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    Deutscher Bundestag 59. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1959 Inhalt: Ergänzung der Tagesordnung 3215 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kohlebergbau (Drucksache 708) ; in Verbindung mit Entwurf einer Vierten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Kohlenzoll); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 813, zu 813, 826 [neu] ) Fernschreiben des Präsidenten des Bundesrates betr. Kohlenzollverordnung 3215 B Dr. Bleiß (SPD) 3215D Dr. Serres (CDU/CSU) 3218 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 3219 B, 3241 C Dr. Deist (SPD) . . . . 3227 C, 3257 A Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 3243 D Dr. Atzenroth (FDP) 3247 D Dr. Steinmetz (DP) 3252 C Dr .-Ing. Philipp (CDU/CSU) . . . 3253 D Deringer (CDU/CSU) 3254 C Dr. Starke (FDP) 3254 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) (Bundesrat) (Drucksachen 769, 828) — Zweite und dritte Beratung — 3258 C Nächste Sitzung 3258 D Anlagen 3259 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1959 3215 59. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt Ms einschließlich Frau Albertz 4. 4. Dr. Baade 30. 1. Bading 30. 1. Dr. Bärsch 30.1. Bauknecht 30. 1. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Frau Blohm 31. 1. von Bodelschwingh 29. 1. Diel (Horressen) 23. 2. Dr. Eckhardt 10. 2. Etzenbach 7. 2. Fuchs 30. 1. Gedat 30. 1. Gleissner (Unna) 20. 2. Graaff 15.2. Dr. Gradl 30. 1. Dr. Greve 7. 2. Dr. Gülich 31. 1. Haage 30. 1. Heinrich 31. 1. Heye 29. 1. Hufnagel 29. 1. Jacobs 31.3. Jahn (Frankfurt) 31. 3. Kalbitzer 30. 1. Frau Kalinke 31. 1. Kiesinger 29. 1. Kramel 16. 2. Kraus 30. 1. Kreitmeyer 31. 1. Dr. Kreyssig 30. 1. Kriedemann 30. 1. Kühn (Bonn) 30. 1. Kahn (Köln) 30. 1. Kunst 21.4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 1. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 1. Memmel 31. 1. Dr. Menzel 15. 2. Murr 31. 1. Müser 17. 2. Nellen 31. 1. Dr. Oesterle 6. 2. Ollenhauer 29. 1. Pelster 31. 1. Pietscher 30. 1. Pütz 14. 2. Dr. Reith 31. 1. Rohde 31. 1. Scharnowski 30.1. Dr. Schmid (Frankfurt) 30. 1. Schneider (Hamburg) 2. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15. 2. Schoettle 30. 1. Schröder (Osterode) 30. 1. Frau Dr. Steinbiß 14. 2. Walpert 31. 1. Weimer 29. 1. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Weinkamm 30. 1. Welslau 30. 1. Anlage 2 Umdruck 199 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kohlebergbau (Drucksache 708). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. in geeigneter Weise, notfalls durch Gesetz a) sicherzustellen, daß inländische Käufer zollpflichtiger Brennstoffe ihre Verträge dem Ruhrbergbau zur Ablösung anbieten können und dieser sie zu angemessenen Bedingungen ablöst. Über die Frage der Angemessenheit soll im Streitfall ein Schiedsgericht entscheiden, das aus je einem, vom Ruhrbergbau und von dem betroffenen Käufer benannten Beisitzer und einem Obmann besteht, der von den Beisitzern zu wählen, im Falle der Nichteignung vom Bundeswirtschaftsminister zu benennen ist. Der Ruhrbergbau soll verpflichtet und berechtigt sein, bei durchgehandelten Verträgen dem inländischen Käufer gleichwertige Brennstoffe aus Mitgliedstaaten der EG zu gleichen Bedingungen zu liefern; b) klarzustellen, daß bis zum 1. Juli 1959 inländische Käufer Kauf- und Frachtverträge über nach der Vierten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 zollpflichtige Brennstoffe nicht unter Berufung auf diese Verordnung lösen können; 2. durch 'gesetzliche Regelung dafür Sorge zu tragen, daß die durch die Zollverordnung besonders betroffenen Gebiete bei der Verteilung der zollfreien Kontingente bevorzugt berücksichtigt werden. Bonn, den 29. Januar 1959 Dr. Krone und Fraktion Dr. Preiß und Fraktion Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers der Justiz auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Arndt (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. Januar 1959, Drucksache 786, Frage 24) : Wann wird - im Hinblick darauf, daß nach dem Beschluß 1 BvR 510 des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 1958 die 3260 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1959 Ausübung von Strafgewalt „sicher" zu den Funktionen der rechtsprechenden Gewalt gehört und daß die Bundesregierung in der amtlichen Begründung ihrer Vorlage für ein Richtergesetz die Ausschließlichkeit der Zuständigkeit der Richter für die Rechtsprechung bejaht hat (Drucksache 516 S. 32) — die Bundesregierung dem Beschluß des 2. Bundestages in der 136. Sitzung vom 21. März 1956 zu Umdruck 562 (Stenographischer Bericht S. 7046 C und 7062) und dem Beschluß des 2. Bundestages in der 227. Sitzung vom 29. August 1957 zu Drucksache 3650 der 2. Wahlperiode (Stenographischer Bericht S. 13 521 C) entsprechen und dazu Stellung nehmen, ob die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung, insbesondere ein Ausüben von Strafgewalt durch Verwaltungsbehörden wie Finanzämter und Postämter, mit dem Grundgesetz vereinbar sind? Ihre Anfrage geht davon aus, daß nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 1958 — 1 BvR 510/52 — jede Ausübung von Strafgewalt durch Verwaltungsbehörden grundgesetzwidrig sei. Ich kann diesen Beschluß nicht in einem solchen Sinne auslegen, und zwar aus folgenden Gründen: Der Beschluß behandelt das Bußgeldverfahren bei Ordnungswidrigkeiten und erklärt dieses Verfahren für zulässig. Man kann dem Bundesverfassungsgericht nicht unterstellen, daß es durch eine beiläufige, nicht näher begründete Bemerkung in einem ganz anderen Verfahren sich gegen das Verwaltungsstrafverfahren ausgesprochen haben sollte, das zum traditionellen Bestand des deutschen Strafverfahrensrechts gehört. Der von Ihnen angesprochene Satz sagt nicht, daß die Ausübung aller Strafgewalt, sondern nur, daß die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit zu den Funktionen der rechtsprechenden Gewalt gehört. Schließlich muß jener Satz aber auch im Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz gelesen werden. Dort erklärt das Bundesverfassungsgericht, daß es auf die allgemeinere Streitfrage. ob es eindeutig materielle Kriterien für einen Begriff der rechtsprechenden Gewalt im Sinne des Art. 92 GG gibt, nicht einzugehen brauche. Die Bundesregierung hält sich also auch nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts für berechtigt, an ihrer Auffassung festzuhalten, daß die derzeitigen Verwaltungsstrafverfahren nicht verfassungswidrig sind. Sie stimmt jedoch mit dem Bundestag darin überein, daß diese Verfahren allgemein überprüft werden sollten. Zwar hat sich die Hoffnung der Bundesregierung, das Bundesverfassungsgericht werde anläßlich einer eingelegten Verfassungsbeschwerde Gelegenheit haben, sich über die Zulässigkeit des Steuerstrafverfahrens auszusprechen, nicht erfüllt. Diese Verfassungsbeschwerde ist nämlich aus formellen Gründen verworfen worden, so daß die erwähnte Frage nicht geklärt werden konnte. Inzwischen ist die Vorbereitung einer Änderung der Vorschriften der Abgabenordnung, die sich auf das Steuerstrafverfahren beziehen, wieder aufgenommen worden. Ein künftiges Postgesetz soll nach der übereinstimmenden Meinung der Ressorts die Befugnis der Postbehörden, Kriminalstrafen zu verhängen, nicht mehr enthalten. Schäffer Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Rehs (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. Januar 1959, Drucksache 786, Frage 35): Unter Bezugnahme auf die Erklärungen des Herrn Bundesernährungsministers in der Fragestunde am 27. November 1958 frage ich den Herrn Bundesernährungsminister heute, welche Beträge von den damals genannten Summen seit Inkrafttreten der beiden Gesetze bis zum 1. Dezember 1958 a) für Neusiedlungen gemäß BVFG, b) für die Übernahme bestehender Betriebe gemäß BVFG und c) für die Durchführung des SFG tatsächlich bewilligt und von den Ländern bei der Deutschen Siedlungsbank abgerufen wurden, und ob dabei die in den Haushaltsgesetzen festgelegte und sich auch aus § 2 des SFG im Zusammenhang mit § 41 des BVFG ergebende Relation der Neusiedlungsmittel von 1 : 2 bei den tatsächlich bewilligten Mitteln eingehalten wurde. Die Aufgliederung der für die Jahre 1953 bis 1958 für die Neusiedlung von Vertriebenen und Einheimischen und für die Eingliederung von Vertriebenen vom Bund bereitgestellten Mittel ist an Hand der Meldungen der Länder berechnet und von mir in der Fragestunde am 27. November 1958 bekanntgegeben worden. Für einen beliebig herausgegriffenen Zeitpunkt des laufenden Haushaltsjahres — wie hier für den 1. Dezember 1958 — liegen Unterlagen, die die Beantwortung der gestellten Frage ermöglichen, deshalb nicht vor, weil diese jeweils nur für das Ende eines Haushaltsjahres nach den Erfolgsmeldungen der Länder erstellt werden können. Die Wahrung der in den Erläuterungen zum Haushaltstitel 571 des Einzelplanes 10 vorgeschriebenen Relation wird den für die Bewilligung zuständigen Ländern bei der Zuteilung von Kontingenten jedesmal erneut zur Pflicht gemacht. Falls festgestellt wurde, daß die Relation nicht gewahrt war, so sind die jeweils notwendigen Maßnahmen ergriffen worden. Für die laufende Überwachung in dieser Richtung dienen u. a. die Meldungen der Deutschen Siedlungsbank über die bewilligten Mittel. Die in diesen Meldungen enthaltenen Zahlen sind von den Zufälligkeiten des Verfahrens und Verwaltungsablaufs abhängig und haben daher nur bedingten Aussagewert. Aber selbst wenn ich nur diese Meldungen der Deutschen Siedlungsbank zugrunde legen würde, ergibt sich aus der Halbjahresmeldung der Deutschen Siedlungsbank auf Bundesebene zusammengestellt zum 30. September 1958, daß im laufenden Haushaltsjahr für Zwecke des Bundesvertriebenengesetzes rd. 120 Mill. DM und für Zwecke des Siedlungsförderungsgesetzes rd. 40 Mill. DM bewilligt worden sind. Zu demselben Zeitpunkt (30. September) ergeben sich für die Zeit ab 1953 folgende Zahlen: für Zwecke des BVFG rd. 530 Mill. DM, für das SFG rd. 230 Mill. DM. Sollten Sie auf Grund Ihnen etwa vorliegender Unterlagen zu einem anderen Ergebnis kommen, so bin ich gern bereit, diese Unterlagen zu prüfen und dazu schriftlich Stellung zu nehmen. Lübke
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht vor, eine lange Rede zu halten. Nach mir werden sicher noch andere Redner zu der gleichen Sache sprechen. Aber ich möchte doch einige Dinge richtigstellen. Ich weiß nicht, ob Sie das Gefühl haben, daß Ihnen Herr Deist hier ein klares Konzept geboten habe,

    (Zurufe von der SPD: Sehr klar!)

    wie wir aus der kohlenpolitischen Misere des Augenblicks herauskommen könnten. Das ist doch die Frage,

    (Abg. Wehner: Reden Sie doch darüber, was Sie machen! Was haben Sie denn gemacht? Sie sind Minister! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    und auf diese Frage haben Sie überhaupt keine Antwort gegeben.

    (Beifall in der Mitte. — Widerspruch bei der SPD.)

    Im Gegenteil, Sie haben sich ganz bewußt um die einzig mögliche Fragestellung dieses Tages herumgedrückt.

    (Beifall bei der CDU/CSU. Anhaltende Zurufe von der SPD.)

    Es ist sehr liebenswürdig, Herr Deist, daß Sie sich Ihren Kopf über meine Marktwirtschaft zerbrechen wollen, aber ich verzichte auf Ihre Assistenz. Sie sagen, ich sähe alles mit der rosaroten Brille. Wer hat denn die Dinge in den letzten zehn Jahren richtiger gesehen, Sie oder ich?

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    — Ich komme noch darauf.
    Im übrigen stelle ich fest: Es sind an der Ruhr keine Entlassungen erfolgt, sondern es sind lediglich die Bergarbeiter, die im Zuge des natürlichen Prozesses abgewandert sind, mit Ausnahme der neuangesetzten Lehrlinge, nicht mehr ersetzt worden. In den letzten zehn Jahren sind an der Ruhr, und zwar mit erheblichem Aufwand, insgesamt 11/2

    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard Millionen Menschen angesetzt worden, von denen 200 000 bei der Kohle geblieben sind. Ich glaube, wir können uns darüber freuen — und da ist sicher Herr Deist mit mir einer Meinung —, wenn im Zuge einer ganz natürlichen Abschmelzung zusammen mit der Rationalisierung des Kohlenbergbaus eine bessere Anpassung von Bedarf und Deckung erfolgt.
    Im übrigen haben Sie ja selbst dem Abschluß von langen Kontrakten zugestimmt. Es ist noch gar nicht so lange her, da haben Sie, Herr Deist, gesagt, daß die Leute im Bett liegen müßten, weil sie sonst frören, und wegen Kohlenmangels nicht herauskämen. Da waren wir alle für lange Kontrakte; ja, auch die IG Bergbau war der Meinung, daß lange Kontrakte notwendig seien. Ich erinnere mich noch sehr gut der Zeit der Suez-Krise, als wir ob der langen Kontrakte sehr glücklich waren und man bei der Hohen Behörde sogar einmal den Versuch unternahm, die von uns durchgeführten langen Kontrakte, weil sie seinerzeit billiger und lukrativer waren, über den ganzen Bereich der Montanunion zu erstrecken. Daß das auch einmal eine Kehrseite haben kann, ist selbstverständlich.
    Aber nicht das will ich sagen. — Jetzt wird es so dargestellt, als ob es ein Versäumnis der Bundesregierung gewesen sei, daß sie nicht schon frühzeitig einen Einfuhrstopp oder mindestens einen Stopp für weitere Kontraktabschlüsse verfügt habe. Lassen Sie mich zuerst noch das sagen: ich glaube, man kann dem Wirtschaftsministerium keinen Vorwurf machen, wenn es genau am 8. Januar 1958 mahnend darauf hingewiesen hat, daß nach seiner Überzeugung im Jahre 1958 8 Millionen Tonnen Kohle zuviel vorhanden sein würden. Wir haben das nicht zu unserem Vergnügen gesagt, sondern um den Verbraucher dazu zu bewegen, sich auf diese Prognose einzustellen. Daß dann nachher im Februar Kontrakte über rund 5 Millionen Tonnen abgeschlossen worden sind und im März gar über rund 12 Millionen Tonnen, hat nicht in der Absicht dieser Prognose gelegen; das können Sie wohl glauben. Wir haben nicht etwa aus wahlpolitischen Gründen eingegriffen, sondern weil wir die gefährliche Entwicklung haben kommen sehen. Wenn Sie die Ziffern der Abschlüsse vom April, Mai, Juni betrachten, dann finden Sie, daß wir diese dank unserer Einflußnahme von 12 Millionen Tonnen auf 500 000 und auf 400 000 Tonnen in den kommenden Monaten heruntergedrückt haben.
    Aber nun zum verspäteten Stopp! Sie meinten, daß dieser Zoll vielleicht handelspolitisches Porzellan zerschlägt, daß wir damit an Vertrauen verlieren und handelspolitische Nachteile erleiden. Sie können überzeugt sein, daß wir uns das nicht leicht gemacht haben. Nicht umsonst verhandeln wir jetzt seit über 2 1/2 Monaten vor allen Dingen mit der amerikanischen Regierung, die es in erster Linie angeht, welchen Weg wir am zweckmäßigsten wählen sollten, um insbesondere auch rein „atmosphärisch" -und das geht ja weit über das Handelspolitische hinaus nichts zu gefährden. Wenn wir etwa im Frühjahr 1958, als die Kohlenhalden erst mählich im Entstehen waren, sofort eingegriffen hätten — das war ein Zeitpunkt, da in Amerika alles voll war von dem Gespräch über die recession, als der amerikanische Kongreß vor der Frage stand, sich handelspolitisch unter Umständen völlig neu zu orientieren, als wir befürchten mußten, daß eine protektionistische Welle in Amerika hochkomme, bzw. die Verlängerung der Reciprocal Trade Agreement Act gar nicht gesichert sei , wenn wir also bei den ersten schwachen Krisenerscheinungen in Deutschland diese drastischen Maßnahmen verfügt hätten, dann hätten wir allerdings alles zerschlagen.

    (Beifall bei der. CDU/CSU.)

    Wie sind wir denn in die Krise der 30er Jahre hereingeschlittert? Weil jedes Land bei einer ersten Störung im nationalen Bereich sofort die Schleusen herabgelassen hat und damit die Weltwirtschaft zerlegt und atomisiert worden ist. Das allerdings glaubten wir nicht verantworten zu können.
    Als wir im September den Kontraktstopp verfügten, waren wir sorgfältig darauf bedacht, uns vorher auch politisch abzusichern, jedenfalls so pfleglich wie möglich zu operieren. Und seit zehn Wochen tun wir das auch hinsichtlich der Einfuhrbeschränkungen. Staatssekretär Westrick ist eigens nach den Vereinigten Staaten gefahren und hat mit der amerikanischen Regierung verhandelt. Die Unternehmer haben mit ihren dortigen Partnern in der Kohlewirtschaft verhandelt. Wir haben der IG Bergbau nahegelegt, sie möge doch den Führer der amerikanischen Kohlengewerkschaften, John Lewis, in die Bundesrepublik einladen, damit er auch im Ruhrgebiet an Ort und Stelle sieht, was da vor sich geht, um unsere Maßnahmen zu begreifen. Die IG Bergbau hat das leider abgelehnt.

    (Hört! Hört! in der Mitte. — Abg. Wehner: Warum hat es der Bundeskanzler nicht gemacht? Der steht sich doch so gut mit ihnen!)

    — Wir haben ja auch nicht die amerikanischen Unternehmer eingeladen, sondern wir haben es denen überlassen, die es angeht. Jeder hat seinen Partner. Wir haben mit der amerikanischen Regierung verhandelt, die deutschen Kohleunternehmer mit den amerikanischen. Und es wäre eigentlich adäquat gewesen, wenn die IG Bergbau mit den amerikanischen Partnern gesprochen hätte.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es ist also innerlich nicht wahrhaftig, wenn man der Öffentlichkeit heute sagt, wir hätten das, was wir im Januar verfügt hätten, schon im vorigen Jahr tun können.

    (Abg. Kurlbaum: Dasselbe nicht!)

    Dann hätten wir nämlich handelspolitische Nachteile von größtem Ausmaß erlitten.
    Einige Worte zumKohle-Öl-Kartell! Das Öl hat sich nicht dazu gedrängt, sondern es war nicht zuletzt die Forderung der Kohle, und zwar der Unternehmer und der Gewerkschaften in gleichem Maße, nicht länger von einer Konkurrenz erdrückt zu werden, die Deutschland zum Tummelplatz von Positionskämpfen gemacht hat. Wenn wir jetzt in Deutschland einen Preis für schweres Heizöl installieren, der nicht an



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    den Kohlepreis, sondern — wie in England — an den Weltmarktpreis gebunden ist, so mögen Sie das als eine Todsünde gegen die Marktwirtschaft betrachten; — dann sündige ich eben mal!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Im übrigen ist es auch nicht so, daß wir nicht wüßten, was bei der Kohle los ist. Ich kann Ihnen genau sagen: Wir haben am Stichtag 26. Januar Kontrakte über 35,1 Millionen t gehabt. Auch wenn wir glaubten, daß darin Luft ist — und ich bin voll davon überzeugt, daß Luft darin ist —, so kann das doch nicht nachgewiesen werden, und Sie können es auch nicht. Denn die Unternehmer auf amerikanischer und deutscher Seite, die sich unter dem Tisch backletters zugeschoben haben, melden Ihnen das bestimmt nicht. Aber jetzt bekommen wir das durch den Kohlenzoll heraus. Denn niemand auf deutscher Seite wird mehr daran interessiert sein, auf solchen fragwürdigen Verträgen zu bestehen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Das ist eine teure Informationsquelle!)

    Gerade die handelspolitische Verantwortung hat uns zu einem sehr vorsichtigen und überlegten, Ihnen vielleicht zu langsam erscheinenden Vorgehen gezwungen. Die Reaktion auf die jetzige Maßnahme zeigt ja schon, daß wir alles daransetzen müssen, um in der Welt Verständnis für unser Vorgehen zu finden. Glauben Sie, daß das bei Haldenbeständen von 5 bis 6 Millionen Tonnen möglich gewesen wäre?!

    (Abg. Dr. Deist: Da hätten Sie diese Maßnahmen gar nicht nötig gehabt, viel leichtere wären da ausreichend gewesen!)

    — Wieso? Sie hätten schon seinerzeit die Einfuhren drosseln und abstoppen müssen. Es hat doch keinen Sinn, darum herumzureden. Wenn Sie schon überhaupt der Meinung sind, Herr Deist — und ich bin mit Ihnen der Meinung —, daß wir auf die Dauer ausländische Kohle brauchen, dann sollten Sie eine Maßnahme wie den Zoll unter gar keinen Umständen ablehnen. Denn Sie werden doch mindestens einsehen — und das haben Sie auch zugegeben —, daß der Zoll, selbst wenn mit ihm die Halden nicht von heute auf morgen abschmelzen, immerhin ein Mittel ist, um die Einfuhr wesentlich zu beschränken.
    Wir haben den Zoll — da machen wir aus unserem Herzen gar keine Mördergrube — nicht etwa deshalb festgesetzt, um dem Finanzminister eine zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen, sondern um den Anreiz zur Ablösung der Verträge nach kaufmännisch-wirtschaftlichen Grundsätzen in honoriger Weise zu fördern. Die Kohle hat sich ausdrücklich bereit erklärt, diesen Weg zu gehen. Wir werden darüber noch weitere Verhandlungen führen.
    Sie können überzeugt sein — und das ist die allgemeine Auffassung; ich glaube, sogar Herr Gutermuth hat in Essen etwas Derartiges gesagt —, daß mit diesem Kohlenzoll immerhin eine Verminderung der Kohlenimporte im Jahre 1959 gegenüber dem Vorjahr von 8 Millionen Tonnen erwartet werden kann. Der Meinung bin ich auch. Und trotzdem wollen Sie den Kohlenzoll ablehnen! Warum wollen Sie ihn eigentlich nicht? Gerade wenn wir morgen wieder die Kohle brauchen, dann ist die Chance, durch eine Verkürzung der Importe wieder zu einem Gleichgewicht zu gelangen und auch allmählich an die Halden heranzukommen, nur größer.
    Sie haben auf den englischen Bergbau verwiesen. ich war gerade in London, als von einem Tag auf den anderen 36 Zechen geschlossen wurden.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    In letzter Zeit sind, glaube ich, wieder 6 oder 7 geschlossen worden.

    (Abg. Dr. Deist: Wo?)

    — In England!

    (Abg. Dr. Deist: Nein!)

    — Ganz bestimmt! Ich möchte einmal wissen, was Sie sagen würden, wenn bei uns der in unternehmerischer Verantwortung stehende Bergbau diesen Weg ginge.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Sie haben wirklich keinen Grund, sich das als Vorbild zu nehmen. Mehr möchte ich zu diesem Punkt nicht sagen, um den anderen Rednern nicht vorzugreifen.
    Ich will nur noch das eine erklären: Sie haben nicht e i n Argument vorgebracht, das Ihnen das moralische Recht vor dem deutschen Kumpel geben könnte, die Zollvorlage abzulehnen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Burgbacher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Fritz Burgbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kohlepolitik ist ein Teil der Energiepolitik, und Energiepolitik ist ein Teil der Volkswirtschafts- und der Sozialpolitik. Zweifellos kann man eine Sache nur nach der Gesamtheit und nicht nach den Details beurteilen.
    Es war deshalb folgerichtig, daß unser Bundeswirtschaftsminister mit dem von Kollegen Deist also rosarot bezeichneten Einwickelpapier begonnen und geschlossen hat. Es wäre natürlich etwas anderes, wenn wir heute im Rahmen einer Wirtschaftskrise über die Kohlekalamität sprächen. Das tun wir aber nicht. Wir sprechen vielmehr über eine partielle Erscheinung, die nur zu einem geringen Bruchteil von der Konjunktur verursacht ist. Ich bin nicht der Meinung von Kollegen Deist, daß die Konjunktur einen wesentlichen Bruchteil der Situation verursacht hat, sondern meine, daß sie einen geringen Bruchteil verursacht hat und daß die Gründe anderswo liegen. Darüber möchte ich zunächst kurz sprechen. Ich will mich so kurz wie möglich fassen.
    Meine Damen und Herren, wenn Sie die Energiesituation der verschiedenen Kulturvölker betrachten und die Energiedarbietung auf Menschenkraft umrechnen, kommen Sie zu einer Formel, die man die sogenannten technischen Sklaven nennt. In der Bundesrepublik stehen etwa zehn bis elf technische



    Dr. Burgbacher
    Sklaven pro Arbeiter zur Verfügung, d. h. hinter jedem Arbeitenden stehen zehn bis elf technische Kräfte. Sie verlängern und multiplizieren seine Arbeitskraft. In den skandinavischen Ländern und in der Schweiz liegt die Anzahl bei etwa 14, in Frankreich bei 12, in den Vereinigten Staaten bei 36 und in der UdSSR bei 3 bis 5.
    Das besagt, daß wir in Europa eine gute, aber keineswegs sehr gute Position in der gesamten Energiedarbietung haben. Es besagt weiterhin, daß wir unsere Produktivität dahin bringen müssen, wo sie andere haben, und zwar zusammen mit dem sozialen Standing. Dann müssen wir immer noch mit einer Steigerung der Energienachfrage und mit der Notwendigkeit, die Energiedarbietung zu steigern, rechnen. Das ist unzweifelhaft der Trend.
    Gott sei Dank steigt die Produktivität in der Bundesrepublik noch an. Diese Steigerung der Produktivität bewirkt eine Steigerung der Nachfrage nach Energieleistung, und zwar etwa im Verhältnis 1 : 1. Man streitet darüber; aber lassen wir das fort!
    Wir dürfen damit rechnen, daß wir auch in diesem Jahr ebenso wie 1958 eine Produktivitätssteigerung von 3 oder 4 % haben werden. Wir dürfen rechnen, daß auch die Energieleistung steigt. Die Nachfrage nach Energieleistung ist auch im Jahre 1958 gestiegen. Trotzdem haben wir Vorräte an Primärenergie. Warum?
    Nun, es gibt ein Bukett von Gründen. Ich will nur die wichtigsten nennen. Leider spielt auch etwas eine Rolle, war wir gar nicht in der Hand haben; der milde Winter! 1 1/2 Grad Temperaturdifferenz im Winter machen 4 bis 6 Millionen t aus. Das -Öl ist schon genannt worden. Den Zahlen, die Herr Kollege Deist genannt hat, schließe ich mich völlig an. Es macht zwar nur 2 %aus; aber immerhin sind diese 2 % eben auch 2 bis 3 Millionen t. Dann ist der Konjunktureinbruch zu nennen, vorwiegend bei der Eisen- und Stahlindustrie, den ich mit etwa 4 Millionen t veranschlagen würde.
    Was ist es noch? Nun, da ist eine wichtige Tatsache zu nennen, die zahlenmäßig nicht zu fassen ist und die eigentlich ein sonst nützliches, notwendiges Produkt einer gesunden Wirtschaftspolitik ist, wie wir sie machen. Ich meine die Durchrationalisierung aller Produktionsvorgänge. Wir sind aus der Zeit der übergroßen Nachfrage in die Zeit des Ausgleichs von Angebot und Nachfrage eingetreten: teilweise ist sogar das Angebot höher als die Nachfrage. Das bedingt die Unmöglichkeit, in den Preis auszuweichen, und dieser Zustand ist genau das, was wir wollen. Wir wollen die Preis-und Währungsstabilität, und die Währungsstabiliät können wir nur mit der Preisstabilität haben.

    (Beifall in der Mitte.)

    Bei steigenden Kosten, die z. B. durch den Lohn verursacht werden — wir sind absolut der Meinung, daß jedem Arbeitenden der ihm zustehende Anteil an der Steigerung der Produktivität durch Steigerung eines sozialen Standings auch zuteil werden muß —, muß sich der Unternehmer oder der verantwortliche Mitarbeiter etwas einfallen lassen. Das heißt, er überprüft nicht mehr die Preise, sondern die Kosten, und wenn er die Kosten überprüft, überprüft er auch die Energiekosten. Wenn er die Energiekosten überprüft, schmeißt er aus seinen Fabriken und Anlagen alle Geräte heraus, die mehr Energie als moderne Geräte verbrauchen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Und dann kommt man mit dem Zoll?!)

    — Ich komme auf den Zoll. — Das bedeutet, daß unter Umständen trotz Steigerung der Nachfrage nach Energieleistung durch die Verbesserung des Nutzwertes, zu dem noch Verbesserungen der Wandlungswerte kommen, der Bedarf an Primärenergie zurückgeht. Wenn ein altes Kraftwerk stillgelegt wird, das mit 1 kg Kohle pro kWh fährt, und ein neues in Dienst genommen wird, das mit 0,3 kg pro kWh fährt, kann es passieren, daß trotz Steigerung der Energieleistung rückwärts gerechnet die Nachfrage nach Primärenergie vorübergehend sinkt. Warum vorübergehend? Weil man nicht dauernd mit dem gleichen Erfolg durchrationalisieren kann! Wenn Sie in der Stromerzeugung von 5 kg pro kWh auf 0,3 kWh gekommen sind, sind in dan 0,3 kWh nicht noch einmal 5 drin. Da sind nur noch 0,3 vorhanden; das ist ein Grenzwert, bei dem nur noch wenig drinsteckt. Aber wenn z. B. die Bundesbahn elektrifiziert — und sie muß eis tun —, wird der Strom aus Kohle gemacht. Man braucht jedoch für die gleiche Fahrleistung über den Strom nur noch ein Drittel der Kohlenmenge, die man vorher bei Kohlelokomotiven gebraucht hat.
    Das ist der energiepolitische Hintergrund. Die großen Zahlen beweisen, daß wir noch viel nachzuholen haben, daß wir, wenn wir mit dem hohen Standing in den modernen Ländern mit hoher Produktivität Schritt halten wollen, noch viel mehr Energiedarbietung brauchen. Einen der Hauptgründe für das Zustandekommen der Kohlenhalden sehe ich aber in dem jetzt laufenden Zeitabschnitt der betrieblichen Rationalisierung. Dies verursacht die Rückschläge, die Halden.
    Nun ist gesagt worden, wir hätten früher zufassen sollen. Gleichzeitig hat Kollege Deist sich zu der Frage des Öls geäußert. Ich habe darüber etwas andere Gedanken; aber lassen wir das einmal offen. Es wird also gesagt, wir hätten früher zugreifen sollen. Der Herr Minister hat schon erklärt, warum wir das nicht konnten. Handelspolitisch diese Sache klarzuziehen ist gar kein Vergnügen. Da stimme ich mit dem Redner der Opposition überein. Ein Zoll ist handelspolitisch nie ein Vergnügen. Es kann jedoch nicht behauptet werden, daß man mit der Einführung eines Zolls die Gesetze der Marktwirtschaft verlasse. Auch die Vereinigten Staaten haben auf Importkohle einen Zoll von 2 Dollar pro short ton — das sind rund 900 kg —, was also rund 10 DM für die Tonne entspricht, obwohl sie eigentlich keine Sorge zu haben brauchen, daß Kohle importiert wird. Warum brauchen sie — im Gegensatz zu uns — diese Sorgen nicht zu haben? Wir haben in der Bundesrepublik eine Schichtleistung von 1600 bis 1700 kg. In den Vereinigten Staaten liegt



    Dr. Burgbacher

    (Ölkartell zurück. Ich spreche zunächst von den langfristigen Überlegungen. Ein Parlament kann sich nämlich erst dann ein Urteil über eine kurzfristige Maßnahme bilden, wenn es auch die langfristige Entwicklung erkannt hat. In den Vereinigten Staaten ist die Kohle mit 20 bis 30 % lohnschwer, während in der Bundesrepublik dieser Satz bei 50 bis 60 % liegt. Die Gestehungskosten der amerikanischen Kohle liegen — frei Nordseehäfen — etwa zwischen 16 und 17,50 Dollar. Die Gestehungskosten an der Ruhr streuen zwischen 16 und 24 Dollar, allerdings mit Schwerpunkt bei 18 bis 19 Dollar. Die Zahlen mögen sich noch etwas ändern; es kommt mir auf die große Linie an. Herr Kollege Deist, in einem Punkte habe ich Sie nicht verstanden. Es gibt eine Reihe von Punkten, bei denen ich Ihnen zustimmen kann. Bei mehreren Punkten muß ich Ihnen widersprechen. Ich weiß nicht, ob ich es nicht recht verstanden habe, aber ich meine, Herr Kollege Deist, Sie haben gesagt, der privatwirtschaftliche Unternehmer würde zuerst die unproduktiven Arbeitskräfte abbauen statt die produktiven; das sei privatwirtschaftlich richtig, aber volkswirtschaftlich falsch. Ich bitte um Entschuldigung: selbst wenn ich Sozialist wäre, müßte ich sagen, daß eine Wirtschaftsform, mag sie heißen, wie sie will, nur nach dem Prinzip der optimalen Wirtschaftlichkeit ihrem Volk einen hohen Standard bieten kann. (Beifall in der Mitte. — Abg Dr. Atzenroth: Mit dem Zoll machen Sie es?)

    — Sie kriegen den Zoll noch sauber serviert, lieber Herr Atzenroth. Sie haben nun schon zweimal gerufen; dreimal dürfen Sie rufen. Ich komme noch darauf.
    Wir können kurzfristige Schutzmaßnahmen nur verantworten, wenn wir alle — das Haus, die Regierung, die Unternehmer und Belegschaften an der Ruhr — entschlossen sind, uns etwas einfallen zu lassen. Mit einer mittelfristigen Planung muß versucht werden, die Gestehungskosten der Ruhrkohle so zu gestalten, daß sie auf die Dauer wettbewerbsfähig ist.

    (Beifall in der Mitte.)

    Das Ergebnis dieser Überlegungen brauchen nicht Stillegungen, sondern das können neue Zechen sein. Wenn eine Volkswirtschaft fast 20 Millionen Erwerbstätige hat und wenn dieses Wirtschaftssystem „mit der Stange im Nebel" neue Arbeitsplätze für 6 Millionen Menschen gefunden hat,

    (Heiterkeit)

    dann kann auch die Erreichung eines solchen Zieles kein Problem sein. Meine Herren von der SPD, wir können die bestehenden Vorteile — selbst wenn sie auch durch glückliche Umstände bedingt sind — genauso gut als Beweis für die Richtigkeit unserer Anschauungen anführen, wie Sie vorhin
    I auf das Unglück — auch wenn wir es nicht verschuldet haben — hingewiesen haben. — Meine Damen und Herren, wo war ich eigentlich?

    (Heiterkeit. — Zuruf von der SPD: Sie lassen sich also doch aus dem Konzept bringen!)

    — Es kann kein Problem sein, 50 000 Bergarbeiter, oder wieviel es sonst sein mögen, im Laufe der Jahre, wenn es unbedingt notwendig ist, mit ihrer Zustimmung auf einen anderen nützlichen, gut dotierten Arbeitsplatz zu bringen, also eine Umbesetzung vorzunehmen. Denn darüber sind wir uns doch wohl einig, daß bei unserer ökonomischen Situation nicht einmal mit einer partiellen Arbeitslosigkeit zu rechnen ist.
    Es ist eine Tatsache, daß da und dort aus Gründen der Rationalisierung Umbesetzungen erfolgen müssen. Ich brauche hier nur auf die „automatisierten" und energitisierten Werke hinzuweisen. Da stehen z. B. an Walzstraßen nur noch 10 Leute, wo vorher 120 oder 150 gestanden haben. Lieber Herr Kollege Deist, müssen diese Werke, bevor sie rationalisieren dürfen, die Weiterbeschäftigung dieser 120 Menschen sicherstellen, oder dürfen sie rationalisieren, bevor ein anderer Arbeitsplatz für die 120 frei werdenden Leute gefunden ist? Solche Fragen, die sich aus der innerbetrieblichen Rationalisierung ergeben, müssen unabhängig vom Wirtschaftssystem gelöst werden. Wir können doch nicht eine „unproduktive Produktivität" herstellen, indem wir die Menschen Steine von einer Ecke in die andere tragen lassen und dabei meinen, damit seien diese Leute beschäftigt. Das ist in Wirklichkeit eine nutzlose Beschäftigung.

    (Beifall in der Mitte.)

    Auch im Kohlebergbau kann der richtige Weg nur der sein, der den Arbeitern bei gutem Einkommen und bei einem Minimum an Anstrengungen ein gutes Leben bietet. Ich meine das so, wie ich das mit diesen einfachen Worten gesagt habe.
    Wir sollten den Gedanken der Einführung der Fünf-Tage-Woche im Bergbau ernsthaft erörtern. Der Arbeiter, der auch heute noch die schwerste Arbeit verrichtet, sollte nicht als letzter die FünfTage-Woche bekommen. Aber die Arbeiter, die Betriebsräte, überhaupt die Belegschaften, müssen sich zusammen mit dem Unternehmer überlegen, wie das erreicht werden kann, ohne daß es zu Preiserhöhungen bei der Kohle kommt; denn solche möchten wir ja alle vermeiden. Die Zahlen, die Herr Deist genannt hat, als er dieses Problem ansprach, müssen wir in unsere Betrachtung durchaus einbeziehen. Die Förderleistung mag vorübergehend zurückgehen. Ich bin aber der Meinung, daß bei guter technischer Ausrüstung, insbesondere wenn wir alle technischen Fortschritte ausnutzen, der Förderausfall, der durch die Einführung der Fünf-TageWoche vorübergehend entsteht, recht bald ausgeglichen sein wird. Ein echter Weg zur Lösung der Probleme ist das nicht. Aber ich bin durchaus damit einverstanden, daß darüber ernsthaft gesprochen wird, nachdem die Behauptung aufgestellt worden ist, das sei ein ebenso gutes Mittel wie der Zoll.



    Dr. Burgbacher
    Als eine unausweichliche Forderung bleibt bestehen, daß die internationale Wettbewerbsfähigkeit hergestellt werden muß. Ich halte es allerdings für zulässig, daß die Ruhrkohle etwas teurer ist als die USA-Kohle, und zwar auch bei normalen Frachten; denn der Sicherheitsfaktor der Belieferung ist ein kalkulatorischer Posten.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich weiß, daß wir in bezug auf Devisen reiche Leute sind. Mit dem „wir" meine ich nicht mich und nicht Sie, sondern unsere Bundesbank. Ich weiß, daß daher Devisen nicht mehr eine so große Rolle spielen. Aber einen Naturschatz, den man besitzt, sollte man nicht ohne Not vernachlässigen. Wenn wir durch eine Konkurrenz — ich will gar nicht sagen, daß sie unlauter ist —, die auf Grund der obwaltenden Umstände zur Zeit Preise hat, die sie auf die Dauer nicht halten kann, zu Stillegungen kämen, würden wir doch ein wenig Gold ins Meer werfen.

    (Sehr richtig! in der Mitte und bei der SPD.)

    Oberstes Ziel ist also die Wirtschaftlichkeit des Bergbaus. Ich will nicht emphatisch werden; aber von dieser Tribüne aus möchte ich mit großem Ernst den Verantwortlichen des Bergbaus zurufen: Wenn ihr die Zeit des Zollgesetzes nicht tatkräftig zu diesen Überlegungen nutzt, dann haben wir uns geirrt und machen es nicht noch einmal.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Atzenroth: Das wollen wir uns merken!)

    — Das können Sie sich merken, wobei die Anpassungszeit noch eine Frage ist. Ich brauche Ihnen als einem so erfahrenen Wirtschaftler doch nicht zu sagen, daß Sie nicht unter Umständen innerhalb eines Jahres eine ganze Branche umkrempeln können.

    (Sehr gut! und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun der Zoll! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht; ich komme mir vor wie ein Arzt, der einem Kranken eine bitter schmeckende Arznei verordnen muß.

    (Zuruf von der SPD: Einem verpfuschten Kranken!)

    — Ein verpfuschter Kranker — da muß ich einmal nachdenken, wie man das macht.

    (Abg. Dr. Deist: Das liegt immer am Arzt!)

    — Herr Deist, ich habe ja Verständnis dafür, daß Sie Freude darüber empfinden — nein, das will ich nicht einmal sagen, das wäre ungerecht; ich habe Verständnis dafür, daß Sie als Opposition die seltene Chance, an unserer Wirtschaftspolitik wirklich etwas kritisieren zu können, ausnutzen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Metzger.)

    — Lieber Herr Metzger, ein kluger Engländer hat einmal gesagt: Ein bißchen Unordnung ist das Lösegeld für die Freiheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Deist: Es darf nur nicht zuviel werden!)

    - Natürlich, darin sind wir einig. — Das eine dieser Medikamente ist das Kohle-Öl-Kartell, das an-
    dere ist der Zoll. Ich habe schon in Straßburg gesagt und wiederhole es hier: Das Kohle-Öl-Kartell ist eine ganz dünne Suppe und hat eine ganz anspruchsvolle Bezeichnung. Es ist nach meiner Meinung überhaupt kein Kartell. Denn daß sich jemand dazu verpflichtet, nicht zu Preisen, die de facto Dumpingpreise sind, zu verkaufen, ist eigentlich, finde ich, gar nichts Besonderes. Ich sage nicht, daß die Ölgesellschaften bewußtes Dumping betreiben; aber unter Unterstreichung und Anerkennung der von Herrn Deist genannten Ölzahlen muß man sich doch über eins klar sein: Das Öl ist in der Hand weniger, daran ist gar kein Zweifel. Das Öl ist nicht nur dem Preise nach, sondern auch der angebotenen Menge nach manipuliert. Der Kraftstoff bekommt großartige Preise, und wenn man Kraftstoff machen will, fällt zwingend Heizöl an. Jeder von Ihnen — auch ich — würde, wenn er Öldirektor wäre, sagen: Das Zeug muß weg, und ehe wir es ins Meer schütten, verkaufen wir es. Wo verkaufen wir es? Dort, wo wir es hinbringen! Und wo bringen wir es hin? Auf die liberalisierten Märkte können wir es bringen, also dorthin mit dem Zeug! Das ist eine völlig legitime marktpolitische Überlegung. Aber ob wir sie uns gefallen lassen und deshalb Zechen stillegen, das ist eine Frage an uns,

    (Abg. Dr. Deist: Sehr richtig!)

    und ich bin der Meinung, daß wir uns das nicht gefallen lassen dürfen.
    Ich will das, was ich beispielsweise in Straßburg gesagt habe, hier nicht wiederholen; aber ich möchte Ihnen doch sagen: Wenn hier Heizöl zu so sensationell niedrigen Preisen weiter angeboten würde und wenn das in weiten Teilen der Welt so geschähe, würde eines Tages der Zeitpunkt eintreten, wo die Heizölmenge die zwingend anfallende Nebenproduktmenge bei der Raffinierung des Rohöls überrollt. Dann würde das Heizöl als solches zum Kostenpreis kalkuliert, und dann sähe die Rechnung ganz anders aus. Wenn wir jetzt in dem Kohle-Öl-Kartell den Weltmarktpreis genannt haben, so haben wir damit noch nicht eine völlige Sicherheit, daß dieser Weltmarktpreis nicht auch eine Abfallkalkulation darstellt.
    Nun, meine Damen und Herren, ich bin fest überzeugt — auf Grund dessen, was ich ganz am Anfang gesagt habe —, daß es uns unmöglich ist, in einigen Jahren und in der Zukunft unsere Energienachfrage ohne 01 und ohne Importkohle noch zu decken. Das Öl deckt jetzt etwa 13 % unseres Energiebedarfs.

    (Abg. Dr. Deist: Einschließlich Benzin!)

    — Natürlich, 13 °/o der gesamten Energiebilanz, einschließlich Benzin.

    (Abg. Dr. Deist: Heizöl 6!)

    — Die Hälfte ungefähr. — In anderen Ländern hat es 30, 35 % Anteil, und in unseren sogenannten Prognosen hat es im Jahre 1965 bereits 23 % Anteil. Wir wollen also dem Öl sein Recht geben, weil wir es brauchen, aber vor allem doch dem Öl, das in Europa raffiniert wird. Wir wollen, daß in Europa Raffinerien für Öl in der Menge gebaut werden, die notwendig ist.



    Dr. Burgbacher
    Damit kommen wir zur Frage der Investitionen. Nun gehen da die Meinungen auseinander: Kontrolle oder Registrierung? Auf jeden Fall muß man eigentlich in der Energiewirtschaft über langfristige Investitionen öffentlich Bescheid wissen. Das heißt nicht Dirigismus,

    (Abg. Dr. Deist: Nein, um Gottes willen!)

    das heißt eben nur: langfristige Investitionen sollen nicht genehmigt, sie sollen aber angezeigt werden. Aber warum wollen wir die Raffinerien? Das klingt jetzt wie ein Widerspruch, es ist aber kein Widerspruch. Wenn die internationalen Ölleute in Westeuropa in Raffinerien Risensummen investiert haben, dann haben wir erstens einmal die Veredelung als volkswirtschaftlichen Vorgang auf unserem Gebiet, und wir haben zweitens die relative Sicherheit, daß im Falle irgendeiner Komplikation das notwendige Rohöl noch ankommt. Sind wir aber nur Heizölimportland, kommt das im Falle einer Zuspitzung der Lage nicht mehr an. Es kommt nur dann mit einiger Sicherheit an, wenn so viel Kapital investiert ist, daß man das Rohöl schicken muß, damit das Kapital nicht brachliegt.
    Deshalb habe ich für eventuelle künftige Überlegungen noch die Anregung an die Bundesregierung, sich zu überlegen, ob man nicht importiertes Heizöl anders behandeln sollte als in Europa raffiniertes Heizöl. — Das ist eine Anregung.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Also: Zoll!)

    Nun zur Frage des Zolls. Wir haben nicht willkürlich, Herr Deist — etwa um Sie zu ärgern —, die 5 Millionen t in den letzten 24 Stunden hineingebracht, sondern — ich spreche jetzt Ihr europäisches Herz an — wir haben sie hineingebracht aus Hochachtung vor der Hohen Behörde, die uns gestern abend die nach Art. 74 ja für eine Zollverordnung notwendige Empfehlung gegeben hat, verbunden mit der Auflage, daß wir 5 Millionen t zollfrei hereinlassen müssen und daß wir bei der Verteilung nicht diskriminieren dürfen.

    (Zuruf von der SPD: Also nicht nur Hochachtung!)

    — Auch! Auch! Bei klugen Leuten deckt sich das Notwendige immer mit dem Zweckmäßigen.

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Deist: Sehr gut! — Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun, Herr Atzenroth, wir wollen von dem Zoll keinen Penny haben. Das ist eine merkwürdige Feststellung. Die Ruhr, wenn ich es so abgekürzt sagen darf — ob Unternehmensverband, ob Verkaufsgesellschaft; Aachen natürlich auch —, die deutsche Steinkohle hat sich verpflichtet, die durchgehandelten Importverträge mit deutschen Kohleverbrauchern abzulösen und qualitätsgleiche deutsche Kohle zu den kontrahierten US-Kohlenpreisen zu liefern. In den Einzelheiten will ich meinem Freunde Deringer nicht vorgreifen. Ich lege aber Wert auf diese Feststellung.
    Die Ruhrkohle muß sich auch mit den Frachtunternehmern und den Reedern auseinandersetzen. Dabei gehen wir — das möchte ich klar sagen — von dem Grundsatz aus, daß privatrechtliche Verträge geschützt werden müssen. Auch ich bin der Meinung, daß wir der Ruhr nicht um einen Preis helfen dürfen, der zu hoch ist. Das Vertrauen in den Bestand privatrechtlicher Verträge mit Bürgern der Bundesrepublik darf nicht ernstlich gefährdet werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Atzenroth: Bloß ein bißchen!)

    Nun müssen wir noch ein Gesetz machen. Denn nach dem Zollrecht darf die Aufteilung des freien Kontingents nicht in dieser Verordnung geregelt werden. Der Entwurf dieses Gesetzes wird Ihnen, soweit ich unterrichtet bin, schnellstens vorgelegt werden. Ich hoffe, daß die erste Lesung am 18. Februar stattfindet. Wir sind nicht gehindert, in diesem Gesetz die Erfahrungen zu berücksichtigen, die wir bis zum 18. Februar mit dem Zollgesetz gemacht haben.
    Eine Preiserhöhung wegen des Zollgesetzes kommt überhaupt nicht in Frage, und zwar deshalb nicht, weil der Zoll wegen der Ablösung beim deutschen Kohleverbraucher nicht zum Zuge kommt. Die Ruhrkohle hat uns versichert, daß keine Preiserhöhung wegen der Ablösungskosten in Frage kommt. Etwa 100 Millionen DM sind dafür schon aufgewendet worden. Allerdings darf ich hier darauf hinweisen, daß die Kohle, die nach den durchgehandelten Verträgen mit deutschen Kohleverbrauchern geliefert wird, zum überwiegenden Teil teurer ist als die Ruhrkohle. Da die Ruhr bei der Ablösung natürlich nicht unter den US-Kohlenpreis zu gehen braucht, bekommt sie aus der Differenz zwischen diesen vereinbarten US-Kohlenpreisen und den Ruhrkohlenpreisen einen Beitrag zu den Ablösungskosten.
    Ich habe versucht, die Hauptursachen für die Situation, vor der wir stehen, zu schildern. Diese Situation braucht nicht von Dauer zu sein, wenn auch ganz richtig gesagt wurde, daß die Halden durch das Zollgesetz im Jahre 1959 wahrscheinlich nicht zurückgehen, sondern sogar noch etwas steigen werden.

    (Abg. Dr. Deist: Hört! Hört!)

    — Genau wissen wir das nicht. Es hat gar keinen Zweck, wir müssen die Dinge sehen, wie sie sind, und wir wollen das ganz offen und freimütig besprechen. Ich bin aber der Meinung, daß alle, die nicht nur in Demonstrationen vom Wohlergehen des Bergbaues sprechen, wenn sie es so meinen wie wir, verpflichtet sind, dem Ruhrbergbau zu helfen und, damit er die Zeit zur inneren Regeneration hat, der Vorlage uneingeschränkt ihre Zustimmung zu geben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)