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    Deutscher Bundestag 87. Sitzung Bonn, den 5. November 1959 Inhalt: Antrag betr. Aussetzung des Butterzolls (SPD); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1297, 1344) 4681 C Abg. Eberhard tritt als Nachfolger des Abg Glahn in den Bundestag ein . . . . 4682 A Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung; verbunden mit Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. die internationale Lage, die Sicherung Berlins und die Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 1244) Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. die deutsche Einheit (Drucksache 1284) Antrag der Fraktion der FDP betr. Konvention zur Sicherung des Heimatrechts (Drucksache 493) Dr. von Brentano, Bundesminister 4682 A, 4736 B Ollenhauer (SPD) 4693 D Dr. Furler (CDU/CSU) . . . . 4704 C Dr. Mende (FDP) 4709 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 4718 D Brandt, Regierender Bürgermeister von Berlin . . . . . . . . 4725 D Jaksch (SPD) 4728 A Majonica (CDU/CSU) 4732 C Krüger (Olpe) (CDU/CSU) . . . 4735 C Zoglmann (FDP) 4739 D Erler (SPD) 4743 A Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) 4750 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . 4758 D Rasner (CDU/CSU) (zur GO) . 4768 A Persönliche Erklärung gemäß § 36 GO Wehner (SPD) . . . . . . . 4768 B Persönliche Bemerkung gemäß § 35 GO Majonica (CDU/CSU) 4768 D Nächste Sitzung 4768 D Anlagen . . . . . . . . . 4769, 4770 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1959 4681 87. Sitzung Bonn, den 5. November 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 10.04 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1959 4769 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Graf Adelmann 25. 11. Dr. Atzenroth 7.11. Fürst von Bismarck 7. 11. Börner 7. 11. Dr. Brecht 6. 11. Dr. Bucerius 6. 11. Drachsler 6. 11. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 15. 12. Hahn 28. 11. Dr. Hellwig 6. 11. Heye 25. 11. Hilbert 1. 12. Jacobs 15. 11. Jahn (Frankfurt) 15. 12. Josten 15. 11. Junghans 7. 11. Kisters 28. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 25. 11. Dr. Kohut 28. 11. Kreitmeyer 25. 11. Lenz (Trossingen) 6. 11. Lücker (München) 7. 11. Maier (Freiburg) 15. 12. Matthes 15. 11. Müller-Hermann 6. 11. Müser 7. 11. Pietscher 6. 11. Prennel 6. 11. Probst (Freiburg) 25. 11. Dr. Ratzel 7. 11. Scharnowski 6. 11. Frau Schmitt (Fulda) 25. 11. Schüttler 6. 11. Dr. Seffrin 7. 11. Seidl (Dorfen) 5. 11. Stahl 6. 11. Stierle 7. 11. Dr. Toussaint 5. 11. Dr. Vogel 25. 11. Walpert 12. 11. Weinkamm 7.11. b) Urlaubsanträge Dr. Burgbacher 25. 11. Anlage 2 Umdruck 408 Antrag der Fraktion der SPD betr. die internationale Lage, die Sicherung Berlins und die Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 1244). Anlagen zum Stenographischen Bericht Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, die Fragen des Verhältnisses der Bundesrepublik zu allen osteuropäischen Staaten erneut zu überprüfen und durch eine möglichst baldige Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu einer dauerhaften konstruktiven Zusammenarbeit mit ihnen zu gelangen. Bonn, den 5. November 1959 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Erklärung zur Abstimmung gemäß § 59 der Geschäftsordnung. Die Unterzeichneten begründen ihre Ablehnung d es Antrages des Außenhandelsausschusses zum Antrag der SPD betreffend Aussetzung des Butterzolls (Drucksache 1344) wie folgt. Der Antrag des Außenhandelsausschusses betreffend Aussetzung des Butterzolles bringt weder dem Verbraucher noch dem Staat, sondern nur dem ausländischen Exporteur Nutzen. Er ist außerdem unvereinbar mit dem Sinn und dem Ziel des Landwirtschaftsgesetzes. Regierungsvertreter und Opposition haben im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ausdrücklich erklärt, daß sie eine Senkung des Butterpreises durch die Aussetzung des Butterzolles nicht erwarten. Die Unterzeichneten befürchten, daß infolge der weiteren Verknappung des internationalen Buttermarktes die Preise sogar weiter steigen werden. Sie wünschen aber die Verhinderung solcher Preissteigerungen. Unserer Meinung nach dient diese Politik nicht dem deutschen Verbraucher. Die Aussetzung des Butterzolls wird nicht zu einer Senkung der Butterpreise beitragen. Schon jetzt haben die ausländischen Exporteure erklärt, daß sie bei Fortfall des Zolles ihres Preise entsprechend heraufsetzen werden. Nach der Aufhebung des Kartoffelzolles haben die holländischen und polnischen Exporteure die Kartoffelpreise dem Zollausfall entsprechend ebenfalls erhöht. Für die Landwirtschaft dürfen wir die Versicherung abgeben, daß sie durch Zukauf und Verfütterung von Kraftfuttermitteln zur Steigerung der Milchproduktion beitragen wird. Eine Herabsetzung des Butterkonsums durch den Verbraucher ist nicht erforderlich. Es genügt völlig, den Verbrauch bis zum Jahresende auf der Höhe des Vorjahres zu halten. Die Unterzeichneten schlagen eine Andienungspflicht der Butterimporte an die Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette zu Weltmarktpreisen und die Ermächtigung der Einfuhr- und Vorratsstelle durch 4770 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1959 die Bundesregierung vor, diese Preise mit Hilfe dafür verfügbarer Abschöpfungsbeträge angemessen zu verbilligen. Wir glauben, daß hierdurch eine weitere Preissteigerung verhindert werden kann. Eine Aussetzung des Butterzolles muß als dem Sinn dem Landwirtschaftsgesetzes widersprechend abgelehnt werden. Wittmer-Eigenbrodt Dr. Reinhard Hackethal Krug Meyer Wittmann v. Lindeiner-Wildau Gehring Gassmann Bauknecht Dr. Reith Stauch Knobloch F. Fritz Solke Hesemann Sühler Bauer Schulze-Pellengahr Riedel (Frankfurt) Mensing Gibbert F. Storm Bauereisen Lermer Spies Engelbrecht-Greve Lenze Dr. Conring v. Bodelschwingh Dr. Gossel Wacher Burgemeister W. Brese
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    Rede von Ernst Majonica


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich soeben den Kollegen Jaksch hier über unsere Ostbeziehungen und vor allen Dingen auch über die Oder-Neiße-Linie sprechen hörte, wurde ich doch an die Zeit erinnert, wo gewisse Sprecher seiner Partei von einem Teil der deutschen Presse gefeiert wurden, weil sie endlich einmal ein heißes Eisen realistisch angefaßt hätten. Heute haben wir eine Situation, wo sich auch Ihre Fraktion als Rocher de bronze vor die Oder-Neiße-Linie stellt, die Aushöhlung des Rechtsanspruchs in dieser Frage verneint und wir so ein wenig durch die Regierung in die Rolle des unsicheren Kantonisten hineingedrängt werden sollen. Ich glaube, daß das völlig falsch ist.
    Die Erklärungen der Regierung in dieser Frage sind völlig einheitlich. Es ist gut, daß wir heute feststellen können, hierin einen einheitlichen Standpunkt zu haben. Nach der Rede des Kollegen Jaksch kann ich wirklich nur sagen: Welche Wendung durch Gottes Fügung! Wir wollen hoffen, daß wir noch auf einer ganzen Reihe von Gebieten zu dieser Gemeinsamkeit kommen werden, die wir heute in dieser Frage haben feststellen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte zu der gleichen Frage unserer Ostbeziehungen sprechen und versuchen, sie einmal in die allgemeine sowjetische Politik und vor allen Dingen in die allgemeine sowjetische Deutschlandpolitik einzuordnen.
    Wenn wir uns die sowjetische Deutschlandpolitik ansehen, stellen wir fest, daß sie immer sehr — wenn wir nicht die Leidtragenden wären, könnten wir fast sagen: bewundernswert — konsequent gewesen ist. Man kann die sowjetische Deutschlandpolitik seit 1945 in dem einen Satz zusammenfassen: daß sie immer hat halten wollen, was ihr der zweite Weltkrieg gegeben hat, und daß sie nach Möglichkeit ihren Einflußbereich weiter hat ausdehnen wollen. Das ist immer die sowjetische Deutschlandpolitik gewesen. Nicht eine einzige Sekunde in der Vergangenheit hat die Sowjetunion in dieser Frage geschwankt. Wer glauben machen möchte, vielleicht aus innenpolitischen Gründen, daß die Sowjetunion einen Augenblick einmal nicht diese Grundhaltung vertreten habe, der, meine ich, möchte uns auch glauben machen, daß für eine bestimmte Zeit keine Kommunisten im Kreml gesessen haben, sondern andere Menschen, die andere internationale Grundsätze als die Kommunisten verträten. Bei dieser Politik der Ausdehnung und der gleichzeitigen Konsolidierung des eigenen Herrschaftsbereiches hat es natürlich verschiedene Phasen gegeben.
    Nach dem zweiten Weltkrieg stand zunächst die Phase der Ausdehnung des Einflußbereiches der Sowjetunion im Vordergrund. Man glaubte, eine durch den zweiten Weltkrieg zerstörte, durcheinander gebrachte Welt sei ein ideales Feld für diese Ausbreitungspolitik der Sowjetunion. Man glaubte
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1959 4733
    Majonica
    auch, die Chance nützen zu können, daß die Westmächte abgerüstet hatten, die Sowjetunion aber nicht. Man versuchte dann, diese Ausweitungspolitik durchzuführen. Ich brauche Sie ja nur an die Beispiele zu erinnern, an die großen Streiks hier im Westen, an die Bürgerkriege in Griechenland, Indochina, Indonesien, Burma, den Überfall auf Korea, den Druck auf die Türkei, den Druck auf Persien. Alles das sind ja Beispiele für jene Phase der Ausdehnungspolitik der Sowjetunion.
    Das Vorhandensein starker Kontingente alliierter Truppen, das Nichtvorhandensein revolutionärer Massen hier bei uns in der Bundesrepublik, in Westdeutschland, ließen derartige Methoden, wie sie in anderen Teilen der Welt angewandt wurden, nicht zu. Hier verlegte man sich auf diplomatische, hier verlegte man sich auf politische Mittel, um eben diese Ausdehnungspolitik betreiben zu können. Ich brauche nur an jenen Vorschlag zu erinnern, die Sowjetunion an der Ruhrbehörde zu beteiligen. Ich brauche nur an jene Noten zu erinnern, die von 1952 bis 1954 mit den Westmächten getauscht wurden, wo man doch versucht hat, bei uns dieselbe Ausgangsposition zu schaffen, wie sie in dem Satellitenraum zur Bolschewisierung geführt hat.

    (Lebhafte Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Das war doch der eigentliche Inhalt dieser Noten.
    Brachten nun aber schon Stalins Tod die fortschreitende Konsolidierung in Europa und vor allen Dingen der Eintritt der Bundesrepublik in den Nordatlantikpakt einen Wandel in dieser Politik, so versuchte man eben nicht mehr, sich in Europa auszudehnen, sonder verlegte diese Ausdehnungspolitik im wesentlichen in die Räume der sogenannten Entwicklungsländer, in die Räume Asiens, Afrikas und Südamerikas. Hier versuchte man, diese Ausdehnungspolitik mit allen wirtschaftlichen und diplomatischen Mitteln zu betreiben. Ich glaube, diese Erkenntnis verpflichtet uns dazu, mit diesen Entwicklungsländern auf das engste und auf das beste zusammenzuarbeiten, nicht nur, um sie vor dem neuen Kolonialismus des Kommunismus zu schützen, sondern auch weil wir in einer Welt leben, die zu einer Einheit drängt. Es ist deshalb unerträglich, daß es große Unterschiede im Einkommen, in der Lebenshaltung gibt. Aus moralischen Gründen müssen wir diesen Klassenkampf der Völker eben unterbinden, müssen für eine gute Zusammenarbeit, müssen dafür !sorgen, daß auch hier der Lebensstandard gehoben wird. Nur so können wir diese Völker frei und unabhängig an unserer Seite halten.
    Damit ergibt sich eine völlige Interessengleichheit zwischen dem, was diese Nationen wollen, und dem, was wir selber wollen. Damit ergibt sich eine Interessengleichheit, daß da und hier die Unabhängigkeit, die Freiheit gewahrt bleibt. Ich glaube, wenn die Völker unsere Situation sehen, dann werden Sie erkennen können, daß eben das Selbstbestimmungsrecht, das man ihnen gewährt hat, uns in der Zone verweigert wird. Diese Interessengleichheiten des Selbstbestimmungsrechts
    müßten wir noch viel stärker, noch viel eindringlicher in den Vordergrund ,schieben.
    Nun gibt es 'gewisse Leute, die glauben, diese Probleme, die wir in Europa haben, diese Probleme, die wir auch in Asien haben, würden sich eines Tages dadurch auflösen, würden eines Tages dadurch verschwinden, daß uns der russisch-chinesische Gegensatz der Sorge in Europa und auch der Sorge in Asien ,enthöbe. Sicherlich wird es Spannungen ideologischer Natur zwischen diesen beiden Mächten geben. Ich brauche nur an die Volkskommune zu erinnern. Es gibt Spannungen ,auf dem Gebiete der Grenzen. Aber wir sollten doch nicht vergessen, daß beides kommunistische Mächte sind und daß daher beider außenpolitische Zielsetzung aggressiver Natur ist. Beide Mächte müssen deshalb zusammenarbeiten, beide Mächte sind aufeinander angewiesen. Man kann in dem Bündnissystem beider Mächte einfach die Partner nicht auswechseln. Es gibt für Rotchina keinen Ersatz für die Sowjetunion, und es gibt für die Sowjetunion keinen Ersatz für Rotchina. Beide Mächte sind aufeinander angewiesen, um ihre aggressive Außenpolitik miteinander durchführen zu können.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das brutale Vorgehen Rotchinas in Tibet, im indisch-chinesischen Grenzkonflikt, läßt diese Völker erkennen, in welcher Gefährdung sie leben. Ich glaube, das gibt uns eine neue Chance, das gibt uns eine neue Möglichkeit, mit ihnen für Frieden und Freiheit in dieser Welt zusammenzuarbeiten. Ich meine, meine Damen und Herren, wir sollten diese Chance der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern nutzen, weil der Verlust Asiens auch Europa mitreißen und auch unsere eigene Freiheit vernichten würde.
    Die Konsolidierung Westeuropas, die Hinwendung der Sowjetunion zu den Entwicklungsländern und vor allen Dingen die Schwierigkeiten im eigenen Bereich brachten die sowjetische Außenpolitik dazu, hier in Europa für eine gewisse Zeit die Konsolidierung in den Vordergrund zu schieben. Im Augenblick geht es der Sowjetunion nicht um die Ausdehnung, sondern um die Konsolidierung ihres europäischen Machtbereichs. Ich glaube, Herr Kollege Jaksch, in diesen Zusammenhang, in den Zusammenhang mit der Konsolidierung des europäischen Machtbereichs der Sowjetunion, müssen wir die Frage der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu den sogenannten Satellitenstaaten stellen.
    Niemand von uns -- ich glaube, da ist sich das gesamte Haus einig — hat irgendwelche Haßgefühle gegenüber den Völkern im Osten. Jeder von uns möchte den Ausgleich mit diesen Nationen im Osten. Es gibt bei uns keine grundsätzliche Ungarnoder Polenfeindschaft. Im Gegenteil, wir würden lieber heute als morgen sehen, daß wir zu einem guten Nachbarschaftsverhältnis zu diesen Nationen kommen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

    Wir wollen auch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen nicht von dem inneren System dieser



    Majonica
    Völker abhängig machen. Wir lehnen ein Einmischen in die inneren Verhältnisse dieser Völker ab. Das sind, glaube ich, Grundsätze, in denen sich das ganze Haus einig ist.
    Es soll auch nicht bestritten werden, daß die Aufnahme diplomatischer Beziehungen gewisse Vorteile bringen wird. Sie haben sie schon aufgezählt: die Möglichkeit der Information aus erster Hand, die Möglichkeit, dort das Zerrbild ein wenig zu berichtigen, das jetzt einzig und allein vom Pankower Vertreter gezeichnet wird, die Möglichkeit, sich der Deutschen anzunehmen, die noch in diesen Ländern wohnen. Das sind selbstverständlich Vorteile, die wir sorgfältig wägen müssen.
    Aber Sie haben selbst schon an das Grenzproblem erinnert. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß in diesem Zusammenhang die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie in Form einer Vorleistung für uns unter keinen Umständen in Frage kommen kann.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

    Ich möchte auch die Zweckmäßigkeit einer solchen Vorleistung im Interesse einer Entspannung, eines Ausgleichs mit dem polnischen Volk in Zweifel ziehen. Denn Sie wissen ebensogut wie ich, Herr Kollege Jaksch, daß die Polen sehr nationalbewußte Menschen sind, und ich bin der Meinung, daß sie uns einen Verzicht auf diese Gebiete einfach nicht abnehmen würden; sie würden ihn einfach nicht glauben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Deshalb glaube ich, daß es keinen Sinn hat, in dem Zusammenhang eines versuchten Ausgleichs etwa mit Polen das Grenzproblem im Sinne einer vorherigen Verzichtleistung durch die deutsche Bundesregierung, durch das deutsche Volk anzusprechen. Das kommt unter keinen Umständen in Frage; in dieser Frage ist sich das ganze Haus einig.
    Sie haben auch die Public-relations-Arbeit, die Frage der deutschen Propaganda angeschnitten. Auf diesem Gebiete ist schon einiges getan worden. Ich darf darauf hinweisen, daß die Osteuropainstitute arbeiten, die doch wirklich eine echte wissenschaftliche Grundlage für die Behandlung dieser Fragen erbracht haben. Ich darf Sie daran erinnern, daß wir einen Attaché an der Botschaft in Washington haben, der sich mit dieser Frage beschäftigt. Es gibt eine Reihe von Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Aber ich gebe Ihnen gern zu, daß auf diesem Gebiete noch nicht alles getan worden ist, was getan werden muß.
    Ich darf das überhaupt in einen größeren Zusammenhang hineinstellen. Ich bin der Meinung, daß der Deutsche Bundestag fordern sollte, auch von, seinen Mitgliedern im Haushaltsausschuß, daß mehr als bisher für Public-relations-Arbeit im Ausland ausgegeben wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber selbst wenn es, wie Sie sagen, möglich wäre, das Grenzproblem auszuklammern, würde
    doch das Vorhandensein eines deutschen Botschafters in Warschau, der in Gebieten tätig werden muß, die wir rechtlich als zu Deutschland gehörig betrachten, zu einer fortlaufenden Aushöhlung des Rechtsstandpunktes Deutschlands in diese Frage führen.
    Vor allen Dingen muß ich Ihnen sagen, Herr Kollege Jaksch, daß Sie meines Erachtens das Hauptargument, das wir in dieser Frage haben, etwas stiefmütterlich und etwas kümmerlich am Rande behandelt haben. Das ist die Frage: Was wird geschehen, wenn wir einen großen Teil von Staaten anerkennen, die ihrerseits ,aus dem Zwang ihrer Verhältnisse heraus Pankow anerkannt haben? Dann müßten wir mit Zwangsläufigkeit damit rechnen, daß ein großer Teil der neutralen Welt, ein großer Teil der non-committed world seinerseits Pankow anerkennen wird. Denn dann werden diese Staaten mit Recht fragen, warum für sie andere Grundsätze gelten sollen als für die osteuropäischen Staaten. Wir hätten dann ein international anerkanntes Pankow. Sicherlich, wir hätten als Gegengabe eine Vertretung in einem Raum völkerrechtlich beschränkter Handlungsfähigkeit. Aber der sogenannten DDR wäre der entscheidende diplomatische Durchbruch gelungen. Damit wäre das Problem der Wiedervereinigung internationalisiert. Die Zwei-Staaten-Theorie Moskaus wäre dadurch anerkannt, und wir hätten eine internationale Anerkennung der Spaltung. Damit wäre das Ziel Moskaus in dieser Sache erreicht: eine internationale Anerkennung seines europäischen Besitzstandes einschließlich der sogenannten DDR.
    Ich darf vor allen Dingen im Hinblick auf die kommenden Konferenzen darauf hinweisen, daß damit die Ausgangsposition Moskaus noch erheblich verbessert worden wäre für das, was uns in der deutschen Frage auf den Gipfelkonferenzen von dieser Seite entgegengebracht werden wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Deshalb darf ich ganz eindeutig feststellen, daß, wenn wir sagen: jetzt keine diplomatischen Beziehungen, jetzt kein Austausch von Botschaftern, das gar keine Brüskierung Warschaus oder Budapests oder Bukarests ist, sondern daß das einzig und allein eine Maßnahme ist, die gegen Pankow, gegen eine Internationalisierung des Wiedervereinigungsproblems gerichtet ist.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Wir haben nichts gegen Warschau in dieser Frage, wir haben alles gegen Pankow. Nach diesem Grundsatz müssen wir so handeln, wie wir uns im Augenblick entschieden haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Heute ist viel von den versäumten Gelegenheiten in der deutschen Ostpolitik überhaupt gesprochen worden. Ich möchte da den Satz, den ich eingangs gesagt habe, wiederholen: daß Sowjetrußland in der Deutschlandpolitik immer nur den einen Grundsatz vertreten hat, das zu halten, was ihm der zweite Weltkrieg gegeben hat, und nach Möglichkeit seinen Einflußbereich weiter auszudehnen oder,



    Majonica
    wie es Herr Chruschtschow — nicht wörtlich, aber dem Sinne nach — formulierte: Ich bin bereit, über alles zu reden, nur nicht über das, was ich im Augenblick besitze; über alles andere kann gesprochen werden, aber das, was ich einmal in Besitz genommen habe, ist tabu, über diese Dinge darf einfach nicht gesprochen werden.
    Ich stelle fest, daß wir uns mit der deutschen Sozialdemokratie in dieser Analyse des Verhaltens der Sowjetunion gegenüber Deutschland früher einmal einig waren. Herr Kollege Erler, noch auf Ihrem Hamburger Parteitag im Jahre 1950 wurde festgestellt:
    Die kommunistische Aggressionspolitik hat die Zonengrenze zu einer Frontlinie des Kalten Krieges werden lassen.
    Wie weit davon entfernt ist aber die Feststellung auf dem Stuttgarter Parteitag:
    Die Wiedervereinigung droht der Wehrpolitik der herrschenden Gewalten im geteilten Deutschland zum Opfer zu fallen.
    Oder Ihre Feststellung im Annex zum sogenannten Deutschlandplan der SPD

    (Abg. Wehner: Der sogenannten SPD!)

    — nein, des sogenannten Deutschlandplans (Abg. Wehner: Der sogenannten SPD!)

    — ich meinte das „sogenannte" beim Deutschlandplan

    (Abg. Wehner: Sicherheitshalber überall „sogenannt" vorsetzen!)

    — nur bei Ihnen nicht, Herr Kollege Wehner; da würde ich es mir nicht erlauben —:
    Daß es zu dieser Lage gekommen ist, daran tragen Adenauer, seine Regierung und seine Regierungsmehrheit mit ein gerüttelt Maß an Schuld.
    Ich meine, Herr Kollege Erler, daß das unlogisch ist, was Sie hier sagen. Denn wenn Sie diese Situation schon im Jahre 1950 zu erkennen glaubten, wie soll sie dann durch eine nachfolgende Politik erst geschaffen worden sein; und meines Erachtens haben Sie sie 1950 richtig erkannt.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich glaube, ich habe an Hand dieser Zitate deutlich aufgezeigt, daß sich hier ein Hinwenden zur sowjetischen Auffassung der Deutschlandpolitik abhebt, daß bei uns ein Aufweichungsprozeß, ein Ausverkauf westlicher, insbesondere deutscher Positionen, vor sich geht. Ich frage nur, Herr Kollege Erler: Wem nützt das eigentlich? Ich glaube, es ist nicht richtig, die immer größere Härte der Sowjetunion in dieser Frage mit einem ständigen Weicherwerden auf unserer Seite zu beantworten.

    (Beifal bei den Regierungsparteien.)

    Auf die Dauer wird man damit nicht zur Lösung der deutschen Frage kommen. Ich meine, daß wir der konsequenten Deutschlandpolitik der Sowjets ebenso konsequent unsere Deutschlandpolitik entgegenstellen müssen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Die Sowjets müssen erkennen, daß man so nicht zur Lösung kommt, daß wir zwar zur Verständigung bereit sind, daß wir gerne bereit sind, in einem Gespräch die Differenzen zu klären, daß aber der Störenfried einer Verständigung zwischen der Sowjetunion und uns Ulbricht und sein Zwangssystem sind; ein laufendes Nachgeben gegenüber den Forderungen der Sowjetunion würde ihn nur stärken. Der Sowjetunion muß klargemacht werden, daß ein friedliches Gesamtdeutschland ihrem Interesse mehr dient als dieser Störenfried, der eine deutschsowjetische Verständigung verhindert. Deshalb müssen wir den Weg, den wir bisher gegangen sind, konsequent weitergehen.
    Wir resignieren gar nicht. Wir sind der Meinung, daß die Resignation und Illusion vielmehr bei dem Deutschlandplan der SPD Pate gestanden haben. Wir resignieren auch deshalb nicht, weil wir wissen, daß die Freiheit auf die Dauer stärker sein wird als die Unfreiheit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Krüger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist in unserer Fraktion die Aufgabe zugefallen, von seiten der Heimatvertriebenen zu dem sie betreffenden Teil der Regierungserklärung zusätzlich Stellung zu nehmen.
    Gestatten Sie mir dazu einige Vorbemerkungen. Seit der Note der Sowjets vom November 1958 und seit der Note vom Januar mit dem Friedensvertragsentwurf hat sich der Heimatvertriebenen eine Unruhe bemächtigt, die durch besondere Ereignisse in der nachfolgenden Zeit noch verstärkt worden ist. Insbesondere war die Stellungnahme eines Teils der deutschen Presse nicht dazu angetan, diese Unruhe zu beseitigen. Wir haben auch aus dem Verlauf der Genfer Konferenz entnehmen können, daß die Besorgnisse, die wir auf Grund der beiden Noten haben mußten, nach wie vor begründet sind; sie sind nicht zerstreut worden.
    So haben wir die Feststellung treffen dürfen — und das ist eine Feststellung, die man auch in diesem Hohen Hause beachten sollte —, daß die Veranstaltungen der Heimatvertriebenen in diesem Jahre besonders besucht waren. Ich erinnere an den Sudetendeutschen Tag in Wien, zu dem 350 000 sudetendeutsche Landsleute freiwillig, ohne Kommando die weite Reise unternommen haben, um ein Bekenntnis zu ihrer Heimat abzulegen. Dasselbe ist bei dem SchlesierTreffen in Köln geschehen, wo etwa die gleiche Zahl erschienen ist. Darüber hinaus haben unzählige Treffen auf Landesebene und von Heimatkreisen stattgefunden, die in diesem Jahr einen Besuch gezeigt haben, wie mancher ihn gar nicht erwartet hätte.
    Wir haben dabei feststellen müssen, daß gerade die Ereignisse, die sich in dem letzten Jahre abgespielt haben und die die Anliegen der Heimatvertriebenen in den Vordergrund gespielt haben, der Anlaß gewesen sind, die Heimatvertriebenen auf



    Krüger (Olpe)

    den Plan zu rufen. Wenn Sie die disziplinierte Durchführung der Veranstaltungen betrachten und wenn Sie daraus gleichzeitig das ehrliche Wollen der Heimatvertriebenen entnehmen, an ihrer Heimat festzuhalten und keinesfalls auf sie zu verzichten, so werden Sie verstehen, daß ich die heutige Erklärung der Bundesregierung besonders begrüße.
    Die Treffen der Heimatvertriebenen haben sich besonders dadurch ausgezeichnet, daß jeweils große Teile der Jugend dabei gewesen" sind. Diesen Umstand sollte man bei der Beurteilung unseres Anliegens in der Zukunft ebenfalls besonders berücksichtigen.
    Die Erklärung der Bundesregierung bezog sich einmal auf die Grenzen von 1937, zum anderen auf das Recht auf Heimat und auf das Selbstbestimmungsrecht. Damit hat die Bundesregierung die stetige Politik, die sie seit 1949 auf diesem Gebiet betrieben hat, nochmals unterstrichen. Damit dürften jene Bedenken, die hier und da geäußert worden waren, völlig aus dem Wege geräumt worden sein.
    Wir haben feststellen müssen, daß diese feste Stellungnahme, die ursprünglich einem gemeinschaftlichen Beschlusse entsprach, in den folgenden Jahren auf seiten der Oppositionsparteien nachgelassen hat. In den letzten Monaten konnten wir feststellen — das hat sich auch heute bei dieser außenpolitischen Debatte eindeutig ergeben —, daß hier Einverständnis mit der Auffassung der Bundesregierung und der Auffassung der Christlich-Demokratischen Union besteht. Herr Kollege Mende hat eine eindeutige Erklärung zu diesem Thema abgegeben, die ich besonders begrüße. Daraus erwachsen für die Zukunft besondere Hoffnungen.
    Nachdem wir jetzt in den heimatpolitischen Fragen, in den Fragen der Grenzen von 1937, des Selbstbestimmungsrechts und des Rechts auf Heimat eine einmütige Auffassung aller Parteien dieses Hohen Hauses gehört haben, dürfen wir annehmen, daß die Bundesregierung hinsichtlich ihrer weiteren Arbeit auf diesem Gebiet der Zustimmung des ganzen Hauses gewiß sein kann. Wir hoffen, daß uns die Einmütigkeit in diesen Grundsätzen auch in Zukunft erhalten bleibt; denn die Situation ist doch so, daß hier und da im Ausland die Frage einer Verewigung des Status quo erwogen wird. Die einmütige Stellungnahme des Hohen Hauses am heutigen Tage ist die beste Waffe gegen eine Verewigung des Zustandes, der zur Zeit besteht.
    Ich möchte den Wunsch äußern, daß das, was sich in den heimatpolitischen Anliegen heute gezeigt hat, die Grundlage für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition für die Zukunft bildet.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)