Schellenberg, ich möchte gern jede Zwischenfrage beantworten, aber Sie haben vorgeschlagen, daß wir uns in der Zeit begrenzen. Sie haben von Ihrer Fraktion drei oder vier Redner angemeldet, ich muß aber als einzige Rednerin meiner Fraktion alle Probleme beantworten.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Vielleicht kürzt das aber ab, was ich Sie frage!)

    Ich muß deshalb heute darum bitten, daß Sie mich nicht unterbrechen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Sie verschlechtern Ihre Position! — Weiterer Zuruf von der SPD: Sie sind doch 15 Leute!)

    Sie wissen, daß das nicht aus Feigheit geschieht und daß ich jede Ihrer Fragen beantworten kann.
    Das Gutachten des Sozialbeirats betont, daß die Schere zwischen den Bestandsrenten und den Neurenten nicht beseitigt wird. Niemand — auch nicht die Kollegen aus der Freien Demokratischen Partei — wird bestreiten. daß eine Anpassung der Bestandsrenten dringend notwendig ist, nachdem das bisher nicht geschehen war. Alle Einsichtigen werden von dieser Notwendigkeit überzeugt sein, auch wenn ,sie von der Sorge erfüllt sind, die uns die heute vorliegenden Berichte vermittelt haben.
    Ich will auch nicht verschweigen, daß die Besorgnis, die uns bei wachsenden Bundeszuschüssen erfüllt, in vermehrtem Maße auf uns zukommen wird, weil die Diskussion um die Altersversorgung des Handwerks, um die Wünsche der freien Berufe und um die Reform sonstiger Gesetze, die uns bevorsteht, erst beginnt.
    Es ist für uns alle außerordentlich bedenklich, den Rentnern schon heute sagen zu müssen, daß weitere Anpassungen in gleicher Höhe — ganz gleich, wie der Finanzausgleich erfolgt — nur noch



    Frau Kalinke
    ein-, zwei- oder dreimal, bestimmt aber in ferner Zukunft nicht mehr alljährlich möglich sind.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Aber das ist doch in keiner Weise bewiesen! Beweisen Sie das!)

    — Herr Kollege Schellenberg, das ist für jeden, der rechnen kann und rechenhaft denken kann, eindeutig.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Das war aber ein überzeugender Beweis!)

    Teilt man Ihre Auffassung, Herr Kollege Schellenberg, daß die Kosten, ganz gleich, was geschieht, durch Umlage, durch Steuern und Beiträge und durch Subventionen, auch solcher versteckter Art, vom Staat gedeckt werden müssen, kann man so sprechen. Hat man aber eine andere Auffassung, nämlich daß der Etat des Bundes — Regierungsparteien müssen nun einmal verantwortungsbewußt an den Haushalt denken — uns zu Deckungsüberlegungen zwingt, dann werden Sie mir zustimmen müssen, weil Sie die Zusammenhänge kennen, daß die Möglichkeit wachsender Bundeszuschüsse Grenzen hat.
    Die Wanderversicherung und der Finanzausgleich, wenn man sich vorstellt, daß in der Angestelltenversicherung rund 68 % aller Angestelltenrenten, die im zweiten Halbjahr 1957 zugingen, Wanderversicherungsrenten sind, bedeuten ja, daß mit einer einfachen Übertragung von Teilen der Erstattung von der Arbeiterrentenversicherung auf die Angestelltenversicherung das Problem keineswegs gelöst wird. Wir müssen leider befürchten, daß der Vorschlag des Beirates, den die Regierung aufgegriffen hat, hinsichtlich des Prozentsatzes zu Mißverständnissen führt.
    Der Herr Bundesminister hat sehr deutlich gesagt
    — und ich bedanke mich bei ihm für diese Deutlichkeit —, daß mit dem gleichen Hundertsatz für die Erhöhung nun nicht etwa auch für die Bestandsrenten die Automatik eingeführt werden soll. Aber in der Sozialpolitik ist es nun einmal so, daß sehr leicht Wünsche, Hoffnungen und falsche Vorstellungen geweckt werden, wenn man die gleichen Millionenzahlen für die Anpassung bei Bestandsrenten und Neurenten nennt. Ich möchte nachdrücklich die Auffassung des Arbeitsministers unterstreichen. Es wäre besser und klarer, wenn der Beirat für die Anpassung der laufenden Bestandsrenten nicht den gleichen Prozentsatz vorgeschlagen und die Regierung von sich aus differenziert hätte. Es wäre mir lieb, wenn wir in Höhe von 10 % oder 5 % hätten anpassen können; nach dem Sozialbericht dürften es wahrscheinlich weniger sein.
    Ich fürchte, daß durch den gleichen Hundertsatz auch Mißverständnisse über die Gründe der Anpassung in der vorgesehenen Höhe entstehen werden, und zwar deswegen, weil man das denjenigen, die die Zusammenhänge weniger kennen, die Gründe schwer erläutern kann.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Aber dann hätten Sie eine große Ungerechtigkeit geschaffen!)

    — Ich weiß, Herr Kollege Schellenberg, daß ohnehin eine Ungerechtigkeit darin besteht, daß wir eine unterschiedliche Formel für die Bestandsrenten und für die neu hinzukommenden Renten haben.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Dann müssen wir sie beseitigen!)

    — Wir werden sie beseitigen, nur nicht entsprechend Ihren Zielen, sondern so, wie es im Interesse einer verantwortungsbewußten Politik in der Zukunft richtig ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Mit großer Sorge erfüllen uns auch die fortwährenden Forderungen nicht nur der Sozialdemokraten, sondern vieler Gruppen in unserem Volk nach immer höheren Bundeszuschüssen. Die Bundeszuschüsse bergen angesichts unserer dynamischen Rentenformel all die Verlockungen in sich, über die wir hier mehrfach gesprochen haben. Die Schichten unseres Volkes, die diese Zuschüsse als Steuerzahler aufbringen müssen, haben zu einem großen Teil keinen Anteil an den Segnungen dieser Bundeszuschüsse. Wir müssen daran denken, welche Auswirkung eine Erhöhung der Bundeszuschüsse auf die Forderungen der freien Berufe und weniger gesicherter kleiner Existenzen in der gewerblichen Wirtschaft haben muß.
    Der Sozialbericht zeigt daher — das sage ich besonders dem Kollegen Schellenberg, der die Dinge mit Sachverstand überblicken kann , daß sich aus sozialpolitischen Versprechungen an Rentner in Zukunft wahrscheinlich wenig parteipolitisches Kapital wird herausschlagen lassen. Unsere Arbeiter erkennen immer deutlicher, daß sie das, was ihnen der Staat an Renten zuteilt, selber bezahlen müssen. Daher wird der Opposition in diesem Hause, für die ja noch drei Redner sprechen werden, sicherlich einmal etwas Gescheiteres einfallen müssen, als immer nur nach mehr zu rufen. Denn ihre eigenen Mitglieder und die ihr nahestehenden Gruppen im Volke werden eines Tages den Zusammenhang zwischen der Beitrags- und Steuerbelastung und der Rentenhöhe erkennen, der sich heute auf Grund der hohen Beitrags- und Steuerlast bereits zeigt.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Haben wir höhere Bundeszuschüsse gefordert?)

    — Soll ich Ihnen voraussagen, was Sie in der Zukunft noch alles fordern werden? Ich könnte es, Herr Kollege Schellenberg!
    Der Bericht, den der Vertreter der deutschen Bundesbank Herr Dr. Wolf im Sozialbeirat gegeben und den er im „Volkswirt" veröffentlicht hat, bestätigt in seiner bestechenden Realität und seiner sehr desillusionierenden Darstellung der Wirklichkeit nur die Sorgen und Bedenken, die ich — nicht weil ich weniger geben möchte, wie es die Opposition immer unterstellt, sondern weil ich eine stetige Entwicklung wünschte — hier bei den Beratungen der Rentenreform zum Ausdruck gebracht habe. Von nun an bleibt die Frage, die der Kollege Horn angeschnitten hat, auf der Tagesordnung, nämlich ob es nicht verantwortungsbewußter und richtiger ist, in die Zukunft hinein soziale Leistungen zu ga-



    Frau Kalinke
    rantieren, auch wenn man in der Gegenwart den Mut zur Unpopularität haben und überhöhten Forderungen gegenüber nein sagen muß.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich will mich wegen der geringen Redezeit nicht dazu verführen lassen, hier viel zum großen Problem „Kapitalmarkt" zu sagen. Ich darf nur darauf hinweisen, daß die Wirkungen jeder Rentenpolitik auf den Kapitalmarkt gesehen werden müssen. Die Hoffnung des Herrn Bundesministers für Arbeit und sein optimistischer Glaube an eine Atempause in der Konjunktur können doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Beitragseinnahmen zwar noch so lange steigen, wie die Löhne steigen, daß aber die Lage auf dem Arbeitsmarkt, das Fehlen der Arbeitskraftreserven, die Zunahme der weiblichen Beschäftigten, der mitarbeitenden Ehefrauen mit ihren Problemen der frühen Invalidisierung und der frühen Beanspruchung der Altersrente uns sehr ernsthafte Probleme aufgeben.

    (Abg. Ruf: Alles richtig!)

    Daß der 2-Milliarden-Ausgleich der Arbeiter- an die Angestelltenversicherung als Finanzausgleich zwingend vorgeschrieben ist, wird uns allein nicht helfen, die finanziellen Probleme, die auf uns zukommen, auf Dauer zu lösen. Auch dazu möchte ich ein warnendes Wort sagen, nämlich, daß die Behauptung, „die Dynamik werde von automatisch steigenden Einnahmen wieder kompensiert", eine recht optimistische und sehr gefährliche Annahme ist, die im neuen Sozialbericht, Herr Minister, wirklich keine Bestätigung findet.
    Besorgt habe ich auch gelesen, daß in absehbarer Zeit die Rücklagen angegriffen werden müssen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Das ist auch noch keineswegs sicher! Das ist Prophetie!)

    — Das ist keine Prophetie, sondern das ist so deutlich bei der Angestelltenversicherung zu errechnen, daß ich, wenn ich mehr Zeit hätte, es Ihnen in Zahlen sagen könnte.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Herr Kollege Schellenberg, ich denke, daß Sie auch jene schöne biblische Geschichte in Erinnerung haben von den Speichern, die für die sieben mageren Jahre gebaut werden. Dieses biblische Beispiel gilt genauso für die Rücklagen in der Sozialpolitik. Sie werden nämlich für die Zeiten der Not, für Konjunkturschwierigkeiten, für unvorhergesehene Belastungen angelegt.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Steht alles im Gesetz!)

    Nun ist es so, daß die Rücklagen aber schon in der Vollbeschäftigung, in einer Hochkonjunktur ohne Arbeitskräfte, angegriffen werden soll. Wenn das schon am grünen Holz geschieht, was soll dann geschehen, wenn Konjunkturschwankungen, Beitragsrückgänge, Arbeitslosigkeit und ähnliches Unglück — Gott möge es verhüten — eintreten, womit wir nach den Erfahrungen der Politik doch rechnen müssen?
    Der Kollege Schellenberg hat den Überschuß und das Vermögen gerühmt und gesagt, es wachse weiter. Darüber ist kein Zweifel. Bisher ist die erfolgreiche Wirtschaftspolitik, eine maßvolle und vernünftige Sozialpolitik der Bundesregierung und der Koalitionsparteien eine der Grundlagen dafür gewesen, daß dieses Vermögen wächst und die Beitragseinnahmen steigen. Das darf uns aber nicht zu der leichtfertigen Folgerung verführen, eine Reihe von Faktoren, die ich hier genannt habe, und eine weitere Reihe von Faktoren, die noch nicht einmal bekannt sind, ließen es in der Zukunft zu, sich vagen Vorstellungen von der Finanzkraft hinzugeben, wie Sie, meine Herren von der SPD, sie hier vertreten haben.
    Die Verordnung über die Feststellung von Leistungen, über die in Verlust gegangenen Versicherungsunterlagen wird dabei genauso eine Rolle spielen wie das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern, das sich laufend ungünstig verändert. Dazu gehören weiter die Auswirkungen des vermehrten Frauenarbeitseinsatzes wie die Frage der noch gar nicht recht angelaufenen Rehabilitationsmaßnahmen und ihre Kosten. Das alles wird uns die technische Bilanz, so hoffe ich, nicht erst am Ende des nächsten Jahres, sondern sehr bald sagen können.
    Meine Herren von der Opposition, auch Sie können das doch nicht verschweigen. Denn ich kann mir nicht denken, daß Sie nicht wissen, wieviel unbekannte Faktoren da sind. Wir wissen heute nicht einmal, wieviel Versicherte es gibt. Wir wissen nicht einmal, wieviel neue Anwartschaften nach dem Inkrafttreten der Rentenreformgesetze und dem Fremdrentengesetz auf uns zukommen werden.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Weil Sie das nicht wissen, dürfen Sie nicht sagen, daß die Finanzlage schwierig werden wird!)

    Weil ich das nicht weiß, muß ich vorsichtig sein, darf ich nicht leichtfertig sein, sondern muß alles das in Rechnung setzen, was an möglichen Überraschungen auf uns zukommt. Wir wissen noch nicht einmal, Herr Schellenberg; wer wirklich ein Versicherter ist. Die 500 Millionen Versicherungskarten, die angesammelt sind, zeigen es, wenn wir sie auswerten, durchaus nicht deutlich. Die Mathematiker streiten sich darüber, wer ein Versicherter ist; ob jeder, der einmal irgendwann Beiträge gezahlt hat, ein Versicherter ist — was doch klar sein sollte —, ob jeder, der die Beitragszahlung unterbrochen oder ganz aufgegeben hat, noch ein Versicherter ist.
    Der Mathematiker, der die Bilanz vorbereiten muß, wird sicher alle als Versicherte ansehen, die zu irgendeinem Zeitpunkt Ansprüche an die Versicherungen stellen könnten. Dazu kämen dann auch die vielen Hausfrauen und Weiterversicherten mit geringen Beiträgen. Dazu kämen die Arbeitslosen, Kranken und Berufsunfähigen ohne Arbeitsverdienste, die „als Versicherte" die Bilanz unklar machen, sei es bei dem Problem der Feststellung der Bruttoarbeitsentgelte aller Versicherten, sei es bei der Ermittlung von Durchschnittszahlen für § 32 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes. Der



    Frau Kalinke
    Begriff „alle Versicherten" ist anders zu verstehen als bei der Ermittlung des durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelts, wenn es um die Ermittlung künftiger Rentenlasten geht. Ich möchte auf diesen Punkt nur als auf einen von sehr vielen unbekannten Faktoren hingewiesen haben.
    Wir Sozialpolitiker haben zuerst zu fragen: Was dient den Versicherten? Denn die Versicherten richten an uns, an den Staat und die die Regierung tragenden Fraktionen, sehr ernste Fragen — und darauf müssen sie eine Antwort erhalten -: Bekommen wir für unsere hohen Beiträge, für den Eigentumsverzicht, den wir durch so hohe Beiträge leisten müssen, in der Zukunft auch die versprochenen Renten? Garantiert uns der Staat, daß sich die bösen Erfahrungen der Vergangenheit, in der die Ersparnisse so vieler Staatsbürger zunichte gemacht wurden, nicht wiederholen? Macht ihr uns auch nicht leichtfertige Versprechungen und müssen wir nicht eines Tages sehr viel höhere Beiträge zahlen?

    (Abg. Dr. Schellenberg: Haben Sie so wenig Vertrauen in die Zukunft?)

    — Ich bin ein Mensch, der in solchen Fragen sehr gern die Kräfte des Verstandes und nicht optimistische Gefühle walten läßt.
    Wir haben weiter zu fragen: Was dient unseren Rentnern wirklich? Unsern Rentnern dient eine Garantie, daß sie beruhigt an ihren Lebensabend denken können. Und denen, die noch keine Rentner sind, muß dieselbe Sicherheit gegeben werden, daß das, was ihnen versprochen ist, auch in Zukunft erfüllt werden kann.