Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir obliegt es, die ablehnende Haltung meiner Fraktion gegenüber dem Problem der Heizölsteuer zu begründen. Dabei möchte ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten den Herrn Wirtschaftsminister an ein Zitat erinnern, das in der Begründung eines Gesetzes steht, über das wir heute auch noch beraten werden. Es lautet:
In einem auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhenden Wirtschaftssystem muß sich die Unternehmerische Initiative frei entfalten können. Eingriffe in diese Freiheit sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie aus übergeordneten gesamtwirtschaftlichen Gründen nötig sind.
Das ist von jeher das Leitmotiv der Freien Demokratischen Partei gewesen, in letzter Zeit leider in. zunehmendem Maße nicht mehr die Praxis des Herrn Bundeswirtschaftsministers.
Als wir uns über den Kohlenzoll unterhielten, hat er auf die Einwürfe etwas verärgert geantwortet: Na, dann sündige ich eben einmal. Er hat damit zu erkennen gegeben, daß er diese Haltung gegenüber dem Kohlenzoll als eine Sünde gegen die Markte wirtschaft, gegen seine Marktwirtschaft betrachtet. Schon nach so kurzer Zeit erfolgt jetzt der zweite Sündenfall. Gerade das stimmt uns bedenklich.
Wir bedauern das außerordentlich, und wir haben uns Gedanken gemacht, woher eine solche unterschiedliche Haltung zwischen Theorie und Praxis kommt. Einige Ausführungen des Kollegen Burgbacher haben mich jedenfalls etwas hellhöriger gemacht, und ich bin sehr gespannt auf die Entwicklung, die gerade die grundsätzliche wirtschaftspolitische Haltung der CDU in nächster Zeit nehmen wird.
Herr Minister Erhard könnte mir antworten, daß eine Steuer noch keinen unberechtigten Eingriff in die unternehmerische Initiative darstellt. Das ist sicher richtig. Aber das gilt nicht für eine Steuer, die das klar erkennbare und ausgesprochene Ziel hat, einem strukturell bedrohten Wirtschaftszweig dadurch zu helfen, daß konkurrierende Gruppen zu Preiserhöhungen gezwungen werden und daß damit ein wirtschaftlicher und technischer Fortschritt künstlich und gewaltsam zurückgehalten wird. In der Begründung zu diesem Gesetz wird zwar versichert, daß keine fiskalischen Zwecke mit dem Gesetz verfolgt werden. Es handelt sich auch nicht um eine Steuer zur Deckung des Staatsbedarfs. Warum also diese Steuer?
In seiner Erwiderung hat Herr Minister Erhard zum erstenmal davon gesprochen, daß es sich um
eine politische Maßnahme handelt. Das müssen wir hier klar erkennen.
— Auch um eine politische Maßnahme, gut, das ist eine gewisse Einschränkung. Wir haben aber immer das Gefühl gehabt, daß es sich um eine politische Maßnahme handelt, und das ist auch nicht gut. Wir glauben nicht, daß es der richtige Weg ist, eine wirtschaftspolitisch falsche Maßnahme zu treffen, um einen politischen Zweck zu erreichen.
Hier hat es eben eine kleine Debatte darüber gegeben, wer eigentlich die Frage der Schwierigkeiten, in die die Kohle geraten ist, dramatisiert hat. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß die Dramatisierung zum großen Teil von der Seite der Sozialdemokratischen Partei gekommen ist. Ich kann mich an einen Zuruf erinnern, den Herr Deist damals gemacht hat: „Es sind schon Arbeitnehmer wegen der Kohlenkrise der Wohlfahrt zur Last gefallen!" Ich habe ihm schon damals geantwortet: „Es ist ja völlig unmöglich — auch wegen einzelner Feierschichten ist es völlig unmöglich —, daß Arbeitnehmer so weit mit ihrem Einkommen herabsinken, daß sie Wohlfahrtsunterstützung beziehen müssen."