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ID0305900600

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    Deutscher Bundestag 59. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1959 Inhalt: Ergänzung der Tagesordnung 3215 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kohlebergbau (Drucksache 708) ; in Verbindung mit Entwurf einer Vierten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Kohlenzoll); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 813, zu 813, 826 [neu] ) Fernschreiben des Präsidenten des Bundesrates betr. Kohlenzollverordnung 3215 B Dr. Bleiß (SPD) 3215D Dr. Serres (CDU/CSU) 3218 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 3219 B, 3241 C Dr. Deist (SPD) . . . . 3227 C, 3257 A Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 3243 D Dr. Atzenroth (FDP) 3247 D Dr. Steinmetz (DP) 3252 C Dr .-Ing. Philipp (CDU/CSU) . . . 3253 D Deringer (CDU/CSU) 3254 C Dr. Starke (FDP) 3254 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) (Bundesrat) (Drucksachen 769, 828) — Zweite und dritte Beratung — 3258 C Nächste Sitzung 3258 D Anlagen 3259 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1959 3215 59. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt Ms einschließlich Frau Albertz 4. 4. Dr. Baade 30. 1. Bading 30. 1. Dr. Bärsch 30.1. Bauknecht 30. 1. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Frau Blohm 31. 1. von Bodelschwingh 29. 1. Diel (Horressen) 23. 2. Dr. Eckhardt 10. 2. Etzenbach 7. 2. Fuchs 30. 1. Gedat 30. 1. Gleissner (Unna) 20. 2. Graaff 15.2. Dr. Gradl 30. 1. Dr. Greve 7. 2. Dr. Gülich 31. 1. Haage 30. 1. Heinrich 31. 1. Heye 29. 1. Hufnagel 29. 1. Jacobs 31.3. Jahn (Frankfurt) 31. 3. Kalbitzer 30. 1. Frau Kalinke 31. 1. Kiesinger 29. 1. Kramel 16. 2. Kraus 30. 1. Kreitmeyer 31. 1. Dr. Kreyssig 30. 1. Kriedemann 30. 1. Kühn (Bonn) 30. 1. Kahn (Köln) 30. 1. Kunst 21.4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 1. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 1. Memmel 31. 1. Dr. Menzel 15. 2. Murr 31. 1. Müser 17. 2. Nellen 31. 1. Dr. Oesterle 6. 2. Ollenhauer 29. 1. Pelster 31. 1. Pietscher 30. 1. Pütz 14. 2. Dr. Reith 31. 1. Rohde 31. 1. Scharnowski 30.1. Dr. Schmid (Frankfurt) 30. 1. Schneider (Hamburg) 2. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15. 2. Schoettle 30. 1. Schröder (Osterode) 30. 1. Frau Dr. Steinbiß 14. 2. Walpert 31. 1. Weimer 29. 1. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Weinkamm 30. 1. Welslau 30. 1. Anlage 2 Umdruck 199 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kohlebergbau (Drucksache 708). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. in geeigneter Weise, notfalls durch Gesetz a) sicherzustellen, daß inländische Käufer zollpflichtiger Brennstoffe ihre Verträge dem Ruhrbergbau zur Ablösung anbieten können und dieser sie zu angemessenen Bedingungen ablöst. Über die Frage der Angemessenheit soll im Streitfall ein Schiedsgericht entscheiden, das aus je einem, vom Ruhrbergbau und von dem betroffenen Käufer benannten Beisitzer und einem Obmann besteht, der von den Beisitzern zu wählen, im Falle der Nichteignung vom Bundeswirtschaftsminister zu benennen ist. Der Ruhrbergbau soll verpflichtet und berechtigt sein, bei durchgehandelten Verträgen dem inländischen Käufer gleichwertige Brennstoffe aus Mitgliedstaaten der EG zu gleichen Bedingungen zu liefern; b) klarzustellen, daß bis zum 1. Juli 1959 inländische Käufer Kauf- und Frachtverträge über nach der Vierten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 zollpflichtige Brennstoffe nicht unter Berufung auf diese Verordnung lösen können; 2. durch 'gesetzliche Regelung dafür Sorge zu tragen, daß die durch die Zollverordnung besonders betroffenen Gebiete bei der Verteilung der zollfreien Kontingente bevorzugt berücksichtigt werden. Bonn, den 29. Januar 1959 Dr. Krone und Fraktion Dr. Preiß und Fraktion Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers der Justiz auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Arndt (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. Januar 1959, Drucksache 786, Frage 24) : Wann wird - im Hinblick darauf, daß nach dem Beschluß 1 BvR 510 des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 1958 die 3260 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1959 Ausübung von Strafgewalt „sicher" zu den Funktionen der rechtsprechenden Gewalt gehört und daß die Bundesregierung in der amtlichen Begründung ihrer Vorlage für ein Richtergesetz die Ausschließlichkeit der Zuständigkeit der Richter für die Rechtsprechung bejaht hat (Drucksache 516 S. 32) — die Bundesregierung dem Beschluß des 2. Bundestages in der 136. Sitzung vom 21. März 1956 zu Umdruck 562 (Stenographischer Bericht S. 7046 C und 7062) und dem Beschluß des 2. Bundestages in der 227. Sitzung vom 29. August 1957 zu Drucksache 3650 der 2. Wahlperiode (Stenographischer Bericht S. 13 521 C) entsprechen und dazu Stellung nehmen, ob die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung, insbesondere ein Ausüben von Strafgewalt durch Verwaltungsbehörden wie Finanzämter und Postämter, mit dem Grundgesetz vereinbar sind? Ihre Anfrage geht davon aus, daß nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 1958 — 1 BvR 510/52 — jede Ausübung von Strafgewalt durch Verwaltungsbehörden grundgesetzwidrig sei. Ich kann diesen Beschluß nicht in einem solchen Sinne auslegen, und zwar aus folgenden Gründen: Der Beschluß behandelt das Bußgeldverfahren bei Ordnungswidrigkeiten und erklärt dieses Verfahren für zulässig. Man kann dem Bundesverfassungsgericht nicht unterstellen, daß es durch eine beiläufige, nicht näher begründete Bemerkung in einem ganz anderen Verfahren sich gegen das Verwaltungsstrafverfahren ausgesprochen haben sollte, das zum traditionellen Bestand des deutschen Strafverfahrensrechts gehört. Der von Ihnen angesprochene Satz sagt nicht, daß die Ausübung aller Strafgewalt, sondern nur, daß die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit zu den Funktionen der rechtsprechenden Gewalt gehört. Schließlich muß jener Satz aber auch im Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz gelesen werden. Dort erklärt das Bundesverfassungsgericht, daß es auf die allgemeinere Streitfrage. ob es eindeutig materielle Kriterien für einen Begriff der rechtsprechenden Gewalt im Sinne des Art. 92 GG gibt, nicht einzugehen brauche. Die Bundesregierung hält sich also auch nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts für berechtigt, an ihrer Auffassung festzuhalten, daß die derzeitigen Verwaltungsstrafverfahren nicht verfassungswidrig sind. Sie stimmt jedoch mit dem Bundestag darin überein, daß diese Verfahren allgemein überprüft werden sollten. Zwar hat sich die Hoffnung der Bundesregierung, das Bundesverfassungsgericht werde anläßlich einer eingelegten Verfassungsbeschwerde Gelegenheit haben, sich über die Zulässigkeit des Steuerstrafverfahrens auszusprechen, nicht erfüllt. Diese Verfassungsbeschwerde ist nämlich aus formellen Gründen verworfen worden, so daß die erwähnte Frage nicht geklärt werden konnte. Inzwischen ist die Vorbereitung einer Änderung der Vorschriften der Abgabenordnung, die sich auf das Steuerstrafverfahren beziehen, wieder aufgenommen worden. Ein künftiges Postgesetz soll nach der übereinstimmenden Meinung der Ressorts die Befugnis der Postbehörden, Kriminalstrafen zu verhängen, nicht mehr enthalten. Schäffer Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Rehs (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. Januar 1959, Drucksache 786, Frage 35): Unter Bezugnahme auf die Erklärungen des Herrn Bundesernährungsministers in der Fragestunde am 27. November 1958 frage ich den Herrn Bundesernährungsminister heute, welche Beträge von den damals genannten Summen seit Inkrafttreten der beiden Gesetze bis zum 1. Dezember 1958 a) für Neusiedlungen gemäß BVFG, b) für die Übernahme bestehender Betriebe gemäß BVFG und c) für die Durchführung des SFG tatsächlich bewilligt und von den Ländern bei der Deutschen Siedlungsbank abgerufen wurden, und ob dabei die in den Haushaltsgesetzen festgelegte und sich auch aus § 2 des SFG im Zusammenhang mit § 41 des BVFG ergebende Relation der Neusiedlungsmittel von 1 : 2 bei den tatsächlich bewilligten Mitteln eingehalten wurde. Die Aufgliederung der für die Jahre 1953 bis 1958 für die Neusiedlung von Vertriebenen und Einheimischen und für die Eingliederung von Vertriebenen vom Bund bereitgestellten Mittel ist an Hand der Meldungen der Länder berechnet und von mir in der Fragestunde am 27. November 1958 bekanntgegeben worden. Für einen beliebig herausgegriffenen Zeitpunkt des laufenden Haushaltsjahres — wie hier für den 1. Dezember 1958 — liegen Unterlagen, die die Beantwortung der gestellten Frage ermöglichen, deshalb nicht vor, weil diese jeweils nur für das Ende eines Haushaltsjahres nach den Erfolgsmeldungen der Länder erstellt werden können. Die Wahrung der in den Erläuterungen zum Haushaltstitel 571 des Einzelplanes 10 vorgeschriebenen Relation wird den für die Bewilligung zuständigen Ländern bei der Zuteilung von Kontingenten jedesmal erneut zur Pflicht gemacht. Falls festgestellt wurde, daß die Relation nicht gewahrt war, so sind die jeweils notwendigen Maßnahmen ergriffen worden. Für die laufende Überwachung in dieser Richtung dienen u. a. die Meldungen der Deutschen Siedlungsbank über die bewilligten Mittel. Die in diesen Meldungen enthaltenen Zahlen sind von den Zufälligkeiten des Verfahrens und Verwaltungsablaufs abhängig und haben daher nur bedingten Aussagewert. Aber selbst wenn ich nur diese Meldungen der Deutschen Siedlungsbank zugrunde legen würde, ergibt sich aus der Halbjahresmeldung der Deutschen Siedlungsbank auf Bundesebene zusammengestellt zum 30. September 1958, daß im laufenden Haushaltsjahr für Zwecke des Bundesvertriebenengesetzes rd. 120 Mill. DM und für Zwecke des Siedlungsförderungsgesetzes rd. 40 Mill. DM bewilligt worden sind. Zu demselben Zeitpunkt (30. September) ergeben sich für die Zeit ab 1953 folgende Zahlen: für Zwecke des BVFG rd. 530 Mill. DM, für das SFG rd. 230 Mill. DM. Sollten Sie auf Grund Ihnen etwa vorliegender Unterlagen zu einem anderen Ergebnis kommen, so bin ich gern bereit, diese Unterlagen zu prüfen und dazu schriftlich Stellung zu nehmen. Lübke
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die einzelnen Punkte der Großen Anfrage der SPD eingehe, lassen Sie mich Ihnen einen kurzen Überblick über die jüngste Entwicklung bei der Kohle geben. Seit vielen Jahren litten wir unter einer sehr empfindlichen Mangellage, während sich jetzt zum ersten Mal das Problem des Überflusses und der Absatzkrise stellt.
    Das Gesamtbild unserer Konjunktur kann — bei allerdings unterschiedlichen Entwicklungen in einzelnen Zweigen — als gut bezeichnet werden. Sie wissen, wie sehr sich das Bundeswirtschaftsministerium in den letzten Wochen und Monaten mit den Sorgen und Nöten von Teilbereichen, in denen Schwierigkeiten aufgetaucht sind, auseinandergesetzt hat. Gerade diese Tatsache gibt mir das Recht, auch hier auf die beträchtlichen Fortschritte zu verweisen, die wir — im Gegensatz zu der Entwicklung in manch anderen Staaten — im Jahre 1958 erzielen konnten. So stieg beispielsweise das Bruttosozialprodukt von 209,6 Milliarden DM im Jahre 1957 auf 222 Milliarden DM 1958 an, das Volkseinkommen um 5,5 % auf 169 Milliarden DM. Bei nahezu stabilen Preisen im Laufe des vergangenen Jahres erfuhr das Masseneinkommen eine beträchtliche Steigerung von 104 Milliarden DM im Vorjahr auf jetzt ca. 112 Milliarden DM. Die industrielle Produktion konnte im Gesamtdurchschnitt um über 3 % erhöht werden, wobei einzelne Bereiche, so etwa die Investitionsgüterindustrie, wesentlich größere Fortschrittsraten verzeichnen, wie überhaupt die Zuwachsraten in den letzten Monaten wieder stärker anwachsen.
    Diese günstige Entwicklung findet auch ihren Niederschlag in dem Außenhandelsergebnis, wobei viele pessimistische Prognosen am Jahresanfang Lügen gestraft wurden. Der Export wuchs auf 37 Milliarden DM an, eine Entwicklung, die zu einer Ausweitung des Ausfuhrüberschusses von 4,3 Milliarden DM im Jahr 1957 auf fast 6 Milliarden DM im nun abgelaufenen Jahr führte.
    Unter den wenigen Sektoren, auf denen sich Schwierigkeiten abzeichnen, tritt der Steinkohlenbergbau besonders hervor. Das ist nicht nur bei uns so; auch in anderen kohleproduzierenden Ländern liegen Halden bei Erzeugern und Verbrauchern von zum Teil bedeutendem Umfang. Das soll allerdings kein Anlaß für uns sein, nicht alles zu tun, um mit unseren Schwierigkeiten bei der Kohle — die auch ich als durchaus ernst bezeichne — fertig zu werden. Ich bin sicher, daß uns das gelingen wird.
    Bei uns hat sich der Umschwung des Kohlenmarktes mit einer Schnelligkeit und in einem Ausmaß vollzogen, die, das kann ich wohl sagen, trotz sorgfältigster Konjunkturbeobachtung weder von der Bundesregierung noch von den beteiligten Wirtschaftskreisen vorausgesehen wurde. Im Laufe eines Jahres stiegen die Halden bei den Zechen von nahezu 0 auf über 13 Millionen t, das ist mehr als eine Monatsförderung. Dieser starke Anstieg der Halden war auch dadurch nicht aufzuhalten, daß durch Einlegung von Feierschichten ein Ausfall bei der Kohlenförderung in Höhe von 3,85 Millionen t herbeigeführt wurde; denn dieser Ausfall wurde durch ein verstärktes Ansteigen der Leistung wieder wettgemacht. Auch der Rückgang der Kohleneinfuhr reichte nicht dazu aus, die Haldenzunahme aufzuhalten. Im Jahre 1958 wurden 25 % weniger Kohle eingeführt als 1957, das sind insgesamt 5 1/2 Millionen t.
    Es ist das Zusammentreffen einer ganzen Reihe verschiedener Ursachen und Gründe, die zur Absatzkrise des Steinkohlenbergbaus geführt haben.
    In den zurückliegenden Jahren gewaltiger Anstrengungen zum Wiederaufbau und zur Expansion unserer Wirtschaft konnte der Bedarf an Energie, der insbesondere in den Jahren 1955 und 1956



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    stürmisch anwuchs, nur dadurch gedeckt werden, daß steigende Mengen teurer ausländischer Kohle eingeführt wurden. Es war schlechterdings unmöglich, daß die inländische Kohlenförderung einer so rasch steigenden Nachfrage folgte. Nur durch die auf eine unbedingt ausreichende Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft gerichtete Energiepolitik der Bundesregierung konnten Energieversorgungsschwierigkeiten vermieden werden. Sie erinnern sich aber auch, welcher Anstrengungen es in jenen Jahren immer wieder bedurfte --- und sie waren erfolgreich —, um das allgemeine Preisniveau und die Kaufkraft der D-Mark so stabil wie möglich zu halten. Der inländische Kohlenpreis fügte sich, den an alle Wirtschaftszweige gerichteten Appellen auf Preisdisziplin folgend, in diesen Jahren in das allgemeine Bild unseres gegenüber dem Ausland niedrigeren Preisniveaus ein. Immerhin — auch das muß festgehalten werden — stieg der inländische Kohlenpreis von April 1954 bis Oktober 1957 um etwa 20 %.
    In jenen Jahren wurde der Hausbrand stets nahezu in vollem Umfang mit der billigeren Inlandskohle beliefert, wie es auch dem Willen dieses Hohen Hauses entsprach. Hinzu kam die Auswirkung des sogenannten Werkselbstverbrauchsrechts der Stahlindustrie, über das eine Vereinbarung mit der Hohen Behörde vorlag. Die Privilegierung dieser beiden Verbrauchergruppen führte dazu, daß für die übrigen Verbraucher nur um so weniger Inlandskohle übrigblieb. Die Industrie sowie die Elektrizitäts- und Gasversorgungsunternehmen mußten daher ständige Kürzungen ihrer Bezüge an %Ruhrkohle hinnehmen und dafür die teurere Amerikakohle beziehen. Diese langen Jahre der Sorge der Verbraucher um eine ausreichende Versorgung mit Kohle, die dann noch durch die SuezKrise verstärkt wurde, führte zu dem Bestreben hoher Einfuhr- und Vorratsdispositionen, um größere Sicherheit zu haben und den Zufälligkeiten der Frachtenentwicklung auszuweichen. So ist es zu erklären, daß zur Zeit auch bei den Verbrauchern über 12 Millionen t Kohlenvorräte lagern, während vielleicht 6 bis 7 Millionen t als normale Vorratsmenge angesehen werden können.
    Zu Beginn des Jahres 1958 hörte mit der Verlangsamung der Konjunktur die Nachfrage zur weiteren Erhöhung der Kohlenvorräte bei den Abnehmern fast ganz auf. Gleichzeitig traten aber auch die laufenden Rationalisierungseffekte im Kohlen- und Energieverbrauch der Wirtschaft voll in Erscheinung, die in den vergangenen Jahren durch das Ausmaß einer steigenden Energienachfrage für Verbrauchs- und Vorratszwecke überdeckt waren. Es bestanden in großem Umfange die Bindungen der Verbraucher an langfristige Kohleneinfuhrkontrakte. Andererseits trat ein gewisser Rückgang des Kohlenverbrauchs aus konjunkturellen und auch aus klimatischen Gründen ein. Die Kohlenausfuhr ging erheblich zurück. Im Inland vollzog sich ein steigender Übergang zum Heizöl.
    Alles dies wirkte unglücklicherweise zusammen, um in verhältnismäßig kurzer Zeit einen Absatzrückgang der inländischen Kohle von beträchtlichem Ausmaß herbeizuführen.
    Zu Punkt 1 der Anfrage: Welches Ergebnis haben die Besprechungen mit den Vertretern der Unternehmen und der Arbeitnehmer des Ruhrkohlenbergbaus gehabt?
    In den Verhandlungen, die in der letzten Zeit mit dem Unternehmensverband und der IG Bergbau geführt worden sind, hat sich Übereinstimmung in folgenden grundsätzlichen Fragen ergeben:
    1. Der Steinkohlenbergbau soll gesund erhalten werden und die wesentliche Grundlage unserer Energieversorgung bleiben.
    2. Die Beschäftigung der Bergarbeiter soll gesichert und möglichst gleichmäßig gestaltet werden.
    3. Im Laufe des Jahres 1958 ist zwar eine wesentliche Verringerung der effektiven Kohleneinfuhren erreicht und der Abschluß neuer Kohleneinfuhrkontrakte verhindert worden; d a diese Maßnahmen Taber nicht dazu ausreichen, eine Änderung der Lage herbeizuführen, sollen die Bemühungen zu einer Milderung des Importdrucks von Kohle verstärkt werden.
    Außer der Abstimmung über diese grundsätzlichen Fragen wurden auch eine Reihe von Einzelfragen besprochen. Demgemäß hat die Bundesregierung die durch unterschiedliche fiskalische Belastungen entstehenden Nachteile für die inländische Steinkohle gegenüber dem Heizöl beseitigt.
    Ferner soll das Heizöl veranlaßt werden, sich nicht durch Unterschreitung der Weltmarktpreise schnell besonders hohe Anteile am deutschen Markt zu erkämpfen, zumal da darin die Gefahr läge, daß nach Beendigung eine solchen Quotenkampfes die Preise dann schnell wieder heraufgehen würden; es sollen vielmehr Kohle und Öl sich in einem echten Wettbewerb um dein Markt bemühen.
    Durch Großaufträge der Bundesbahn soll die Beschäftigung der Stahlindustrie und damit der Kohlenverbrauch gesteigert werden.
    Da Steinkohle in der SBZ noch knapp ist, sollen die Lieferungen dorthin ermöglicht werden. Die Schwierigkeiten bestehen darin, daß die SBZ Bezahlungen in D-Mark ablehnt und auch nur in beschränktem Umfange solche Güter als Gegenwert liefern kann, die in der Bundesrepublik abgenommen werden. Trotzdem konnten 1 Million t Steinkohle dorthin verkauft werden; die Lieferungen sind im Gange.
    Gestatten Sie mir, daß ich des Zusammenhangs wegen nun zunächst die Frage 3 beantworte:
    Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher ergriffen bzw. welche Maßnahmen gedenkt sie zu ergreifen, um die Schwierigkeiten des Kohlenbergbaus zu beheben?
    Die Bundesregierung ist bei ihren Überlegungen zur Behebung der Kohlenabsatzkrise stets davon ausgegangen, daß nur das Zusammenwirken zahlreicher großer und kleinerer Maßnahmen einen Erfolg versprechen kann, dies aber auch nur dann, wenn gleichzeitig der Steinkohlenbergbau selbst alle Möglichkeiten ausschöpft, um der gegenwärtigen Lage Herr zu werden.



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Die in Gang gesetzten Maßnahmen der Bundesregierung sind folgende:
    Der Bundesbahn wurde eine Finanzierungshilfe für Aufträge an die Stahlindustrie im Werte von 500 Millionen DM zugesagt. Zusammen mit den übrigen Aufträgen der Deutschen Bundesbahn für 1959 ist dadurch eine direkte und indirekte Auftragserteilung der Bundesbahn an die Stahlindustrie in Höhe von 850 000 t Stahl gesichert und damit auch ein erhöhter Kohlenverbrauch, der für die Produktion dieser Stahlgüter etwa 1,25 Millionen t beträgt.
    Im Ministerrat der Montanunion wurde auf Betreiben der Bundesregierung die Abschaffung der Schrottausgleichskasse erreicht. Von dieser Maßnahme ist im Laufe der Zeit ein Mehreinsatz von Roheisen an Stelle von Schrott in den Stahlwerken zu erwarten, der zu einem erhöhten Koksverbrauch führen wird.
    Die öffentlichen Bedarfsträger des Bundes wurden zu einer möglichst frühzeitigen Brennstoffbevorratung angehalten. Im gleichen Sinne wurden Empfehlungen an die Wirtschaftsminister der Länder und die für die Versorgung der Stationierungstruppen zuständigen Stellen gerichtet. Außerdem wurde auf die großen Verbrauchergruppen eingewirkt, ihre Kohlenvorräte aufrechtzuerhalten. Im großen und ganzen wurden die Kohlenbestände der Wirtschaft beibehalten und der laufende Bedarf aus der täglichen Förderung gedeckt.
    Bei der Hohen Behörde setzte sich die Bundesregierung mit Nachdruck und mit Erfolg dafür ein,
    daß den Ruhrkohlen-Verkaufgesellschaften ein weiter Rahmen für den Abschluß langfristiger Kohlenlieferverträge zugestanden wurde. Damit ist dem Bergbau die Möglichkeit gegeben, Kunden, die auf eine langfristige Sicherung ihrer Kohlenversorgung Wert legen, zu halten oder sogar zurückzugewinnen.
    An die SBZ wurden, wie schon erwähnt, 1 Million t Steinkohlen verkauft. Hiervon ist inzwischen bereits ein großer Teil geliefert worden. Die Lieferungen dürften im März dieses Jahres abgeschlossen sein.
    Die Bundesregierung hat dem Vorschlag der Hohen Behörde zugestimmt, aus Umlagemitteln eine Finanzierungshilfe zur Erleichterung der Haldenkosten in Höhe von 7 Millionen Dollar zu gewähren. Diese Hilfe kann von denjenigen Bergwerksgesellschaften in der Gemeinschaft in Anspruch genommen werden, die mehr als 35 Tagesförderungen auf Halde liegen haben.
    Ferner ist die Erhebung der vom Bergbau an die Hohe Behörde zu zahlenden Montanumlage in der Weise geändert worden, daß die Umlage nicht mehr je Tonne geförderter Kohle, sondern je Tonne verkaufter Kohle zu zahlen ist. Für den deutschen Steinkohlenbergbau, der bis dahin etwa 22 Millionen DM Umlage im Jahr zahlte, ergibt sich dadurch eine Entlastung in Höhe von 3 Millionen DM im Jahr. Dem Wunsch der Bundesregierung auf eine fühlbare Verringerung der Umlage oder ihre Aussetzung für eine gewisse Zeit glaubte die Hohe Behörde nicht stattgeben zu können.
    Ich komme nunmehr zu denjenigen Maßnahmen, bei denen das Schwergewicht liegt. Sie beziehen sich auf das Heizöl und auf die Einfuhr von Kohle aus Ländern außerhalb der Montanunion.
    Zwischen dem Steinkohlenbergbau und der Mineralölwirtschaft sind in den letzten Wochen zahlreiche Gespräche und Verhandlungen geführt worden, die zum Ziel hatten, den übermäßigen Druck des Heizöls auf den Kohlenmarkt nach Möglichkeit zu verringern.
    Zunächst wird auf Grund einer inzwischen erlassenen Verordnung des Bundesministers der Finanzen das schwere Heizöl, das in deutschen Raffinerien aus importiertem Rohöl erzeugt wird und das bisher — anders als die Kohle — umsatzsteuerfrei war, nunmehr aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit mit der Umsatzsteuer belastet.
    Angesichts der gegenwärtigen Schwierigkeiten auf dem Energiemarkt haben der Steinkohlenbergbau und die Mineralölwirtschaft Verhandlungen aufgenommen, um Preislisten aufzustellen, nach denen für eine Übergangszeit von zwei Jahren das schwere Heizöl nicht unter Weltmarktpreisen verkauft werden soll.
    Die Auseinandersetzung um die künftigen Marktanteile beim Heizöl hatte zu unnatürlichen Kampfpreisen weit unter Weltmarktniveau geführt. Dies erzeugte eine unnatürliche Wettbewerbslast für die Kohle und irreführende Vorstellungen beim Verbraucher über das langfristige Wettbewerbsverhältnis zwischen Kohle und 01. Die Beteiligten haben gemäß § 8 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Antrag gestellt, die Genehmigung für einen entsprechenden Kartellvertrag zu erhalten. Das abschließende Ergebnis steht noch aus.
    Das für Hausbrandzwecke verwendete leichte Heizöl ist von der Umsatzbesteuerung freigehalten worden; ebenso wird es nicht den soeben genannten Preisregulierungen unterliegen.
    Nachdem bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1958 wiederholt eindringliche Appelle an die Importeure von amerikanischer Kohle gerichtet worden waren, die Kohleneinfuhr einzuschränken und nach Möglichkeit eingegangene Kontraktverpflichtungen abzulösen, wurde im August 1958 eine Verkürzung der zulässigen Kontraktfristen für liberalisierte Kohleneinfuhren von 3 Jahren auf 18 Monate vorgenommen. Im September 1958 wurde dann in einem weiteren Schritt unter Inanspruchnahme des Art. XIX GATT die Genehmigungspflicht für den Abschluß neuer Verträge über die Einfuhr von Kohle aus den USA und den OEEC-Ländern, die nicht der Montanunion angehören, wieder eingeführt; Einzelgenehmigungen sind seit dieser Zeit nicht mehr erteilt worden. Hierdurch wurde die Neigung zur Ablösung alter Einfuhrverträge begünstigt. Das anfängliche Kontraktvolumen von etwa 44 Millionen t US-Kohle für einen Dreijahreszeitraum ist inzwischen durch eine Reihe von Ablösungsvorgängen auf etwa 34 Millionen t vermindert worden. Vor allem ging jedoch auch die effektive Einfuhr amerikanischer Kohle erheblich zurück. Sie beträgt im Monatsdurchschnitt des letzten Quartals



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    des Jahres 1958 etwa 700 000 t gegenüber 1 Million t im Monatsdurchschnitt Januar bis September 1958 und gegenüber 1,33 Millionen t im Durchschnitt des Jahres 1957. Im Jahre 1958 wurden insgesamt aus USA eingeführt 11,2 Millionen t gegenüber 15,9 Millionen t im Jahre 1957.
    Die Maßnahme der Anrufung des Art. XIX GATT war notwendig, um den Abschluß immer neuer Einfuhrverträge zu unterbinden. Die Bundesregierung war sich jedoch klar darüber, daß diese Maßnahme noch nicht ausreichte. Sie sah in einer verstärkten Einschränkung der Kohleneinfuhr die wirkungsvollste Möglichkeit zu einer fühlbaren Erleichterung der gegenwärtigen Absatzkrise des heimischen Steinkohlenbergbaus.
    Die Bundesregierung hat deshalb zunächst durch Herrn Staatssekretär Dr. Westrick in Washington Gespräche mit der amerikanischen Regierung eingeleitet, die trotz des schwierigen Gegenstandes im Geiste einer freundschaftlichen Zusammenarbeit geführt wurden. Daran schloß sich eine Reise maßgeblicher Vertreter des deutschen Steinkohlenbergbaus an, die zum Ziele hatte, das Verständnis der amerikanischen Steinkohlenproduzenten für die schwierige Lage des deutschen Steinkohlenbergbaus und die durch sie notwendigen weiteren Einschränkungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Kohleneinfuhr vorzubereiten.
    Nach vielen sehr schwierigen Überlegungen hat sich die Bundesregierung entschlossen, dem Bundestag vorzuschlagen, mit Wirkung vom 16. Februar 1959 die Einfuhr von Steinkohle aus nicht der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl angehörenden Ländern mit einem Zoll in Höhe von 20 DM je Tonne zu belasten. Gleichzeitig soll ein Zollkontingent festgesetzt werden, in dessen Rahmen weiterhin die Einfuhr zollfrei durchgeführt werden kann. Dieses Kontingent sollte eine Jahres-Einfuhrmenge von 4 259 000 t umfassen. Diese Menge hätte 50 % der durchschnittlichen Gesamteinfuhren aus Ländern außerhalb der Montanunion während der Jahre 1950 bis 1958 in die Bundesrepublik entsprochen. Das Kontingent sollte in Kraft treten, sobald die für seine Ausnutzung zu treffenden näheren Regelungen ergangen wären.
    Bei diesen Maßnahmen bedurfte es der Mitwirkung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Die Bundesregierung befand sich deshalb in ständigem Meinungsaustausch mit der Hohen Behörde und hat ebenso den Ministerrat bereits vor einiger Zeit über ihre Überlegungen unterrichtet. Inzwischen hat die Hohe Behörde gestern abend eine Entscheidung dahin getroffen, an die Bundesregierung eine Empfehlung nach Art. 74 des Montanunionvertrages wegen der von ihr beabsichtigten Zollmaßnahmen zu richten. Bis zu dieser Stunde liegt mir der Text der Empfehlung noch nicht schriftlich vor. Es ist uns aber bekannt, daß sich die Empfehlung darauf erstrecken wird, das zollfreie Kontingent nicht unter einer Menge von 5 Millionen t Steinkohle zu halten. Die Bundesregierung ist im Interesse einer weiteren fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Hohen Behörde bereit, dieser Empfehlung Folge zu leisten.
    Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß nur durch eine solche einschneidende Maßnahme die notwendige rasche Erleichterung der Lage erreicht werden kann. Es ist damit zu rechnen, daß dadurch insbesondere die Bereitschaft zur kommerziellen Ablösung von Kohleneinfuhrverträgen wesentlich gefördert wird. In vielen Fällen dürfte es zudem in der Hand der Importeure liegen, die amerikanische Kohle langsamer abzurufen.
    Angesichts der bereits lautgewordenen Kritik möchte ich insbesondere eines betonen: Die Bundesregierung ist bei dem vorgeschlagenen Kohlenzoll von der begründeten Erwartung ausgegangen, daß der Bergbau in der Zeit bis zum Inkrafttreten der Zollverordnung alle Anstrengungen darauf richtet, möglichst viele Kohleneinfuhrverträge abzulösen. Wir hoffen, daß dies in großem Umfang geschieht, weil es dem Bergbau darum gehen muß, Ersatzlieferungen von Ruhrkohle an die Stelle treten zu lassen. Auf diese Weise werden Preissteigerungen für Einfuhrkohle vermieden. Im übrigen hat der Bergbau erklärt, daß er nicht die Absicht habe, seine eigenen Kohlenpreise zu erhöhen.
    Wir standen auch vor der Frage, einen totalen Kohleneinfuhrstopp zu erlassen, dessen Wirkung natürlich noch stärker gewesen wäre. Der Wunsch jedoch, die amerikanische Kohlenwirtschaft nicht zu hart zu treffen, wie auch die Rücksichtnahme auf unsere gesamte handelspolitische Situation und unsere sehr schwierige Stellung im GATT ließen diesen Weg eines totalen Embargos für Einfuhrkohle aus dritten Ländern nicht angezeigt erscheinen.
    Ich komme zu Punkt 2 der Anfrage:
    Ist es der Bundesregierung bekannt, daß maßgebende Unternehmerkreise an der Ruhr mit dem Gedanken spielen, der Kohlenkrise durch Stillegungen und Massenentlassungen zu begegnen?
    Teilt die Bundesregierung diese Auffassung, oder ist sie der Meinung, daß Stillegungen und Entlassungen keine geeigneten Mittel zur Lösung der Kohlenkrise sind und damit unter allen Umständen abzulehnen sind?
    Es ist das eindeutige Ziel aller von der Bundesregierung heute ergriffenen und eingeleiteten Maßnahmen — über die ich soeben im einzelnen gesprochen habe —, Massenentlassungen im Steinkohlenbergbau und Stillegungen von Zechen als Folge der gegenwärtigen Absatzkrise zu vermeiden. Dies wird auch weiterhin die Einstellung der Bundesregierung bleiben. Eine krisenhafte Entwicklung soll auf alle Fälle vermieden werden. Mir ist bekannt, daß der Ruhrbergbau in Sorge um seine künftige Entwicklung und um die Erhaltung der Zechenbelegschaften mit großem Ernst alle Wege prüft, auf denen er selbst zur Überwindung der Absatzkrise beitragen, seine Wettbewerbskraft steigern und eine Anpassung an die veränderte Marktlage finden kann.
    Ich brauche kaum daran zu erinnern, daß ich zu verschiedenen Gelegenheiten, so in meiner Rede vor dem Bundestag Ende November 1957, so auch bei der Einweihung der Schachtanlage Wulfen im



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Juni 1958, an den Steinkohlenbergbau mit aller Eindringlichkeit appelliert habe, sich der großen und schwierigen Aufgaben bewußt zu sein, die sich aus den Entwicklungsstadien der Energiewirtschaft nun einmal unabwendbar ergeben. Die heutigen Schwierigkeiten sind ja nur zu einem Teil aus konjunkturellen Nachfrageschwankungen bei der Kohle zu erklären. Der Ruf des Bergbaus nach ausreichendem Schutz vor der drängenden Konkurrenz anderer Energieträger und die Gewährung dieses Schutzes durch den Staat sollen auch nicht so verstanden werden, als brauche der Steinkohlenbergbau selbst nichts weiter zu tun, da der Staat ihm die Verantwortung abnehme. Davon kann gar keine Rede sein. Die bemerkenswerten Ausführungen des Vorsitzenden des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau, Herrn Burckhardt, im Dezember vorigen Jahres in Essen sind mir eine wertvolle Bestätigung für die Erkenntnis innerhalb des Steinkohlenbergbaus, daß es jetzt voll auf eine neue unternehmerische Aktivität ankommt.
    Unter dieser neuen Aktivität wird ein verstärktes Ausschöpfen aller Möglichkeiten der Rationalisierung und Mechanisierung verstanden. Dabei wird auch die Möglichkeit einer Stillegung dauernd unwirtschaftlicher Betriebe und Betriebsteile in Rechnung gestellt. Die Zusammenfassung und der Austausch von Grubenfeldern und Feldesteilen bildet einen weiteren wichtigen Ansatzpunkt, wofür in vielen Fällen der Zusammenschluß von Unternehmungen Voraussetzung ist, um eine genügend breite Grundlage für die schweren bergtechnischen und finanziellen Aufgaben zu schaffen. Ich kann nur sagen, daß ich mit diesen Zielsetzungen voll einverstanden bin.
    Wir dürfen aber nicht verkennen, daß diese Anpassung eine ganz besonders schwierige Aufgabe ist. Sie ist viel schwieriger als in anderen Bereichen der Industrie, und zwar wegen der naturbedingten Besonderheiten des Bergbaus, so vor allem wegen des hohen Anteils der Menschen, die unter Tage unter schweren Bedingungen in der Kohlenförderung zu arbeiten haben. Um diese schwierigen sozialpolitischen und ökonomischen Probleme zu meistern, hat sich die Bundesregierung zu den vorgetragenen Maßnahmen entschlossen und dabei oft ernste wirtschaftspolitische Bedenken zurückgestellt.
    Wie im einzelnen eine Anpassung an die veränderten Marktverhältnisse durchzuführen ist, das muß der Verantwortung des Steinkohlenbergbaus und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Unternehmensleitungen und Gewerkschaften überlassen bleiben. Ich bin sicher, daß der Bergbau dabei im menschlichen und sachlichen Interesse auf eine möglichst gleichmäßige Beschäftigung der Bergleute sehen wird. Wenn der Bergbau auch zu Stillegungen von dauernd unwirtschaftlichen Schachtanlagen oder von Betriebsteilen übergeht, so müßte ich mit dem Bergbau eine solche Bereinigung struktureller Art angesichts des unaufhaltsamen Wettbewerbs anderer Energie in den kommenden Jahren als ein Gebot vernünftigen wirtschaftlichen Verhaltens ansehen. Aber ich möchte doch gleichzeitig zum Ausdruck bringen, daß dieser Prozeß sich keineswegs von heute auf morgen vollziehen und also auch keineswegs Massenentlassungen zur Folge haben kann. Diese Anpassung erfordert erfahrungsgemäß einen längeren Zeitraum, so daß die Unterbringung freigesetzter Bergleute auf anderen Zechen oder in anderen Industriezweigen allmählich und organisch erfolgen kann.
    In diesem Prozeß wird die Bundesregierung ihre Bemühungen auch im Rahmen der Montangemeinschaft geltend machen, der auf diesem Gebiet besondere Aufgaben im Gemeinschaftsvertrag zugewiesen sind. Insbesondere wird sie die Bestimmungen des Montanvertrages für sich in Anspruch nehmen, die den Einsatz von Finanzmitteln der Gemeinschaft zur Beschaffung neuer Arbeitsplätze für Bergleute ermöglichen.
    Im übrigen ist heute bereits eine erhebliche Verringerung der Arbeitskräfte im Steinkohlenbergbau dadurch eingetreten, daß zur Zeit neue Arbeitskräfte — abgesehen von Nachwuchskräften und Handwerkern nicht eingestellt und die natürlichen Abgänge nicht ersetzt werden. Hierdurch wird nicht nur die Anpassung der Zahl der Arbeitskräfte an die infolge Absatzmangels verminderte nutzbare Förderkapazität erleichtert, sondern es entstehen auch größere Möglichkeiten für die Umsetzung von Arbeitskräften, die als Folge von Rationalisierungsmaßnahmen erforderlich wird.
    Ich möchte bei dieser Gelegenheit hinzufügen, daß wir alle miteinander erkennen sollten, welche Gefahr für das Gelingen der schwierigen Aufgaben des Bergbaus darin liegt, wenn jede Überlegung und jede Maßnahme vorzeitig zum Anlaß von Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit genommen und dabei für diese oder jene Interessen umgedeutet wird. Es bedarf einer zähen, stillen und sachlichen Zusammenarbeit aller Kräfte des Steinkohlenbergbaus, um den besten Erfolg im Sinne der Belegschaft zu erzielen.
    Natürlich zieht die SPD und ebenso die IG Bergbau in einer Lage wie der heutigen alle Register, um dem alten Lied von der Sozialisierung des Bergbaus neuen Klang zu geben. Die Töne, die hier angeschlagen werden, und die Effekte dieser Anstrengungen sind nicht nur billig, sondern erscheinen gerade heute um so fragwürdiger, als wir am englischen Beispiel ja deutlich genug sehen können, daß ein sozialisierter Bergbau eben keineswegs mit den heutigen Problemen fertig wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Im Gegenteil, die Schwierigkeiten dort und ihre Auswirkungen auf die Bergarbeiter sind wesentlich größer und härter als bei uns. Die Bundesregierung bleibt bei ihrem erklärten Ziel, nicht durch Sozialisierung, sondern durch Schaffung von Eigentum auf privater Grundlage den erworbenen Wohlstand zu sichern und für die Zukunft zu erhalten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. —Lachen bei der SPD. — Zurufe links: Kohlenhalden! — Abg. Wehner: Volksaktien auf Halden! — Weitere Zurufe. — Unruhe.)




    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard Frage 4 lautet:
    Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um in Zukunft eine Kohleneinfuhrpolitik zu sichern, die den einheimischen Markt vor einer planlosen Überschwemmung mit Einfuhrkohle bewahrt?
    Ich habe Ihnen bereits dargelegt, welche durchaus positive Bedeutung die Rückgriffsmöglichkeiten auf amerikanische Kohleneinfuhren für uns in den vergangenen Jahren stärksten Wachstums der inländischen Energienachfrage hatten. Ich möchte auch noch einmal betonen, daß nur durch die auf den Abbau von Einfuhrhemmnissen gerichtete Energiepolitik der Bundesregierung in der Zeit der jahrelangen stürmischen Wirtschaftsexpansion alle Schwierigkeiten in der Energieversorgung vermieden werden konnten. Wir haben alle sehr schnell die sehr drückenden Mangelerscheinungen vergessen, die uns noch in den Jahren 1952, 1953 und 1954 dazu nötigten, Kohlenzuteilungen von 20 bzw. 22 Ztr. je Haushalt und Jahr vorzunehmen. Diese Zuteilungen 100% ig zu erfüllen, war häufig unmöglich. Dann ist es aber sehr bald gelungen, nicht nur den Kohlenbedarf der Bevölkerung, sondern auch den sprunghaft steigenden Bedarf der gewerblichen Wirtschaft voll zu befriedigen, die wachsenden Ansprüche an Gas und Elektrizität stets und vollständig zu decken und die volle Versorgung auch über Krisenzeiten, wie sie durch das Wort Suez gekennzeichnet werden, aufrechtzuerhalten.
    Das alles, meine Damen und Herren, ist ein klarer und unbestreitbarer Erfolg unserer Wirtschaftspolitik, von der die Energiepolitik ein Teil, und zwar ein mit ihr eng zusammengehöriger und von ihr gar nicht zu trennender Teil ist. Die Möglichkeit, langfristige Einfuhrverträge abzuschließen, bewahrte überdies die deutschen Verbraucher — im Gegensatz zu denjenigen vieler anderer Länder — weitgehend vor den sehr erheblichen Preissteigerungen für amerikanische Kahle, die durch die Seefrachtenhausse insbesondere vor und während der Suez-Krise ausgelöst wurden. Wenn die in den vergangenen Jahren unter dem Eindruck der damaligen Lage eingegangenen langfristigen KohleneinfuhrDispositionen sich heute als eine erhebliche Belastung erweisen, so wäre es doch falsch, etwa einzig und allein die Kohleneinfuhren für die gegenwärtigen Absatzschwierigkeiten des Steinkohlenbergbaus verantwortlich zu machen. Ich muß in diesem Zusammenhang erneut darauf hinweisen, daß diese Schwierigkeiten das Resultat eines unglücklichen Zusammenfallens zahlreicher Faktoren sind.
    Wenn es in der gegenwärtigen Situation darauf ankommt, die Kohleneinfuhrpolitik auf die Lösung des gegenwärtig drängenden deutschen Kohlenüberschußproblems abzustellen, so müssen die von der Bundesregierung getroffenen und noch zu ergreifenden Maßnahmen zur Einschränkung der Kohleneinfuhren als vorübergehende, vor allem sozialpolitisch begründete Notstandsmaßnahmen verstanden werden. Dadurch ändert sich nichts an der Auffassung, daß wir uns in der Bundesrepublik auf lange Sicht eine protektionistische Kohleneinfuhrpolitik nicht leisten können. Die deutsche Wirtschaft wird bei einem auf lange Sicht ständig steigenden Energiebedarf auf die Einfuhrkohle angewiesen sein. Der von ihr ausgehende Wettbewerb ist im Interesse einer möglichst wirtschaftlichen Energieversorgung wünschenswert und notwendig. Im übrigen glaube ich, daß man in der Wirtschaft selbst gerade während der letzten Monate dazugelernt hat, vielleicht manchmal sehr bitter dazugelernt hat, künftig vorsichtiger zu sein und Übersteigerungen der Einfuhrdispositionen besser zu vermeiden.
    In einer Ausnahmesituation wie der heutigen vorübergehenden Anpassungsmaßnahmen auf dem Gebiete der Kohleneinfuhrpolitik zu ergreifen und sich darauf einzurichten, bei einer Normalisierung der Verhältnisse die Kohleneinfuhren grundsätzlich wieder zur freien Wahl des Verbrauchers zu stellen, scheint mir auf alle Fälle vernünftiger zu sein als eine obrigkeitliche Planung der Kohleneinfuhren mit allen ihren unabsehbaren Risiken und Konsequenzen.
    Ich möchte schließlich darauf hinweisen, daß sich aus der Mitgliedschaft zur Montanunion auch Auswirkungen auf die Kohleneinfuhrpolitik ergeben. Der Fortfall der inneren Zollgrenzen im Gemeinsamen Markt macht den gegenwärtigen Beistand der Partnerstaaten notwendig, um Einfuhrbeschränkungen eines Mitgliedstaates wirksam werden zu lassen. Darüber hinaus fordert das Vorhandensein des Gemeinsamen Marktes von den Regierungen, bei der Gestaltung ihrer Einfuhrpolitik auf die Belange der Gemeinschaft Rücksicht zu nehmen. Die Bundesregierung kann und will sich diesen Gegebenheiten nicht entziehen.
    Frage 5 lautet:
    Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um eine planmäßige Entwicklung der verschiedenen Zweige der Energiewirtschaft — insbesondere des Kohlenbergbaus, der Mineralölwirtschaft und der Atomenergie — zu sichern?
    Seitdem die deutsche Kohle im 01 und in der amerikanischen Kohle dauerhafte Konkurrenten erhalten hat, ist eine einheitliche Energiepolitik notwendig geworden, die auf das Zusammenwirken aller Energieträger ausgerichtet ist. Diese Notwendigkeit bedeutet aber keineswegs, daß nunmehr die Entwicklung der einzelnen Sektoren auf dem Energiegebiet staatlich geplant werden mußte. Der energiewirtschaftliche Strukturwandel, der durch das Auftreten mehrerer, in weitem Umfang austauschbarer Energieträger gekennzeichnet ist, schafft vielmehr die entscheidende Voraussetzung für eine optimale Gewährleistung unserer Energieversorgung unter dem Ordnungsprinzip des Wettbewerbs.
    Auf solchen Überlegungen beruht auch die Entschließung der Außenminister der Mitgliedstaaten der Montanunion vom März 1957, wodurch die Hohe Behörde beauftragt wurde, dem Ministerrat Vorschläge über Methoden zu unterbreiten, die zur Erzielung einer koordinierten Energiepolitik der sechs Mitgliedstaaten geeignet sind. Demzufolge hat der Ministerrat im Oktober 1957 mit der Hohen



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Behörde vereinbart, daß der aus Vertretern der Hohen Behörde und der Regierungen der Mitgliedstaaten zusammengesetzte Gemischte Ausschuß mit der Ausarbeitung dieser Vorschläge beauftragt wurde. Die Arbeiten dieses Ausschusses sind noch im Gange.
    Das Hauptaugenmerk der Bundensregierung im Hinblick auf eine gedeihliche Entwicklung der verschiedenen Energieträger gilt der Herstellung und Erhaltung eines möglichst unverfälschten Wettbewerbs auf der Grundlage der natürlichen Erzeugungs- und Verteilungsbedingungen. Wenngleich bereits eine Reihe von Maßnahmen zur Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen auf dem Energiegebiet getroffen wurden, verkenne ich nicht, daß hier noch schwierige Aufgaben vor uns liegen. Wir werden sie nach und nach lösen und dabei um so eher Erfolg haben, je mehr das Bewußtsein der veränderten Energiesituation auch im Denken der traditionellen heimischen Energieerzeuger Eingang findet und ihr Handeln bestimmt. Das geht nicht von heute auf morgen, dafür sind die Anpassungsprobleme zu groß. Die Bundesregierung sieht es als ihre Pflicht an, einen kontinuierlichen Anpassungsprozeß zu ermöglichen, der frei von Störungen ist, die zu ernsten wirtschaftlichen und sozialen Erschütterungen führen könnten. Was ich damit im Hinblick auf unseren Steinkohlenbergbau meine, habe ich bereits bei der Beantwortung der Frage 2 ausführlich dargelegt.
    Die Entwicklung der Mineralölindustrie in der Bundesrepublik steht im Zeichen von auf lange Sicht geplanten Erweiterungen der Raffineriekapazitäten, wobei die Dynamik in erster Linie beim Heizöl liegt. Der künftige Raffinerieausstoß wird heute zu einem Teil bereits durch die Einfuhr von Fertigprodukten vorweggenommen. Die Expansion des Heizöls, dessen Anteil an der Energieversorgung der Bundesrepublik heute noch beträchtlich unter dem Anteil an der Energieversorgung anderer Industriestaaten auch mit reichen Kohlenvorkommen liegt, kann und darf grundsätzlich nicht aufgehalten werden. Im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie kommt es im Gegenteil immer stärker auf die Nutzung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts an, den das Heizöl in manchen Verwendungsrichtungen zweifellos darstellt. Auch hier gilt es aber, eine überstürzte Entwicklung zu vermeiden. Es läßt sich unschwer nachweisen, daß die gegenwärtigen Absatzschwierigkeiten des Bergbaus nur zum kleinen Teil durch das Vordringen des Heizöls verursacht sind. Andererseits läßt sich nicht wegdiskutieren, daß der Bergbau in seiner augenblicklichen schwierigen Lage durch eine heftige Konkurrenz des Öls überbelastet wird. Aus diesem Grunde habe ich mich für einen begrenzten Zeitraum mit der bereits genannten Regelung einer Ausrichtung der Preise für schweres Heizöl am Weltmarktpreis einverstanden erklärt, die jene Beruhigung schaffen soll, die für die Lösung der Anpassungsprobleme des Bergbaus erforderlich ist. Selbstverständlich soll der technische Fortschritt, der in manchen Verwendungsgebieten mit dem Verbrauch von Öl verbunden ist, nicht gehindert werden.
    Die Entwicklung auf dem Atomgebiet ist allgemein bereits aus dem Stadium der Forschung in den Bereich der technisch-wirtschaftlichen Nutzung eingetreten, jedoch leistet die Atomenergie in der Bundesrepublik bislang noch keinen Beitrag zur Energieversorgung. Der erste kleinere Versuchsreaktor, der in der Bundesrepublik der Elektrizitätserzeugung dienen soll, ist im Bau, und einige weitere große Atomkraftwerke befinden sich im Stadium der Projektierung. Bei diesen Anlagen handelt es sich noch um Entwicklungsprojekte, bei denen heute noch nicht endgültig gesagt werden kann, ob sie bereits zu wirtschaftlichen Bedingungen Strom erzeugen werden.
    Die Bundesregierung hält es nach wie vor für erforderlich, daß die technisch-wirtschaftliche Entwicklung auf dem Atomgebiet in der Bundesrepublik beschleunigt in Gang kommt. Bei der Beurteilung dieser Frage kann die derzeitige energiewirtschaftliche Situation, die weitgehend auch durch kurzfristige und vorübergehende Elemente bestimmt ist, keinen Einfluß haben. Es wäre ein völlig falscher Standpunkt, wollte man im Hinblick auf die Haldenbestände an der Ruhr die Entwicklungsarbeiten auf dem Atomgebiet abbremsen. Zwar arbeitet heute noch kein Atomkraftwerk in der Welt zu wirtschaftlichen Bedingungen, die Kostenkurve der Atomenergie weist aber bei allen technischen Neuerungen eine stark sinkende Tendenz auf. Die energiepolitische Entscheidung muß für das Atomgebiet daher trotz der derzeit gegebenen Situation dahin gehen, die mühsam in Gang gebrachte Entwicklung weiter zu fördern, um einen neuen wirtschaftlichen Energieträger zu gewinnen, der bereits in absehbarer Zeit zu einer Versorgung der deutschen Wirtschaft mit preisgünstiger Energie beitragen wird.
    Es kommt hinzu, daß die atomtechnische Entwicklung nicht allein unter energiewirtschaftspolitischen Gesichtspunkten betrachtet werden darf. Die von ihr ausgehenden Wirkungen erstrecken sich auf weite Bereiche der gesamten industriellen Technik. Von der Nutzung der hier sich eröffnenden Möglichkeiten wird es in der Bundesrepublik wesentlich abhängen, ob die deutsche Volkswirtschaft im Wettbewerb mit anderen bestehen kann oder nicht.
    Die gegenwärtigen Pläne zur Förderung der atomtechnischen Entwicklung in der Bundesrepublik sind maßgeblich von diesen Überlegungen bestimmt, kurzfristige energiepolitische Erwägungen spielen dabei keine Rolle. Das vom Bundesministerium für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft im Zusammenwirken mit der Deutschen Atomkommission aufgestellte Programm hat die Errichtung von fünf größeren Atomkraftwerken mit verschiedenartigen Reaktoren deutscher Konstruktion zum Ziel. Damit soll der deutschen Industrie die Möglichkeit gegeben werden, eigene Ideen auf dein Atomgebiet zu verwirklichen. Daneben werden Reaktoren für den Schiffsantrieb entwickelt. Außerdem werden im Rahmen bestehender internationaler Verträge zunächst ein oder zwei größere Atomkraftwerke mit Reaktoren ausländischer Konstruktion gebaut, um so bald wie möglich praktische Erfahrungen über den Bau, Betrieb und die Wirtschaftlichkeit von Atomkraftwerken zu gewinnen.



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Die Durchführung dieser Vorhaben soll grundsätzlich der privaten Wirtschaft überlassen bleiben, da sich auch die Atomwirtschaft in die marktwirtschaftliche Ordnung einfügen muß. Auf diese Weise wird sich die Atomenergie ohne dirigistische staatliche Planung auf sinnvolle und wirtschaftlichste Weise in die Gesamtenergiewirtschaft einordnen. Für die Anlaufzeit werden Starthilfen des Staates erforderlich sein. Die Grundsätze hierfür sind von der Bundesregierung bereits entwickelt worden. Sie sehen vor, den Investitionsträgern einen Teil eines möglicherweise bei den Erstanlagen noch entstehenden Verlustes abzunehmen, um so das heute noch bestehende übergroße Investitionsrisiko auf ein angemessenes Maß zurückzuführen.
    Ferner sollen zur Erleichterung der Baufinanzierung Bundesbürgschaften für aufzunehmendes Fremdkapital sowie langfristige ERP-Kredite gewährt werden.
    Es kann erwartet werden, daß nach Durchführung der in Aussicht genommenen Vorhaben die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind, um in größerem Stil mit dem Bau wettbewerbsfähiger Atomkraftwerke beginnen zu können. Ab 1965 etwa wird die Atomenergie dann als neuer, besonders dynamischer Energieträger an den Markt treten. Auch dann wird es sicherlich nicht zu überstürzten, das Gefüge der Energiewirtschaft störenden oder gar revolutionierenden Entwicklungen kommen, sondern es ist davon auszugehen, daß die Aufgabe der Atomenergie darin bestehen wird, in steigendem Maße einen Anteil an der laufenden
    3) Zuwachsrate der elektrischen Gesamtleistung einschließlich des Ersatzbedarfs zu übernehmen.
    Zu Punkt 6: Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich nicht nur im Kohlenbergbau, sondern auch in der Stahlindustrie und in wichtigen Zweigen der Verbrauchsgüterindustrie bedenkliche Schwächeerscheinungen zeigen?
    Wie beurteilt die Bundesregierung unter diesen Umständen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung? Hat sie Vorsorgegetroffen, um möglichen Verschlechterungen der Wirtschaftslage entgegenzutreten?
    Die Bundesregierung beschäftigt sich seit Beginn der Schwächeerscheinungen, die in der Eisen- und Stahlindustrie und in einzelnen Zweigen der Verbrauchsgüterindustrien entstanden sind, mit den damit zusammenhängenden Problemen. Sie schenkt der Entwicklung in diesen Bereichen besondere Beachtung. So wurden namentlich mit Vertretern der Textilindustrie in einer Reihe von Gesprächen Möglichkeiten erörtert, die Situation in den Branchen, in denen die Entwicklung ungünstig verläuft, zu verbessern.
    Ob man von einer „Verschlechterung der Wirtschaftslage" allgemein sprechen kann, scheint mir angesichts der unbestreitbaren Fakten mehr als zweifelhaft. Die Beschäftigtenziffer in der Bundesrepublik ist so hoch wie nie zuvor.
    Von der Seite der Zahlungsbilanz her sind wir keinesfalls zu einer restriktiven Wirtschafts- oder Handelspolitik gezwungen. Ganz im Gegenteil, unsere großen Währungsreserven sind ein besonders wichtiger Faktor für eine organische Weiterentwicklung unserer Wirtschaft.
    Die Preise haben eine erfreuliche Stabilität erreicht. Das Sozialprodukt zeigt gesundes Wachstum. Die gesunde Gesamtentwicklung erlaubt uns eine fühlbare Aufbesserung der Renten.
    Wenn dann in einzelnen Zweigen, wie in der Kohle, in Teilbereichen der Textilindustrie, ja vielleicht auch in der Eisen- und Stahlindustrie partielle Schwächeerscheinungen sichtbar werden, so verdienen sie selbstverständlich unsere ganze Aufmerksamkeit und Sorge. Aber ich möchte mit meinem Hinweis doch verhüten, daß diese Schatten uns die Sonnenseite der guten Konjunktur ganz verdunkeln.
    Die Absatzschwierigkeiten in den erwähnten Bereichen sind überwiegend auf vorangegangene Übersteigerungen zurückzuführen, die wiederum den Handel und die Verarbeiter zu überhöhten Lagerdispositionen veranlaßt haben. In den vergangenen Jahren habe ich häufig zum Maßhalten aufgefordert und vor diesen zu erwartenden Rückschlägen gewarnt.
    Auf den Konsumgütermärkten sind Wandlungen in der Struktur der Nachfrage eingetreten zugunsten der langlebigen Gebrauchsgüter wie Kraftfahrzeuge, Fernsehempfänger und elektrische Haushaltsgeräte. Außerdem nahmen die Ausgaben der Verbraucher für Urlaubsreisen und andere Dienstleistungen einen erhöhten Teil des Einkommens in Anspruch, — eine Entwicklung, die sich auch in anderen Ländern gezeigt hat und weitgehend auf die Erhöhung des Lebensstandards der Bevölkerung zurückzuführen ist. So konnte trotz des Anstiegs der Masseneinkommen um 8 % gegenüber 1957 nicht ausbleiben, daß die Nachfrage nach Textilien und Bekleidung weniger lebhaft war, zumal da wiederum mehr gespart wurde, was in einem Anstieg des Spareinlagenbestandes im Jahre 1958 um rund 23 % auf rund 36 Milliarden DM zum Ausdruck kommt. Das ist eine Entwicklung, die wir wohl alle nur begrüßen können.
    Soweit es in einzelnen Industrien zu Beschäftigungsrückgängen gekommen ist, sind diese von anderen Bereichen mehr als ausgeglichen worden. Dadurch hat sich die Gesamtbeschäftigung, von jahreszeitlich bedingten Schwankungen abgesehen, sogar weiter verbessert. Im Herbst des abgelaufenen Jahres erreichte die Zahl der Beschäftigten mit rund 19,4 Millionen den bisher höchsten Stand. Sie lag damit um 2 % höher als im Herbst 1957. Die Zahl der Arbeitslosen war um 11 % geringer. Von Kurzarbeit waren lediglich 0,3 % der Beschäftigten betroffen. Begünstigt durch die milde Witterung, überschritt die Beschäftigtenzahl Ende Dezember 1958 das entsprechende Vorjahresniveau um 3 %, die Zahl der Arbeitslosen war dagegen um 23 % niedriger.
    Trotz der Abschwächung der Weltkonjunktur, die bei der starken außenwirtschaftlichen Verflechtung der Bundesrepublik nicht ohne Einfluß auf die binnenwirtschaftliche Entwicklung bleiben konnte, hat



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    das gesamtwirtschaftliche Wachstum im vergangenen Jahr angehalten. Eine reale Steigerung des Sozialprodukts um rund 3% im Jahre 1958 kann unter den gegebenen Wachstumsbedingungen als ein gutes Ergebnis bezeichnet werden, das deutlich über dem internationalen Durchschnitt liegt. Die Entwicklung ist um so bemerkenswerter, als im Verlauf des Vorjahres der Preisauftrieb zum Stillstand gekommen ist.
    Seit dem Herbst machen sich in der Wirtschaft erneute Auftriebskräfte deutlich bemerkbar, und alle Anzeichen sprechen für eine Fortdauer der guten Konjunktur. Die bewußte Politik zur Senkung der Zinssätze, die gemeinsam von Bundesbank und Bundesregierung verfolgt wurde, hat dazu wesentlich beigetragen. In der gleichen Richtung wirkte sich der fortschreitende Abbau der Kassenreserven des Bundes aus.
    Die schon bisher von der Nachfrage besonders begünstigten Wirtschaftszweige wie die Bauwirtschaft und die Investitionsgüterindustrie werden voraussichtlich einen stimulierenden Einfluß auf weitere Bereiche ausüben. Auch der private Verbrauch und die öffentlichen Ausgaben werden zur Ausweitung der Nachfrage beitragen.
    Von der Außenwirtschaft dürften im Laufe dieses Jahres ebenfalls leichte Anregungen auf die Binnenkonjunktur ausgehen. Die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten erholt sich zunehmend, und auch in Europa sind die Voraussetzungen für eine baldige Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Wachstums günstiger geworden.
    Außerdem bietet die zunehmende Ergiebigkeit des Kapitalmarktes bessere Voraussetzungen für die Verwirklichung von weiteren Investitionen. Es ist anzunehmen, daß die gesamte Investitionstätigkeit im Jahre 1959 stärker zunehmen wird als im Vorjahr. Das gilt auch vor allem für die besonders kredit- und zinsabhängigen Bauinvestitionen, aber auch für die übrigen Investitionsbereiche.
    Schließlich lassen auch die Lagerbewegungen auf den Konsumgütermärkten erwarten, daß sich die zum Teil überhöhten Halb- und Fertigwarenbestände, die zu einer Zurückhaltung in der Auftragserteilung führten, in absehbarer Zeit weitgehend normalisiert haben. Durch die Anpassung der Produktion an die Marktbedingungen wird sich das Marktgleichgewicht im Verlauf dieses Jahres wohl wieder annähernd einstellen. Das gilt insbesondere auch für Eisen und Stahl. Hier ist der Abbau der überhöhten Walzstahlbestände beim Handel und bei den Verarbeitern ebenfalls in vollem Gange. Da die Zunahme des inländischen Stahlverbrauchs hei der lebhaften Investitionstätigkeit nach wie vor anhält, können die Aussichten für einen Wiederanstieg der Nachfrage nach Stahlerzeugnissen zuversichtlich beurteilt werden. Auch werden sich die Maßnahmen der Bundesregierung zur Belebung des Steinkohlenabsatzes wie das Vorziehen von Aufträgen der Bundesbahn auf die Beschäftigungslage der Stahlindustrie günstig auswirken.
    Die Bundesregierung ist nach eingehender Prüfung der allgemeinen konjunkturellen Situation der Auffassung, daß ein anhaltendes gesamtwirtschaftliches Wachstum bei weiterer Vollbeschäftigung als gesichert angesehen werden kann. Sie befindet sich darin in Übereinstimmung mit der Ansicht der Deutschen Bundesbank und der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute. Unter diesen Umständen halte ich es zur Zeit weder für erforderlich noch für zweckmäßig, der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit über die Anregungen hinaus, die von der Kapitalmarkt- und Zinsentwicklung ausgehen, durch konjunkturpolitische Maßnahmen zusätzliche Anreize zu geben. Derartige Maßnahmen würden mit hoher Wahrscheinlichkeit in den ohnehin kräftig expandierenden Zweigen unerwünschte Spannungen auslösen und die erfreulicherweise gewonnene Stabilität des Preisniveaus gefährden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Haus hat die Antwort der Bundesregierung entgegengenommen. Wir schreiten nunmehr zur gemeinsamen Aussprache über die Punkte 13 a und b der Tagesordnung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Deist.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Einer der wichtigsten Industriezweige der modernen Wirtschaft ist die Verpackungsindustrie. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat die Methoden der modernen Wirtschaft angewandt und seine Darlegungen zur Wirtschaftslage innerhalb der Energiewirtschaft in hervorragender Weise eingepackt.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Er hat einen in rosarotem Papier eingewickelten Introitus

    (Zuruf von der Mitte: Knallrot!)

    er war rosarot; der Herr Bundeswirtschaftsminister ist vorsichtiger als mancher in den Reihen seiner eigenen Partei — über die günstige Entwicklung der Wirtschaft in der letzten Zeit gegeben, und in seinem Exitus hat er diesen Faden wieder aufgenommen und seine Darlegungen in ähnlicher Färbung beendet.
    Das Problem ist nicht, ob wir uns in einer allgemeinen Konjunkturkrise befinden. Das hat niemand behauptet, und wir werden uns hüten, das zu behaupten. Das einzige Problem besteht darin — und darauf ist der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht eingegangen —, ob nicht das wirtschaftliche Wachstum inzwischen so schwach geworden ist, daß zur Bewältigung der schwierigen Anpassungsprozesse, in denen wir stehen, kein genügender Spielraum mehr vorhanden ist. Aber auch das ist nicht das Thema dieses Tages, sondern das Thema dieses Tages, das bei einer Großen Anfrage durch den Inhalt einer solchen Anfrage bestimmt sein sollte, ist die Lage in der Energiewirtschaft, insbesondere im Kohlebergbau. Hier liegt zweifellos — das kann man sagen, ohne daß man übertreibt und ohne daß man zu rosenrot malt, ein entscheidender Krisenherd vor. Die Aufgabe, die der Wirtschaftspolitik gestellt ist, besteht darin, dafür zu sorgen, daß diese Herde bereinigt werden, da-
    3228 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, tien 29. Januar 1959
    Dr. Deist
    mit sie sich nicht in ungünstiger Weise auf die übrige Wirtschaft auswirken. Deshalb werde ich über Introitus und Exitus des Herrn Bundeswirtschaftsministers hinweggehen, zumal ich annehme, daß sie nur dem Zweck dienten, eine wenigstens vorübergehende Schönwetterperiode auszulösen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Eine zweite Bemerkung! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich ausführlich mit der Entwicklung der Atomenergie und der Atomkraftwerke befaßt. Auch das ist nicht das eigentliche Thema des heutigen Tages. Ich bitte ihn, zu entschuldigen, wenn ich diesem Ausflug auf ein Nebengebiet nicht folge, sondern mich mit den speziellen Problemen, die uns heute wehtun, befasse.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat einen ausführlichen Überblick über die Maßnahmen und Verhandlungen der Bundesregierung gegeben. Man konnte danach beinahe den Eindruck einer ständigen intensiven gewaltigen Aktivität zur Behebung der Schwierigkeiten im Kohlebergbau und in der Energiewirtschaft haben. Verwunderlich ist nur, daß sich an den Schwierigkeiten im Kohlebergbau tatsächlich nichts geändert hat. Die Lösung kam dann auch ziemlich am Schluß, als der Herr Bundeswirtschaftsminister meinte, es sei mehr eine Verkettung unglücklicher Faktoren, die zu den augenblicklichen Schwierigkeiten geführt haben. Nun, glückliche Faktoren pflegen es normalerweise nicht zu sein, die Schwierigkeiten bereiten. Es ist Aufgabe der Wirtschaftspolitik, gerade mit unglücklichen Faktoren fertig zu werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es ist keine Entschuldigung für die Wirtschaftspolitik, zu sagen, daß unglückliche Faktoren vorhanden gewesen seien. Wir müssen vielmehr feststellen, daß es der Bundesregierung auch nicht im mindesten gelungen ist, die unglücklichen Entwicklungen vom Kohlebergbau und von der Energiewirtschaft fernzuhalten.

    (Abg. Dr. Friedensburg: Wir sind doch dabei!)

    Lassen Sie mich noch eine allgemeine Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers machen. Unsere Anfrage liegt einige Zeit zurück; sie ist im Dezember eingebracht worden. Mein Kollege Bleiß hat einige — wie mir scheint: wichtige — Zusatzfragen gestellt, die sich aus der Entwicklung in der Zwischenzeit ergeben haben. Ich muß sehr bedauern, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister keine Möglichkeit gefunden hat, auch nur wenigstens im Vorübergehen sein Konzept zu unterbrechen und auf die aktuellen Fragen, die heute gestellt worden sind, einzugehen.
    Mein Kollege Bleiß hat z. B. die nicht nur theoretische Frage gestellt: Was bleibt eigentlich von dem Konzept der Marktwirtschaft nach alledem, was in den letzten Monaten auf dem Gebiete der Kohle-und Energiewirtschaft geschehen ist, übrig? Das ist nicht nur eine theoretische Frage, sondern hier zeigt sich deutlich, daß das, was praktisch geschieht — und geschehen muß —, in einem eklatanten Widerspruch zu den vom Bundeswirtschaftsministerium ständig vertretenen Theorien und Doktrinen steht.
    Darauf ist es zurückzuführen, daß jede Maßnahme a) viel zu spät ergriffen wird, b) meist unzulänglich ist und infolgedessen naturnotwendig unwirksam sein muß. Das ist der Kern des Problems, vor dem wir heute stehen.
    Gestatten Sie mir deshalb, daß ich dazu einige Bemerkungen mache. Man kann Energiewirtschaftspolitik, man kann Kohlepolitik nicht erfolgreich betreiben, wenn man sich nicht wenigstens über die Struktur dieser Energiezweige klar ist. Man darf da nicht Prinzipien anzuwenden versuchen, die mit dieser Struktur einfach nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.
    Im November 1956 hatte die Koalition den Mut, hier eine Entschließung einzubringen, in der verlangt wurde, der Kohlebergbau solle nun endlich in die Marktwirtschaft eingegliedert werden. Ich weiß, daß Sie, Herr Kollege Friedensburg, bereits damals einige Bedenken hatten; aber die Entschließung entsprach jedenfalls der Auffassung der CDU/CSU-Fraktion.
    Im November 1957, als wir hier die letzte Kohledebatte führten, vertrat der Bundeswirtschaftsminister weiterhin diese Version. Er meinte, die von ihm geforderte Konkurrenz der Energieträger werde auf die Dauer zu einer besseren und wirtschaftlicheren Energieversorgung führen.
    Bereits 1958 wurde deutlich, daß auf diese Art dem Problem nicht beizukommen ist, denn es zeigten sich Anfang 1958 im Kohleabsatz die ersten Schwierigkeiten. Der Herr Bundeswirtschaftsminister tut nicht gut daran, zu behaupten, niemand habe diese Entwicklung voraussehen können. Im „Handelsblatt" vom 15. Januar 1958 ist nämlich nachzulesen, daß im Bundeswirtschaftsministerium bereits Berechnungen angestellt wurden, aus denen sich ergab, daß nach dem damaligen Stand der konjunkturellen Entwicklung für das Jahr 1958 mit einem Überangebot an Kohle in Höhe von 8 Millionen t zu rechnen sei. Wenn man diese Entwicklung einige Monate weiterverfolgt und auch die in der Eisen- und Stahlindustrie beobachtet hätte, wäre man sehr schnell zu dem Ergebnis gekommen, daß es nicht bei einem Überangebot von 8 Millionen Tonnen bleiben würde. Das war Anfang Januar 1958 im Bundeswirtschaftsministerium bekannt. Man sollte heute zur Entschuldigung der Untätigkeit in den letzten elf Monaten nicht sagen: Das konnte man alles nicht voraussehen.
    Am 23. Februar 1958 wurden dann die ersten Feierschichten an der Ruhr verfahren. Aber am 27. Februar meldete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", die Bundesregierung sehe keinen Anlaß, ihre Energiepolitik zu ändern, sie sei weiterhin auf Wettbewerb zwischen den Energieträgern gerichtet.
    Ende April 1958 fand dann das erste Kohlegespräch des Bundeskanzlers mit der Industriegewerkschaft Bergbau statt. Es endete damit, daß der Bundeskanzler feststellte, die Lage sei ernst, die Feierschichten seien unerwünscht und es müsse mit allen Mitteln Abhilfe geschaffen werden. Der Bundeswirtsondern bei der Industrie- und Handelskammer in schaftsminister war an diesem Tage nicht in Bonn, Stuttgart, wo er an eben diesem Tage erklärte, er



    Dr. Deist
    werde jede Intervention, insbesondere auf dens Einfuhrgebiet ablehnen.
    Tatsächlich geschah nach dieser ersten Besprechung zwischen dem Bundeskanzler und der IG- Bergbau nichts.
    Am 6. Juli 1958 standen die Wahlen in Nordrhein-Westfalen auf der Tagesordnung. Mit Rücksicht darauf lud am 2. Juni — vier Wochen vorher — der Bundeskanzler den Unternehmensverband Bergbau zu sich und richtete einen flammenden Appell an den Bergbau, die Feierschichten einzuschränken. Der Bundeswirtschaftsminister erhielt den Auftrag, auf die Mineralölwirtschaft einzuwirken und mit den Kohleimporteuren zu sprechen.
    Diese Unterhaltung hatte die bemerkenswerte Folge, daß ab Anfang Juni die Heizölpreise zu steigen anfingen. Das war die einzige Folge. Mitte Juli 1958 erreichten die Haldenbestände mit 8 Millionen Tonnen Koks und Kohle den Höchststand, der im Jahre 1932, im Tiefpunkt der Krise, erreicht worden war.
    Nun auf einmal zeigte sich die Schwierigkeit der Situation besonders deutlich. Herr Präsident Abs als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank verlangte eine Drosselung der Kohlenimporte. Aber die „Deutsche Zeitung" konnte über die Bundesregierung noch am 2. August vermelden, man werde weiter an der liberalen Energiewirtschaftspolitik festhalten.
    Am 4. August 1958 fand das zweite Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und der IG Bergbau statt. Das Ergebnis dieses Gesprächs ist der Öffentlichkeit nie recht klargeworden. Sicher ist, daß es wieder um die Heizölpreise ging. Sicher ist, daß ganz offensichtlich Vereinbarungen innerhalb der Heizölindustrie betrieben wurden und ein weiteres Ansteigen der Heizölpreise herbeigeführt wurde. Der Bundeswirtschaftsminister verkündete, als er aus dem Urlaub zurückkehrte, es handle sich um die Erhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem Energiemarkt. Die „Neue Zürcher Zeitung" war etwas kritischer. Sie stellte nämlich am 29. August 1958 fest:
    Eine Flucht in eine Art von stillschweigendem Ölkartell mit Angebotsverminderung und Preiserhöhung als Zweck und Folge zu Lasten der Heizölverbraucher würde naturgemäß das Bild freier Marktwirtschaft nicht gerade zieren.
    Das ist eine sehr vorsichtige, aber deutliche Kritik der Haltung des Bunde swirtschaftsministeriurns.
    Am 2. September 1958 folgte dann, man kann sagen, die Sinfonie mit dem Paukenschlag. Der Bonner Kohlefriede wurde geschlossen. Es wurde verkündet, nunmehr werde der Kohlenbergbau Kundenrabatte an die Großindustrie und an die Eisen- und Stahlindustrie geben. Der Hausbrand wurde dabei vergessen. Er hatte gerade vorher eine besondere Kohlenpreiserhöhung verkraften müssen. Außerdem wurde der Stopp der Einfuhrverträge Anfang September verkündet. Der Bundeswirtschaftsminister vertrat die Auffassung, das Gespenst der Feierschichten scheine gebannt zu sein, nunmehr würden die Haldenbestände abnehmen. Es handele sich auch nur um eine vorübergehende
    Maßnahme, im Winter könne man alles wieder rückgängig machen.
    In Wirklichkeit wurde nicht eine einzige wirksame Maßnahme getroffen. Der Lizenzstopp kam viel zu spät, nachdem inzwischen seit Anfang des Jahres über 20 Millionen Tonnen neue Importlizenzen erteilt worden waren. Zweifellos war dieser drastische Lizenzstopp nun schon nicht mehr eine schlechte Verzierung für die Marktwirtschaft, sondern war doch wohl ein heftiges Abweichen von der Marktwirtschaft. Der Effekt aber war folgender: Während die Haldenbestände am 31. August 10 Millionen t betrugen, wuchsen sie bis zum 30. September auf 13 Millionen t, was deutlich die Unwirksamkeit dieser Maßnahmen darlegt. Die Feierschichten stiegen ins Ungemessene. In Wirklichkeit geschah auch in dieser ganzen Zeit nichts.
    Um die Darlegungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers über die Aktivität der Bundesregierung ins rechte Licht zu setzen: Es gibt im Ruhrgebiet eine Zeitung, die der Bundesregierung nicht nur nahesteht, sondern die sich die Mühe gibt, beinahe jeden einzelnen Fußtritt von ihr

    (Heiterkeit)

    — Verzeihung, jeden einzelnen Schritt von ihr —sorgfältig mit Begeisterung zu begleiten.

    (Erneute Heiterkeit.)

    — Ja, manchmal haben solche Zungenschnalzer schon ihren Hintergrund.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Es sind die „Ruhrnachrichten" — dem Herrn Bundeskanzler sicherlich nicht ganz unbekannt. Sie schrieben am 8. November 1958 über die Tätigkeit der Bundesregierung: „Mit geradezu erschütternder Langmut und Geduld läßt Bonn den Dingen ihren Lauf." Sie sprachen da von platonischen Liebeserklärungen an den Bergbau, und dann hieß es, nachdem der Bergbau gewisse Importverträge nun abgelöst habe, sei jedenfalls die Lethargie, mit der man im Bundeswirtschaftsministerium seit langem der Problematik des Bergbaus gegenüberstehe, noch unverständlicher, als sie bisher schon gewesen sei.
    Ich habe dieser Charakteristik der Tätigkeit der Bundesregierung kein halbes Wort hinzuzufügen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Es folgten Protestkundgebungen, und es erfolgte nunmehr der massive Druck des Unternehmensverbandes Bergbau unter seinem neuen aktiven, aber sehr harten und sehr rücksichtslosen Vorsitzenden Burckhardt, den sich der Ruhrbergbau, weil er anscheinend über ähnliche Herren nicht verfügt, aus dem Aachener Revier ausleihen mußte, so daß erstmals ein Vertreter des Aachener Bergbaues Vorsitzender des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau wurde.
    Der Unternehmensverband unter der Führung des Herrn Burckhardt begann eine bemerkenswerte Methode zu verfolgen. Bereits Anfang November ließ er in private Gespräche, in Ver-



    Dr. Deist
    öffentlichungen und in Reden den Gedanken der Stillegung von Zechen und von Entlassungen einfließen. Am 13. November war er offenbar mit derselben Argumentation beim Herrn Bundeskanzler.
    Das schien selbst dem Herrn Bundeswirtschaftsminister etwas viel zu sein. Vor der Industrie- und Handelskammer in Augsburg äußerte er nämlich am 15. November 1958, man habe den Eindruck, daß die Regierung unter Druck gesetzt werden solle. Das war allerdings alles. Irgendeine Konsequenz wurde nicht gezogen. Im Gegenteil. Nachdem der Herr Bundeswirtschaftsminister noch am 16. September vor einem so repräsentativen Forum wie der Industrieausstellung in Berlin gemeint hatte, den Ratschlag erteilen zu sollen, der Bergbau solle doch, um die Kohlenhalden loszuwerden, „Schwarze Wochen" veranstalten, wie die Textilindustrie Weiße Wochen veranstalte,

    (Lachen bei der SPD)

    meinte er dann in Augsburg, auch wieder in dieser beschönigenden Weise, daß bisher Feierschichten eingeführt werden mußten, sei zwar unangenehm und unbequem, bedeute jedoch für den Bergmann keine soziale Katastrophe. Im November des Jahres 1958, meine Damen und Herren!

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich muß schon sagen: der Herr Bundeswirtschaftsminister hat damit sehr deutlich gezeigt, daß ihm die Zeichen der Zeit, der Ernst der Situation im Ruhrgebiet in diesem Augenblick in keiner Weise aufgegangen sind.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Er kann sich nicht wundern, daß seit diesem Augenblick die politische Entwicklung einfach über ihn hinweggegangen ist.
    In dieser Zeit, am 19. November 1958, fand dann das sogenannte große Kohlegespräch zwischen dem Bundeskanzler und der IG Bergbau statt. Es ging um Heizölverteuerung, es ging um den Kredit von 500 Millionen DM an die Bundesbahn, und es ging um die Ablösung von Importverträgen.
    Dem Unternehmensverband unter dem neuen Vorsitzenden schien die Situation noch nicht reif zu sein. Vor einer großen Veranstaltung des Unternehmensverbandes und der Wirtschaftsvereinigung Kohlebergbau am 10. Dezember 1958 sprach er nunmehr von der Möglichkeit einer Förderungseinschränkung von 10 bis 12 Millionen Tonnen, von einer Stillegung von 10 % der Jahresproduktion. Dort tauchte auch wieder die Möglichkeit der Entlassung von 100 000 Mann auf, und die Rationalisierung der zwanziger Jahre wurde als „beispielhafter Vorgang" dargestellt.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es lohnt sich, einige Sätze zu diesem „beispielhaften" Rationalisierungsvorgang der zwanziger Jahre zu sagen. In den Jahren 1923 bis 1925 wurden 67 Zechenanlagen stillgelegt. Die Bergarbeiterzahl wurde im Laufe von drei Jahren von 548 000 auf 367 000 reduziert; das heißt rund 187 000 Mann oder ein Drittel der Bergarbeiterschaft verloren ihre Arbeitsstätte. Das liegt allen denen, die an der Ruhr tätig sind und jene Zeit miterlebt haben, noch heute in den Knochen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Denn das war eine brutale und rücksichtslose Rationalisierung auf dem Rücken der Bergarbeiterschaft.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die wurden doch nicht alle erwerbslos, Herr Dr. Deist!)

    Es ist höchst unklug, in einer Situation wie der heutigen ein solches Beispiel als nachahmenswert in die Debatte zu werfen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Friedensburg: Das haben wir doch gar nicht getan!)

    — Nun, Herr Burckhardt muß wissen, was er tut, wenn er solche Reden hält. Als Erfolg dieser Reden erhielten wir am 12. Dezember die ersten Meldungen über das Kohlekartell. Der Bundeswirtschaftsminister meinte zwar, hier würde noch der Weg für den Wettbewerb in der Energiewirtschaft erhalten. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb dagegen von einer schweren Hypothek auf der Marktwirtschaft.
    Der wirtschaftliche Druck des Unternehmensverbandes wurde weitergeführt. Es ist sehr bezeichnend, daß in den Beratungen des Außenhandelsausschusses als einzige Begründung für die Einführung des Kohlenzolls angegeben werden konnte: Er mußte eingeführt werden, weil der Kohlenbergbau seine finanzielle Beteiligung an der Ablösung der Einfuhrverträge vom Erlaß des Kohlezolls abhängig machte.
    Meine Damen und Herren, das sind Methoden massiven wirtschaftlichen Druckes, denen sich die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen entgegen der ganzen Konzeption des Bundeswirtschaftsministers gebeugt hat. Lassen Sie es mich hier ganz deutlich aussprechen: das ist der Weg von der freien Marktwirtschaft zur völligen Kartellierung der Kohle- und Ölwirtschaft, wie sie kein anderes Land kennt, und zu einer Hochschutzzollmauer — in Höhe von etwa 50 bis 60 % — gegen Einfuhrkohle, eine Schutzmauer, wie sie kein anderes Land kennt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, das ist immer der Ausweg einer freien Marktwirtschaft, wenn sie am Ende ihres Lateins angelangt ist.

    (Beifall bei der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU.)

    Die Politik der freien Marktwirtschaft des Herrn Bundeskanzlers ist im Kohlenbergbau zweifellos am Ende ihres Lateins.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Das ist die Ursache dafür, daß hier letzten Endes die mächtigen Gruppen innerhalb der Energiewirtschaft das Übergewicht gewonnen und die Bundesregierung gezwungen haben, die wichtigen Entscheidungen über die Energiewirtschaftspolitik in die Zuständigkeit eines großen Kohle-Öl-Kartells zu geben, das durch einen Hochschutzzoll



    Dr. Deist
    gegen Außeneinwirkungen weitgehend abgesichert ist. Das ist das Ende der marktwirtschaftlichen Periode auf dem Gebiete der Energiewirtschaft.
    Aber nun das zentrale Problem: Was ist eigentlich mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung ergriffen hat, sachlich erreicht worden? Schließlich geht es uns allen ja nicht nur um die Auseinandersetzung über die Politik der Bundesregierung, sondern letzten Endes geht es uns allen darum, daß die Schwierigkeiten im Kohlenbergbau gemeistert werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das Problem des Kohlenbergbaues besteht darin, daß er einen recht starken Absatzrückgang zu verzeichnen hat. Dieser Rückgang des Bedarfs ist ganz überwiegend durch die Konjunkturentwicklung, insbesondere in der Eisen- und Stahlindustrie, bedingt. Es handelt sich um einen konjunkturellen Rückschlag, der aber sicher durch gewisse strukturelle Erscheinungen auf dem Gebiete der Mineralölindustrie verschärft wurde.
    Frage: Wie kann diesem Rückgang begegnet werden? Es gibt drei Möglichkeiten, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Die eine Möglichkeit besteht darin, den Verbrauch, die Nachfrage nach Kohle, zu heben, eine zweite Möglichkeit darin, das Angebot aus der Einfuhr zu senken, und eine dritte Möglichkeit darin, das Angebot aus der eigenen Förderung zu senken. Wenn man sachlich zur Lage des Kohlenbergbaus Stellung nehmen will, muß man sich, glaube ich, in erster Linie mit diesen drei Fragenkomplexen befassen.
    Ich will jetzt wiederum nicht von der allgemeinen Konjunkturbelebung sprechen. Ich will nicht davon sprechen, daß es in diesem Jahr wiederum nicht gelungen ist, durch eine durchgängige Arbeit in der Bauwirtschaft gerade im Winter eine bessere Beschäftigung der Bauindustrie, der Baustoffindustrie und damit auch des Kohlenbergbaus herbeizuführen, sondern ich will mich mit den Möglichkeiten befassen, die Lage des Kohlenbergbaus durch öffentliche Aufträge zu erleichtern.
    Ich habe mich sehr gewundert, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister ungeachtet der Darlegungen meines Freundes Bleiß einfach wieder behauptet hat, bei der Auftragserteilung durch die Bundesbahn handle es sich um einen zusätzlichen Auftrag von 500 Millionen DM, ohne sich auch nur im mindesten mit der Argumentation meines Freundes Bleiß auseinanderzusetzen, daß es sich, weil die Investitionen vorher, Mitte 1958, im Hinblick auf die konjunkturellen Schwierigkeiten gedrosselt worden waren, gar nicht in diesem Umfang um eine zusätzliche Investitionsspritze handelt und daß infolgedessen die Auswirkung auf den Kohlenbergbau denkbar gering ist. Diese Bundesbahnaktion ist eine völlig unzulängliche Maßnahme. Es kommt hinzu, daß sich die Bundesregierung auf all den übrigen Gebieten der öffentlichen Unternehmenstätigkeit und der öffentlichen Auftragstätigkeit nicht dazu aufraffen kann, wirklich ein Beschäftigungs-, ein Auftragsprogramm zu entwerfen und durchzuführen, das gezielt zu einer größeren Beschäftigung in der Eisen-und Stahlindustrie und im Kohlenbergbau führen könnte. Es erscheint mir höchst bedauerlich, daß die Notwendigkeit dieses Schritts, der für sich allein das Problem nicht lösen kann, der aber eine wesentliche Erleichterung bringen könnte, von der Bundesregierung so wenig eingesehen wird.
    Offenbar soll auch das Kohle-Öl-Kartell dazu dienen, die Nachfrage anzuregen, indem der Verbrauch von Heizöl gedrosselt wird. Nun, meine Damen und Herren, dieses Kohle-Öl-Kartell, dessen Einführung ein Erfolg des Drucks des Unternehmensverbandes Bergbau ist, sollte man einer etwas kritischeren Untersuchung unterziehen. Das KohleÖl-Kartell soll sich nur auf schweres Heizöl beziehen. Das ist also das Heizöl, das an den industriellen Sektor geliefert wird. Es ist auch richtig, das leichte Heizöl tut dem Kohlenbergbau im Augenblick nicht weh. Die Haldenzugänge an Hausbrand-kohle halten sich in einem sehr bescheidenen, jedenfalls keineswegs beängstigenden Rahmen.
    Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie kann bei der augenblicklichen Situation ein Kohle-Öl-Kartell zur Beseitigung der Haldenbestände und der Feierschichten wirken? Ich glaube, es bedarf keiner Betonung, daß derjenige; der sich eine Apparatur für Heizöl eingerichtet hat, insbesondere die große Anzahl von mittleren und kleineren Unternehmungen, die Heizöl vor allem für industrielle Zwecke verwenden, auch bei einer geringen Preiserhöhung nicht etwa die Heizölapparatur wieder herausreißt. Davon kann keine Rede sein. Weniger verbraucht wird also nicht.
    Es ist auch gut, sich einmal die Größenordnungen zu vergegenwärtigen. Im Jahre 1958 ist der Heizölverbrauch im industriellen Sektor insgesamt um etwa 1,3 Millionen t gestiegen. Das macht umgerechnet etwa 1,8 Millionen t Steinkohle aus, knapp 2 Millionen t Steinkohle, bei einem gesamten Energieverbrauch in der Bundesrepublik von 180 Millionen t Steinkohleeinheiten eine Steigerung des Verbrauchs von schwerem und mittlerem Heizöl um etwa 1 %.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Preusker.)

    Meine Damen und Herren, niemand erzähle uns, daß das eine irgendwie entscheidende Angelegenheit sei, die die kurzfristige Entwicklung des Kohleverbrauchs auch nur irgendwie wesentlich beeinträchtigen könnte.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Das heißt, dieses Kohle-Öl-Kartell bringt keine Erleichterung für die augenblickliche Situation, die durch Haldenzugänge und Feierschichten gekennzeichnet ist.
    Anders ist die langfristige Entwicklung zu beurteilen. Sicherlich ist die Entwicklung der Mineralölwirtschaft auf lange Sicht ein entscheidendes Problem auch für den Kohlenbergbau. Denn das wird eine schwere, eine sehr leistungsfähige und — wie ich hinzufügen möchte — eine moderne Konkurrenz. Aber es fragt sich sehr, ob eine vernünftige Entwicklung, die diesem Charakter des Mine-



    Dr. Deist
    ralöls und Heizöls Rechnung trägt, auf lange Sicht durch die Schaffung eines privaten Kohle-Öl-Kartells gesichert werden kann, das jedenfalls zunächst nur zu Preiserhöhungen ohne jede Rücksicht auf den Verbraucher führt.
    Solche Kartelle haben doch zwei Gefahren in sich. Wenn sie funktionieren, führen sie zu einer Verfestigung der Situation, nicht zu einer Auflokkerung, d. h. sie haben die Tendenz, zu bleiben. Außerdem führen sie zu Strukturveränderungen, die nur unerwünscht sein können, weil sie nämlich mit der gewünschten fortschrittlichen Entwicklung nicht in Übereinstimmung stehen. Hier wird der Kohle- und der Ölwirtschaft auf lange Sicht die Möglichkeit gegeben, ihre Interessen auf Kosten der Verbraucher auszugleichen, ohne daß der Verbraucher und ohne daß die öffentliche Hand einen Einfluß auf diese für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung so entscheidende Entwicklung der Energiewirtschaft nehmen kann.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Wollen Sie Konkurrenz?)

    — Ich will sogar Konkurrenz zwischen Heizöl und Kohle. Sie werden sich wundern! Ich werde das nachher noch darzulegen mich bemühen. Herr Atzenroth, ich habe den Eindruck, Sie sollten das, was wir über unsere Politik sagen, eigentlich wissen, darum sollten Sie gelegentlich die Veröffentlichungen der Sozialdemokratie durchlesen. Dann würden Sie nämlich erfahren können, daß wir dort, wo Wettbewerb in der Wirtschaft heute möglich
    ist, ihn einführen und ihn schützen möchten. Wir geben uns aber nicht der Illusion hin, dort, wo die Voraussetzungen für einen Wettbewerb überhaupt nicht mehr gegeben sind, die Verhältnisse dadurch ändern zu können, daß wir so tun, als ob wir Wettbewerb einführen, in Wirklichkeit aber einigen mächtigen, marktbeherrschenden Unternehmungen die Entscheidungen in die Hand spielen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das zweite Problem, das zur Erörterung steht, ist die Senkung der Einfuhr. Hier handelt es sich um ein wichtiges und entscheidendes Problem. Man braucht nur zwei Zahlen zu kennen. Die Halden an der Ruhr haben im Jahre 1958 um 14,5 Millionen Tonnen zugenommen. Die Einfuhr an Kohle betrug im gleichen Jahre 16,2 Millionen Tonnen. Da zeigt sich sehr deutlich der enge Zusammenhang zwischen der Einfuhr und der Entwicklung der Haldenbestände und der Feierschichten. Wenn man diese Entwicklung sieht, mutet einen die Einfuhrpolitik — wenn ich das mal so nennen darf — der Bundesregierung geradezu wie eine Groteske an.
    Ende 1957 war zu spüren, daß wir Schwierigkeiten im Absatz bekamen. Ich sagte: im Februar 1958 waren die ersten Feierschichten. Und was geschah? In den Monaten Februar und März, in den Monaten, in denen die Entwicklung deutlich an der Zunahme der Feierschichten abzulesen war, wurden für 17 Millionen Tonnen Kohle neue Einfuhrlizenzen gegeben.

    (Lebhafte Rufe: Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Wehner: Das pendelte sich ein!)

    Vor dem Lizenzstopp in der Zeit vom 2. bis 6. September wurden noch einmal für 2,4 Millionen Tonnen Einfuhrlizenzen gemeldet. In der Zeit von Februar bis September, in der Zeit, in der die Feierschichten und die Haldenbestände zunahmen, wurden neue Einfuhrlizenzen in Höhe von rund 24 Millionen Tonnen vorgelegt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wenn man dieser Entwicklung im Februar begegnet wäre, dann hätten wir heute statt mit Einfuhrverträgen über 35 Millionen Tonnen mit Einfuhrverträgen über 10 bis 15 Millionen Tonnen zu rechnen. Hier wird die Verantwortung der Bundesregierung und das erschütternde Versagen in der Einfuhrpolitik deutlich.
    Meine Damen und Herren, es kommt ein Zweites hinzu. Im Oktober 1958 sind diese Fragen im Ministerrat der Montan-Union besprochen worden. Die Bundesregierung wurde gefragt, wie hoch denn nun eigentlich die Einfuhren an Kohle effektiv seien. Die Bundesregierung hat damals mitgeteilt, sie sei nur über die Lizenzerteilung für die Kaufverträge unterrichtet; über die Charterverträge wisse sie nicht Bescheid, sie habe auch keine rechtliche Handhabe, Näheres zu erfahren.
    Inzwischen sind drei Monate vergangen, und bis heute hat die Bundesregierung keine Zeit gefunden, sich eine genauere Übersicht über die Struktur der Einfuhr und dessen, was an Einfuhrverträgen schwebt, zu beschaffen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Auch das ist einfach nicht zu verantworten von einer Bundesregierung, die in Anspruch nimmt, daß sie sich ihrer Verantwortung gegenüber der deutschen Bevölkerung bewußt ist.
    Wir wissen nur eines: Der Bundeswirtschaftsminister hat im Außenhandelsausschuß mitgeteilt, daß die erteilten Lizenzen global insgesamt etwa 36 Millionen Tonnen ausmachen, daß das Gros davon nach USA vergeben ist und daß 60 bis 70 % hiervon auch wieder von den Zechen-Handelsgesellschaften abgeschlossen worden sind.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das heißt, daß sich die Kohle auch heute wieder auf ihrem eigenen Sektor durch ihre Zechen-Handelsgesellschaften eine ruinöse Konkurrenz bereitet.

    (Erneute Hört!-Hört!-Rufe von der SPD.)

    Wir wissen seit der Reise einiger Vertreter des Unternehmensverbandes nach den USA, daß von den 36 Millionen Tonnen etwa 15 bis 18 Millionen Tonnen bis zum Verbraucher durchgehandelt sind. Über die anderen 20 Millionen Tonnen ist einfach nichts festzustellen. Die Bundesregierung hat gestern im Handelspolitischen Ausschuß auf die Frage keine erschöpfende Antwort geben können. Sie weiß nicht, inwieweit hier Luftaufträge bestehen, wie weit die Lizenzen überhaupt in Anspruch genommen worden sind und inwieweit wirklich verbindliche Verträge mit den Importeuren abgeschlossen worden sind. Wie will man bei einer völligen Unkenntnis über die Fakten dann überhaupt Einfuhrpolitik betreiben?

    (Beifall bei der SPD.)




    Dr. Deist
    Wenn die Bundesregierung zwölf Monate versäumt, Kohlepolitik zu betreiben, dann bleibt es nicht aus, daß sie, nachdem sie so spät kommt, zu drastischen Maßnahmen greifen muß, und die müssen sehr ungünstige und unerwünschte Folgen haben. Der Herr Bundeswirtschaftsminister weiß theoretisch ganz genau, daß zu den wichtigen Erkenntnissen der modernen Konjunkturwissenschaft der Grundsatz gehört: Man kann Schwierigkeiten in der Wirtschaft um so leichter begegnen, je früher man ihnen begegnet. Er weiß ganz genau, daß er heute die Kosten dafür zu bezahlen hat, daß er, jedenfalls auf dem Gebiet der Einfuhrpolitik, 11 bis 12 Monate gewartet hat.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Dann kommt die Verordnung über den Kohlenzoll auf uns zu, die uns nunmehr innerhalb von 24 Stunden in einer veränderten Fassung vorgelegt worden ist. Mit einem solchen Kohlenzoll übernimmt doch die Bundesregierung eine gewisse wirtschaftspolitische Verantwortung. Wie wollen Sie eigentlich diese Verantwortung übernehmen, wenn Sie den Tatbestand, auf den dieser Kohlenzoll wirkt, überhaupt nicht kennen? Gestern noch waren es 4,25 Millionen Tonnen, die kontingentsfrei hereingelassen werden sollen, davon 3,5 Millionen Tonnen USA-Kohle. Wußte die Bundesregierung eigentlich nicht, daß die fünf großen Küstenstädte an der Nord-und Ostsee, Kiel, Lübeck, Hamburg, Bremen und Emden, bereits für 4 Millionen Tonnen Kohle für 1959 fest abgeschlossen haben und daß das Gebiete sind, die in traditioneller Weise immer Auslands-
    1) kohle eingeführt haben und von diesen Einfuhrverträgen einfach nicht herunterkommen können? Wußte die Bundesregierung nicht, daß in Bayern, in Baden-Württemberg und Hessen zahlreiche Kraftwerke — nicht aus Übermut, sondern weil der Kohlebergbau nicht in der Lage und nicht bereit war, sie mit Kohlen zu beliefern — langfristige ernsthafte Einfuhrverträge abgeschlossen haben, so daß man insgesamt mit einem Einfuhrvolumen von etwa 8 bis 9 Millionen Tonnen rechnen muß? Weiß die Bundesregierung, daß die Ablösungskosten zwischen 25 und 35 Mark betragen? Meinen Sie wirklich, daß es eine gute Sache ist, 300 oder 500 Millionen DM für 10 oder 15 Millionen Tonnen einfach als Kosten für eine fehlgeleitete Kohlepolitik hinauszuwerfen?
    Die Bundesregierung weiß, daß durch den Kohle-zoll die Einfuhr mit diesen 4,25 oder 5 Millionen t nicht einfach abgeschnitten werden kann, sondern daß mehr eingeführt werden muß. Sie weiß also, daß darauf der Kohlezoll gezahlt werden muß. Meint sie wirklich, daß sie darüber hinweg kann und sagen kann: „Ich hoffe, daß keine Preiserhöhungen kommen", obwohl sie genau wissen muß, daß die Bezieher zum großen Teil diese zusätzliche Belastung von 20 DM Zoll einfach nicht tragen können, sondern weitergeben müssen? Hat man sich überlegt, daß es bei den Kraftwerken, insbesondere soweit es Gaswerke sind, die Neigung, auf 01 umzuschalten, durch diese Kohlezollpolitik noch größer wird, als sie vorher schon gewesen ist?!

    (Beifall bei der SPD.)

    Wer eine solche Wirtschaftspolitik treibt, ist vergleichbar einem Blinden, der mit der Stange im Nebel herumfuhrwerkt.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Wenn man sich ansieht, was die Bundesregierung gestern im Außenhandelsausschuß an Auskünften gegeben hat, dann kommt man zu dem ganz eindeutigen Ergebnis: die Einfuhren werden wesentlich über den 4,25, ja, über 5 Millionen t liegen. Es kann auch kein Zweifel darüber bestehen, daß sich daraus nicht unwesentliche Preiserhöhungen ergeben. Der Herr Bundeswirtschaftsminister oder sein Vertreter hat eindeutig gesagt, daß damit die Haldenzugänge nicht beseitigt werden, sondern die Zunahme an Halden nur verlangsamt werden wird.

    (Abg. Wehner: Hört! Hört!)

    Sehen Sie, das ist das Ergebnis dieser groß angekündigten Kohlezollaktion.
    Heute wird uns plötzlich eine neue Berechnung vorgelegt, wonach es statt 4,25 Millionen auf einmal 5 Millionen t sind. Von den 5 Millionen t sind präterpropter 4,1 Millionen t USA-Kohle. Daß die Konsequenzen bei 4,1 Millionen t nicht wesentlich anders sind als bei 3,5 Millionen t, brauche ich wohl nach den Zahlenangaben, die ich eben gemacht habe, nicht besonders zu sagen. Aber das ist doch ein Zeichen dafür, was für Kurzschlußreaktionen kurz vor Toresschluß, kurz vor dieser Debatte erfolgen, die mit vernünftiger Wirtschaftspolitik einfach nicht mehr zu vereinbaren sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Man hat nicht einmal Zeit gefunden, mit der Hohen Behörde, die bereit war und bereit ist, der Bundesregierung Rückenstützung für diesen Kohle-zoll zu geben, rechtzeitig Fühlung zu nehmen, sondern hat erst nachträglich den Frieden mit dieser Umwandlung von 4,25 auf 5 Millionen t einigermaßen wiederhergestellt, nachdem die Hohe Behörde sehr deutlich ihren Unwillen über dieses abrupte, ohne sie und gegen den Vertrag erfolgte Vorgehen zum Ausdruck gebracht hat.
    Gestern noch hat der Herr Bundeskanzler an den Herrn Bürgermeister Engelhardt in Hamburg ein dringendes Telegramm geschickt, worin er sagte, eine Erhöhung der 4,25 Millionen t sei völlig unvertretbar, weil sie den Erfolg der Maßnahme in Frage stelle.

    (Lachen bei der SPD.)

    Ist das nun heute ganz anders? Wer informiert eigentlich den Bundeskanzler, und wer macht hier eigentlich große Wirtschaftspolitik?

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Effekt ist nach dem Ergebnis dieser Sitzungen jedenfalls, daß wir weiter eine Einfuhr von 8 bis 9 Millionen t haben — auch das ist in dem Außenhandelsausschuß ziemlich klar geworden — und daß der Zoll zu nicht unwesentlichen Preiserhöhungen führen muß.



    Dr. Deist
    Meine Damen und Herren, diese Überlegungen werden bestätigt durch die Prognose der Montanunion für das Jahr 1959. In dieser Prognose, die mit dem deutschen Bergbau abgestimmt ist — der deutsche Bergbau wollte 5 Millionen t mehr Förderung veranschlagt haben, als nachher veranschlagt worden ist —, kommt man zu dem Ergebnis, daß bei 6 Millionen t Einfuhren die Haldenzugänge im Jahre 1959 4 Millionen t betragen werden, ohne daß die Feierschichten gegenüber dem Jahr 1958 erhöht zu werden brauchten.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Der Kohlenzoll wird also zwar far den Kohlenbergbau eine gewisse Entlastung bringen; es wird möglich sein, einen Teil der Einfuhren damit fernzuhalten. Aber die Haldenzugänge werden nicht gestoppt, sie werden nur verlangsamt werden. Das eigentliche Problem wird damit nur zu einem Teil bereinigt, eine Lösung der Schwierigkeiten im Kohlenbergbau ist damit nicht verbunden.
    Aber ein Zweites! Dieser Kohlenzoll bringt unsere ganzen Außenhandelsbeziehungen in Unordnung und kostet uns einen ungeheuren Vertrauensverlust in der übrigen Welt.

    (Sehr richtig! bei der SPD und der FDP.)

    Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg war es wohl, der uns gerade offiziell mitgeteilt hat, daß bei den Howaldtwerken die erste Annullierung von Aufträgen angekündigt worden ist mit Rücksicht auf den Kohlenzoll und daß, wenn es zu dieser Annullierung kommt, das Arbeitslosigkeit für 3 000
    B) Menschen für ein Jahr bedeutet. Das ist die Folge einer solchen Politik. Außerdem ruinieren Sie völlig den inneren Kohlenmarkt, der bereits jetzt durch die Ankündigung des Kohlezolls total durcheinandergeraten ist.
    Ich bestreite nicht, daß die Bundesregierung, nachdem sie 12 Monate gewartet hat, heute vielleicht keinen anderen Ausweg mehr hat, um eine kleine Erleichterung in der durch die wachsenden Kohlenhalden gekennzeichneten Situation zu schaffen. Aber dieser unglückliche Kohlenzoll ist ein Ergebnis der Politik dieser Bundesregierung bzw. das Ergebnis ihres Verzichts auf eine wirksame Kohlepolitik. Sie mag die Verantwortung dafür allein übernehmen; wir werden sie ihr nicht abnehmen. — Das zum Problem der Einfuhr.
    Das dritte Problem ist das der Senkung der Förderung. Bis zum 18. Januar dieses Jahres sind im Kohlenbergbau 3 Millionen Feierschichten verfahren worden. Dadurch hätte eigentlich die Förderung um etwa 4,2 Millionen t abnehmen müssen. Darüber hinaus ist die Belegschaftsstärke im Laufe eines Jahres um 21 000 Mann gesunken, d. h. um 4 %. Die Förderung ist bis zum Oktober 1958 angestiegen; dann ist sie bis Dezember im Vergleich zum Vorjahr um 500 000 t abgesunken, d. h. praktisch gleichgeblieben.
    Es ist wichtig, sich zu überlegen, woran das eigentlich liegt. Von diesen 21 000 Mann, die vom Kohlenbergbau abgekehrt sind, entfallen 20 200 Mann auf Schichtlöhner über und unter Tage und ganze 800 Mann auf die Gedingelöhner, also diejenigen, die die Kohle vor Ort herausholen. Was hat hier der Bergbau praktisch gemacht? Er hat die Arbeitskräfte, die man als unproduktive Arbeitskräfte zu bezeichnen pflegt, entlassen. Damit hat er seine Förderung gehalten und seine Ertragslage verbessert. Das heißt: Beibehaltung der Förderung, Verbesserung der Kostenlage zu Lasten der Arbeitnehmer, die die Kosten durch Entlassungen und Feierschichten zu tragen haben.

    (Abg. Dr. Hellwig: Sind das Entlassungen oder Abgänge, die nicht ersetzt wurden? — Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard: Keine Entlassungen!)

    — Aber doch keine Spiegelfechtereien, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn der Kohlenbergbau anfängt, Feierschichten zu machen, und wenn er hier und da seine Belegschaften durchsiebt und dabei gewisse Entlassungen vornimmt, so wirkt das auf die anderen, die noch jung sind und wechseln können, so, daß sie sich beschleunigt nach einem anderen Arbeitsplatz umsehen. Man wird doch nicht in den Jahren 1956/57 320 000 DM für Bergarbeiterprämien ausgegeben haben, mit denen Bergarbeiter herangezogen werden sollten, um dann durch eine solche Wirtschaftspolitik diese Arbeitskräfte dem Bergbau wieder verlorengehen zu lassen!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Damit will ich sagen, diese Methode der Belegschaftspolitik hat dazu geführt, daß die Förderung nicht abgesunken, sondern völlig gleichgeblieben ist — mit einigen bemerkenswerten Folgen —, weil nämlich Feierschichten und Entlassungen — auch sie sind ja dabei; die 21 000 Mann sind nicht alle freiwillig abgekehrt — einen solchen psychologischen Druck im Bergbau ausüben, daß die persönliche Arbeitskraft zum Teil übersteigert wird. Die IG Bergbau hat in ihrer Denkschrift nachgewiesen, daß diese Entwicklung zu höheren Unfallziffern im Bergbau geführt hat.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir wissen, welches soziale Klima durch diese Methode der Kohlepolitik an der Ruhr in der Zwischenzeit geschaffen worden ist.
    Das Problem für den Kohlebergbau besteht nicht darin, die Förderung einzuschränken. Tatsächlich ist nicht damit zu rechnen, daß der Kohleverbrauch auf lange Sicht absinkt. Auf lange Sicht werden wir auch in Deutschland etwa die gleichen Kohlenmengen benötigen, wenn nicht noch mehr als in der Vergangenheit.
    Darum ist eine Stillegung von Unternehmungen eine unerwünschte, unzweckmäßige, ja, gefährliche Maßnahme, weil sie nämlich unter Umständen Fördermöglichkeiten nimmt, die wir in einem bis zwei Jahren bei stärkerem Wirtschaftsaufschwung wieder benötigen. Darum bin ich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister dankbar. Wir werden die Bundesregierung beim Wort nehmen, daß sie, wie sie ausdrücklich erklärt hat, Stillegungen in diesem Sinne ablehne.
    Auf das Problem der langfristigen Anpassung werde ich noch besonders eingehen. Das ist ein ganz anderes Problem.



    Dr. Deist
    Unser Problem liegt darin, daß wir den Schwierigkeiten im Kohlebergbau allein mit der Einfuhrdrosselung nicht beikommen. Die Methode der Feierschichten, der Entlassungen führt eher zur Fördersteigerung als zur Fördersenkung. Wir stehen wirklich vor der entscheidenden Frage: gibt es keine Methode, eine kurzfristige Fördersenkung herbeizuführen, die uns nicht auf lange Sicht mit einem Abfall der Förderung belastet? Das ist ein ernstes Problem, das wir auch ernst behandeln sollten.
    Die Industriegewerkschaft Bergbau hat vorgeschlagen — und nun hören Sie sich wenigstens die Argumentation dazu einmal an , die Lösung über eine Arbeitszeitverkürzung durch Einführung der Fünf-Tage-Woche bei einer täglichen Arbeitszeit von 7 1/2 Stunden herbeizuführen.

    (Abg. Dr. Friedensburg: Sind Sie auch sonst geneigt, der Industriegewerkschaft Bergbau zu folgen?)

    — Ich habe die Industriegewerkschaft Bergbau vor allem zitiert, weil sie diese Forderung in den Vordergrund gestellt hat und weil diese Forderung mit den Auffassungen der Sozialdemokratie übereinstimmt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber, Herr Kollege Friedensburg, ich hatte gerade gebeten, einmal die Argumentation anzuhören.
    Wir wissen natürlich, daß ein solcher Lösungsversuch mit Problemen behaftet ist. Darum meine ich, wir sollten versuchen, die Probleme einmal in Ruhe zu diskutieren. Das möchte ich wenigstens versuchen.
    Zunächst einmal muß man zur Kenntnis nehmen, daß die vielbeleumdeten Länder Großbritannien und Frankreich mit ihrem „fürchterlichen" nationalisierten Kohlebergbau — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat das heute in bewegten Worten geschildert — seit langer Zeit die Fünf-Tage-Woche eingeführt haben. In Großbritannien wird fünf Tage à 7,5 Stunden, d. h. 37,5 Stunden in der Woche, unter Tage gearbeitet, in Frankreich fünf Tage à 7,75 Stunden, das sind 38,7 Stunden in der Woche, unter Tage, bei uns in Deutschland sechs Tage mit 43 1/2 Stunden. Wir sind also sozial erheblich im Rückstand. Daß wir etwa wettbewerbsmäßig benachteiligt würden, wenn wir in gleicher Weise wie diese fortschrittlichen Länder zur FünfTage-Woche übergingen, wird wohl niemand ernsthaft behaupten können.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Lassen Sie mich einmal zu Ende argumentieren!
    Die Feierschichten und Entlassungen führen zur Fördersteigerung. Globale Arbeitszeitverkürzungen geben uns in dieser Situation eine seltene Chance. Sie führen nämlich in der Regel zunächst einmal zu einem Abfall der Förderung. Auf längere Sicht aber wird dieser Ausfall erfahrungsgemäß durch Anpassung im Betriebe, Rationalisierungsmaßnahmen und dergleichen wieder aufgeholt. Das ist eine alte Erfahrungstatsache, die wir auch mit früheren Arbeitszeitverkürzungen im Bergbau gemacht haben. Sie können sich darüber sowohl bei
    Unternehmer- als auch bei Arbeitnehmerorganisationen im Kohlebergbau erkundigen. Wir haben hier also eine einzigartige Chance, mit einer fortschrittlichen Maßnahme eine sofortige wesentliche Senkung der Förderung herbeizuführen, mit der Chance, den Förderausfall mit steigender Besserung der Wirtschaftslage ohne größere Schwierigkeiten wieder wettzumachen.

    (Zurufe von der Mitte: Preiserhöhung!)

    — Meine Damen und Herren, ich kann nicht drei Gedankengänge auf einmal vortragen. Es folgt jetzt der dritte.

    (Lachen in der Mitte.)

    Das Problem besteht natürlich darin: Wer soll das bezahlen? Ich habe gar nicht die Absicht, um dieses Problem herumzugehen.

    (Zuruf von der Mitte: Der Steuerzahler!)

    — Was der Steuerzahler an Milliardenbeträgen in den vergangenen Jahren in den Kohlebergbau hineingesteckt hat, hat uns der Bundeswirtschaftsminister im November des Jahres 1957 ausgezeichnet vorgerechnet.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber ich möchte das Problem in Ruhe behandeln, weil auch wir uns bewußt sind, daß solche Probleme nicht einfach im Handgalopp gelöst werden können, sondern daß man sie schon ernsthaft diskutieren muß.
    Man muß, glaube ich, von zweierlei ausgehen. Wenn in der augenblicklichen Konjunktursituation die Frage aufgeworfen wird, wie dem Kohlebergbau geholfen werden soll, brauchen wir einmal eine Fördersenkung, und zweitens können wir ungeachtet der rosaroten Brille, die der Herr Bundeswirtschaftsminister gelegentlich aufsetzt, nicht übersehen, daß eine stärkere Senkung der Kaufkraft insbesondere in einem solchen massierten Industriegebiet wie dem Ruhrgebiet einfach nicht tragbar ist.
    Ich stimme dem Herrn Bundeswirtschaftsminister zu, daß das Bild der Wirtschaft sehr ungleichmäßig ist, daß wir Industriezweige mit einem sehr guten Produktivitäts- und Produktionsfortschritt haben. Immerhin sind etwa 30 % der Industrieproduktion im Zustand der Stagnation oder sogar in einem ausgesprochenen Schwächezustand. Das Wesentliche an dieser Situation aber ist, daß der private Verbrauch insgesamt nur noch sehr schwach ansteigt. Das ist eine Tatsache, die, glaube ich, unbestritten ist. Das heißt, in dieser Situation können wir nicht vertragen, daß im Ruhrgebiet über Lohneinbußen in der Stahlindustrie und im Kohlenbergbau — und in diesen Industriezweigen ist die Masse der Arbeiterschaft des Ruhrgebiets beschäftigt — die Kaufkraft und damit die private Nachfrage verringert wird.
    Darum muß aus konjunkturpolitischen Gründen
    — nicht nur aus sozialpolitischen Gründen — dieser Lohnausgleich durchgeführt werden. Das ist eine unerbittliche Konsequenz, und um die kommt man nicht herum, indem man sagt, der Steuerzahler usw. usw. Die Frage ist natürlich, wie solche Kosten in vernünftiger Weise aufgebracht werden sollen.



    Dr. Deist
    Die Höhe des Betrags, den ein solcher Lohnausgleich ausmacht, ist umstritten. Ein Teil der Angaben liegt mit 360 Millionen ziemlich niedrig, es gibt aber auch Angaben, die bei 600 und mehr Millionen liegen. Ich will einmal von einer im oberen Drittel liegenden Zahl von 5- bis 600 Millionen ausgehen. Sie dürfte etwa zutreffend sein, jedenfalls wird keine höherliegende Zahl anzunehmen sein.
    Es gibt im Kohlebergbau zahlreiche gut rentierende Bergbauunternehmungen, die in der Lage sind, diesen Lohnausgleich zu zahlen. Ich gehe einmal davon aus, daß es vielleicht die Hälfte von diesen 5- bis 600 Millionen DM sind — d. h. 250 bis 300 Millionen DM —, die aufgebracht werden müßten.
    Nun sollte man sich zunächst die Größenordnung von 250 bis 300 Millionen DM ansehen. Ich will vom Grünen Plan gar nicht sprechen; dann kommen wir in uferlose Vorstellungen. Aber die Bundesregierung hat zugunsten des Bergbaus die Knappschaftsbeiträge der Unternehmer bis zum 31. März 1958 übernommen. Das waren jährlich 220 Millionen kleine D-Mark. Dann zahlen der Bund und die Länder für den Kohlebergbau die Bergarbeiterprämie; das sind präterpropter im Jahre 160 Millionen DM. Die Ablösung der Haldenbestände kostet volkswirtschaftlich — wer das bezahlt, ist letzten Endes ziemlich gleichgültig; möglicherweise wird dieser Betrag über hohe Kohlenpreise dem Verbraucher aufgelastet werden — zwischen 300 und 500 Millionen kleine Deutsche Mark. Die Finanzierung der Haldenbestände kostet nach den Angaben des Bergbaues je Tonne pro Jahr etwa 17 DM. Bei einer Jahreslagerung dieser Haldenbestände in Höhe von 13 Millionen t macht das einen Betrag von 220 Millionen DM aus, den uns diese Kohlenpolitik kostet. Ich möchte damit nur sagen, daß die 250 bis 300 Millionen Lohnausgleich eine Größenordnung sind, die gar nicht so sehr außerhalb dessen liegt, was Sie sonst gern bereit sind, in anderer Weise zu bewilligen.
    Eine solch gezielte Unterstützung, ein solch gezielter Ausgleich des Lohnausgleichs bei den Unternehmen, die nicht in der Lage sind, ihn zu tragen, hat auch seine Vorteile. Wir alle wissen — obwohl das ein schwieriges Problem ist —, daß der Kohlebergbau sich in den nächsten Jahrzehnten den veränderten Verhältnissen anpassen muß. Wenn sich nach ein bis zwei Jahren herausstellt, daß ein Teil der Unternehmungen auch bei besserer Konjunktur nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft den Lohn für diese in allen anderen Ländern übliche Fünf-Tage-Woche zu tragen, dann muß man sich die betreffenden Unternehmungen als erste daraufhin ansehen, ob sie nicht im Rahmen des Strukturanpassungsprozesses in die Veränderungsmaßnahmen einbezogen werden müssen. Wir sollten wenigstens darüber wachen, daß diejenigen, die aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden, diese Stütze auch notwendig haben, was leider bei der bisherigen Subvention nicht der Fall ist. Unter diesen Gesichtspunkten ist die Fünf-Tage-Woche mit Lohnausgleich und Übernahme der Ausgleichskosten durch den Bund bei den Unternehmungen, die nicht in der Lage sind, den Lohnausgleich zu tragen, eine durchaus zweckmäßige, vernünftige, sozialpolitisch notwendige und konjunkturpolitisch außerordentlich erwünschte Maßnahme.
    Ich komme zu dem Ergebnis: es gibt drei wirksame zentrale Maßnahmen. Einzelmaßnahmen genügen nicht. Zu der Drosselung der Einfuhr, die die Probleme nicht allein lösen kann, muß eine planmäßige umfangreiche öffentliche Auftragspolitik und eine Arbeitszeitverkürzung durch Einführung der Fünf-Tage-Woche mit entsprechendem Lohnausgleich kommen. Wenn sich die Bundesregierung nicht zu solchen oder ähnlichen grundsätzlichen Maßnahmen entschließen kann, sondern sich mit dem Herumkurieren an den Symptomen wie in der Vergangenheit begnügt, dann ist das der Verzicht auf eine Kohlewirtschaftspolitik, die wirklich Erfolg verspricht.
    Ich glaube, wir sollten uns in einer Situation wie der heutigen nicht nur mit der aktuellen Lage befassen. Mein Freund Bleiß hat bereits dargelegt, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister im vorigen Jahr noch so unvorsichtig war, zu sagen, eine solche Debatte käme alle Jahre wieder. Ja, sie kommt alle Jahre wieder, auch in diesem Jahre wieder, weil sich nämlich zeigt, daß mit den bisherigen Methoden im Bergbau die Probleme der Kohlewirtschaft einfach nicht gelöst werden können. Auch heute wird uns wieder nur eine unzulängliche Teilmaßnahme vorgeschlagen. Darum sollten wir ernsthaft prüfen, ob nicht Vorkehrungen getroffen werden müssen, die solche Störungen und Gefahren entweder ausschalten oder ihre Überwindung leichter machen, als das in den vergangenen Jahren mit dem bisherigen Instrumentarium und mit den bisherigen Methoden möglich war.
    Der Kohlebergbau bekommt von vier Seiten Störungsfeuer und kommt dadurch in Gefahren. Die eine Störung kommt von der Binnenkonjunktur. Der Bergbau kann sich, da er langfristig geplant und geführt werden muß, den Schwankungen von Binnenkonjunkturen nicht ausreichend anpassen. Er muß darum zum Beispiel eine Vorrätepolitik treiben und in Zeiten konjunkturellen Abschwungs die geförderte Kohle lagern.
    Diese Vorratspolitik kostet Geld. Sie scheitert vielfach daran, daß eine sinnvolle Bevorratung wegen der vielen divergierenden Interessen der verschiedenen Bergbauunternehmungen nicht möglich ist.
    Ein zweites Problem ist die Fördereinschränkung durch Umschichtung unter Tage. Es besteht schon in gewissem Umfange die Möglichkeit, Leute vor Ort in der Aus- und Vorrichtung zu beschäftigen und damit eine sinnvolle vorbereitende Arbeit für die Zukunft zu leisten, zur gleichen Zeit damit die Förderung zu senken, nur ist das vom Einzelbetrieb aus etwas schwierig; denn das bedeutet erhöhte Kosten. Darum wird diese vernünftige Maßnahme im Kohlebergbau heute einfach nicht ergriffen. Wenn schließlich Einschränkungen notwendig sind, müßten sie im gesamten Kohlebergbau gleichmäßig durchgeführt werden. Darum haben wir das



    Dr. Deist
    große Gerede vom Beschäftigungsausgleich. In Wirklichkeit lagen die Verhältnisse so: Bis zum 8. Januar 1955 haben im Ruhrgebiet drei Zechen je 20 Feierschichten verfahren, 13 Zechen dagegen keine einzige. Da sehen Sie, meine Damen und Herren, die Folgen der Zersplitterung des deutschen Kohlebergbaus. Hier werden die Feierschichten nicht etwa nach der volkswirtschaftlichen Zweckmäßigkeit, etwa im Hinblick auf die Kohlelager oder die Flözverhältnisse, nach der jeweiligen Situation des einzelnen privaten Unternehmens eingelegt.
    Wenn schließlich eine Arbeitszeitverkürzung vorgenommen werden muß, so ist der notwendige Lohnausgleich deshalb schwierig, weil wir Unternehmungen mit guter und Unternehmungen mit schlechter Ertragslage haben. Wenn wir eine große Kohle-Organisation hätten, die einen Ausgleich durchführen könnte, wäre dieses Problem sehr viel einfacher zu lösen. Aber so, wie die Verhältnisse heute liegen, geht das nicht. Und deshalb kann der Kohlebergbau mit den Konjunkturproblemen einfach nicht fertig werden.
    Ein weiteres Problem ist der Einfluß der Kohleeinfuhr. Der Preis der Einfuhrkohle wird im wesentlichen von den Frachten der USA-Kohle bestimmt. Der Preis für Kokskohle beträgt in Deutschland heute ungefähr 65 DM. Die Fracht für USA-Kohle von den Vereinigten Staaten bis zum holländischen Hafen Rotterdam betrug im Dezember 1956 63 DM, war also ungefähr so hoch, wie der Preis der deutschen Kohle. Im Februar 1958 betrug die Fracht 12,50 DM! Der Preis je t USA-Kohle betrug daher in Rotterdam im Dezember 1956 insgesamt 115 DM, während die einheimische Kohle 60 DM kostete. Im Februar 1958 dagegen kostete die USA-Kohle infolge der niedrigeren Fracht 55 DM je t, d. h. nur noch etwa die Hälfte von vor anderthalb Jahren, während der Preis für einheimische Kohle 63 DM betrug. Derartige Preisdifferenzen am Weltmarkt haben einen Einfluß auf den einheimischen Kohlenmarkt, der eine planmäßige Führung des deutschen Kohlebergbaus unmöglich macht.
    In Großbritannien und Frankreich hat man eine Methode gefunden, diese Einflüsse auszuschalten. In Zeiten der hohen Preise für Einfuhrkohle nahm man eine Herabschleusung auf den Inlandspreis vor. Wir haben uns dagegen in Deutschland in den Jahren 1955 und 1956 den Luxus von zwei Preisen geleistet. Die Folge war: unsere Verbraucher mußten nicht nur für die USA-Kohle den hohen Einfuhrpreis zahlen, sondern vielfach auch für die gute billige deutsche Kohle. Darum braucht man für den Kohlebergbau ein Instrument, mit dem man erstens die Einfuhr mengenmäßig steuern und zweitens Überpreise abfangen und Unterpreise ausgleichen kann. Großbritannien und Frankreich haben sich ein solches zentrales Einfuhrinstrument geschaffen; sie waren in der Lage, die unerwünschten Einflüsse des Weltmarkts auszuschalten. Wir sind dazu nicht in der Lage.
    Ein weiteres Kapitel stellt der ruinöse Konkurrenzkampf mit der Mineralölwirtschaft dar. Die deutsche Mineralölwirtschaft wird im wesentlichen von jenen drei bekannten internationalen Konzernen beherrscht, die auch die Hauptträger des Kohle-Ö1Kartells sind. Der Bundeswirtschaftsminister ist von uns einmal aufgefordert worden, einen Überblick über die Ertrags- und Kostenlage der Mineralölverarbeitung zu geben.
    Das war seinerzeit nicht möglich. Der Minister meinte, man könne ja nicht in den Büchern herumschnüffeln, sondern müsse schon das hinnehmen, was geboten werde. Wir mußten leider auf den Ölberater des Herrn Ibn Saud, Herrn Osman Halik, warten, der einmal in die Kostenverhältnisse der Mineralölwirtschaft hineingeleuchtet hat. Wer will, kann in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" das Ergebnis dieser Untersuchungen nachlesen. Dieser Einblick in die Ertragslage, in die Gewinnmöglichkeiten der Mineralölwirtschaft gibt uns eine Vorstellung davon, über welche Machtposition die Mineralölwirtschaft einerseits gegenüber dem Kohlenbergbau, andererseits aber auch gegenüber einer solchen Bundesregierung, wie wir sie in Deutschland haben, verfügt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Da wird festgestellt — und die Zahlen sind kaum zu bestreiten —: Die Produktionskosten des Erdöls betragen in Saudi-Arabien 9 DM. Der Verkaufspreis im Persischen Golf ist 45 DM. Verdienst 36 DM, davon 50 % Saudi-Arabien, 50 % die Ölgesellschaften, also je 18 DM. Die Frachtkosten betragen etwa 20 bis 30 DM, an denen wiederum etwa 5 DM verdient werden. So beträgt der Einstandspreis für die Raffinerien der internationalen Mineralölgesellschaften in der Bundesrepublik etwa 65 bis 75 DM. Der Verkaufspreis für Rohöl in Hamburg an Fremde, ohne Zoll, Steuer und sonstige fiskalische Belastungen, liegt jedoch zwischen 95 und 100 DM. Das ist ein zusätzlicher Gewinn von 25 bis 30 DM, den die internationalen Mineralölgesellschaften anderen, die ihr Mineralöl brauchen, abnehmen. Das sind insgesamt bis hierhin 48 bis 53 DM Gewinn. Und dann lassen Sie sich nur noch sagen, daß der Weltmarktpreis für Benzin bei 130 DM liegt, der Benzinpreis ab Raffinerie in der Bundesrepublik, wieder ohne Zoll, Steuer, Provision und dergleichen, dagegen zwischen 200 und 240 DM. So ergibt sich insgesamt — das ist kaum zu bestreiten und gut nachzurechnen — bei einem Gesamtpreis von 200 bis 240 DM ein Gewinn von 115 bis 150 DM. Das ist für diese internationalen Ölgesellschaften, die über das Mineralöl von der Erdölbohrung über die Ölraffinierung bis zur Tankstelle verfügen, eine Gewinnspanne von insgesamt mehr als 504)/o. Darum verlangt jetzt Saudi-Arabien eine Verdreifachung seiner Tantieme, und man kann es ihm beinahe nicht übelnehmen, daß es das tut.
    Daß diese Zahlen stimmen, mögen Sie im übrigen daraus ersehen, daß nach der gleichen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die Großabnehmer in Deutschland bei einem Raffinerie-Abgabepreis, wieder ohne fiskalische Belastung, von etwa 30 bis 32 DM je 100 Liter bis zu 20,50 DM Rabatt erhalten.
    Das alles beweist sehr deutlich, welche Gewinnspannen hier vorliegen. Wenn man das weiß, dann wird einem auch klar, welche Bedeutung ein solcher Industriezweig für die deutsche Wirtschaft und ins-



    Dr. Deist
    l besondere für die Kohlenwirtschaft hat. Ihre gewaltige finanzielle Stärke wirkt sich natürlich in der Preispolitik und in der Investitionspolitik der Mineralölwirtschaft aus.
    Die Preispolitik: Für leichtes Heizöl hatten wir z. B. Mitte 1957 einen Preis von 201 DM, im Mai 1958 von 136 DM; im Dezember 1958 war er mit Hilfe der Bundesregierung wieder auf 155 DM angestiegen. Der Benzinpreis ist nun nicht etwa zum Ausgleich dafür gesunken, sondern er ist selbstverständlich gleich hoch geblieben. Eine Konsequenz ergibt sich aber zwingend: Einer solchen Preisentwicklung für leichtes Heizöl kann ein planmäßig betriebener Kohlebergbau nicht schutzlos ausgeliefert werden.
    Noch schwieriger liegen die Dinge bei der Investitionspolitik. Mitte 1957 hatte die Mineralölwirtschaft in dem Energiekreis beim Bundeswirtschaftsministerium angegeben, man werde insgesamt Investitionen durchführen, die für 1965 einen Rohöldurchsatz von 30 Millionen t Rohöl ermöglichten. Ende 1958 waren daraus bereits 53 Millionen t Rohöldurchsatz geworden. Ich weiß, daß dieses Wort der Mineralölindustrie etwas zu schnell über die Zunge gelaufen war und daß sie versucht hat, es nachher zurückzurufen, und es nunmehr nicht ganz wahrhaben will. Aber auf jede Anfrage wird geantwortet, daß die Mineralölindustrie in der Lage sein wird, 1965 jede Menge Heizöl zu liefern, die verlangt wird.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, das kann eine Mineralölindustrie machen, die über derartig gewaltige Finanzquellen auf Grund ihrer Gewinnmöglichkeiten vom Persischen Golf bis zur Tankstelle verfügt.
    Auch diese Art von Konkurrenz ist für den Kohlebergbau ein unmöglicher Zustand, dem abgeholfen werden muß.
    Nun lassen Sie mich etwas sagen zu dem entscheidenden Problem des Kohlebergbaus. Das ist der notwendige Anpassungsprozeß. Es besteht — und ich möchte das auch für meine Freunde sagen — kein Streit darüber, daß eine Wirtschaft, die Wert auf eine fortschrittliche Entwicklung und damit auf eine Steigerung ihrer Produktivität legt, fortschrittliche, moderne Methoden und Stoffe und damit auch moderne Energieträger nicht ungebührlich zurückdrängen kann, sondern ihnen die ihnen im Rahmen einer fortschrittlichen Entwicklung zukommende Bedeutung einräumen muß; ganz abgesehen davon, daß diese Entwicklung mit Gewalt nicht verhindert werden kann.
    Und nun sind wir in der glücklichen Lage, feststellen zu können, daß in Deutschland auch bei stärkster Steigerung der Mineralölförderung und der Mineralölverarbeitung auf lange Sicht mindestens die gleiche Menge Kohle gebraucht wird wie heute. Das heißt: das Problem besteht nicht darin, Kohle abzuschalten, Schächte stillzulegen, den Kohlebergbau einzuengen; das Problem besteht allein darin, die Qualität der Kohle zu heben, rentablere Verwendungsmöglichkeiten zu finden und den Preis günstiger zu gestalten als bisher. Denn der Konkurrenzvorsprung der anderen Energieträger liegt darin, daß sie preisgünstiger, daß sie wirtschaftlicher, daß sie rentabler zu verwerten sind.
    Das ist also keine Frage von Stillegungen, sondern die Frage eines langfristigen Anpassungsprozesses. Es ist aber auch eine Frage einer pfleglichen Behandlung der Bergarbeiterschaft, die auch in Zukunft gleiche Förderung leisten soll und sich diesen ständigen Veränderungen laufend anpassen muß.
    Das läßt sich nur in einem langfristig gesteuerten Prozeß vollziehen, wenn man nicht unnötige wirtschaftliche Schäden und untragbare soziale Schwierigkeiten in Kauf nehmen will.
    Dazu gehört das Auslaufen nicht nur von einigen Grenzbetrieben, sondern auf lange Sicht wahrscheinlich einer größeren Anzahl von Unternehmungen mit ungünstigerer Kostenlage; dazu gehört eine ständige Verbesserung und Rationalisierung der modernen Anlagen; dazu gehört das Abteufen neuer moderner Schachtanlagen im Norden des Reviers, wo günstigere Kohle vorhanden ist.
    Das ist ein schwieriger Prozeß. Er erfordert gewaltige Investitionsmittel, die der Kohlebergbau wiederum aus eigener Kraft einfach nicht aufbringen kann.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat heute sehr schön gesagt: Diese Entwicklung muß der Verantwortung des Bergbaues überlassen werden. -Das ist gar zu billig. Diese Verantwortung kann der Kohlebergbau, so wie er heute gebaut ist, einfach nicht tragen. Hier muß schon eine vernünftige Wirtschaftspolitik für eine entsprechende Ordnung, für entsprechende Investitionen und für entsprechende Maßnahmen sorgen. Wenn der Kohlebergbau gegenüber Konjunkturkrisen krisenfester gemacht werden soll, wenn er gegen Störungen vom Weltmarkt geschützt werden muß, wenn er zum Kampf mit der Mineralölwirtschaft gerüstet )sein muß, wenn er sich einem gewaltigen Anpassungsprozeß unterziehen muß, dann kann eigentlich kein vernünftiger Mensch mehr behaupten, der Kohlebergbau in seiner heutigen organisatorischen Verfassung könne diese Probleme aus eigener Kraft lösen.
    Darüber helfen auch die etwas sehr allgemeinen und im übrigen großenteils unzutreffenden Bemerkungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers über den nationalisierten Kohlebergbau in Großbritannien und in Frankreich nicht hinweg.
    Meine Damen und Herren, es gibt einen recht klugen Mann im Ruhrgebiet, den Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer in Dortmund, Hern Dr. Utermann, dem gelegentlich auch etwas einfällt. Es würde dem Bundeswirtschaftsministerium nichts schaden, wenn es sich die Einfälle des Herrn Dr. Utermann gelegentlich etwas zunutze machte. Herr Dr. Utermann hat vor kurzem folgendes geschrieben — ich pflege loyal und vollständig zu zitieren —:
    Es ist zwar nicht einzusehen, wieso ein Wechsel der Eigentumsverhältnisse die Lösung der anstehenden Probleme erleichtern könnte,



    Dr. Deist
    und dann kommt es:
    doch ist die Behauptung der Sozialisten schwer zu widerlegen, daß die Methoden, nach denen bisher gearbeitet worden ist, zu höchst unbefriedigenden Ergebnissen geführt haben.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Das ist es ja eben!)

    Zu dem ersten Punkt der Behauptung des Herrn Dr. Utermann werde ich später Stellung nehmen. Aber die bisherigen unzulänglichen Methoden! Zunächst versuchte die Bundesregierung zusammen mit der Hohen Behörde, den Kohlenbergbau der freien Marktwirtschaft einzugliedern, einen freien Preis und einen freien Wettbewerb herbeizuführen. Das Ergebnis ist ein deutlich sichtbares Fiasko; weder die Hohe Behörde noch die Bundesregierung denkt heute noch ernsthaft daran, einen wirklich freien Wettbewerb herbeizuführen.
    Dann versuchten es beide gemeinsam mit einem Pseudowettbewerb, indem drei Kohleverkaufsgesellschaften statt eines Kartells errichtet wurden. Man tat so, als wenn nun ein wilder Wettbewerb zwischen drei Kohlegesellschaften entstehen würde. Nichts davon ist eingetreten. Und die Hohe Behörde hat vor kurzem offen eingestanden, daß dieses Experiment mißlungen sei, daß es keinen freien Wettbewerb gebe und daß diese Konstruktion der drei Verkaufsgesellschaften nicht weiter genehmigt werde. Und jetzt sind wir beim KohleÖl-Kartell und beim Kohleschutzzoll in Höhe von etwa 50 % gelandet.
    Alle diese Versuche der Lösung auf der Grundlage privatwirtschaftlicher Vorstellungen des freien Wettbewerbs sind bis heute fehlgeschlagen. Privatwirtschaftlich ist das Problem einfach nicht zu lösen. Ich erwähnte das Problem der Fördersenkung. Ein privater Betrieb entschließt sich schwer dazu, seine Leute in einer kritischen Situation unproduktiv zu beschäftigen; denn damit verschlechtert er seine Ertragslage. Darum beschäftigt er sie produktiv, d. h. er steigert die Förderung. Das ist privatwirtschaftlich sicher richtig, volkswirtschaftlich, wie Sie mir zugeben werden, grober Unfug!
    Ein Zweites. Wenn Entlassungen vorgenommen werden, dann sollte man auch die Kräfte entlassen, die produktiv, also unter oder vor Ort arbeiten, damit man die Förderung senkt. Das ist privatwirtschaftlich nicht recht rentabel; denn die anderen Entlassungen bringen Kostenvorteile. Darum handelt der Unternehmer privatwirtschaftlich richtig, wenn er nur die unproduktiven Kräfte entläßt; denn er bessert dadurch seine Ertragslage. Volkswirtschaftlich aber treibt er Unfug; er steigert nämlich die Förderung in einer Zeit, in der sie gesenkt werden müßte.
    Mit der Kohleeinfuhr ist es genauso. Wir haben bis zum Ende des Jahres 1956/57 sehr teure Kohle aus den USA eingeführt. Das haben auch die Zechenhandelsgesellschaften getan. Nachdem die Frachten gesunken waren und billige Einfuhrkohle zu haben war, gingen die privatwirtschaftlichen Überlegungen dieser Zechenhandelsgesellschaften dahin, jetzt auch die Chance billiger Einfuhren zu nutzen und damit wenigstens einen Teil der Verluste aus der teuren Einfuhr auszugleichen. Privatwirtschaftlich durchaus richtig, nur volkswirtschaftlich grober Unfug; denn die Zechenhandelsgesellschaften machten damit ihrem eigenen Kohlenbergbau zusätzlich Konkurrenz.
    Dann die Gefahr der Konkurrenz des Mineralöls, dieser heftige, ruinöse Preiskampf auf dem Heizölsektor! Was taten die Kohlenhandelsgesellschaften? Sie sahen, daß ein Teil des Energiemarktes an das Mineralöl verlorengeht. Sie überlegten privatwirtschaftlich richtig: Wir müssen doch auch einen Teil davon haben; wenn wir schon einen Teil des Kohlenhandels verlieren, dann möchten wir wenigstens am Heizölhandel beteiligt werden. — Privatwirtschaftlich richtig, nur volkswirtschaftlich grober Unfug; denn mit den niedrigen Heizölpreisen, die sie selbst herbeiführten, machten sie der eigenen Kohle heftige Konkurrenz. So können Sie das durch die Bank weiterverfolgen.
    Und dann schließlich die Methode der Subventionierung, die wir in Deutschland heute anwenden! Ich erwähnte bereits die Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers vom November 1957 über die Milliardenbeträge, die dem Kohlenbergbau aus öffentlicher Hand oder mit öffentlicher Hilfe zufließen. Nun, das tun nicht nur wir, das tun auch andere Länder. Da ist das eine Land weder schlechter noch besser als das andere. Offenbar muß man bei der Situation des Kohlenbergbaus bereit sein, auch öffentliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Aber was machen wir? Wir geben Steuererleichterungen, wir geben Subventionen über Bergarbeiterprämien, wir geben Investitionshilfen, wir übernehmen Kosten der Sozialversicherung. Alle diese Vergünstigungen auf Kosten des Steuerzahlers werden nicht nur den Unternehmungen zugewendet, die eine ungünstige Ertragslage haben, damit sie ihre Belegschaften weiter halten können, sondern sie fließen in gleicher Weise den Unternehmungen zu, die über eine gute Ertragslage verfügen, so daß diese gute Ertragslage aus öffentlichen Mitteln noch verbessert wird und höhere Dividenden gezahlt werden können als schon ohnedies.
    Hinter diesem Vorgang verbirgt sich zweierlei. Zunächst einmal hat die Bundesregierung der sozialen Marktwirtschaft unter Führung des Bundeskanzlers Adenauer und mit einer Mehrheit, die hier in der CDU vor uns sitzt, in den vergangenen Jahren die Verluste des Kohlenbergbaus restlos sozialisiert. Diese Verluste sind weg; die hat die Bundesregierung dem Bergbau bereits durch all diese Unterstützungen und Subventionen abgenommen, weil man nämlich untragbare Verluste im Kohlenbergbau auf die Dauer nicht durchhalten kann. Mit der Sozialisierung der Verluste haben wir in Zukunft nichts mehr zu tun.
    Aber die Bundesregierung hat ein weiteres gemacht. Sie hat die Unterstützungen so gewährt, daß darin eine ungeheuerliche Vergeudung öffentlicher Mittel zugunsten bereits heute rentabler Unternehmungen zu sehen ist.

    (Beifall bei der SPD.)




    Dr. Deist
    Das ist auch ein Einwand gegen jede Art globaler Subventionspolitik bei einem privatwirtschaftlichen Kohlenbergbau. All diese Gründe sind es, die in Großbritannien und in Frankreich dazu geführt haben, daß der Kohlebergbau nationalisiert wurde. Damit wurde dem Kohlenbergbau eine Ordnung gegeben, in der nicht nach privatwirtschaftlichen, volkswirtschaftlich unerwünschten Gesichtspunkten, sondern nach gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten gehandelt werden kann. Diese Länder haben bewiesen, Herr Bundeswirtschaftsminister, nicht daß es in diesen Ländern gar keine Krisen und Schwierigkeiten gibt — das wäre zuviel verlangt —, aber daß man mit den Krisen und Schwierigkeiten mit Hilfe eines einheitlich auf der Grundlage öffentlichen Eigentums geordneten Bergbaus wesentlich besser fertig werden kann, als das bei uns in Deutschland mit einem privatwirtschaftlich geordneten Bergbau möglich ist.
    Ich will Ihnen dazu einige Zahlenbeispiele nennen.