Rede:
ID0308000900

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Ich: 1
    2. danke: 1
    3. unserem: 1
    4. Theodor: 1
    5. Heuss.Die: 1
    6. Sitzung: 1
    7. ist: 1
    8. geschlossen.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 80. Sitzung zugleich 209. Sitzung des Bundesrates Bonn, den 15. September 1959 Inhalt: Ansprache des Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier zur Beendigung der Amtsperiode von Bundespräsident Professor Dr. Heuss und zum zehnjährigen Bestehen der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . 4371 A Eidesleistung des Bundespräsidenten . . . 4376 A Ansprachen Bundespräsident Dr. h. c. Lübke . . 4376 B Präsident des Bundesrates Kaisen . 4378 D Professor Dr. Heuss 4381 A Anlage 4383 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 15. September 1959 4371 80. Sitzung zugleich 209. Sitzung des Bundesrates Bonn, den 15. September 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 11.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Ackermann 15. 9. Bauer (Wurzburg) *) 19. 9. Bazille 15. 9. Becker (Pirmasens) 15. 9. Frau Berger-Heise 15. 9. Dr. Bergmeyer 15. 9. Frau Beyer (Frankfurt) 15. 9. Dr. Birrenbach 15. 9. Fürst von Bismarck *) 19. 9. Blachstein *) 19. 9. Frau Dr. Bleyler 15. 9. Brand 15. 9. Dr. Brecht 15. 9. Corterier *) 19. 9. Dr. Dahlgrün 15. 9. Diebäcker 15. 9. Döring (Düsseldorf) 15. 9. Dröscher 15. 9. Ehren 15. 9. Etzenbach 15. 9. Franke 15. 9. Franzen 15. 9. Frau Dr. Gantenberg 15. 9. Gedat 15. 9. Geiger (Aalen) 15. 9. Gerns *) 19. 9. Glüsing (Dithmarschen) 15. 9. Goldhagen 15. 9. Freiherr zu Guttenberg 15. 9. Hahn 15. 9. Hansing 15. 9. Dr. Dr. Heinemann 15. 9. Hellenbrock 15. 9. Heye *) 19. 9. Höcherl 15. 9. Höfler *) 19. 9. Frau Dr. Hubert *) 19. 9. Hübner 15. 9. Huth 15. 9. Jacobs *) 19. 9. Jahn (Frankfurt) 15. 9. Frau Kalinke 15. 9. Keller 15. 9. Kirchhoff 15. 9. Dr. Kliesing (Honnef) 15. 9. Dr. Königswarter 15. 9. Frau Korspeter 15. 9. Kreitmeyer 15. 9. Frau Dr. Kuchtner 15. 9. Kühn (Köln) *) 19. 9. Kuntscher 15. 9. Kunze 15. 9. Lange (Essen) 15. 9. Leonhard 15. 9. Leukert 15. 9. Maier (Freiburg) 15. 9. Margulies 15. 9. Mattick 15. 9. Mank 15. 9. Frau Dr. Maxsein *) 19. 9. Dr. Meyer (Frankfurt) *) 19. 9. Neuburger 15. 9. Ollenhauer 15. 9. Paul *) 19. 9. Pietscher 15. 9. Pohle 15. 9. Rademacher 15. 9. Regling 15. 9. Frau Dr. Rehling *) 19. 9. Rehs 15. 9. Frau Renger *) 19. 9. Dr. Ripken 15. 9. Dr. Rüdel (Kiel) 15. 9. Dr. Schäfer 15. 9. Dr. Schellenberg 15. 9. Dr. Schmidt (Wuppertal) 15. 9. Schmitt (Vockenhausen) 15. 9. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15. 9. Schröter (Berlin) 15. 9. Seidl (Dorfen) *) 19. 9. Dr. Siemer 15. 9. Frau Strobel 15. 9. Unertl 15. 9. Vogt 15. 9. Wacher 15. 9. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) *) 19. 9. Wehr 15. 9. Wienand 15. 9. Wischnewski 15. 9. Wullenhaupt 15. 9. Dr. Zimmer *) 19. 9. Zühlke 15. 9. b) Urlaubsanträge Frau Albertz 3. 10. Berger 29. 9. Dr. Gülich 31. 10. Jahn (Stuttgart) 30. 9. Dr. Leiske 17. 10. Scharnowski 29. 10. Nachtrag zur Anlage 1 des Sitzungsberichts der 70. Sitzung Beurlaubungen Finckh 20. 6. *) für die Teilnahme an .der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich danke Ihnen.
    Das Wort hat Herr Professor Theodor Heuss.
    Prof. Dr. Heuss (mit lebhaftem, anhaltendem Beifall begrüßt): Meine Herren Präsidenten, Mitglieder des Bundesrates und des Bundestages, verehrte Gäste!
    Verfassungsrechtlichen Interpretationsspezialisten kann meine Anwesenheit in diesem Hause, zu dieser Stunde, gar an diesem Platze, ein schwieriges Seminarproblem anbieten;

    (Heiterkeit)

    denn Rechte und Zuständigkeiten sind seit drei Tagen von mir weggesunken. Wer bin ich denn? Ein Bürger, ein Mitbürger, dem man die Freundlichkeit erwies, daß er danken dürfe für die Würdigungen, die ihm von den Präsidenten des Bundestages und des Bundesrates gewidmet wurden.
    Ich darf in dieser Stunde einige sehr persönlich klingende Worte sagen. Kurze Zeit, nachdem ich vor zehn Jahren in mein Amt berufen worden war, erhielt ich den Brief eines alten Freundes, der mir schrieb, diese Berufung sei die „Krönung meines Lebensweges". Ich antwortete ihm: Nicht diese Töne! Solche „Krönung" habe ich auf meinem Wege nie gesucht. Ich habe keinen, keinen Augenblick vergessen, daß neben diesem Weg die Millionen von Kriegstoten lagen, Tote aus vielen Nationen, nahe Verwandte und Freunde darunter, deren Gewaltsterben ich heute noch betraure; daß der deutsche Name geschändet wurde, und das politische Elend des Vaterlandes, mit dessen Werden und Sein, liebend und hadernd, unser eigenes Werden und Sein unlöslich verbunden war und bleibt und das als Erbe und als Aufgabe vor uns, den Überlebenden, siechte, zu sterben schien. Ein Staat kann zerbrechen, kann zerbrochen werden; ein Volk will weiterleben. Aber es bedarf der Herberge und damit, wenn Sie so wollen — das ist kein neuer verfassungsrechtlicher Begriff —, einer Hausordnung. Das war der Sinn der illusionslosen Arbeit und des
    Mühens, dem auch die meisten von Ihnen, ob mit, ob ohne Dank, nach 1945 sich zuwandten.
    Gerstenmaier hat mit warmen Worten die Rolle zu würdigen unternommen, die das Schicksal mir in dieser Zeit übertrug, und Kaisen hat die Leitmotive, die er gab, in seiner Weise variiert und paraphrasiert und das Bild der menschlichen Tragik und der sachlichen Leistung von Friedrich Ebert lebendig 'gemacht. Ich darf beiden danken.
    Es kann mir aber nun nicht einfallen, diese Kommentare meines öffentlichen Wirkens meinerseits kommentieren zu wollen; das wäre wohl unpassend. Aber ich darf ein Motiv, das Gerstenmaier darbot, aufnehmen, da er vom Sinn und Zweck des Parteienwesens sprach. Mein Amt in diesen zehn Jahren hat mich, nach seinem inneren Sinn, nach dem Sinn dieses Amtes, wie es nun eben geschaffen worden ist, der unmittelbaren Teilnahme an dem höchst legitimen kämpferischen Parteienwesen entrückt, einem Parteienwesen, dem doch einmal redend, schreibend, beratend, beschließend seit den Studentenjahren ein ganzes Menschenleben zugewandt war mit wichtigen Kräften. Es soll niemand in Ihrem Kreise befürchten, es soll aber auch keiner hoffen, daß ich wieder der Genußsucht frönen werde, Wahlreden zu halten;

    (Heiterkeit)

    mein „Soll" — wenn man ein solches angeben darf — ist, da ich ja schon 1903 mit derlei begann, nach meinem Gefühl in befriedigendster Weise dem Schicksal gegenüber erfüllt worden.

    (Heiterkeit.)

    Aber ich spreche deshalb von dieser Frage, weil in vielen, vielen Briefen, die ich erhalte, die Mitteilung steht, die ganz offenkundig wohlwollende Beurteilung erwartet: der Briefschreiber sei nie Mitglied einer Partei gewesen.

    (Heiterkeit.)

    Ich kann dann immer nur antworten und tue das oft
    genug: Die Arbeit, die Mitarbeit in politischen Gruppen bilden die Stufen eines aktiven Patriotismus.

    (Beifall.)

    In ihr prägt sich auch und bestätigt sich die Individualität, die dem öffentlichen Wesen die Farbe gibt, und die Farbe ist ja nicht bloß in dem Schwarz-WeißKontrast gegeben.
    Doch ich habe in dieser Stunde, da ich mich von Bundesrat und Bundestag verabschiede — gelt, eigentlich muß ich ja den Bundestag immer zuerst nennen,

    (Heiterkeit)

    aber das ist auch wurscht,

    (Heiterkeit und Beifall)

    in dieser feierlichen Stunde ist ein Beifall für „wurscht" im Grunde unzulässig —,

    (Heiterkeit)

    nicht über allgemeine Dinge staatsrechtlich zu meditieren. Ich wende mich jetzt an meinen Amtsnachfolger, den Bundespräsidenten Dr. Lübke, mit dem



    Professor Dr. Heuss
    ich in den verwichenen Wochen manches gute, ernsthafte, männliche Gespräch führen konnte und der weiß, daß er um seiner Person wie um des Staates willen, wo immer ihm ein sachliches Bedürfnis vorzuliegen scheint, meines loyalen Rates sicher sein darf. Denn es geht ja nicht darum, daß, wie es manchem draußen erscheint, ein Schnitt zwischen einer Ara Heuss und einer Ara Lübke sich vollzieht, sondern darum, daß eine Kontinuität unseres staatlichen Seins gesichert wird.

    (Lebhafter Beifall.)

    Diese Kontinuität ist, glaube ich, im MenschlichElementaren auf eine ganz einfache Weise gegeben — gestatten Sie, Dr. Lübke, daß ich Sie sozusagen psychologisch interpretiere: Wir wissen beide, daß das, was man Macht nennt, eine geschichtliche Gegebenheit für alle staatlichen Gestaltungen und Entscheidungen ist. Wir haben sie beide nie in einem persönlichen Aspekt und gebundenen Sinn erstrebt, aber keiner von uns ist vor Verantwortungen aus Feigheit oder Bequemlichkeit davongelaufen.
    Es wird Ihnen in diesem Amte nicht an Anfechtungen fehlen. Dann mag Ihnen der Rat eines alten Mannes, der sein langes Leben in Goethes geistiger Nachbarschaft geführt hat, nicht unnütz sein: „Übers Niederträchtige niemand sich beklage, denn es ist das Mächtige, was man dir auch sage." Daß man dies weiß, schenkt der eigenen Kraft ,ihren Sporn, den Ansporn, für den Raum des Guten und des Anständigen zu kämpfen.
    Ich darf mit der Darstellung eines Jugend) eindrucks schließen, auch wenn er wie eine Anekdote wirkt. Auf zwei Stöcken waren in dem Heilbronner Gymnasium meiner Jugend, eine bauliche Ausweitung vor den Klassenzimmern dekorierend, Büsten großer Deutscher aufgestellt, auf Wandkonsolen angebracht, im sparsamen Schwaben natürlich nur in Gips:

    (Heiterkeit)

    Goethe, Schiller, .Herder, Klopstock, aus heimatlichen Gründen auch Uhland dabei. Nach meiner Erinnerung fehlte Hegel. Hölderlin war noch nicht wieder entdeckt. Knappe Zitate unter diesen Gipsbüsten waren als Merkworte an die Wand gemalt. Und dazwischen ein schmales Gesicht des Mannes, der den Deutschen und nicht nur den Deutschen rationales Denken lehren wollte, zum Teilgelehrt hat. Den Namen Immanuel Kant in dieser argen Gegenwart zu nennen, weckt schmerzhafte Gefühle — er ist nun eben für uns rund für die Welt nicht in Kaliningrad, sondern im preuBischen Königsberg geboren worden. Ich weiß nicht, aus welchem Werke, vielleicht auch aus welchem Briefe das Wort stammt, das da in strenger Antiqua unter diesen Kopf gemalt war: „Pflicht, du erhabener großer Name". Seltsam genug — das ist keine Floskel, die ich für diese Stunde erfunden habe —, dieses Wort hat als eine stille Melodie mein ganzes Lebenirgendwie begleitet und ist bei mancherlei Gegebenheiten aufgeklungen. Ich glaube, lieber Dr. Lübke, falls die Ausgestalter des humanistischen Gymnasiums in Brilon 'ebenso [anspruchsvoll gebildet waren, wie das im Schwäbischen nun einmal landesüblich war,

    (Heiterkeit)

    dann hätte auch Sie dies Wort aus seiner fordernden Unruhe auf den Weg der wollenden Bewährung geführt, den Sie in mancherlei Nöten Ihrem Schicksal abgezwungen haben.
    Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für die freundliche Nachsicht, die Sie mir so oft, die Sie mir auch jetzt gewährt haben.

    (Anhaltender stürmischer Beifall: — Alle Anwesenden erheben sich.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich danke unserem Theodor Heuss.
Die Sitzung ist geschlossen.