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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 74. Sitzung Bonn, den 11. Juni 1959 Inhalt: Zur Tagesordnung Döring (Düsseldorf) (FDP) . . . 3975 A Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 3975 D Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 3976 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung (FDP) (Drucksache 1152) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . . 3976 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1959 (Haushaltsgesetz 1959) (Drucksachen 650, 1050 his 1079) — Dritte Beratung — Allgemeine Aussprache Schoettle (SPD) 3976 D Dr, Vogel (CDU/CSU) 3982 B Lenz (Trossingen) (FDP) 3990 C Dr. Schild (DP) . . . . . . . 3996 B Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes Ollenhauer (SPD) . . . . . . . 4005 D Dr. Krone (CDU/CSU) 4010 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 4015 A Dr. Mende (FDP) . . . 4017 D, 4026 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 4022 D D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) . . 4024 D, 4028 A Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . . 4025 B Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . . . 4027 A Dr. Schröder, Bundesminister . . . 4030 B Dr. Jaeger (CDU/CSU) 4030 C Döring (Düsseldorf) (FDP) . . . 4035 A Erler (SPD) 4037 D, 4049 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 4039 D, 4047 C Dr. Starke (FDP) . . . . . . . . 4041 D Kühn (Köln) (SPD) . . 4043 B, 4049 B Zoglmann (FDP) 4046 D Hermsdorf (SPD) . . . . . . . 4048 A Ritzel (SPD) 4048 C Dr. Vogel (CDU/CSU) . . . . 4048 D Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts Dr. Meyer (Frankfurt) (SPD) . . 4050 B Erler (SPD) 4051 C Zur GO Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 4051 D Einzelplan 12, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr Ritzel (SPD) 4052 A Dr. Vogel (CDU/CSU) 4053 A Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4053 A Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 4054 B Müller-Hermann (CDU/CSU) . . . 4054 D Dr. Bleiß (SPD) . . . . . . . . 4055 B Rademacher (FDP) . . . . . . . 4055 B Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (11. ÄndG LAG) (Drucksachen 631, 964); Schriftlicher Bericht des Lastenausgleichsausschusses (Drucksache 1130) — Zweite Beratung 4000 A Entwurf eines Gesetzes zum Europäischen Niederlassungsabkommen vom 13. Dezember 1955 (Drucksache 584) ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 1116) — Zweite und dritte Beratung - 4000 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen aus Lebens- und Rentenversicherungen (Drucksache 791); Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 1125) ; Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 1121, zu 1121) — Zweite und dritte Beratung — 4000 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 28. Januar 1958 mit dem Königreich der Niederlande über den Abbau von Steinkohlen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet (Drucksache 1028) — Erste Beratung . . . . . . . . . . . 4000 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Zweiten Protokoll vom 15. Dezember 1956 zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates (Drucksache 1029) — Erste Beratung — 4000 D Entwurf eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 14. Mai 1958 zum Handelsabkommen vom 20. März 1926 mit der Republik Portugal (Drucksache 1030) — Erste Beratung -- . . . . . . . . 4001 A Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung eines Darlehens an die Türkische Republik (Drucksache 1098) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . . 4001 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Mai 1958 mit dem Königreich Dänemark über die gemeinsame Fischerei in der Flensburger Innenförde (Drucksache 1031) -- Erste Beratung — . . . 4001 B Entwurf eines Gesetzes zu den Verträgen vom 22. September 1958 über die Auslieferung und über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich (Drucksache 1099) — Erste Beratung — 4001 B Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen vom 23. August 1958 mit dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (Drucksache 1101) — Erste Beratung — . . . . . . . 4001 B Entwurf eines Gesetzes über das Abkommen vom 18. April 1958 mit der Französischen Republik über nebeneinanderliegende nationale Grenzabfertigungsstellen und Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhöfe an der deutsch-französischen Grenze (Drucksache 1021) — Erste Beratung — . . . . . . . . 4001 C Entwurf eines Gesetzes zur näheren Regelung der Entschädigungsansprüche für Auslandsbonds (Auslandsbonds-Entschädigungsgesetz) (Drucksache 1019) — Erste Beratung — 4001 D Entwurf eines Gesetzes zu dem deutsch- schweizerischen Abkommen vom 5. Februar 1958 über den Grenz- und Durchgangsverkehr (Drucksache 1020) — Erste Beratung — . . . . . . . . 4001 D Entwurf eines Gesetzes über die Zuständigkeit auf dem Gebiet des Rechts des öffentlichen Dienstes (Drucksache 1080) — Erste Beratung — . . . . . . . . 4001 D Entwurf eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 6. Juni 1956 mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Verzicht auf die Beglaubigung und über den Austausch von Personenstandsurkunden/Zivilstandsurkunden sowie über die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen (Drucksache 1100) — Erste Beratung — 4002 A Entwurf eines Gesetzes über eine Zählung im Handel sowie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe (Handelszählungsgesetz 1959) (Drucksache 1104) — Erste Beratung — 4002 A Entwurf eines Gesetzes über das Zusatzprotokoll Nr. 2 vom 27. Juni 1958 zum Europäischen Währungsabkommen vom 5. August 1955 (Drucksache 1117) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 4002 B Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Juni 1959 III Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes (Abg. Schulze-Pellengahr, Ruhnke, Dr. Dahlgrün, Dr. Schneider [Lollar] u. Gen.) (Drucksache 1025) — Erste Beratung — 4002 B Entwurf eines Gesetzes über das Zollkontingent 1959 für feste Brennstoffe (Drucksache 1113) — Erste Beratung — . . . 4002 B Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen in Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlins (West) in Gewahrsam genommen wurden (2. ÄndG HHG) (Drucksache 1111) — Erste Beratung — . . . . . . ..4002 C Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen in Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlins (West) in Gewahrsam genommen wurden (2. ÄndG HHG) (FDP) (Drucksache 1118) — Erste Beratung — . . . 4002 C Entwurf eines Gesetzes über die Erstattung von Kriegsfolgelasten auf dem Gebiet des öffentlichen Schulwesens durch den Bund (Fünftes Überleitungsgesetz) (SPD) (Drucksache 1132) — Erste Beratung — 4002 D Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Rechtsverhältnissen der bei der Landespostdirektion Berlin als Postfacharbeiter und Postfacharbeiterinnen beschäftigten Personen (Abg. Neuburger, Schmidt [Hamburg] u. Gen.) (Drucksache 1137) - Erste Beratung — 4002 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) (Drucksache 1144) — Erste Beratung — 4003 A Antrag der Fraktionen der DP, CDU/CSU betr. Ubersicht über die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln aus eigener landwirtschaftlicher Erzeugung und aus Einfuhren; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksachen 481, 1082) 4003 B Antrag der Abg. Dr. Kopf, Metzger u. Gen. betr. Vereinfachung der Grenzformalitäten; Mündlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksachen 519, 1040) . . 4003 B Übersicht 7 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 1084) 4003 C Antrag des Bundesminister der Finanzen betr. Zustimmung zum Grundstückstausch mit der Stadt Hannover aus Anlaß der Verwendung wesentlicher Teile des ehem. Fliegerhorstes Langenhagen-Evershorst; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 981, 1120) . . . 4003 C Antrag der Abg. Schmidt (Hamburg) u. Gen. betr. Inanspruchnahme von Naturschutzgebieten für militärische Zwecke; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksachen 191, 1115) Dr. Gossel (CDU/CSU) . . . . . . 4003 D Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 4004 D Antrag dies Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes betr. Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung einer Beteiligung an der Deutsche Wochenschau GmbH, Hamburg (Drucksache 1039) 4005 A Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Verkauf eines Teils der bundeseigenen ehem. Infanteriekaserne in Kempten (Allgäu) an die Stadt Kempten (Drucksache 1091) . . . . . . . . . . 4005 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD FDP, DP betr. Ferienaktion für Berliner Kinder (Drucksache 1107) . . . . . 4005 B Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD betr. Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank (Drucksache 1089) . . . 4005 B Nächste Sitzung 4057 C Anlagen - 4059 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Juni 1959 3975 74. Sitzung Bonn, den 11. Juni 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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      Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bauknecht 13. 6. Bausch 29. 6. Berendsen 31. 7. Birkelbach 11. 6. Börner 12. 6. Dr. Burgbacher 12. 6. Dr. Deist 11. 6. Diebäcker 11. 6. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 19. 6. Franke 11. 6. Dr. Frede 20. 6. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 12. 6. Gedat 11. 6. Glahn 12. 6. Dr. Gleissner (München) 6. 7. Gottesleben 20. 6. Dr. Greve 4. 7. Dr. Gülich 1. 8. Dr. Hesberg 8. 7. Heye 12. 6. Jahn (Frankfurt) 11. 7. Jaksch 30. 6. Kalbitzer 11. 6. Dr. Knorr 20. 6. Köhler 4. 7. Dr. Kreyssig 12. 6. Kühlthau 26. 6. Leukert 12. 6. Lücker (München) 15. 6. Dr. Maier (Stuttgart) 27. 6. Matthes 15. 6. Memmel 20. 6. Odenthal 11. 6. Dr. Oesterle 13. 6. Pernoll 20. 6. Dr. Pferdmenges 13. 6. Pusch 20. 6. Dr. Ratzel 12. 6. Scharnowski 12. 6. Dr. Schmidt (Gellersen) 11. 6. Schmidt (Hamburg) 13. 6. Dr. Schneider (Lollar) 20. 6. Siebel 12. 6. Stahl 15. 6. Stenger 12. 6. Sträter 11. 6. Frau Strobel 11. 6. Theis 12. 6. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 6. Wegener 20. 6. Wittmer-Eigenbrodt 12. 6. b) Urlaubsanträge Frau Renger 18. 6. Scheel 4. 7. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Mischnick zu dem von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen in Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlins (West) in Gewahrsam genommen wurden (2. ÄndG HHG) (Drucksache 1118). Der Deutsche Bundestag hat durch die Verabschiedung des Häftlingshilfegesetzes im Jahre 1955 anerkannt, daß die aus der Haft in sowjetischen und sowjetzonalen Konzentrationslagern zurückkehrenden Personen einer besonderen Hilfe bedürfen. Das Häftlingshilfegesetz ist damals in enger Anlehnung an das Heimkehrergesetz entstanden, obwohl von der Sache her eine Anlehnung an das Bundesentschädigungsgesetz für die Opfer des Dritten Reiches richtiger gewesen wäre. Zwischen Kriegsgefangenschaft und der fast ausschließlich politischen Haft der unter das Häftlingshilfegesetz fallenden Personen besteht doch ein erheblicher Unterschied. Es ist deshalb nur zu verständlich, daß der Wunsch der politischen Häftlinge immer dringender wird, ihre besondere Lage auch in dem für sie zuständigen Gesetz entsprechend zu berücksichtigen. Vor allen Dingen geht es vielen der ehemaligen Häftlinge darum, einmal genau den Status des politischen Häftlings festgelegt zu wissen. Mit Recht weisen sie darauf hin, daß sie und ihre Kameraden Freiheit, Gesundheit und sogar das Leben für das geopfert haben, was andere zu einem großen Teil nur vom sicheren Port aus mit Sonntagsreden zu verteidigen pflegen: die Freiheit für uns ,alle. Wer den Menschen in Mitteldeutschland immer und immer wieder zuruft: „Haltet aus," „Laßt euch nicht unterkriegen," „Leistet geistigen Widerstand" - der muß auch zu dem vergleichsweise bescheidenen Opfer eines gewissen finanziellen Ausgleiches für diejenigen bereit sein, die in diesem Sinne tätig waren und dabei zu Schaden kamen. Mit dem Häftlingshilfegesetz ist ein solcher Versuch unternommen worden. Es wäre erfreulich, wenn sich alle Fraktionen des Deutschen Bundestages dazu bereitfinden könnten, für die politischen Häftlinge eine eigenständige gesetzliche Regelung zu schaffen, die in ihren Grundsätzen der dies Bundesentschädigungsgesetzes angepaßt ist. Die vorliegende Novelle der Regierung zum Häftlingshilfegesetz in Drucksache 1111 läßt aber deutlich werden, daß die Regierung und damit wohl auch die Mehrheitsfraktion des Deutschen Bundestages zu dieser völligen Neuordnung - zumindest zur Zeit - nicht bereit ist. In Anbetracht dieser Umstände hat sich die FDP-Bundestagsfraktion entschlossen, zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nur eine Novelle zum bestehenden Häftlingshilfegesetz vorzulegen; ihr Wunsch, eine völlige Reformierung der Häftlingshilfegesetzgebung vorzunehmen, bleibt davon unberührt. Ziel der FDP-Novelle ist es im Gegensatz zur Regierungsnovelle, zumindest eine ge- 4060 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Juni 1959 wisse Angleichung an das Bundesentschädigungsgesetz zu erreichen. Die Novelle der Freien Demokraten unterscheidet sich von der Regierungsvorlage insbesondere in zwei Punkten: die Regierungsvorlage behält leider die Forderung bei, daß ein politischer Häftling sich innerhalb von sechs Monaten nach seiner Haftentlassung in der Bundesrepublik niederlassen muß, um Ansprüche nach dem Häftlingshilfegesetz geltend machen zu können. An sich wäre ein völliger Wegfall dieser Ausschließungsfrist das richtige. Der FDP-Entwurf sieht eine Verlängerung der Frist von 6 auf 12 Monate in der Hoffnung vor, damit wenigstens zu einer gemeinsamen Basis kommen zu können. Es hat sich immer wieder gezeigt, daß eine ganze Reihe von Häftlingen verständlicherweise mehr 'als 6 Monate braucht, um sich endgültig über seinen künftigen Wohnsitz zu entscheiden. Der wichtigste Unterschied zwischen Regierungsvorlage und FDP-Entwurf ist im § 9a Abs. 1 enthalten. Während die Regierungsvorlage eine Beihilfe — um das Wort „Entschädigung" zu vermeiden — von DM 1,— pro Hafttag für die ersten zwei Jahre und von DM 2,— pro Hafttag für die weiteren Jahre beibehält, verlangt der FDP-Entwurf eine Beihilfe von DM 5,— vom ersten Hafttag an, sofern, genau wie in der Regierungsvorlage, die Haft länger als 12 Monate betrug. Es ist damit derselbe Betrag gewählt worden, der im Bundesentschädigungsgesetz festgelegt ist. Es ist beim besten Willen nicht einzusehen, warum ein Hafttag während des Dritten Reiches anders bewertet werden soll als ein Hafttag unter sowjetzonaler oder sowjetischer Herrschaft. Es haben sich dadurch schon die kuriosesten Situationen ergeben. Eine nicht unerhebliche Zahl von politischen Häftlingen aus der Zone mußte schon während der Zeit des Dritten Reiches mit dem KZ Bekanntschaft machen; bei der Festlegung ihrer Entschädigung stellten sie dann aber fest, daß gleiche Tatbestände nicht gleich behandelt werden. Es sei hier gar nicht darauf eingegangen, die Art der Haft, ihre Härte usw. zwischen den beiden Systemen zu vergleichen. Eine volle Abgeltung des seelischen, gesundheitlichen und sonstigen Schadens, den ein Häftling erlitten hat, ist durch Geld sowieso nicht möglich. Insoweit folgen wir Freien Demokraten auch der Begründung der Regierungsvorlage. Nur scheint uns der daraus gezogene Schluß, deshalb solle es bei den bisherigen niedrigen Sätzen bleiben, reichlich bequem und für die Betroffenen unzumutbar zu sein. Insbesondere ist der im Regierungsentwurf enthaltene Vorschlag, denjenigen Häftlingen, die nach dem 1. Januar 1958 gekommen sind oder noch kommen werden, eine zusätzliche Beihilfe zu gewähren, völlig absurd. Die von der Bundesregierung gegebene Begründung, damit die schwieriger gewordenen Startbedingungen gegenüber den früher entlassenen Häftlingen verbessern zu wollen, ist fadenscheinig. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, daß nur fiskalische Gesichtspunkte bei diesem Vorschlag entscheidend waren. Denn jeder weiß, daß die Hauptzahl der politischen Gefangenen in den Jahren 1954 bis 1956 heimkehrten; sie wären durch den Regierungsvorschlag alle von einer berechtigten zusätzlichen Leistung ausgeschlossen. Der politische Kenner weiß darüber hinaus, daß gerade bei den Häftlingen, die in diesen Jahren entlassen wurden, all diejenigen sind, die unmittelbar nach Kriegsende, in dem festen Glauben, auch in der sowjetischen Besatzungszone einen demokratischen Staat aufbauen zu können, sich selbst im Kampf gegen die Ausbreitung der kommunistischen Diktatur exponierten und dabei Schaden erlitten. Leider sieht der Entwurf der Regierung auch keinerlei Verbesserung der Gesundheitsfürsorge vor. In der Novelle der Freien Demokraten sind entsprechende Bestimmungen nur deshalb nicht enthalten, weil der Reformentwurf zur Kriegsopferversorgung, den die Freien Demokraten unter der Drucksache 962 eingebracht haben, eine entscheidende Umstellung der gesamten Kriegsopferversorgung vorsieht. Nach unseren Vorschlägen soll diese Versorgung 'auch für die Beschädigungen gelten, die während der politischen Haft erlitten wurden. Durch die Einführung der Berufsschadensrente an Stelle der Ausgleichsrente soll nach den Gedanken der Freien Demokraten die gesamte Kriegsopferversorgung zumindest ähnlich geregelt werden, wie es im Bundesentschädigungsgesetz niedergelegt ist. Damit würden auch die politischen Häftlinge in der gleichen Form eine bessere Versorgung als bisher erhalten. Die Freien Demokraten gehen von dem Grundsatz aus, daß diese Versorgung keine Fürsorgeleistung sein darf, sondern einer Abgeltung von Rechtsansprüchen gleichkommen muß. Wer sich auf den Standpunkt stellt, daß für Enteignungen von Grund und Boden usw. Entschädigung gewährt werden muß — wir Freien Demokraten billigen diesen Grundsatz vorbehaltlos —, der muß auch bereit sein, bei der Enteignung der Gesundheit, soweit es irgend möglich ist, eine Entschädigung zu gewähren. Außerdem sieht der Vorschlag der FDP zur Reform der Kriegsopferversorgung vor, daß bei den Folgeschäden der ursächliche Zusammenhang mit den Kriegs- oder Haftfolgen als gegeben betrachtet wird, es sei denn die Versorgungsverwaltung kann das Gegenteil nachweisen. Man kann also von einer für den Geschädigten besseren Umkehrung der Beweislast sprechen. Die redaktionellen Änderungen des Regierungsentwurfs mit den Ergänzungen des Bundesrates werden von uns begrüßt und — sofern sie nicht im FDP-Entwurfenthalten sind oder übernommen wurden — unterstützt. Um die finanziellen Auswirkungen des FDP-Vorschlages abzumildern, scheint eine Auszahlung der erhöhten Haftbeihilfe, in gleichen Raten 'auf drei Jahre verteilt, durchaus vertretbar. Ein baldige Verabschiedung des Gesetzentwurfes ist dringend notwendig, um den vielseitigen Versprechungen an die politischen Häftlinge endlich die Tat folgen zu lassen. Da wir Freien Demokraten den geistigen Kampf gegen die kommunistische Idee für das Entscheidende halten, sind wir der Meinung, daß gerade denjenigen, die in diesem geistigen Kampf an der vordersten Front gestanden haben und stehen, die Gewißheit gegeben werden muß, daß sie von uns nicht vergessen sind. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Juni 1959 4061 Anlage 3 Schriftliche Ausführungen des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen zu dem von den Abgeordneten Neuburger, Schmidt (Hamburg) und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Rechtsverhältnissen der bei der Landespostdirektion Berlin als Postfacharbeiter und Postfacharbeiterinnen beschäftigten Personen (Drucksache 1137) . Die äußerst schwierige Angleichung der Rechtsverhältnisse der Angehörigen der Landespostdirektion Berlin gemäß dem Berliner Landesbeamtengesetz vom 1. Dezember 1952 vollzog sich im allgemeinen zur vollen Befriedigung aller Beteiligten. Einige offengebliebene Fragen, die zunächst von dem Gesetz nicht erfaßt waren oder werden konnten, wurden in der Zwischenzeit ebenfalls geregelt. Lediglich die Verbeamtung von inzwischen über 50 Jahre alt gewordenen Postfacharbeitern, Fernmeldebauhandwerkern und einigen Postangestellten stieß auf beamtenrechtliche und haushaltsrechtliche Schwierigkeiten. Der gesamte Fragenkomplex wurde in den vergangenen Jahren wiederholt in den Sitzungen des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost eingehend erörtert. Ich und meine Mitarbeiter haben nie einen Zweifel darüber gelassen, daß seitens der Deutschen Bundespost alles versucht wird, um auch diese letzte Frage zugunsten der überalterten Postfacharbeiter zu lösen. Der dem Hohen Hause in der Drucksache 1137 vorgelegte Gesetzentwurf findet dem Grunde nach deshalb meine volle Unterstützung, weil er meinen Absichten und Plänen entspricht. Bereits im Dezember 1955 ist wegen der Übernahme von 464 überalterten Postfacharbeitern der Landespostdirektion Berlin an den Bundesfinanzminister herangetreten worden. Nach ursprünglicher Ablehnung des Antrags, vielfachen Verhandlungen und Erweiterung des Antrags auf Übernahme von weiteren überalterten Kräften, nämlich 133 Fernmeldebauhandwerkern und 6 Postangestellten, hat der Bundesfinanzminister unter dem 30. Mai dieses Jahres seine grundsätzliche Zustimmung zur Übernahme dieser Kräfte in das Beamtenverhältnis nach § 36a RHO erteilt. Außer dieser Zustimmung ist noch eine Ausnahmegenehmigung des Bundespersonalausschusses nach der BLV erforderlich, mit deren Erteilung gerechnet werden kann. Ohne diese abzuwarten, ist die LPD Berlin bereits angewiesen worden, alle Vorbereitungen zur Übernahme der in Betracht kommenden Kräfte zu treffen. Damit würden die Wünsche auf Verbeamtung der überalterten, noch im Dienst befindlichen Kräfte erfüllt werden können. Im einzelnen möchte ich zu der Drucksache folgendes ausführen: Zu § 1: Der Kreis der nach dem Entwurf erfaßten Personen unterscheidet sich von dem, dessen Übernahme vom Bundesfinanzminister genehmigt wurde, dadurch, daß ihm der Stand vom 1. Dezember 1952 zugrunde gelegt wurde, während die Ermittlungen der LPD die Kräfte betreffen, die am 1. Januar 1957 eine anrechnungsfähige Dienstzeit von 10 und mehr Jahren zurückgelegt und am 1. Juli 1957 das 50. Lebensjahr bereits überschritten hatten. Welche Unterschiede hinsichtlich der zu übernehmenden Kräfte dadurch auftreten, kann ohne weitere Ermittlungen nicht angegeben werden. Ferner besteht ein Unterschied darin, daß die Betreffenden nach dem Gesetzentwurf nur noch am 1. Januar 1959 im Dienst der LPD Berlin gestanden haben müssen, während nach dem vom BdF genehmigten Antrag die Kräfte noch bis zur Übernahme im Postdienst gestanden haben müssen. Die Genehmigung des BdF umfaßt im Gegensatz zum Gesetzentwurf nicht nur die überalterten Postfacharbeiter (§ 1) und Fernmeldebauhandwerker (§ 6), sondern auch noch 6 Postangestellte des mittleren Dienstes. Zu § 4: Die zur Anstellung der Kräfte erforderlichen Planstellen stehen nur zu etwa 50 v. H. zur Verfügung. Eine zusätzliche Zuweisung von Stellen als kw-Stellen wäre daher erwünscht. Zu § 5: Die Zustimmung des BdF erfaßt den im § 5 bezeichneten Personenkreis nicht, weil der Antrag sich nur auf die im Dienst befindlichen Kräfte erstreckt hat. Eine nachträgliche Übernahme in das Beamtenverhältnis von Personen, die wegen Berufsunfähigkeit (Invalidität) oder wegen Erreichens der Altersgrenze ausgeschieden sind, ferner die Einräumung einer beamtenrechtlichen Versorgung von Hinterbliebenen solcher Personen, die bereits verstorben sind, ohne bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Dienst Beamte gewesen zu sein, ist der Verwaltung bei allem Wohlwollen zu einer gerechten Lösung nur im Wege der Gesetzgebung möglich. Auf eine Reihe anderer Einzelheiten und Zusammenhänge darf mein Haus während der Ausschußberatungen hinweisen. In Vertretung Dr. Steinmetz Anlage 4 Umdruck 311 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen 650 Anlage, 1053). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 04 03 Tit. 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens — (Drucksache 650 Anlage S. 21) a) wird der Ansatz von 13 000 000 DM um 5 000 000 DM auf 8 000 000 DM gekürzt, 4062 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Juni 1959 b) erhält der Haushaltsvermerk folgende Fassung: „Die Mittel sind übertragbar. Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt der Prüfung durch den Rechnungsprüfungsausschuß des Deutschen Bundestages und durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärung des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." Bonn, den 9. Juni 1959 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 Umdruck 316 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 12, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 650, 1061, 1150). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, die Leistungen der Baulastträger durch eine Vereinbarung mit den Ländern — und diese durch eine Vereinbarung mit den Gemeinden und Kreisen —für die Dauer eines mindestens vierjährigen Zeitraumes, beginnend ab Rechnungsjahr 1960, in einem „Gesamtplan des deutschen Straßenbaues" zusammenzufassen. Bonn, den 9. Juni 1959 Ollenhauer und Fraktion Anlage 6 Umdruck 317 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 12, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 650 Anlage, 1061, 1150). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, in europäischen und außereuropäischen Ländern mit stark motorisiertem Straßenverkehr die dortigen Methoden der Kontrolle der sogenannten Verkehrssünder festzustellen und das Ergebnis dieser Feststellung bis zum 31. Oktober 1959 dem Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen und dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages vorzulegen mit dem Ziel, die ständig steigenden Aufwendungen für die Verkehrssünderkartei zu verringern. Bonn, den 9. Juni 1959 Ollenhauer und Fraktion Anlage 7 Umdruck 324 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen 650 Anlage, 1053). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 04 01 — Bundeskanzler und Bundeskanzleramt —In Titel 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers zu allgemeinen Zwecken — (Drucksache 650 Anlage S. 10) wird der Haushaltsvermerk wie folgt neu gefaßt: „Die Jahresrechnung über die Einnahmen und Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung des Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes; die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." Zu Kap. 04 03 — Presse und Informationsamt der Bundesregierung — In Tit. 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens — (Drucksache 650 Anlage S. 21) wird der Haushaltsvermerk wie folgt neu gefaßt: „Die Jahresrechnung über die Einnahmen und Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung des Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes; die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." Bonn, den 10. Juni 1959 Dr. Mende und Fraktion Anlage 8 Umdruck 329 (neu) Entschließungsantrag der Fraktion der DP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 12, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 650 Anlage, 1061, 1150). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, der Entwicklung der deutschen Seehäfen in den kommenden Jahren ihr besonderes Augenmerk zu widmen. Als Folge des verlorenen Krieges hat sich die Wettbewerbslage der deutschen Seehäfen sehr verschlechtert. Die Verwirklichung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft kann ohne entsprechende Vorkehrungen zu einer weiteren Beeinträchtigung der Position der deutschen Seehäfen infolge ihrer Randlage im europäischen Wirt- Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Juni 1959 4063 schaftsgebiet führen. Aus diesem Grunde müssen rechtzeitig Maßnahmen getroffen werden, um den bisherigen hohen Leistungsstand der deutschen Seehäfen erhalten und weiter ausbauen zu können. Dazu gehört vor allem der beschleunigte Ausbau der see- und binnenwärtigen Wege von und zu den Seehäfen, wobei der Elektrifizierung der Nord-SüdStrecke der Bundesbahn von Gemünden bis Bremerhaven und Hamburg besondere Bedeutung zukommt. Weiter muß die Vertiefung der Unterweser und Unterelbe mit besonderem Nachdruck gefördert werden, um mit dem Ansteigen der Schiffsgrößen Schritt zu halten. Bonn, den 10. Juni 1959 Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 9 Umdruck 348 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 12, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 650 Anlage, 1061, 1150) . Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 12 02 — Allgemeine Bewilligungen — In Tit. 601 — Förderung des Reiseverkehrs in Deutschland — (Drucksache 1061 S. 5) wird der Ansatz von 5 300 000 DM um 1 700 000 DM auf 7 000 000 DM erhöht. Bonn, den 10. Juni 1959 Rademacher Dr. Bucher und Fraktion
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Hans Lenz


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

      Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu der Skepsis, mit der wir alle Jahre wieder das Budget des Bundes betrachten, das Anwachsen seiner Zahlen, das Wiederkehren alles Lebenden und alles Scheintoten aus den letzten Jahren — wir wissen, mit welcher Hartnäckigkeit die Ressorts längst totgeglaubte Petita immer wieder in den Haushalt und vor den Haushaltsausschuß bringen —, zu dieser Skepsis, hochverehrter Herr Bundesfinanzminister, sind wir und bin ich gesetzlich und verfassungsmäßig verpflichtet. Ich teile die Resignation unseres Kollegen Schoettle, — wenn ich ihn richtig verstanden habe. Auch mir geht es so, daß nichts schwerer fällt, als von diesem Buch mit lauter Einzelheiten und Zahlen, von dieser Partitur von Zahlen sich einigermaßen zu distanzieren und zu versuchen, große Linien zu finden, über die man dann in diesem Hause sprechen könnte. Diese Skepsis bezieht sich — ich gehe das ganz offen zu —auch auf uns selbst, die Abgeordneten, die Fraktionen, die Ausschüsse, ob wir überhaupt die Fähigkeit haben, ein gültiges Wort zu diesem Buch zu sagen. Ich muß ganz offen gestehen: der Bienenfleiß im Ausschuß hat uns ebenso wie seinerzeit die Haushaltsrede des Herrn Finanzministers nicht ohne weiteres in den Stand gesetzt, beispielsweise die Richtung der Haushaltspolitik der Regierung sachverständig und druckreif zu begutachten. Der Haushalt ist eben kein Gebäude im üblichen Sinne. Er ist nicht „architektonisch" einheitlich aufgebaut und strahlt keinen einheitlichen Willen aus. Er ist ein Gebirge von Einzelbrocken, gelegentlich nach ganz merkwürdigen Gesichtspunkten formeller oder materieller Art zusammengeworfen, und er ist immer in größerem Umfange änderungsfähig, ohne daß bei einer Änderung die Welt untergeht oder die sogenannte Linie irgendwie durchbrochen wird.
      Die Frage, die ich mir angesichts dieses Unvermögens immer wieder vorlege, lautet: War es eigentlich immer so, ist es immer so, muß es immer



      Lenz (Trossingen)

      so sein? Oder ist es nur so, daß wir, daß das Parlament in seiner Hilflosigkeit die bescheidene Kunstfertigkeit einer Zusammenschau nicht besitzt und daß es einer einzigen Person, des Finanzministers, bedarf, um den Vorhang hinwegzureißen, um uns allen den großen Sinn und die tiefere Systematik zu zeigen? Es hat mich erschüttert, als ich neulich las, in wie aufrüttelnder Weise ein bedeutender moderner Finanzwissenschaftler schreibt, daß ohne Kenntnis und ohne Verständnis der großen finanziellen Zusammenhänge die Zeitgeschichte dem fortschreitenden Auge verschlossen bleibt, die Zeitgeschichte, an der wir doch einigermaßen Anteil zu haben glauben und die wir einigermaßen gestalten zu können glauben. Aber ich weiß, Haushaltsdinge sind nicht sehr beliebt, und das Hohe Haus ist im Augenblick in der Stimmung von Kindern, die auf die Weihnachtsbescherung warten. Alles ist auf den Aufruf des Einzelplans 04 gespannt, und die Betrachtung des Gesamthaushalts tritt zwangsläufig in den Hintergrund.
      Wir haben, wie gesagt, große Änderungen an dem Regierungsplan hingenommen, ohne daß wir das Gefühl eines besonderen Ereignisses hatten. Wir nehmen zur Kenntnis, daß der Herr Bundesfinanzminister als guter Hausvater seinen begehrlichen Kindern — und das sind wir, das ist vor allem die Mitte des Hauses — einen Milliardenbetrag entzieht, um Schulden an England und an die USA zu bezahlen. Wir haben es erlaubt, daß aus dem Etat des Verteidigungsministeriums der Restbetrag von 2700 Millionen DM als Vorauszahlung ins Ausland transferiert wird, wahrscheinlich doch einzig und allein, um mit leerer Kasse in die dritte Lesung zu gehen.
      All das haben wir hingenommen. Wir haben im Haushaltsausschuß immer wieder um die Bewilligung oder Nichtbewilligung einer Amtmannstelle langer gerungen als um Deckungsprinzipien, die wir auf Vorschlag der Regierung in diesem Haushalt angewendet haben.

      (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

      In den seligen Zeiten des Juliusturms hieß es noch, das sei ein Erdbeben, das sich mit Sicherheit nicht mehr ereignen werde. Aber jetzt ist es genauso wie früher. Ich frage mich überhaupt, wo der Unterschied zu früher ist. Früher hieß es „KuchenKommission" und „Kuchenverteilung"; da hieß es: Ihr bekommt dies und ihr bekommt jenes. Und heute heißt es: „Nichts". Kein Hahn kräht danach. Es ist dasselbe wie früher. Und da soll man nicht skeptisch werden?!
      Wenn wir die halbe Milliarde für unsere Vorschläge und die mindestens weitere halbe Milliarde für die Kriegsopferversorgung und die Fremdrenten, wie es an sich das Gesetz befiehlt, zusätzlich zu den über zwei Milliarden auf Grund sonstiger Änderungen in den Plan ganz mit aufgenommen hätten, hätten wir sogar die entschwundenen Zeiten des Juliusturms übertroffen und die früheren einmaligen Erdbeben in den Schatten gestellt. Man könnte sagen: Endlich hat sich also die geringe Bewegungsfähigkeit, die geringe Bewegungsfreiheit
      des Parlaments bei der Ausübung des Budgetrechts erweitert. Nichts wäre falscher, nichts wäre unrichtiger als das. An den 2 Milliarden Mehrausgaben, die uns im Ausschuß abverlangt wurden, waren wir nur „körperlich" beteiligt. Wir haben die Haut des Elefanten nicht einmal geritzt. Eine echte Bewilligung im Sinne einer Abstimmung, eines Kampfes, einer Begründung steckte nicht drin. Überdies haben wir die höheren Renten formell noch gar nicht verabschiedet. Nur ein Teil der notwendigen Deckung für sie steckt in diesem Plan. Meine politischen Freunde und ich waren sehr verblüfft darüber, daß die Regierung offenbar trotz ihres eigenen, für unser Gefühl sehr unzulänglichen Entwurfs für die Kriegsopferversorgung nicht einmal mit diesen Ausgaben rechnet, weil sie sie trotz Verfassungsvorschrift, all e Ausgaben einzustellen, nicht in den Haushalt aufgenommen hat. Diese Praxis ist nicht sehr gut; sie war bisher auch nicht üblich. Man fragt sich, was Haushaltspolitik eigentlich ist, wenn nicht die zusammenfassende Gesamtwürdigung aller Ausgaben an einer Stelle. Jedenfalls haben wir das auf Deutschlands hohen Schulen so gelernt.
      In früheren Jahren hatten wir gelegentlich das Gefühl, es werde in den Voranschlag mehr eingestellt werden, als zu erwarten sei. Damit konnte man sich unter Umständen, wenn besondere Gründe vorlagen, abfinden. Aber mit viel größerer Skepsis müssen wir das Experiment betrachten, weniger einzustellen, von der rechtlichen Seite einmal ganz abgesehen. Was will denn die Regierung machen, wenn, was todsicher ist, für die Kriegsopfer und Fremdrenten für den Rest des Haushaltsjahres mindestens 600 Millionen DM benötigt werden? Mit höheren Prozentkürzungen ist doch dann nichts mehr zu gewinnen, und die angekündigte Verbrauchsteuererhöhung wird doch in diesem Hause, wenn ich das richtig beurteile, sehr wahrscheinlich nicht gebilligt werden. Tabaksteuererhöhung für Kriegsopferrenten ist keine schöne Optik.
      Das Ereignis dieses Haushalts ist die letztmalige Einstellung von Kassenmitteln zur Deckung von Ausgaben. Wir sind bescheiden geworden. Es sind nur noch 1200 Millionen DM, die aus dem langlebigen Nibelungenhort übriggeblieben sind. Sie bilden eine Deckung, obwohl sie am 1. April schon nicht mehr da waren und obwohl schon im März erstmals die Bundesbank angepumpt werden mußte.
      Nun, gegen diesen kassentechnischen Kniff der Verwendung fehlender Guthaben als Deckungsmittel will ich nicht unbedingt etwas einwenden, sondern auch hier nur versuchen, die große Linie zu sehen. Von jetzt ab, meine sehr verehrten Damen und Herren — und ich glaube das wirklich —, bedeutet jede Mehrausgabe des Bundes, jede Mark mehr, die wir bewilligen, die Not einer neuen Einnahmegewinnung oder eines Verzichts auf frühere Bewilligung.
      Bevor man sich auf diese neue Lage einstellt, ist allerdings zunächst zu fragen, ob unsere bewährte Versorgungskuh, der Verteidigungshaushalt, mit seinen jetzt effektiven 8,5 Milliarden DM nicht immer noch etwas zuviel hat. Seine plötzliche Aus-



      Lenz (Trossingen)

      gabensteigerung um 2,7 Milliarden DM im März ist schon mehrfach zitiert worden. Auch wir haben sie nicht ernst genommen. Vielleicht stecken da, da die Märzzahlen keine Normalleistung der Kuh darstellen, immer noch einige hundert Millionen zuviel drin. Aber sie werden sicher für die unplanmäßigen, außerplanmäßigen, überplanmäßigen Bedürfnisse des Bundes benötigt, und ich glaube, man müßte sie aus dem Spiel lassen.
      Wir sind also jetzt so weit. Die glücklichen Zeiten des Juliusturms sind vorbei. Von jetzt an sind Steuern, Verwaltungseinnahmen und Anleihen die einzigen Quellen, aus denen zu schöpfen ist, wobei man unter Anleihen auch kurzfristige Aufnahmen verstehen kann. Ich sage nicht, daß das unbedingt schlimm oder ein Fehler ist; nur, glaube ich, ist es richtig, sich darauf einzustellen.
      Etwa vom November dieses Jahres ab — so kann man etwa schätzen — wird der Bund am Kapitalmarkt auftreten und dort ein Fordernder sein. Wir haben uns zu fragen, ob die Ausgabenpolitik der Bundesregierung die radikale Beschneidung der übrigen Kapitalmarktwünsche rechtfertigt. Ich bin persönlich nicht ohne gewisse Besorgnis, nicht für 1959, aber wegen der jetzigen Weichenstellung, die ja für die kommenden Haushaltspläne nicht mehr zu beseitigen ist.
      Die beabsichtigte Rate des Bundes am Kapitalmarkt ist zu hoch. Ich glaube, wir müssen das sagen. Sie ist unrealistisch. Wir werden allmählich in eine Finanzgebarung gleiten, die durch das Übermaß öffentlicher Ausgaben, die wir beschlossen haben, ungesund und gefährlich ist. Zur Zeit nimmt uns noch die Zuwachsrate des Sozialprodukts einige Deckungssorgen ab. Sie werden mich sicher — meine Freunde tun das auch immer — in die Reihe der Bundesbedenkenträger einreihen, wenn ich meine, daß man darauf nicht in alle Ewigkeiten spekulieren kann. Eine einzige dicke politische Krise wirft uns hinter unsere erhofften Zahlen zurück. Ich wünsche sie nicht. Aber — Herr Kollege Vogel, ich bin da mit Ihnen einig — ich glaube, daß wir hier mit Sorge einer Entwicklung entgegensehen müssen, weil wir es nicht in der Hand haben, diese Dinge von heute auf morgen zu steuern. Es war ja wohl die Regierungskoalition, die es gegen alle volkswirtschaftlichen Lehren versäumt hat, den berühmten, viel angegriffenen Juliusturm als die notwendige langfristige Vorsorge gegen Konjunkturbrüche zu sichern und gegen sonstige Begehrlichkeiten abzuschirmen. Wir haben es ja im Jahre 1956 erlebt.
      Nun, in der Zeitung lese ich, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister jetzt die OEEC-Staaten zu einer solchen Fondsbildung für Konjunkturzwecke auffordern will. Ferner ist zu lesen, daß Belgien — Herr Kollege Vogel hat es schon angeführt — einen Haushaltsausgleichsfonds für mehrere Rechnungsjahre schafft. Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, daß die Pläne des Herrn Bundesfinanzministers nach den Meldungen der letzten Tage in die gleiche Richtung gehen.
      Vorläufig aber wandern wir am Grat der leeren Kasse, weiten unsere Ausgaben in der Hoffnung auf hohe Anleihen und beschneiden dadurch die Wirtschaft, von der wir später erwarten, daß sie in den schlechten Jahren mit Steuern unsere Schulden zurückzahlt. Das Ganze ist beunruhigend. Anstatt nur den wirklich Hilfsbedürftigen zu helfen, führt der Bundeshaushalt immer mehr zum Überhandnehmen des Staatlichen und zur Abschneidung des Selbstbehauptungswillens des einzelnen. Er wird zur größten Versorgungsanstalt aller Zeiten, und er wird zum Schluß diejenigen mit hinunterschlucken, die aus Angst vor schlechten Wahlergebnissen trotz innerer Abneigung Jahr für Jahr neben dem Notwendigen das politisch angeblich Erwünschte tun und die Gefangenen ihrer eigenen Gesetze werden.

      (Beifall bei der FDP.)

      Mit der Anleihepolitik, die jetzt anhebt, geht ein weiteres Stück unserer Freiheit zu Ende. Wer will bestreiten, daß ,am Ende dieses Weges und des Aufbauens auf diesen Riesenanleihen die Zwangsanleihen stehen, die harten Eingriffe in die Kassen der Wirtschaft und der Banken!
      Der Bundesfinanzminister wird sich auch seine Gedanken gemacht haben, wohin diese Reise geht. Wahrscheinlich hätte er auch nicht so um das schmalbrüstigste seiner Kinder, das Sparprämiengesetz, gekämpft, wenn er seiner Anleihen so sicher wäre. Aber dieses Mittel ist wahrhaftig ungeeignet, und wir können nur den Kopf schütteln. Riesenhafte Staatsanleihen zaubern noch keine finanzielle Gesundheit hervor, und der Sparer wird sich durch den Bonus, den er bekommt, nicht bluffen lassen. Wir prämiieren nur wieder einmal etwas, was wir ohne Prämie durch andere Dinge viel leichter erhalten würden, und wir bringen — das ist eigentlich meine Hauptsorge und mein Hauptbedenken — in den Sparvorgang eine unerfreuliche Note hinein. Der Sparer soll doch für sich sparen, damit er nicht eines schönen Tages den Staat als Hilfe braucht, damit er den Staat vor Ausgaben für ihn bewahrt; aber er soll doch ganz gewiß nicht sparen für Ausgaben des Staates, die er selbst wieder abtragen muß. Diese Denaturierung des Sparvorgangs ist eine schlimme Sache.
      Die langjährige Behauptung meiner Freunde, daß die Politik der Regierung .auf dem Gebiet der Ausgabenreste gefährlich sei und verhängnisvoll werden könne, bestätigt sich immer deutlicher, und immer deutlicher wird die Notwendigkeit einer Reform der Reichshaushaltsordnung. Die Außerkraftsetzung des § 75 der Reichshaushaltsordnung, der die Deckung der alten Ermächtigungen regelt, ist ein fester Bestandteil der Politik dieser Regierung geworden. Ich habe natürlich den Aufsatz über den „Schattenhaushalt" im Bulletin gelesen und weiß, was einträte, wenn der Paragraph im Gesetz drinstünde. Aber das hindert uns nicht, hier auszusprechen, daß die Reform der Reichshaushaltsordnung notwendig ist.
      Meine Damen und Herren, die diesjährigen Reste werden über 8 Milliarden DM hinaus ansteigen. Nur zwei von ihnen sind noch durch ein sehr merkwürdiges Deckungsverfahren im Verteidigungshaushalt finanziert. Warum haben wir seinerzeit nicht Schluß gemacht mit den alten Ermächtigungen



      Lenz (Trossingen)

      und auf exakter neuer Grundlage neue Bewilligungen für den jeweiligen Tagesbedarf gegeben? Doch nur deshalb, weil der Herr Verteidigungsminister uns nicht in seine längst überholten Rechnungen hineinschauen lassen wollte. Nun haben wir diesen gigantischen Unsinn vor Augen: 11 Milliarden DM Bewilligung, davon 2 Milliarden DM an sogenannter Nachdeckung für Reste — in der Haushaltsordnung gibt es sie für einzelne Sachgebiete gar nicht — und 2,5 Milliarden DM Absetzungen für Minderausgaben. Bleiben netto 6,5 Milliarden DM echter neuer Bewilligung für die Verteidigung der Bundesrepublik. Das Ganze ist zu kurios, um ganz ernst genommen zu werden, neben der im Volumen gefährlichen Anleihewirtschaft, also über 6 Milliarden DM ungedeckter Reste, bei deren Verwendung wir über Nacht in recht kritische Unannehmlichkeiten kommen können. Wir sagen das jedes Jahr, natürlich erfolglos, weil es im abgelaufenen Haushaltsjahr noch einmal gutgegangen ist. Wir gleichen, so scheint mir, in diesem Punkte jenem Manne, der von einem Wolkenkratzer herunterspringt und beim 33. Stockwerk, nach seinem Befinden befragt, antwortet: Bis jetzt ist es noch einmal gutgegangen.

      (Beifall bei der FDP.)

      Man muß den Eindruck bekommen, daß allmählich auch der Finanzminister „kalte Füße" bekommt und daß unser Appell vielleicht dieses Mal etwas willigere Ohren findet. Herr Bundesfinanzminister, ich beschwöre Sie, machen Sie schnellstens Schluß mit dieser Restewirtschaft! Das Parlament und alle Ressorts werden Ihnen letzten Endes dankbar sein. Veranschlagen Sie jedes Jahr neu, außer bei kleineren Sachen, bei Bauten usw. Aber die großen Beschaffungsfonds sollten immer wieder umgepflügt werden, und in den sogenannten Bindungsermächtigungen können sich ja die Behörden die notwendigen Bestellungen für die Zukunft sichern. Wahrscheinlich könnten wir, wenn wir das täten, und könnten auch Sie dann auf diese merkwürdigen Globalkürzungen verzichten, die immer wieder das Haushaltsbild verfälschen, unsere Arbeit im Haushaltsausschuß abwerten und doch keine Sparsamkeit hervorrufen.
      Was machen denn ,die Ressorts mit den Kürzungen? Sie nehmen sie bei den notwendigen Dingen vor, auf die wir, das Parlament, Wert legen, und fördern mit diesen Mitteln andererseits Dinge, die vielleicht nicht so wichtig sind. Außerdem kalkulieren die anfordernden Stellen — das hat sich inzwischen auch herumgesprochen — die Kürzungsbeträge oft schon ein, so daß schon unter diesem Gesichtspunkt die Kürzungen als echte Sparmaßnahmen verpuffen.
      Nun zur Einnahmeseite! Der Finanzminister war so stolz darauf, daß er sich im Vorjahr um 600 oder 800 Millionen DM zu seinen Ungunsten geirrt hat. Dennoch bleiben 1200 Millionen DM aus seiner Kasse unverwertet, die jetzt, wie Sie gehört haben, Deckungsmittel bleiben können.
      Für 1959 sind die Steuerschätzungen nachträglich noch um einige 100 Millionen DM überboten worden, so daß auch der Bund mit rund 200 Millionen DM profitieren kann. Man hört, daß es vor den
      Wahlen 1961 keine Steueränderungen geben wird, von der Tabaksteuer vielleicht abgesehen. Zu diesem Verzicht kann man die Bundesregierung beglückwünschen. Aber, ich glaube — das kann man hinzufügen —, sie hätte auch etwas erlebt, wenn sie jetzt mit der Ergänzungsabgabe gekommen wäre.

      (Sehr richtig! bei der FDP.)

      Wir sehen keinerlei Notwendigkeit zum Anziehen der Steuerschraube, eher zu großen Verzichten auf staatliche Aufgaben.

      (Beifall bei der FDP.)

      Aber dafür muß man zur Bildung von Schwerpunkten für wirklich dringende Staatsaufgaben kommen, von denen Straße und Schiene, Entwicklungsländer, Forschung, ziviler Bevölkerungsschutz, Schulbau und Flugsicherung im Vordergrund stehen.
      Meine Damen und Herren, ich werde Sie nicht mehr lange aufhalten, aber gestatten Sie mir, noch zu einigen Einzelproblemen Stellung zu nehmen.
      Was wir bei den Einnahmen vermissen, sind die Entgelte für die Privatisierung des gewerblichen Bundesvermögens. Allzu bescheiden sind die Ansätze dafür, obwohl der Herr Bundesschatzminister ja einige verheißungsvolle Perspektiven aufgezeigt hat. Aber uns scheint, daß die Bundesregierung noch etwas Angst vor der eigenen Courage hat. Wir möchten selbstverständlich — ich glaube, das ist die Meinung des ganzen Hauses — vor einer Verschleuderung des Bundesvermögens warnen. Die Preise für die Preußag-Aktien waren sicher zu niedrig angesetzt. Niedriger Verkaufspreis und auch noch die Vergünstigung durch das Sparprämiengesetz ergeben zusammen für den Einzelerwerber einen Nutzen, der ungerechtfertigt ist und möglicherweise auf lange Zeit hinaus den Markt verdirbt. Heute stehen die Preußag-Aktien auf 177,5, die man vor einigen Wochen für 145 verkauft hat. Man ist geneigt, bereits von Privatisierungsgewinnlern zu sprechen.

      (Beifall bei der FDP.)

      Was die viel erwähnte Umsatzsteuer betrifft; so hat der Herr Bundesfinanzminister für den Herbst eine Entscheidung über die Reform auf Kabinettsebene angekündigt. Wir warten mit Spannung darauf. Seine ersten Ankündigungen hat der Herr Minister allerdings inzwischen schon reduziert, aber das, was jetzt kommt, wird noch spannend genug sein. Viele Köche sind angetreten, der Brei, der uns serviert werden wird, wird infolgedessen außerordentlich verschiedenartig sein. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, glaubt wirklich jemand im Ernst, daß wir den Kern unseres jetzigen Umsatzsteuersystems ändern können, ohne wesentliche Einbußen des Aufkommens hinnehmen zu müssen? So verlockend manche Vorschläge sich auch anhören und so richtig mancher Gedanke eines Finanzausgleichs an anderer Stelle auch erscheinen mag, wir glauben einfach nicht daran, daß die Bundesregierung ihre ursprüngliche Zusage zu einer revolutionären Änderung aufrechterhalten wird. Wie wird sich die mittelständische Wirtschaft zu dieser Enttäuschung stellen?



      Lenz (Trossingen)

      Fällt aber die Reform, in welcher Fassung sie auch von der Regierung vorgelegt werden wird, in das Jahr vor der Wahl, kann man sich unschwer vorstellen, welchen Belastungen unsere Haushaltswirtschaft bei den Beratungen ausgesetzt sein wird. Deshalb haben wir uns gedacht — und ich rate das dem ganzen Hause —, daß wir in der ganzen Angelegenheit ein kühles Herz behalten und mit nicht mehr als einigen Korrekturen — Organschaft, Zusatzsteuer, Ausfuhr usw. — rechnen.
      Wir müssen uns hier im Hause vor Augen halten, daß die Umsatzsteuer die Haupteinnahmequelle des Bundes ist. Niemand darf auf weitere Opulenz des Haushalts hoffen, wenn er diese Quelle anzapfen will und nicht ein voller Ausgleich durch andere Steuern stattfindet. Auf diese Quelle haben aber nicht nur die Steuerpflichtigen in der Wirtschaft, sondern auch andere ein Auge geworfen, die an den großen Steuern beteiligt werden wollen. Es sind die Gemeinden. Mein Freund und Kollege Eilers, Oberstadtdirektor, hat sich gestern abend auch für diese Dinge sehr interessiert. Die Gemeinden haben entdeckt, daß in der Haushaltsrede des Herrn Finanzministers einige Haare stecken. Aus eigenen Mitteln, hieß es, könne er ihnen nicht helfen. Der Bund hat das durch den Mund des Herrn Finanzministers erklärt. Aber die Gemeinden sind nicht dieser Meinung. Hier entsteht für unseren neuen Haushalt die Frage — obwohl es auch schon wieder zu spät ist —, ob er die wünschenswerte Ausgewogenheit zwischen den Geldern des Bundes, der Länder und der Gemeinden herstellt oder ändert oder ob er an der bisherigen Aufgabenverteilung Korrekturen kleineren oder größeren Umfangs vornimmt.
      Der Bundeshaushalt hat seine Anziehungskraft auf vielerlei Regionalaufgaben zweifellos beibehalten. Während früher sogar die Kleinstaufgaben der Länder durch die Initiative ihrer Bundestagsabgeordneten in den Bundeshaushalt abschwammen, sind es jetzt mehr die großen Fonds, die sich ausbreiten und die die Länderleistungen immer mehr verkümmern lassen. Warum haben die Länder so großen Wert darauf gelegt, daß die sogenannten Dotationsauflagen, also die Auflagen, die eine Bundesleistung an eine entsprechende Landesleistung koppeln, wegfallen? Doch sicher nicht, um ihre eigenen Leistungen zu erhöhen!
      Aber bleiben wir noch einen Augenblick bei den Gemeinden! Wie wird die Bundesregierung dieses Dilemma lösen wollen, das sich in den kommunalen Finanzen anbahnt, nämlich durch eine Erhöhung der Grundsteuer nicht das wegzunehmen, was der Lücke-Plan zur notwendigen Besserung der Lage gerade geben will?
      Man hört in diesem Zusammenhang soviel Widersprechendes über das neue Bewertungsgesetz. Wir fragen: Ist es richtig, daß die Landwirtschaft hier bereits einen Sieg errungen hat und den schon in der Kabinettsebene befindlichen Entwurf bis hinter die nächsten Bundestagswahlen zurückgeworfen hat, oder liegt gar ein grundsätzlicher Verzicht vor? Jedenfalls wäre es angesichts der widerspruchsvollen Pressenotizen und Interessentenerklärungen außerordentlich wünschenswert, bald etwas Näheres über diese den Bundeshaushalt mittelbar stark berührenden Fragen zu hören.
      Ich will es ganz offen aussprechen und mich vielleicht auch zu vielen Ansichten in Widerspruch setzen, die aus meinem Freundeskreise zu der Frage geäußert werden: Die Beteiligung der Gemeinden an den großen Steuerblöcken halte ich — um das noch einmal klar zu sagen — im gegenwärtigen Augenblick einfach für eine Fata Morgana. Wo ist die Kraft, die angesichts unserer Verfassungswirklichkeit eine solche Änderung unseres Finanz- und Haushaltsausgleichs auf die Bühne und dann mit einer guten Lösung wieder herunterzubringen vermöchte? Wer übersieht alle Magnetfelder, die durch eine solche Aktion angesprochen werden? Und was wäre im übrigen damit gewonnen? Ich habe in den Jahren, in denen ich im Haushaltsausschuß sitze und zu beobachten versuche, gefunden, daß es richtige Haushaltspolitik ist, das nötige Geld an die richtige Stelle zu bringen. Aber ich habe nicht gefunden, daß man das mit Globallösungen kann.
      Ich gebe Ihnen zu: Ich bin in der Finanzierungsfrage unserer Volksschulen und Krankenhäuser hin- und hergerissen. Es gibt Gemeinden — hier haben Sie recht, Herr Kollege Vogel; das ist unbestritten —, die diese Probleme von sich aus lösen können. Es gibt aber auch sehr viele, wahrscheinlich viel mehr Gemeinden — dazu gehören gerade sehr viele kleine Gemeinden ohne irgendein ordentliches Steueraufkommen —, die es eben nicht lösen können.

      (Abg. Dr. Vogel: Vollkommen richtig! Das habe ich nicht bestritten! — Abg. Dr. Conring: Andere haben es trotzdem schon gelöst, auch in dieser Lage!)

      — Ich bin gar nicht sehr weit von Ihnen entfernt. Aber wir können diese Frage nicht einfach beiseiteschieben. Sie ist auf dem Tisch. Es kann gesagt werden: Seit darüber geredet wird, lassen die Leistungen in den Ländern und Gemeinden nach, weil man hofft, der Bund werde einspringen. Wir kommen nicht darum herum — da hat Herr Kollege Schoettle völlig recht —, uns ebenfalls Gedanken darüber zu machen.
      Nun möchte ich wenigstens einmal ein kleines Geschäft vorschlagen. Ich habe den Eindruck, daß das Verfahren bei den Ingenieurschulen sich recht gut bewährt hat. Die Länder haben für die Aufgaben der Max-Planck-Gesellschaft eine hälftige Bundesbeteiligung erhalten. Wie wäre es, wenn der Bund auch noch die andere Hälfte übernähme? Wie wäre es, wenn wir auf diese Weise eine gewisse Finanzentlastung der Länder erzielten? Die dadurch freiwerdenden Mittel könnten dem Bau von Volksschulen zugute kommen. Ich gebe zu, der Betrag ist nicht besonders hoch. Aber wir müssen nach Entlastungsmöglichkeiten der Länder suchen. Es gibt ganz bestimmt Möglichkeiten, den Ländern diese oder jene Aufgabe abzunehmen. Man muß einmal darüber nachdenken und darf sich nicht zu sehr an alte Vorstellungen klammern. Es gibt auch außerhalb des Kulturbereichs Aufgaben, die dem Bund sehr wohl anstünden und bei deren Entäußerung



      Lenz (Trossingen)

      durch die Länder keine föderalen Schwergewichte verschoben würden. Hier hätten wir gelegentlich eine größere Initiative des Herrn Finanzministers gern gesehen an Stelle der Diskussionen über Einwohnersteuer und Hebesätze.
      Im Vorjahr erlaubte ich mir anläßlich der Einbringung des Haushalts 1959, diesen Haushalt als einen Routinehaushalt anzukündigen. Dieser Ausdruck ist mir außerordentlich übel genommen worden. Ich weiß nicht, ob heute irgend jemand diesem Ausdruck widerspricht. Auch die 2 oder 3 Milliarden ausmachenden Änderungen, die der Finanzminister in seinem Entwurf vorgenommen hat und die witzigerweise immer so vorgenommen wurden, daß die 40-Milliarden-Grenze nicht überschritten wurde, bleiben eben doch letztlich innerhalb der Routine. Wie ich mir schon in der ersten Lesung zu sagen erlaubte, ist der Herr Finanzminister zu vielen Punkten seines eigenen Programms, das er hier vortragen mußte, höchst kritisch eingestellt. Aber wenn ich recht sehe, hat er noch keine wirklichen Kursänderungen durchsetzen können, sei es bei den Subventionen, sei es bei den vielen Grenzgebieten von Dauerhilfen, die längst in die Selbsthilfe der Betroffenen hätten zurückverwiesen werden müssen.
      Es wird Jahr für Jahr vergehen, wir wissen es. Auch für das nächste Jahr kann ich schon heute die gleiche Ankündigung machen. Bußfertigkeit ist keine Bonner Tugend. Lohnt es sich wirklich nicht mehr, an grundlegende Fragen heranzugehen? Oder anders gefragt: üben die Fachminister eine solche Diktatur aus, daß bei ihnen niemand mehr kritisch nachsieht? Ich brauche hier nur einmal an den Verteidigungshaushalt zu denken. Wo sind - ich kann es nicht letztlich beurteilen — die entscheidenden Umstellungen, die sich aus .der Gesamtlage ergeben? Ich frage — ich frage nur —: haben heute Schiffe und Flugzeuge noch den Sinn wie früher? Wollen wir an einem Wehrsystem festhalten oder sollten wir nicht baldigst vielleicht — ich weiß es nicht — zu einem Technikerheer übergehen, mindestens zu Versuchsverbänden dieser Art? Und wo bleiben die Notstandsmaßnahmen und die Notstandsgesetze, die doch immer wichtiger werden, je mehr wir erkennen müssen, daß es gegen einen Überfall kaum echte militärische Verteidigungsmaßnahmen gibt? Die Angst, eine politische Niederlage zu erleiden, kann doch kein Hindernis sein, etwas zu schaffen, was die meisten unserer Verbündeten längst haben.
      Die Routine als Hauptmerkmal für die Finanzpolitik wird besonders gefährlich in einem Augenblick, in dem die Prämie für die stabilste Wirtschaftsverfassung sich offenbar unserem westlichen Nachbarn zuzuwenden beginnt. Mit großem Respekt verfolgen wir diesen Teil der französischen Anstrengungen. Es ist uns klar, daß die Stabilität der Haushaltsverhältnisse dabei eine entscheidende Bedeutung hat.
      Die wirtschaftliche Eingliederung des Saargebietes, die gerade in diesen Wochen zwischen den beiden Staaten vorbereitet wird, wird dabei ein interessanter Prüfstein sein. Wir können die Bundesregierung in diesem Zusammenhang nur dringend bitten, alle Überleitungsfragen so zu gestalten, daß keine Störungen auftreten. Die Saarwirtschaft wird durch die Einbeziehung in unser Wirtschaftsgebiet keinen Schaden nehmen. Notfalls muß man sie mit allen Mitteln wettbewerbsfähig machen, ohne daß von dort aus Preis- und Sozialerschütterungen ausgehen.
      Noch ein paar Fragen! Ich beginne mit einer Frage, die uns sehr am Herzen liegt. Ich habe mich gefreut, aus den Worten des Kollegen Vogel die gleiche Sorge zu hören. Der Bundeshaushalt hat nur mittelbar damit zu tun. Es ist die Integrationskrise Europas und der Stand der supranationalen Gemeinschaften. Der Bund zahlt ja schließlich eine ganze Menge Geld in diese supranationalen Gemeinschaften und Körperschaften. Wir haben das Gefühl, daß sein Einfluß diesen Aufwendungen nicht entspricht. Herr Kollege Margulies hat ,gestern darüber schon gesprochen. Nur auf eines möchte ich aufmerksam machen. Was wir bis jetzt bei diesen supranationalen Einrichtungen auf finanziellem Gebiet erlebt haben, besonders an Besoldung, Pensionen, Einstufungen, Steuerfreiheit — wir haben den steuerfreien Europäer geschaffen —, muß mit Sicherheit zu einer Art Vertrauenskrise gegenüber diesen Körperschaften führen. Man sollte uns nicht immer gleich eines Mangels an europäischer Gesinnung zeihen, wenn wir die europäischen Budgets und die sonstige Finanzgebarung mit großer Enttäuschung betrachten.

      (Beifall bei der FDP.)

      Es wird eines nochmaligen großen politischen Entschlusses der verbündeten Staaten bedürfen, um die supranationalen Einrichtungen weiter nach vorn zu reißen und keine institutionelle Krise entstehen zu lassen. Aber — und auch das möchte ich in aller Offenheit sagen — der innere Zustand der Gemeinschaften muß durch eine weniger eigennützige Gesinnung etwa unseres westlichen Nachbarn zuvor entscheidend verbessert werden.
      Ein Wort zu den Entwicklungsländern! Ich bin gleicher Meinung wie Herr Kollege Vogel. Es fehlt uns eigentlich das Gesamtprogramm. Seit Jahren wird danach gefragt; aber dieses Programm kommt nicht ans Licht der Welt, weil jede Reise mit einem neuen Programm endigt. Und hat nicht der Herr Bundeskanzler dankenswerterweise von einer Konzentration der Kräfte gesprochen? Es ist nicht so, daß ich meine, wir sollten das Programm hier hören. Das wäre sehr wahrscheinlich der Gipfel des Undiplomatischen. Aber wir wollen hören, daß es dieses Programm gibt und daß es aus einer geschickten Verbindung aller nur möglichen Hilfsformen besteht.
      Schließlich möchte ich noch ein Wort zur Verwaltung des Bundes sagen, wie sie uns an Hand der neuen Zahlen entgegentritt. Ohne Zweifel hat der Herr Finanzminister dieselmal uns, dem Bundestag, die Arbeit überlassen, die ihm selbst zukommt, nämlich das Durchkämmen der Anforderungen nach entbehrlichen Stellen und Mitteln. Wir haben uns große Mühe gegeben, aber verständlicherweise nur Teilerfolge errungen. So geht also die Verwaltung zahlenmäßig weiter nach oben, in sich starr und be-



      Lenz (Trossingen)

      wegungsunfähig wie seit eh und je. Selbst der Versuch, wenigstens die leichtere Versetzbarkeit von Beamten und Angestellten an die Schwerpunkte des Bedarfs zu erreichen, ist mißlungen, weil sich die Regierung nicht ,einig wurde. Nun, wir resignieren hier ein weiteres Mal und stellen fest, daß wir — ich gebe das zu — vielleicht nicht unbedingt eine wesentlich übersetzte Verwaltung, ,aber ganz sicher eine wesentlich zu teure Verwaltung haben. Viele harmlose Arbeiten werden durch viel zu hohe Beamte erledigt. Fragen, die in Ländern und Gemeinden vielerorts ein tüchtiger Amtmann erledigt, erledigt in Bonn grundsätzlich ein Oberregierungsrat, fast möchte man sagen, mindestens.

      (Bereichs auch ein Hinweis darauf sein, daß nach unserer Auffassung in diesem Haushalt zu vieles ungelöst ist, was neu durchdacht und anders gestaltet werden könnte. Das Wort hat der Abgeordnete Schild. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Würdigung dieses Haushalts — und die Besinnung auf den Standort dieses Haushalts in Staat und Gesellschaft — ist in der Öffentlichkeit und auch unter uns selbstverständlich recht verschieden. Von der Skepsis, von einer gewissen Resignation angefangen bis zu einem beflügelten Optimismus geht die Würdigung dieses Haushalts in der Öffentlichkeit. Aber es gibt auch Kritiken, die bewußt so negativ sind, daß sie unter allen Umständen richtiggestellt werden müssen. Dieser Haushalt ist kein Scheinhaushalt, wie es zum Teil in der Öffentlichkeit heißt. Dieser Haushalt ist kein Schattenhaushalt, wie es heißt, und dieser Haushalt ist auch kein Haushalt im Nebel, wie es in den letzten Tagen in einer immerhin sehr maßgeblichen Tageszeitung stand. Ich bin nicht der Ansicht, daß wir nun mit einem bewußten Skeptizismus und mit einer bewußten Resignation an die Probleme dieses Haushalts herangehen dürfen. Ich habe schon bei der letzten Haushaltsberatung im Vorjahr gesagt: Alle Haushalte der letzten zehn Jahre stehen doch unter dem Aspekt einer echten politischen Notlage unseres Volkes. Diese Notlage ist gerade jetzt, in den letzten Tagen und Wochen durch die Genfer Konferenz wieder so verdeutlicht worden, daß sie jedem zum Bewußtsein gekommen ist. Dieser Haushalt der politischen Notlage, in der wir uns befinden, kann natürlich dazu führen, daß gewisse Spannungselemente fehlen, daß gewisse Spannkräfte nicht aufgebracht werden, die notwendig sind, damit die positiven und negativen Seiten ausgeglichen werden. Wenn man diesen Haushalt mit den Haushalten vergangener Jahre vergleicht, so gibt es bei einer sachlichen Betrachtung positive Tendenzen einer Verbesserung der Haushaltslage, es gibt negative Tendenzen, und es gibt fragwürdige Tendenzen, über deren Entwicklung wir uns kaum ein Urteil bilden können. Ich möchte zunächst noch einmal, wie das auch die Grundhaltung der Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Vogel war, auf die positiven Tendenzen hinweisen. 1. Es steht fest, daß trotz Steuersenkung auf wichtigen Gebieten in den letzten Jahren, wie z. B. der Einkommensteuer und anderer Steuern, ein Defizit in diesem Haushalt nicht eingetreten ist. Das ist eine positive Tendenz. Die Schätzungen, die bei allen Fragwürdigkeiten der damaligen Entschlüsse gegeben wurden, waren richtig. 2. Als zweite positive Tendenz ist der Beschluß des Hohen Hauses vom Jahre 1958 zu bezeichnen, keine Stellenvermehrungen und keine Stellenhebungen vorzunehmen, wenn sie nicht durch neue gesetzliche Aufgaben unbedingt erforderlich sind. Der andere Teil des Beschlusses ging dahin, bei jeder Gesetzesvorlage den Ausschüssen und dem Hohen Hause auch die damit zusammenhängenden finanziellen Rückwirkungen klarzumachen. 3. Die dritte positive Tendenz, die sich eindeutig zeigt, ist die Harmonisierung der Wirtschaftsmit der Finanzpolitik. Daran hat es in früheren Jahren sehr oft gemangelt. Diese Harmonisierung zwischen Wirtschaftsund Finanzpolitik ist in der dritten Bundesregierung Adenauer durch die Minister Erhard und Etzel in einem solchen Ausmaß erreicht worden, daß wir darüber froh und stolz sein können. 4. Eine weitere positive Tendenz ist die zukünftige Verringerung bisher bestehender Lasten und Ausgaben. Wir werden uns in absehbarer Zeit von dem Zustand entfernen, daß die Finanzierung des Wohnungsbaus aus Steuermitteln und damit aus Staatshypotheken erfolgt, wodurch Bund und Länder zusammen praktisch die größte europäische Hypothekenbank geworden sind. Langsam aber sicher werden wir mit gezielten Maßnahmen wieder zur Kapitalmarktfinanzierung des Wohnungsbaus zurückkommen. Auch dadurch werden dann Mittel des öffentlichen Haushalts frei, die im Augenblick noch gebraucht werden. Zur Zeit haben wir Mittel für die Wohnungsbaufinanzierung nämlich noch im ordentlichen Haushalt. Wir haben aber die Hoffnung, daß sie langsam aber sicher verschwinden werden. 5. Positiv wird sich auch die Situation bei den Kriegsfolgelasten entwickeln. Im Augenblick wird der Haushalt dadurch noch sehr stark belastet. Die Belastung wird aber im Laufe der nächsten drei, vier, fünf bis zehn Jahre immer um einen gewissen Prozentsatz, und zwar progressiv, zurückgehen. Diese Ausgaben, die jetzt noch Milliarden erforDr. Schild dern, werden sich zwangsläufig verringern. Die freiwerdenden Summen werden uns als neue Dekkungsmittel zur Verfügung stehen. 6. Nicht zuletzt sind positive Tendenzen auf folgendem Gebiet zu erkennen: Noch vor vier, fünf, sechs und sieben Jahren haben wir sehr umfangreiche Subventionen für den Aufbau der gewerblichen Wirtschaft, der deutschen Industrie, auch der deutschen mittelständischen gewerblichen Wirtschaft, geben müssen. Diese Subventionen und Kreditmanipulationen aus Steuermitteln, hinter denen der Haushalt des Bundes stand, sind überflüssig geworden. Die Wirtschaft hat sich soweit erholt, daß sie auf Haushaltsmittel und unmittelbare Kreditmittel des Bundes gar nicht mehr angewiesen ist. Die Lage des Kapitalmarkts gestattet heute die Expansion und die Investitionen der Wirtschaft. 7. Als letzte positive Tendenz möchte ich erwähnen, daß sich der Einfluß des Bundesrechnungshofes immer stärker geltend macht. Unter dem neuen Präsidenten hat sich der Bundesrechnungshof, insbesondere durch Erstattung von Gutachten, stärker in die Sparmaßnahmen eingeschaltet, als ich es jemals früher im Haushaltsausschuß erlebt habe. Die Mitglieder des Haushaltsausschusses sind in mancherlei Hinsicht auf die Meinung oder auf den gutachtlichen Rat des Bundesrechnungshofspräsidenten und seiner Mitarbeiter angewiesen. Allen diesen positiven Tendenzen stehen leider allerdings auch negative gegenüber. Es hat keinen Zweck, die negativen Tendenzen zu verharmlosen, zu vertuschen, zu verschweigen; aber es hat auch keinen Zweck, deswegen in Skepsis und Resignation zu verfallen. Solange man nicht das politische Glaubensbekenntnis teilt, es gebe da eine Zwangsläufigkeit — viele glauben daran —, solange man noch glaubt, gestaltende Kräfte lebendig machen zu können, sollte man auch hier nicht resignieren. Von den negativen Tendenzen möchte ich einige wesentliche hervorheben. 8. Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß der Haushaltsausschuß überfordert ist, wenn er sich stundenoder tagelang bei jedem Einzelplan über die Stellenbesetzung, Stellenbewertungen und Stellenanforderungen der Ministerien unterhalten muß. Der Haushaltsausschuß sollte sich in seinen Beratungen statt dessen auf die wesentlichen Teile des Haushalts und auf die Erörterung der Tendenzen der Haushaltspolitik konzentrieren können. Wir müssen zu einer Änderung des bisherigen Zustandes kommen und in Zukunft Personalhaushalte und Haushalte für allgemeine Sachausgaben auf mehrere Jahre festsetzen, damit die Abgeordneten nicht gezwungen sind, sich jährlich mit diesen zwar wichtigen, aber für die Gesamtentwicklung des Haushalts nicht so sehr entscheidenden Fragen zu befassen. In den Beratungen des Haushaltsausschusses können dann andere bedeutungsvolle Probleme erörtert werden. 9. Die zweite negative Tendenz habe ich schon das letztemal erwähnt; es ist die mangelnde Harmonisierung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Trotz der Kritik, die wir in den vergangenen Jahren in dieser Hinsicht geübt haben, habe ich keine Initiative der Bundesregierung im letzten Jahr gesehen, zu mehr Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern zu gelangen, als sie im Augenblick für verschiedene Sachgebiete bestehen, z. B. die Verwaltungsabkommen auf dem Gebiet der Wissenschaft. Ich denke an das Königsteiner Abkommen, an das Abkommen über Wissenschaftsrat und andere. Diese Abkommen reichen nicht aus, um die Harmonisierung zwischen Bund und Ländern in dem erforderlichen Umfange herbeizuführen. Die Beratungen des Haushaltsausschusses und dieses Hohen Hauses kranken daran, daß die Harmonisierung zwischen Bund und Ländern bislang nur sehr spärlich ist und sich nur ,auf politisch leichtere Objekte erstreckt. Ich denke daran, daß die Harmonisierung durch Verwaltungsund Staatsabkommen auf den Gebieten der Straßenbaufinanzierung, der Schulfinanzierung, der Krankenhausfinanzierung und vor allem ,der Finanzverwaltung erreicht werden könnte. 10. Damit komme ich zu der dritten negativen Tendenz der Haushaltslage und der Finanzlage überhaupt. Solange wir keine einheitliche Finanzverwaltung haben — meine politischen Freunde fordern sie seit Jahren —, solange der Föderalismus in der Finanzverwaltung herrscht, wird es immer schwierig sein, eine weitere positive Entwicklung im Verhältnis zwischen Bundeshaushalt und Länderhaushalten zu fördern. 11. Eine vierte negative Entwicklung ist die völlig abnorme Vermögensbildung beim Bund und nicht nur beim Bund, sondern bei den öffentlichen Körperschaften überhaupt. Diese kollektivistische Tendenz führt natürlich zu einer im ganzen gesehen auf Jahre hinaus negativen Entwicklung, negativ gegenüber der Vermögensbildung der Staatsbürger an sich und der Vermögensbildung in der breiten Masse der Bevölkerung. 12: Aber nicht nur die Vermögensbildung als solche, die ständige Zunahme von Grundstücksvermögen, von Beteiligungsvermögen, von Darlehensvermögen usw., sondern vor allem die Verwaltung dieser Vermögen ist nicht so, wie sie dem Grundsatz nach sein müßte. Ich darf daran erinnern, daß wir auch im letzten Jahre wieder einen Zusammenbruch eines Bundesunternehmens hatten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, daß die Wohnungsgesellschaft „Deutsch-Bau" in diesem Jahre einen Zuschuß von 14 Millionen DM bei einem Gesamtbauobjekt von etwa 200 Millionen DM erforderte. Dieses Minus beruht zum Teil auf fehlender Eigenkapitalfinanzierung, ist zum Teil aber ein echter Verlust. Bei der Untersuchung dieses Falles durch den Haushaltsausschuß hat sich praktisch ergeben, daß die verantwortlichen Beamten der Bundesressorts als Gesellschafter in diesen Unternehmungen nicht den Überblick über die Geschäftsführung hatten, daß aber auch der Stil und die Art der Kontrolle nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen. Ich erwähne das, weil wir eine Kleine Anfrage an die Regierung gerichtet haben: Was beabsichtigt Dr. Schild die Regierung zu tun, um in Zukunft die Verantwortlichkeit ihrer in diese Vermögensunternehmungen hinein entsandten Beamten anders zu gestalten, als es gerade an diesem Beispiel exemplifiziert worden ist? Die Antwort, die die Regierung auf diese Anfrage gegeben hat, befriedigt uns keineswegs. Wir haben deshalb die Aufgabe, gerade die Verwaltung dieser großen Bundesvermögen in Zukunft in einem Sinne zu lenken, daß der parlamentarische Einfluß bei dieser Verwaltung größer wird, als er im Augenblick auf Grund der Haushaltsordnung, des Haushaltsrechts und der sonstigen Bestimmungen sein kann. Das Bundesvermögen in seinen verschiedenen Arten hat einen derartigen Umfang angenommen, ist ein derartiger Konzern geworden, daß man bei der Gesamttendenz gegen die nicht notwendige Konzernbildung in unserer Gesellschaft und Wirtschaft an den Bundeskonzernen dieser Art nicht vorbeigehen kann. Ich möchte dem zustimmen, was schon mein Herr Vorredner über die Auflösung von Bundesvermögen und seine Freimachung auch für zukünftige Haushaltsmittel gesagt hat. Weiter möchte ich gerade das aufgreifen, was Herr Kollege Vogel hinsichtlich der Verflüssigung derjenigen Mittel gesagt hat, die in Wohnungsbauhypotheken festgelegt sind. Bund und Länder haben bei einem Wohnungsbau von 70 Milliarden in den letzten zehn Jahren insgesamt etwa 30 Milliarden Wohnungsbauhypotheken in den sozialen Wohnungshau hineingesteckt. Bund und Länder als Gläubiger gegenüber privaten Staatsbürgern in einem Gesamtumfang von 30 Milliarden DM, — das ist ein heißes politisches Eisen in unserer Zeit. Ich halte es nicht für gut, daß gerade Bund und Länder in so großem Umfange und für so lange Fristen Gläubiger von Privatpersonen und Gesellschaften sind. Das kann sich politisch unter Umständen einmal sehr übel auswirken. Schon aus grundsätzlichen Erwägungen ist es also notwendig, hier nach neuen Wegen zu suchen. Ich habe dem Herrn Bundeswohnungsbauminister schon einmal bei der Erörterung seiner Reformpläne zur Überführung der Wohnungswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft angedeutet, daß der erste Schritt dazu eigentlich die Konvertierung dieser großen Schattenhypotheken sein müßte. Wenn irgendwo das Wort „Schein" oder „Schatten" eine Berechtigung hat, dann in bezug auf diesen Hypothekenbestand. Ich erinnere an die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers Etzel auf dem vorjährigen Tag des deutschen Handwerks in Godesberg. Dort hat der Bundesfinanzminister dem Sinne nach erklärt, man könne nicht alle Vermögensmassen des Bundes, die auf dem Papier stehen, als echte Vermögensmassen betrachten. Er sagte weiter: Denn letzten Endes können wir nur das als Vermögensmasse betrachten, was rentable Vermögensmasse ist. Es gibt Vermögensmassen, die überhaupt nie rentabel sein können, die wir auch nicht als echte Vermögensmassen im Nachweis führen, für die es also keine Bewertung gibt, wie beispielsweise die deutschen Straßen. Das ist praktisch eine Illusion. Aber die Hypotheken, die wir hier im Vermögensnachweis mit herumschleppen, sind praktisch Scheinvermögen, weil eine Rentabilität überhaupt nicht gegeben ist. 0 % Verzinsung und 1 % Tilgung ist bei etwa 20 bis 25 % dieser Hypotheken gang und gäbe, 1 % Tilgung und 1 % Verzinsung bei etwa 50 %, und nur bei dem Rest liegt die Verzinsung knapp über 1 %. Ich bin also absolut dafür, den Gedanken des Kollegen Vogel aufzugreifen: die Mobilisierung durchzuführen, und zwar in Verbindung mit der Überführung des Wohnungsbaues in die soziale Marktwirtschaft. Dieser gesamte Hypothekenkomplex muß zunächst einmal auf eine Verzinsung von 1 % und auf eine Tilgung von 1 % gebracht und dann auf 20 % des heutigen Bestandes herabkapitalisiert und konvertiert werden. Das würde ausreichen, ein Fünftel des heutigen Bestandes mit 5 % zu verzinsen und mit 1 % zu tilgen, mit dieser Finanzmasse langsam wirklich an den Kapitalmarkt heranzukommen und daraus Wertpapierfonds zu bilden und sie zugunsten der Bundesfinanzen zu privatisieren. Die „Geschenke" — von der Opposition wird vermutet, es werde solche geben — entfallen auf alle gleichmäßig: auf diejenigen, die privat gebaut haben, und auf diejenigen, die gemeinnützig gebaut haben; und das gleicht sich innerhalb der Wohnungswirtschaft ungefähr aus. Eine solche Konvertierung auf 20 % und Einbau in die soziale Marktwirtschaft wäre ein Anfang zur Lösung eines wesentlichen Problems unseres Haushalts. 13. Bei dem Thema „negative Erscheinungen" noch ein Wort zu den Bindungsermächtigungen. Wir haben mit Bindungsermächtigungen eigentlich erst im Jahre 1955 angefangen. Ich halte es für einen falschen Weg, aus einer ganz spezifischen Situation des Aufbaues der Wehrmacht heraus, die Finanzpolitik der Bindungsermächtigungen auch auf andere Gebiete zu übertragen, wie beispielsweise auf die Finanzierung des Programms für unterentwikkelte Länder, auf das Gebiet der Straßenbaufinanzierung und auf das Gebiet der Wohnungsbaufinanzierung. Ich weiß nicht, ob Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, über die Höhe der Bindungsermächtigungen im Verhältnis zu der Höhe des Ihnen vorliegenden Haushaltsplans im Bilde sind. Wenn jeder genaue Zahlen darüber vor sich hätte, würde er darüber erschrecken, was wir durch Bindungsermächtigungen bereits auf zukünftige Haushaltspläne verlagert haben. Ich will diese Zahl jetzt nicht nennen; Sie können sie selbst feststellen. Aber ich bin der Ansicht, daß diese Bindungsermächtigungen nur insofern einen Sinn haben und nur insoweit verantwortet werden können, als sie kurzfristig realisiert und übersehen werden können. Etwas anderes ist es, wenn sie die zukünftige parlamentarische Entscheidung bereits auf vier, fünf, sechs oder sieben Jahre im voraus belasten. Damit komme ich zu den fragwürdigen Tendenzen, die weder positiv noch negativ sind. Hier geht es nach unserer Auffassung im wesentlichen um Dr. Schild die Sparmöglichkeiten. Darüber gehen ja im Konkreten die Ansichten unter uns parteipolitisch recht weit auseinander. Ein Ausgabengebiet, bei dem am wenigsten auf Sparsamkeit geachtet wird und bei dem am meisten Vorsicht geübt werden müßte, ist die Gestaltung der Tarifverträge der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst. Der Haushaltsausschuß hat sich eingehend darüber unterhalten, daß diese Tarifverträge Rückwirkungen auf jeden Haushaltsplan haben. Die Tendenz zum Aushandeln dieser Tarifverträge, das Für und Wider bei Vertragswünschen und Vertragskündigungen ist längst nicht etwa ebenso wie bei Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Der Bund, die Länder und überhaupt die öffentlichen Behörden als Arbeitgeber müssen sich niemals so über Rentabilitätsfragen auseinandersetzen, wie das in der Wirtschaft der Fall ist, sondern es wird hier manchmal sehr leicht bewilligt und des Guten etwas zuviel getan. Ein solches Verhalten beschneidet die Sparmöglichkeiten des Parlaments und des Haushaltsausschusses. Das ist eine wesentliche Erscheinung, die wir unter das Kapitel der Fragwürdigkeiten rechnen müssen. Genauso fragwürdig sind die Kosten unserer Auslandsvertretungen, die von allen Parteien immer wieder kritisiert werden. Das ganze Kapitel unserer Auslandsvertretungen ist im Hinblick auf die Kosten eine sehr fragwürdige Angelegenheit. Es gibt noch andere Dinge, die vielleicht überflüssig sind und bei denen man sparen könnte, z. B. die Verkehrssünderkartei, für die Hunderte von Angestellten und Beamte nötig sind. Vielleicht wäre es möglich, alles das, was die Verkehrssünderkartei an Material liefern soll, durch eine einfache Eintragung im Führerschein zu erreichen und dadurch jene Institution mit ihren Hunderten von Beamten und Angestellten überflüssig zu machen. Bei alledem handelt es sich um Fragwürdigkeiten, über die es keine einheitliche Auffassung gibt. Ich glaube aber, daß wir auch in dieser Beziehung zu Entscheidungen kommen können, wenn wir uns nicht mit Kleinigkeiten abgeben müßten, sondern mit den wesentlichen Dingen des Haushalts befassen könnten. Ein Wort zur europäischen Gemeinschaft, zur europäischen Politik. Der spontane Beifall, mit dem der Präsident des Europäischen Parlaments gestern in diesem Hohen Hause begrüßt wurde, ist Beweis genug dafür, daß eine Kritik an einzelnen Finanzdispositionen nicht eine Kritik an dem Bestand der Institutionen, an der Integration und an dem Europagedanken überhaupt ist. Wir können auf Kritik an den europäischen Verwaltungsausgaben nicht verzichten, denn sie kommen haushaltsmäßig auf uns zu. Die gestern bei der zweiten Lesung geübte Kritik unseres Kollegen Margulies kann ich in wesentlichen Punkten nicht bejahen. Zunächst einmal darf ich feststellen, daß die Gehälter in der Montanunion, die im Augenblick ,auch die Gehälter der EWG und der Euratom sind, zu einem Zeitpunkt reguliert wurden, als der Präsident der Montanunion, Monnet, noch der Auffassung war: Ich kann nur Leute gebrauchen, die in keinem Pensionsverhältnis stehen und von denen ich mich je nach ihren Leistungen und Fähigkeiten jederzeit wieder trennen kann. So sind 'die ersten höheren Angestellten und Mitarbeiter der Montanunion nicht im Sinneeines Beamtenstatuts, sondern im Sinne einer freien Mitarbeit auf Grund privater Dienstverträge ausgewählt worden. Als später das Beamtenund das Angestelltenstatut der Montanunion geschaffen wurde, ist dieser Grundsatz vom Ministerrat verlassen worden. Herr Minister Etzel war damals nicht Mitglied; denn er war zu ,der Zeit nicht Minister. Man hat zwar zum Teil die Höhe der Gehälter beibehalten, man hat aber die notwendigen Pensionsverpflichtungen und sonstige Remunerationen zugeschlagen, die ursprünglich gar nicht vorgesehen waren. Nun ist das Instrument des Beamtenstatus der Montanunion in Kraft, und es ist verständlich, daß auch EWG und Euratom nach diesem Beamtenstatut schielen. Aber es ist nicht so, wie Herr Kollege Margulies sagte, daß das bereits rechtlich effektuiert ist. Der Ministerrat hat das Beamtenstatut für EWG und Euratom noch nicht beschlossen und verabschiedet. Die jetzigen Zahlungen für ,die Beamten der EWG und Euratom sind vorläufige Zahlungen. Ob sie in diesem Ausmaß in das Beamtenstatut übernommen werden, ist noch völlig offen. Ich kann auch nicht der Kritik des Kollegen Margulies beipflichten, wir von ,den nationalen Parlamenten dürften nicht den Versuch machen, die Entwicklung durch Sachverständigenausschüsse zu beeinflussen. Ich halte es für einen richtigen Weg, daß sich ein kleinerer Sachverständigenausschuß dieses Hohen Hauses mit Kollegen des französischen, belgischen, luxemburgischen, holländischen und italienischen Parlaments zusammensetzt, um über die Finanzentwicklung der europäischen Gemeinschaften Klarheit zu schaffen. Das konterkariert die Beratungen des Europäischen Parlaments überhaupt nicht. Im Gegenteil, die Beratungen des Europäischen Parlaments werden nur unterstützt, wenn der Rückenwind für eine normale Regelung auch aus den nationalen Parlamenten kommt. Ich habe damit einige wesentliche Punkte behandelt und sowohl positive wie klar erkennbare negative, aber auch fragwürdige Tendenzen aufgezeigt, die in diesem Haushalt und auch in den Haushalten der letzten Jahre sichtbar geworden sind. Ausschließlich an ,uns liegt es, aus den negativen positive Elemente zu machen und von 'den fragwürdigen Tendenzen zur Klarheit zu kommen. Deshalb wird auch meine Fraktion den Haushalt — in dem von mir klargestellten Sinne — bejahen. Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache. Interfraktionell ist vereinbart, ,daß nun diejenigen Punkte der Tagesordnung, die mit dem Haushalt nichts zu tun haben, erledigt werden sollen. — Ich stelle Ihr Einverständnis fest. Vizepräsident Dr. Jaeger Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich Ich schlage Ihnen gemäß interfraktioneller Vereinbarung vor, den Entwurf im Hinblick auf § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Gleichzeitig sind die Änderungsanträge überwiesen. Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Europäischen Niederlassungsabkommen vom 13. Dezember 1955 Mündlicher Bericht des Ausschusses für Inneres Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Storm — Ist das Haus bereit, auf die Berichterstattung zu verzichten? — Das Haus verzichtet auf die Berichterstattung. Ich rufe auf in zweiter Beratung Art. 1, — 2, —3, — 4, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ich komme zur dritten Beratung. Allgemeine Aussprache! — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen! Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen aus Lebensund Rentenversicherungen a)


      (Beifall bei der FDP.)


    Rede von Dr. Richard Jaeger
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Dr. Heinrich Schild


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


      (Beifall bei den Regierungsparteien.)





      (Abg. Niederalt: Sehr richtig!)








      (Beifall bei den Regierungsparteien.)