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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 59. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1959 Inhalt: Ergänzung der Tagesordnung 3215 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kohlebergbau (Drucksache 708) ; in Verbindung mit Entwurf einer Vierten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Kohlenzoll); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 813, zu 813, 826 [neu] ) Fernschreiben des Präsidenten des Bundesrates betr. Kohlenzollverordnung 3215 B Dr. Bleiß (SPD) 3215D Dr. Serres (CDU/CSU) 3218 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 3219 B, 3241 C Dr. Deist (SPD) . . . . 3227 C, 3257 A Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 3243 D Dr. Atzenroth (FDP) 3247 D Dr. Steinmetz (DP) 3252 C Dr .-Ing. Philipp (CDU/CSU) . . . 3253 D Deringer (CDU/CSU) 3254 C Dr. Starke (FDP) 3254 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) (Bundesrat) (Drucksachen 769, 828) — Zweite und dritte Beratung — 3258 C Nächste Sitzung 3258 D Anlagen 3259 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1959 3215 59. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt Ms einschließlich Frau Albertz 4. 4. Dr. Baade 30. 1. Bading 30. 1. Dr. Bärsch 30.1. Bauknecht 30. 1. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Frau Blohm 31. 1. von Bodelschwingh 29. 1. Diel (Horressen) 23. 2. Dr. Eckhardt 10. 2. Etzenbach 7. 2. Fuchs 30. 1. Gedat 30. 1. Gleissner (Unna) 20. 2. Graaff 15.2. Dr. Gradl 30. 1. Dr. Greve 7. 2. Dr. Gülich 31. 1. Haage 30. 1. Heinrich 31. 1. Heye 29. 1. Hufnagel 29. 1. Jacobs 31.3. Jahn (Frankfurt) 31. 3. Kalbitzer 30. 1. Frau Kalinke 31. 1. Kiesinger 29. 1. Kramel 16. 2. Kraus 30. 1. Kreitmeyer 31. 1. Dr. Kreyssig 30. 1. Kriedemann 30. 1. Kühn (Bonn) 30. 1. Kahn (Köln) 30. 1. Kunst 21.4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 1. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 1. Memmel 31. 1. Dr. Menzel 15. 2. Murr 31. 1. Müser 17. 2. Nellen 31. 1. Dr. Oesterle 6. 2. Ollenhauer 29. 1. Pelster 31. 1. Pietscher 30. 1. Pütz 14. 2. Dr. Reith 31. 1. Rohde 31. 1. Scharnowski 30.1. Dr. Schmid (Frankfurt) 30. 1. Schneider (Hamburg) 2. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15. 2. Schoettle 30. 1. Schröder (Osterode) 30. 1. Frau Dr. Steinbiß 14. 2. Walpert 31. 1. Weimer 29. 1. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Weinkamm 30. 1. Welslau 30. 1. Anlage 2 Umdruck 199 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kohlebergbau (Drucksache 708). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. in geeigneter Weise, notfalls durch Gesetz a) sicherzustellen, daß inländische Käufer zollpflichtiger Brennstoffe ihre Verträge dem Ruhrbergbau zur Ablösung anbieten können und dieser sie zu angemessenen Bedingungen ablöst. Über die Frage der Angemessenheit soll im Streitfall ein Schiedsgericht entscheiden, das aus je einem, vom Ruhrbergbau und von dem betroffenen Käufer benannten Beisitzer und einem Obmann besteht, der von den Beisitzern zu wählen, im Falle der Nichteignung vom Bundeswirtschaftsminister zu benennen ist. Der Ruhrbergbau soll verpflichtet und berechtigt sein, bei durchgehandelten Verträgen dem inländischen Käufer gleichwertige Brennstoffe aus Mitgliedstaaten der EG zu gleichen Bedingungen zu liefern; b) klarzustellen, daß bis zum 1. Juli 1959 inländische Käufer Kauf- und Frachtverträge über nach der Vierten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 zollpflichtige Brennstoffe nicht unter Berufung auf diese Verordnung lösen können; 2. durch 'gesetzliche Regelung dafür Sorge zu tragen, daß die durch die Zollverordnung besonders betroffenen Gebiete bei der Verteilung der zollfreien Kontingente bevorzugt berücksichtigt werden. Bonn, den 29. Januar 1959 Dr. Krone und Fraktion Dr. Preiß und Fraktion Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers der Justiz auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Arndt (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. Januar 1959, Drucksache 786, Frage 24) : Wann wird - im Hinblick darauf, daß nach dem Beschluß 1 BvR 510 des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 1958 die 3260 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1959 Ausübung von Strafgewalt „sicher" zu den Funktionen der rechtsprechenden Gewalt gehört und daß die Bundesregierung in der amtlichen Begründung ihrer Vorlage für ein Richtergesetz die Ausschließlichkeit der Zuständigkeit der Richter für die Rechtsprechung bejaht hat (Drucksache 516 S. 32) — die Bundesregierung dem Beschluß des 2. Bundestages in der 136. Sitzung vom 21. März 1956 zu Umdruck 562 (Stenographischer Bericht S. 7046 C und 7062) und dem Beschluß des 2. Bundestages in der 227. Sitzung vom 29. August 1957 zu Drucksache 3650 der 2. Wahlperiode (Stenographischer Bericht S. 13 521 C) entsprechen und dazu Stellung nehmen, ob die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung, insbesondere ein Ausüben von Strafgewalt durch Verwaltungsbehörden wie Finanzämter und Postämter, mit dem Grundgesetz vereinbar sind? Ihre Anfrage geht davon aus, daß nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 1958 — 1 BvR 510/52 — jede Ausübung von Strafgewalt durch Verwaltungsbehörden grundgesetzwidrig sei. Ich kann diesen Beschluß nicht in einem solchen Sinne auslegen, und zwar aus folgenden Gründen: Der Beschluß behandelt das Bußgeldverfahren bei Ordnungswidrigkeiten und erklärt dieses Verfahren für zulässig. Man kann dem Bundesverfassungsgericht nicht unterstellen, daß es durch eine beiläufige, nicht näher begründete Bemerkung in einem ganz anderen Verfahren sich gegen das Verwaltungsstrafverfahren ausgesprochen haben sollte, das zum traditionellen Bestand des deutschen Strafverfahrensrechts gehört. Der von Ihnen angesprochene Satz sagt nicht, daß die Ausübung aller Strafgewalt, sondern nur, daß die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit zu den Funktionen der rechtsprechenden Gewalt gehört. Schließlich muß jener Satz aber auch im Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz gelesen werden. Dort erklärt das Bundesverfassungsgericht, daß es auf die allgemeinere Streitfrage. ob es eindeutig materielle Kriterien für einen Begriff der rechtsprechenden Gewalt im Sinne des Art. 92 GG gibt, nicht einzugehen brauche. Die Bundesregierung hält sich also auch nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts für berechtigt, an ihrer Auffassung festzuhalten, daß die derzeitigen Verwaltungsstrafverfahren nicht verfassungswidrig sind. Sie stimmt jedoch mit dem Bundestag darin überein, daß diese Verfahren allgemein überprüft werden sollten. Zwar hat sich die Hoffnung der Bundesregierung, das Bundesverfassungsgericht werde anläßlich einer eingelegten Verfassungsbeschwerde Gelegenheit haben, sich über die Zulässigkeit des Steuerstrafverfahrens auszusprechen, nicht erfüllt. Diese Verfassungsbeschwerde ist nämlich aus formellen Gründen verworfen worden, so daß die erwähnte Frage nicht geklärt werden konnte. Inzwischen ist die Vorbereitung einer Änderung der Vorschriften der Abgabenordnung, die sich auf das Steuerstrafverfahren beziehen, wieder aufgenommen worden. Ein künftiges Postgesetz soll nach der übereinstimmenden Meinung der Ressorts die Befugnis der Postbehörden, Kriminalstrafen zu verhängen, nicht mehr enthalten. Schäffer Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Rehs (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. Januar 1959, Drucksache 786, Frage 35): Unter Bezugnahme auf die Erklärungen des Herrn Bundesernährungsministers in der Fragestunde am 27. November 1958 frage ich den Herrn Bundesernährungsminister heute, welche Beträge von den damals genannten Summen seit Inkrafttreten der beiden Gesetze bis zum 1. Dezember 1958 a) für Neusiedlungen gemäß BVFG, b) für die Übernahme bestehender Betriebe gemäß BVFG und c) für die Durchführung des SFG tatsächlich bewilligt und von den Ländern bei der Deutschen Siedlungsbank abgerufen wurden, und ob dabei die in den Haushaltsgesetzen festgelegte und sich auch aus § 2 des SFG im Zusammenhang mit § 41 des BVFG ergebende Relation der Neusiedlungsmittel von 1 : 2 bei den tatsächlich bewilligten Mitteln eingehalten wurde. Die Aufgliederung der für die Jahre 1953 bis 1958 für die Neusiedlung von Vertriebenen und Einheimischen und für die Eingliederung von Vertriebenen vom Bund bereitgestellten Mittel ist an Hand der Meldungen der Länder berechnet und von mir in der Fragestunde am 27. November 1958 bekanntgegeben worden. Für einen beliebig herausgegriffenen Zeitpunkt des laufenden Haushaltsjahres — wie hier für den 1. Dezember 1958 — liegen Unterlagen, die die Beantwortung der gestellten Frage ermöglichen, deshalb nicht vor, weil diese jeweils nur für das Ende eines Haushaltsjahres nach den Erfolgsmeldungen der Länder erstellt werden können. Die Wahrung der in den Erläuterungen zum Haushaltstitel 571 des Einzelplanes 10 vorgeschriebenen Relation wird den für die Bewilligung zuständigen Ländern bei der Zuteilung von Kontingenten jedesmal erneut zur Pflicht gemacht. Falls festgestellt wurde, daß die Relation nicht gewahrt war, so sind die jeweils notwendigen Maßnahmen ergriffen worden. Für die laufende Überwachung in dieser Richtung dienen u. a. die Meldungen der Deutschen Siedlungsbank über die bewilligten Mittel. Die in diesen Meldungen enthaltenen Zahlen sind von den Zufälligkeiten des Verfahrens und Verwaltungsablaufs abhängig und haben daher nur bedingten Aussagewert. Aber selbst wenn ich nur diese Meldungen der Deutschen Siedlungsbank zugrunde legen würde, ergibt sich aus der Halbjahresmeldung der Deutschen Siedlungsbank auf Bundesebene zusammengestellt zum 30. September 1958, daß im laufenden Haushaltsjahr für Zwecke des Bundesvertriebenengesetzes rd. 120 Mill. DM und für Zwecke des Siedlungsförderungsgesetzes rd. 40 Mill. DM bewilligt worden sind. Zu demselben Zeitpunkt (30. September) ergeben sich für die Zeit ab 1953 folgende Zahlen: für Zwecke des BVFG rd. 530 Mill. DM, für das SFG rd. 230 Mill. DM. Sollten Sie auf Grund Ihnen etwa vorliegender Unterlagen zu einem anderen Ergebnis kommen, so bin ich gern bereit, diese Unterlagen zu prüfen und dazu schriftlich Stellung zu nehmen. Lübke
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Günther Serres


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegen die Drucksachen 813 und 826 vor, die sich mit der Vierten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Kohlenzoll) befassen.
    Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat zunächst der Regierungsvorlage Drucksache 813 mit



    Dr. Serres
    Mehrheit zugestimmt. Heute hat die Bundesregierung eine neue Fassung der Kohlenzollverordnung vorgelegt, die ich Ihnen mündlich vortragen möchte, da nicht genügend Zeit mehr vorhanden war, dem Hause eine Drucksache vorzulegen.
    Die Änderung gegenüber der bisherigen, in Drucksache 813 enthaltenen Fassung besteht darin, daß die Anmerkung zu Tarifnummer 27.01 auf Seite 2 der Drucksache eine kleine Modifizierung erfahren hat. Im letzten Absatz heißt es jetzt statt 50 % 34 %, und das Jahr 1950 wird durch das Jahr 1956 ersetzt. Der Anfang des Satzes lautet jetzt:
    Das Zollkontingent beträgt für das Jahr 1959 34 v. H. der nach dem Gewicht berechneten Mengen, die im Durchschnitt der Jahre 1956 bis 1958...
    Die veränderte Vorlage ist dem Ausschuß für Außenhandelsfragen durch den Herrn Präsidenten gemäß § 96 a der Geschäftsordnung zugeleitet worden. Der Ausschuß hat sich heute nachmittag noch mit der neuen Fassung der Vierten Verordnung befaßt.
    In der dem Ausschuß gegebenen Begründung hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, daß sie Wert darauf lege, dem Wunsch der Hohen Behörde nachzukommen, wonach das zollfreie Kontingent auf mindestens 5 Millionen t zu bemessen ist. Die soeben vorgetragene Änderung der Verordnung bewirkt, daß das Kontingent nicht mehr wie bisher rund 4,2 Millionen t, sondern daß es jetzt rund 5 Millionen t beträgt. Im Ausschuß wurde auf den Umstand hingewiesen, daß eine weitere Berücksichtigung der revierfernen Gebiete möglich ist, indem das zollfreie Kontingent höher bemessen wird.
    Der Ausschuß hat nach kurzer Beratung einstimmig — bei einer Reihe von Stimmenthaltungen — dieser veränderten Fassung der Kohlenzollverordnung zugestimmt und empfiehlt dem Hohen Hause, die Regierungsvorlage unverändert anzunehmen.


Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Es folgt nunmehr die Beantwortung der Großen Anfrage durch die Bundesregierung.
Das Wort hat der. Stellvertreter des Bundeskanzlers Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die einzelnen Punkte der Großen Anfrage der SPD eingehe, lassen Sie mich Ihnen einen kurzen Überblick über die jüngste Entwicklung bei der Kohle geben. Seit vielen Jahren litten wir unter einer sehr empfindlichen Mangellage, während sich jetzt zum ersten Mal das Problem des Überflusses und der Absatzkrise stellt.
    Das Gesamtbild unserer Konjunktur kann — bei allerdings unterschiedlichen Entwicklungen in einzelnen Zweigen — als gut bezeichnet werden. Sie wissen, wie sehr sich das Bundeswirtschaftsministerium in den letzten Wochen und Monaten mit den Sorgen und Nöten von Teilbereichen, in denen Schwierigkeiten aufgetaucht sind, auseinandergesetzt hat. Gerade diese Tatsache gibt mir das Recht, auch hier auf die beträchtlichen Fortschritte zu verweisen, die wir — im Gegensatz zu der Entwicklung in manch anderen Staaten — im Jahre 1958 erzielen konnten. So stieg beispielsweise das Bruttosozialprodukt von 209,6 Milliarden DM im Jahre 1957 auf 222 Milliarden DM 1958 an, das Volkseinkommen um 5,5 % auf 169 Milliarden DM. Bei nahezu stabilen Preisen im Laufe des vergangenen Jahres erfuhr das Masseneinkommen eine beträchtliche Steigerung von 104 Milliarden DM im Vorjahr auf jetzt ca. 112 Milliarden DM. Die industrielle Produktion konnte im Gesamtdurchschnitt um über 3 % erhöht werden, wobei einzelne Bereiche, so etwa die Investitionsgüterindustrie, wesentlich größere Fortschrittsraten verzeichnen, wie überhaupt die Zuwachsraten in den letzten Monaten wieder stärker anwachsen.
    Diese günstige Entwicklung findet auch ihren Niederschlag in dem Außenhandelsergebnis, wobei viele pessimistische Prognosen am Jahresanfang Lügen gestraft wurden. Der Export wuchs auf 37 Milliarden DM an, eine Entwicklung, die zu einer Ausweitung des Ausfuhrüberschusses von 4,3 Milliarden DM im Jahr 1957 auf fast 6 Milliarden DM im nun abgelaufenen Jahr führte.
    Unter den wenigen Sektoren, auf denen sich Schwierigkeiten abzeichnen, tritt der Steinkohlenbergbau besonders hervor. Das ist nicht nur bei uns so; auch in anderen kohleproduzierenden Ländern liegen Halden bei Erzeugern und Verbrauchern von zum Teil bedeutendem Umfang. Das soll allerdings kein Anlaß für uns sein, nicht alles zu tun, um mit unseren Schwierigkeiten bei der Kohle — die auch ich als durchaus ernst bezeichne — fertig zu werden. Ich bin sicher, daß uns das gelingen wird.
    Bei uns hat sich der Umschwung des Kohlenmarktes mit einer Schnelligkeit und in einem Ausmaß vollzogen, die, das kann ich wohl sagen, trotz sorgfältigster Konjunkturbeobachtung weder von der Bundesregierung noch von den beteiligten Wirtschaftskreisen vorausgesehen wurde. Im Laufe eines Jahres stiegen die Halden bei den Zechen von nahezu 0 auf über 13 Millionen t, das ist mehr als eine Monatsförderung. Dieser starke Anstieg der Halden war auch dadurch nicht aufzuhalten, daß durch Einlegung von Feierschichten ein Ausfall bei der Kohlenförderung in Höhe von 3,85 Millionen t herbeigeführt wurde; denn dieser Ausfall wurde durch ein verstärktes Ansteigen der Leistung wieder wettgemacht. Auch der Rückgang der Kohleneinfuhr reichte nicht dazu aus, die Haldenzunahme aufzuhalten. Im Jahre 1958 wurden 25 % weniger Kohle eingeführt als 1957, das sind insgesamt 5 1/2 Millionen t.
    Es ist das Zusammentreffen einer ganzen Reihe verschiedener Ursachen und Gründe, die zur Absatzkrise des Steinkohlenbergbaus geführt haben.
    In den zurückliegenden Jahren gewaltiger Anstrengungen zum Wiederaufbau und zur Expansion unserer Wirtschaft konnte der Bedarf an Energie, der insbesondere in den Jahren 1955 und 1956



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    stürmisch anwuchs, nur dadurch gedeckt werden, daß steigende Mengen teurer ausländischer Kohle eingeführt wurden. Es war schlechterdings unmöglich, daß die inländische Kohlenförderung einer so rasch steigenden Nachfrage folgte. Nur durch die auf eine unbedingt ausreichende Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft gerichtete Energiepolitik der Bundesregierung konnten Energieversorgungsschwierigkeiten vermieden werden. Sie erinnern sich aber auch, welcher Anstrengungen es in jenen Jahren immer wieder bedurfte --- und sie waren erfolgreich —, um das allgemeine Preisniveau und die Kaufkraft der D-Mark so stabil wie möglich zu halten. Der inländische Kohlenpreis fügte sich, den an alle Wirtschaftszweige gerichteten Appellen auf Preisdisziplin folgend, in diesen Jahren in das allgemeine Bild unseres gegenüber dem Ausland niedrigeren Preisniveaus ein. Immerhin — auch das muß festgehalten werden — stieg der inländische Kohlenpreis von April 1954 bis Oktober 1957 um etwa 20 %.
    In jenen Jahren wurde der Hausbrand stets nahezu in vollem Umfang mit der billigeren Inlandskohle beliefert, wie es auch dem Willen dieses Hohen Hauses entsprach. Hinzu kam die Auswirkung des sogenannten Werkselbstverbrauchsrechts der Stahlindustrie, über das eine Vereinbarung mit der Hohen Behörde vorlag. Die Privilegierung dieser beiden Verbrauchergruppen führte dazu, daß für die übrigen Verbraucher nur um so weniger Inlandskohle übrigblieb. Die Industrie sowie die Elektrizitäts- und Gasversorgungsunternehmen mußten daher ständige Kürzungen ihrer Bezüge an %Ruhrkohle hinnehmen und dafür die teurere Amerikakohle beziehen. Diese langen Jahre der Sorge der Verbraucher um eine ausreichende Versorgung mit Kohle, die dann noch durch die SuezKrise verstärkt wurde, führte zu dem Bestreben hoher Einfuhr- und Vorratsdispositionen, um größere Sicherheit zu haben und den Zufälligkeiten der Frachtenentwicklung auszuweichen. So ist es zu erklären, daß zur Zeit auch bei den Verbrauchern über 12 Millionen t Kohlenvorräte lagern, während vielleicht 6 bis 7 Millionen t als normale Vorratsmenge angesehen werden können.
    Zu Beginn des Jahres 1958 hörte mit der Verlangsamung der Konjunktur die Nachfrage zur weiteren Erhöhung der Kohlenvorräte bei den Abnehmern fast ganz auf. Gleichzeitig traten aber auch die laufenden Rationalisierungseffekte im Kohlen- und Energieverbrauch der Wirtschaft voll in Erscheinung, die in den vergangenen Jahren durch das Ausmaß einer steigenden Energienachfrage für Verbrauchs- und Vorratszwecke überdeckt waren. Es bestanden in großem Umfange die Bindungen der Verbraucher an langfristige Kohleneinfuhrkontrakte. Andererseits trat ein gewisser Rückgang des Kohlenverbrauchs aus konjunkturellen und auch aus klimatischen Gründen ein. Die Kohlenausfuhr ging erheblich zurück. Im Inland vollzog sich ein steigender Übergang zum Heizöl.
    Alles dies wirkte unglücklicherweise zusammen, um in verhältnismäßig kurzer Zeit einen Absatzrückgang der inländischen Kohle von beträchtlichem Ausmaß herbeizuführen.
    Zu Punkt 1 der Anfrage: Welches Ergebnis haben die Besprechungen mit den Vertretern der Unternehmen und der Arbeitnehmer des Ruhrkohlenbergbaus gehabt?
    In den Verhandlungen, die in der letzten Zeit mit dem Unternehmensverband und der IG Bergbau geführt worden sind, hat sich Übereinstimmung in folgenden grundsätzlichen Fragen ergeben:
    1. Der Steinkohlenbergbau soll gesund erhalten werden und die wesentliche Grundlage unserer Energieversorgung bleiben.
    2. Die Beschäftigung der Bergarbeiter soll gesichert und möglichst gleichmäßig gestaltet werden.
    3. Im Laufe des Jahres 1958 ist zwar eine wesentliche Verringerung der effektiven Kohleneinfuhren erreicht und der Abschluß neuer Kohleneinfuhrkontrakte verhindert worden; d a diese Maßnahmen Taber nicht dazu ausreichen, eine Änderung der Lage herbeizuführen, sollen die Bemühungen zu einer Milderung des Importdrucks von Kohle verstärkt werden.
    Außer der Abstimmung über diese grundsätzlichen Fragen wurden auch eine Reihe von Einzelfragen besprochen. Demgemäß hat die Bundesregierung die durch unterschiedliche fiskalische Belastungen entstehenden Nachteile für die inländische Steinkohle gegenüber dem Heizöl beseitigt.
    Ferner soll das Heizöl veranlaßt werden, sich nicht durch Unterschreitung der Weltmarktpreise schnell besonders hohe Anteile am deutschen Markt zu erkämpfen, zumal da darin die Gefahr läge, daß nach Beendigung eine solchen Quotenkampfes die Preise dann schnell wieder heraufgehen würden; es sollen vielmehr Kohle und Öl sich in einem echten Wettbewerb um dein Markt bemühen.
    Durch Großaufträge der Bundesbahn soll die Beschäftigung der Stahlindustrie und damit der Kohlenverbrauch gesteigert werden.
    Da Steinkohle in der SBZ noch knapp ist, sollen die Lieferungen dorthin ermöglicht werden. Die Schwierigkeiten bestehen darin, daß die SBZ Bezahlungen in D-Mark ablehnt und auch nur in beschränktem Umfange solche Güter als Gegenwert liefern kann, die in der Bundesrepublik abgenommen werden. Trotzdem konnten 1 Million t Steinkohle dorthin verkauft werden; die Lieferungen sind im Gange.
    Gestatten Sie mir, daß ich des Zusammenhangs wegen nun zunächst die Frage 3 beantworte:
    Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher ergriffen bzw. welche Maßnahmen gedenkt sie zu ergreifen, um die Schwierigkeiten des Kohlenbergbaus zu beheben?
    Die Bundesregierung ist bei ihren Überlegungen zur Behebung der Kohlenabsatzkrise stets davon ausgegangen, daß nur das Zusammenwirken zahlreicher großer und kleinerer Maßnahmen einen Erfolg versprechen kann, dies aber auch nur dann, wenn gleichzeitig der Steinkohlenbergbau selbst alle Möglichkeiten ausschöpft, um der gegenwärtigen Lage Herr zu werden.



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Die in Gang gesetzten Maßnahmen der Bundesregierung sind folgende:
    Der Bundesbahn wurde eine Finanzierungshilfe für Aufträge an die Stahlindustrie im Werte von 500 Millionen DM zugesagt. Zusammen mit den übrigen Aufträgen der Deutschen Bundesbahn für 1959 ist dadurch eine direkte und indirekte Auftragserteilung der Bundesbahn an die Stahlindustrie in Höhe von 850 000 t Stahl gesichert und damit auch ein erhöhter Kohlenverbrauch, der für die Produktion dieser Stahlgüter etwa 1,25 Millionen t beträgt.
    Im Ministerrat der Montanunion wurde auf Betreiben der Bundesregierung die Abschaffung der Schrottausgleichskasse erreicht. Von dieser Maßnahme ist im Laufe der Zeit ein Mehreinsatz von Roheisen an Stelle von Schrott in den Stahlwerken zu erwarten, der zu einem erhöhten Koksverbrauch führen wird.
    Die öffentlichen Bedarfsträger des Bundes wurden zu einer möglichst frühzeitigen Brennstoffbevorratung angehalten. Im gleichen Sinne wurden Empfehlungen an die Wirtschaftsminister der Länder und die für die Versorgung der Stationierungstruppen zuständigen Stellen gerichtet. Außerdem wurde auf die großen Verbrauchergruppen eingewirkt, ihre Kohlenvorräte aufrechtzuerhalten. Im großen und ganzen wurden die Kohlenbestände der Wirtschaft beibehalten und der laufende Bedarf aus der täglichen Förderung gedeckt.
    Bei der Hohen Behörde setzte sich die Bundesregierung mit Nachdruck und mit Erfolg dafür ein,
    daß den Ruhrkohlen-Verkaufgesellschaften ein weiter Rahmen für den Abschluß langfristiger Kohlenlieferverträge zugestanden wurde. Damit ist dem Bergbau die Möglichkeit gegeben, Kunden, die auf eine langfristige Sicherung ihrer Kohlenversorgung Wert legen, zu halten oder sogar zurückzugewinnen.
    An die SBZ wurden, wie schon erwähnt, 1 Million t Steinkohlen verkauft. Hiervon ist inzwischen bereits ein großer Teil geliefert worden. Die Lieferungen dürften im März dieses Jahres abgeschlossen sein.
    Die Bundesregierung hat dem Vorschlag der Hohen Behörde zugestimmt, aus Umlagemitteln eine Finanzierungshilfe zur Erleichterung der Haldenkosten in Höhe von 7 Millionen Dollar zu gewähren. Diese Hilfe kann von denjenigen Bergwerksgesellschaften in der Gemeinschaft in Anspruch genommen werden, die mehr als 35 Tagesförderungen auf Halde liegen haben.
    Ferner ist die Erhebung der vom Bergbau an die Hohe Behörde zu zahlenden Montanumlage in der Weise geändert worden, daß die Umlage nicht mehr je Tonne geförderter Kohle, sondern je Tonne verkaufter Kohle zu zahlen ist. Für den deutschen Steinkohlenbergbau, der bis dahin etwa 22 Millionen DM Umlage im Jahr zahlte, ergibt sich dadurch eine Entlastung in Höhe von 3 Millionen DM im Jahr. Dem Wunsch der Bundesregierung auf eine fühlbare Verringerung der Umlage oder ihre Aussetzung für eine gewisse Zeit glaubte die Hohe Behörde nicht stattgeben zu können.
    Ich komme nunmehr zu denjenigen Maßnahmen, bei denen das Schwergewicht liegt. Sie beziehen sich auf das Heizöl und auf die Einfuhr von Kohle aus Ländern außerhalb der Montanunion.
    Zwischen dem Steinkohlenbergbau und der Mineralölwirtschaft sind in den letzten Wochen zahlreiche Gespräche und Verhandlungen geführt worden, die zum Ziel hatten, den übermäßigen Druck des Heizöls auf den Kohlenmarkt nach Möglichkeit zu verringern.
    Zunächst wird auf Grund einer inzwischen erlassenen Verordnung des Bundesministers der Finanzen das schwere Heizöl, das in deutschen Raffinerien aus importiertem Rohöl erzeugt wird und das bisher — anders als die Kohle — umsatzsteuerfrei war, nunmehr aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit mit der Umsatzsteuer belastet.
    Angesichts der gegenwärtigen Schwierigkeiten auf dem Energiemarkt haben der Steinkohlenbergbau und die Mineralölwirtschaft Verhandlungen aufgenommen, um Preislisten aufzustellen, nach denen für eine Übergangszeit von zwei Jahren das schwere Heizöl nicht unter Weltmarktpreisen verkauft werden soll.
    Die Auseinandersetzung um die künftigen Marktanteile beim Heizöl hatte zu unnatürlichen Kampfpreisen weit unter Weltmarktniveau geführt. Dies erzeugte eine unnatürliche Wettbewerbslast für die Kohle und irreführende Vorstellungen beim Verbraucher über das langfristige Wettbewerbsverhältnis zwischen Kohle und 01. Die Beteiligten haben gemäß § 8 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Antrag gestellt, die Genehmigung für einen entsprechenden Kartellvertrag zu erhalten. Das abschließende Ergebnis steht noch aus.
    Das für Hausbrandzwecke verwendete leichte Heizöl ist von der Umsatzbesteuerung freigehalten worden; ebenso wird es nicht den soeben genannten Preisregulierungen unterliegen.
    Nachdem bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1958 wiederholt eindringliche Appelle an die Importeure von amerikanischer Kohle gerichtet worden waren, die Kohleneinfuhr einzuschränken und nach Möglichkeit eingegangene Kontraktverpflichtungen abzulösen, wurde im August 1958 eine Verkürzung der zulässigen Kontraktfristen für liberalisierte Kohleneinfuhren von 3 Jahren auf 18 Monate vorgenommen. Im September 1958 wurde dann in einem weiteren Schritt unter Inanspruchnahme des Art. XIX GATT die Genehmigungspflicht für den Abschluß neuer Verträge über die Einfuhr von Kohle aus den USA und den OEEC-Ländern, die nicht der Montanunion angehören, wieder eingeführt; Einzelgenehmigungen sind seit dieser Zeit nicht mehr erteilt worden. Hierdurch wurde die Neigung zur Ablösung alter Einfuhrverträge begünstigt. Das anfängliche Kontraktvolumen von etwa 44 Millionen t US-Kohle für einen Dreijahreszeitraum ist inzwischen durch eine Reihe von Ablösungsvorgängen auf etwa 34 Millionen t vermindert worden. Vor allem ging jedoch auch die effektive Einfuhr amerikanischer Kohle erheblich zurück. Sie beträgt im Monatsdurchschnitt des letzten Quartals



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    des Jahres 1958 etwa 700 000 t gegenüber 1 Million t im Monatsdurchschnitt Januar bis September 1958 und gegenüber 1,33 Millionen t im Durchschnitt des Jahres 1957. Im Jahre 1958 wurden insgesamt aus USA eingeführt 11,2 Millionen t gegenüber 15,9 Millionen t im Jahre 1957.
    Die Maßnahme der Anrufung des Art. XIX GATT war notwendig, um den Abschluß immer neuer Einfuhrverträge zu unterbinden. Die Bundesregierung war sich jedoch klar darüber, daß diese Maßnahme noch nicht ausreichte. Sie sah in einer verstärkten Einschränkung der Kohleneinfuhr die wirkungsvollste Möglichkeit zu einer fühlbaren Erleichterung der gegenwärtigen Absatzkrise des heimischen Steinkohlenbergbaus.
    Die Bundesregierung hat deshalb zunächst durch Herrn Staatssekretär Dr. Westrick in Washington Gespräche mit der amerikanischen Regierung eingeleitet, die trotz des schwierigen Gegenstandes im Geiste einer freundschaftlichen Zusammenarbeit geführt wurden. Daran schloß sich eine Reise maßgeblicher Vertreter des deutschen Steinkohlenbergbaus an, die zum Ziele hatte, das Verständnis der amerikanischen Steinkohlenproduzenten für die schwierige Lage des deutschen Steinkohlenbergbaus und die durch sie notwendigen weiteren Einschränkungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Kohleneinfuhr vorzubereiten.
    Nach vielen sehr schwierigen Überlegungen hat sich die Bundesregierung entschlossen, dem Bundestag vorzuschlagen, mit Wirkung vom 16. Februar 1959 die Einfuhr von Steinkohle aus nicht der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl angehörenden Ländern mit einem Zoll in Höhe von 20 DM je Tonne zu belasten. Gleichzeitig soll ein Zollkontingent festgesetzt werden, in dessen Rahmen weiterhin die Einfuhr zollfrei durchgeführt werden kann. Dieses Kontingent sollte eine Jahres-Einfuhrmenge von 4 259 000 t umfassen. Diese Menge hätte 50 % der durchschnittlichen Gesamteinfuhren aus Ländern außerhalb der Montanunion während der Jahre 1950 bis 1958 in die Bundesrepublik entsprochen. Das Kontingent sollte in Kraft treten, sobald die für seine Ausnutzung zu treffenden näheren Regelungen ergangen wären.
    Bei diesen Maßnahmen bedurfte es der Mitwirkung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Die Bundesregierung befand sich deshalb in ständigem Meinungsaustausch mit der Hohen Behörde und hat ebenso den Ministerrat bereits vor einiger Zeit über ihre Überlegungen unterrichtet. Inzwischen hat die Hohe Behörde gestern abend eine Entscheidung dahin getroffen, an die Bundesregierung eine Empfehlung nach Art. 74 des Montanunionvertrages wegen der von ihr beabsichtigten Zollmaßnahmen zu richten. Bis zu dieser Stunde liegt mir der Text der Empfehlung noch nicht schriftlich vor. Es ist uns aber bekannt, daß sich die Empfehlung darauf erstrecken wird, das zollfreie Kontingent nicht unter einer Menge von 5 Millionen t Steinkohle zu halten. Die Bundesregierung ist im Interesse einer weiteren fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Hohen Behörde bereit, dieser Empfehlung Folge zu leisten.
    Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß nur durch eine solche einschneidende Maßnahme die notwendige rasche Erleichterung der Lage erreicht werden kann. Es ist damit zu rechnen, daß dadurch insbesondere die Bereitschaft zur kommerziellen Ablösung von Kohleneinfuhrverträgen wesentlich gefördert wird. In vielen Fällen dürfte es zudem in der Hand der Importeure liegen, die amerikanische Kohle langsamer abzurufen.
    Angesichts der bereits lautgewordenen Kritik möchte ich insbesondere eines betonen: Die Bundesregierung ist bei dem vorgeschlagenen Kohlenzoll von der begründeten Erwartung ausgegangen, daß der Bergbau in der Zeit bis zum Inkrafttreten der Zollverordnung alle Anstrengungen darauf richtet, möglichst viele Kohleneinfuhrverträge abzulösen. Wir hoffen, daß dies in großem Umfang geschieht, weil es dem Bergbau darum gehen muß, Ersatzlieferungen von Ruhrkohle an die Stelle treten zu lassen. Auf diese Weise werden Preissteigerungen für Einfuhrkohle vermieden. Im übrigen hat der Bergbau erklärt, daß er nicht die Absicht habe, seine eigenen Kohlenpreise zu erhöhen.
    Wir standen auch vor der Frage, einen totalen Kohleneinfuhrstopp zu erlassen, dessen Wirkung natürlich noch stärker gewesen wäre. Der Wunsch jedoch, die amerikanische Kohlenwirtschaft nicht zu hart zu treffen, wie auch die Rücksichtnahme auf unsere gesamte handelspolitische Situation und unsere sehr schwierige Stellung im GATT ließen diesen Weg eines totalen Embargos für Einfuhrkohle aus dritten Ländern nicht angezeigt erscheinen.
    Ich komme zu Punkt 2 der Anfrage:
    Ist es der Bundesregierung bekannt, daß maßgebende Unternehmerkreise an der Ruhr mit dem Gedanken spielen, der Kohlenkrise durch Stillegungen und Massenentlassungen zu begegnen?
    Teilt die Bundesregierung diese Auffassung, oder ist sie der Meinung, daß Stillegungen und Entlassungen keine geeigneten Mittel zur Lösung der Kohlenkrise sind und damit unter allen Umständen abzulehnen sind?
    Es ist das eindeutige Ziel aller von der Bundesregierung heute ergriffenen und eingeleiteten Maßnahmen — über die ich soeben im einzelnen gesprochen habe —, Massenentlassungen im Steinkohlenbergbau und Stillegungen von Zechen als Folge der gegenwärtigen Absatzkrise zu vermeiden. Dies wird auch weiterhin die Einstellung der Bundesregierung bleiben. Eine krisenhafte Entwicklung soll auf alle Fälle vermieden werden. Mir ist bekannt, daß der Ruhrbergbau in Sorge um seine künftige Entwicklung und um die Erhaltung der Zechenbelegschaften mit großem Ernst alle Wege prüft, auf denen er selbst zur Überwindung der Absatzkrise beitragen, seine Wettbewerbskraft steigern und eine Anpassung an die veränderte Marktlage finden kann.
    Ich brauche kaum daran zu erinnern, daß ich zu verschiedenen Gelegenheiten, so in meiner Rede vor dem Bundestag Ende November 1957, so auch bei der Einweihung der Schachtanlage Wulfen im



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Juni 1958, an den Steinkohlenbergbau mit aller Eindringlichkeit appelliert habe, sich der großen und schwierigen Aufgaben bewußt zu sein, die sich aus den Entwicklungsstadien der Energiewirtschaft nun einmal unabwendbar ergeben. Die heutigen Schwierigkeiten sind ja nur zu einem Teil aus konjunkturellen Nachfrageschwankungen bei der Kohle zu erklären. Der Ruf des Bergbaus nach ausreichendem Schutz vor der drängenden Konkurrenz anderer Energieträger und die Gewährung dieses Schutzes durch den Staat sollen auch nicht so verstanden werden, als brauche der Steinkohlenbergbau selbst nichts weiter zu tun, da der Staat ihm die Verantwortung abnehme. Davon kann gar keine Rede sein. Die bemerkenswerten Ausführungen des Vorsitzenden des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau, Herrn Burckhardt, im Dezember vorigen Jahres in Essen sind mir eine wertvolle Bestätigung für die Erkenntnis innerhalb des Steinkohlenbergbaus, daß es jetzt voll auf eine neue unternehmerische Aktivität ankommt.
    Unter dieser neuen Aktivität wird ein verstärktes Ausschöpfen aller Möglichkeiten der Rationalisierung und Mechanisierung verstanden. Dabei wird auch die Möglichkeit einer Stillegung dauernd unwirtschaftlicher Betriebe und Betriebsteile in Rechnung gestellt. Die Zusammenfassung und der Austausch von Grubenfeldern und Feldesteilen bildet einen weiteren wichtigen Ansatzpunkt, wofür in vielen Fällen der Zusammenschluß von Unternehmungen Voraussetzung ist, um eine genügend breite Grundlage für die schweren bergtechnischen und finanziellen Aufgaben zu schaffen. Ich kann nur sagen, daß ich mit diesen Zielsetzungen voll einverstanden bin.
    Wir dürfen aber nicht verkennen, daß diese Anpassung eine ganz besonders schwierige Aufgabe ist. Sie ist viel schwieriger als in anderen Bereichen der Industrie, und zwar wegen der naturbedingten Besonderheiten des Bergbaus, so vor allem wegen des hohen Anteils der Menschen, die unter Tage unter schweren Bedingungen in der Kohlenförderung zu arbeiten haben. Um diese schwierigen sozialpolitischen und ökonomischen Probleme zu meistern, hat sich die Bundesregierung zu den vorgetragenen Maßnahmen entschlossen und dabei oft ernste wirtschaftspolitische Bedenken zurückgestellt.
    Wie im einzelnen eine Anpassung an die veränderten Marktverhältnisse durchzuführen ist, das muß der Verantwortung des Steinkohlenbergbaus und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Unternehmensleitungen und Gewerkschaften überlassen bleiben. Ich bin sicher, daß der Bergbau dabei im menschlichen und sachlichen Interesse auf eine möglichst gleichmäßige Beschäftigung der Bergleute sehen wird. Wenn der Bergbau auch zu Stillegungen von dauernd unwirtschaftlichen Schachtanlagen oder von Betriebsteilen übergeht, so müßte ich mit dem Bergbau eine solche Bereinigung struktureller Art angesichts des unaufhaltsamen Wettbewerbs anderer Energie in den kommenden Jahren als ein Gebot vernünftigen wirtschaftlichen Verhaltens ansehen. Aber ich möchte doch gleichzeitig zum Ausdruck bringen, daß dieser Prozeß sich keineswegs von heute auf morgen vollziehen und also auch keineswegs Massenentlassungen zur Folge haben kann. Diese Anpassung erfordert erfahrungsgemäß einen längeren Zeitraum, so daß die Unterbringung freigesetzter Bergleute auf anderen Zechen oder in anderen Industriezweigen allmählich und organisch erfolgen kann.
    In diesem Prozeß wird die Bundesregierung ihre Bemühungen auch im Rahmen der Montangemeinschaft geltend machen, der auf diesem Gebiet besondere Aufgaben im Gemeinschaftsvertrag zugewiesen sind. Insbesondere wird sie die Bestimmungen des Montanvertrages für sich in Anspruch nehmen, die den Einsatz von Finanzmitteln der Gemeinschaft zur Beschaffung neuer Arbeitsplätze für Bergleute ermöglichen.
    Im übrigen ist heute bereits eine erhebliche Verringerung der Arbeitskräfte im Steinkohlenbergbau dadurch eingetreten, daß zur Zeit neue Arbeitskräfte — abgesehen von Nachwuchskräften und Handwerkern nicht eingestellt und die natürlichen Abgänge nicht ersetzt werden. Hierdurch wird nicht nur die Anpassung der Zahl der Arbeitskräfte an die infolge Absatzmangels verminderte nutzbare Förderkapazität erleichtert, sondern es entstehen auch größere Möglichkeiten für die Umsetzung von Arbeitskräften, die als Folge von Rationalisierungsmaßnahmen erforderlich wird.
    Ich möchte bei dieser Gelegenheit hinzufügen, daß wir alle miteinander erkennen sollten, welche Gefahr für das Gelingen der schwierigen Aufgaben des Bergbaus darin liegt, wenn jede Überlegung und jede Maßnahme vorzeitig zum Anlaß von Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit genommen und dabei für diese oder jene Interessen umgedeutet wird. Es bedarf einer zähen, stillen und sachlichen Zusammenarbeit aller Kräfte des Steinkohlenbergbaus, um den besten Erfolg im Sinne der Belegschaft zu erzielen.
    Natürlich zieht die SPD und ebenso die IG Bergbau in einer Lage wie der heutigen alle Register, um dem alten Lied von der Sozialisierung des Bergbaus neuen Klang zu geben. Die Töne, die hier angeschlagen werden, und die Effekte dieser Anstrengungen sind nicht nur billig, sondern erscheinen gerade heute um so fragwürdiger, als wir am englischen Beispiel ja deutlich genug sehen können, daß ein sozialisierter Bergbau eben keineswegs mit den heutigen Problemen fertig wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Im Gegenteil, die Schwierigkeiten dort und ihre Auswirkungen auf die Bergarbeiter sind wesentlich größer und härter als bei uns. Die Bundesregierung bleibt bei ihrem erklärten Ziel, nicht durch Sozialisierung, sondern durch Schaffung von Eigentum auf privater Grundlage den erworbenen Wohlstand zu sichern und für die Zukunft zu erhalten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. —Lachen bei der SPD. — Zurufe links: Kohlenhalden! — Abg. Wehner: Volksaktien auf Halden! — Weitere Zurufe. — Unruhe.)




    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard Frage 4 lautet:
    Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um in Zukunft eine Kohleneinfuhrpolitik zu sichern, die den einheimischen Markt vor einer planlosen Überschwemmung mit Einfuhrkohle bewahrt?
    Ich habe Ihnen bereits dargelegt, welche durchaus positive Bedeutung die Rückgriffsmöglichkeiten auf amerikanische Kohleneinfuhren für uns in den vergangenen Jahren stärksten Wachstums der inländischen Energienachfrage hatten. Ich möchte auch noch einmal betonen, daß nur durch die auf den Abbau von Einfuhrhemmnissen gerichtete Energiepolitik der Bundesregierung in der Zeit der jahrelangen stürmischen Wirtschaftsexpansion alle Schwierigkeiten in der Energieversorgung vermieden werden konnten. Wir haben alle sehr schnell die sehr drückenden Mangelerscheinungen vergessen, die uns noch in den Jahren 1952, 1953 und 1954 dazu nötigten, Kohlenzuteilungen von 20 bzw. 22 Ztr. je Haushalt und Jahr vorzunehmen. Diese Zuteilungen 100% ig zu erfüllen, war häufig unmöglich. Dann ist es aber sehr bald gelungen, nicht nur den Kohlenbedarf der Bevölkerung, sondern auch den sprunghaft steigenden Bedarf der gewerblichen Wirtschaft voll zu befriedigen, die wachsenden Ansprüche an Gas und Elektrizität stets und vollständig zu decken und die volle Versorgung auch über Krisenzeiten, wie sie durch das Wort Suez gekennzeichnet werden, aufrechtzuerhalten.
    Das alles, meine Damen und Herren, ist ein klarer und unbestreitbarer Erfolg unserer Wirtschaftspolitik, von der die Energiepolitik ein Teil, und zwar ein mit ihr eng zusammengehöriger und von ihr gar nicht zu trennender Teil ist. Die Möglichkeit, langfristige Einfuhrverträge abzuschließen, bewahrte überdies die deutschen Verbraucher — im Gegensatz zu denjenigen vieler anderer Länder — weitgehend vor den sehr erheblichen Preissteigerungen für amerikanische Kahle, die durch die Seefrachtenhausse insbesondere vor und während der Suez-Krise ausgelöst wurden. Wenn die in den vergangenen Jahren unter dem Eindruck der damaligen Lage eingegangenen langfristigen KohleneinfuhrDispositionen sich heute als eine erhebliche Belastung erweisen, so wäre es doch falsch, etwa einzig und allein die Kohleneinfuhren für die gegenwärtigen Absatzschwierigkeiten des Steinkohlenbergbaus verantwortlich zu machen. Ich muß in diesem Zusammenhang erneut darauf hinweisen, daß diese Schwierigkeiten das Resultat eines unglücklichen Zusammenfallens zahlreicher Faktoren sind.
    Wenn es in der gegenwärtigen Situation darauf ankommt, die Kohleneinfuhrpolitik auf die Lösung des gegenwärtig drängenden deutschen Kohlenüberschußproblems abzustellen, so müssen die von der Bundesregierung getroffenen und noch zu ergreifenden Maßnahmen zur Einschränkung der Kohleneinfuhren als vorübergehende, vor allem sozialpolitisch begründete Notstandsmaßnahmen verstanden werden. Dadurch ändert sich nichts an der Auffassung, daß wir uns in der Bundesrepublik auf lange Sicht eine protektionistische Kohleneinfuhrpolitik nicht leisten können. Die deutsche Wirtschaft wird bei einem auf lange Sicht ständig steigenden Energiebedarf auf die Einfuhrkohle angewiesen sein. Der von ihr ausgehende Wettbewerb ist im Interesse einer möglichst wirtschaftlichen Energieversorgung wünschenswert und notwendig. Im übrigen glaube ich, daß man in der Wirtschaft selbst gerade während der letzten Monate dazugelernt hat, vielleicht manchmal sehr bitter dazugelernt hat, künftig vorsichtiger zu sein und Übersteigerungen der Einfuhrdispositionen besser zu vermeiden.
    In einer Ausnahmesituation wie der heutigen vorübergehenden Anpassungsmaßnahmen auf dem Gebiete der Kohleneinfuhrpolitik zu ergreifen und sich darauf einzurichten, bei einer Normalisierung der Verhältnisse die Kohleneinfuhren grundsätzlich wieder zur freien Wahl des Verbrauchers zu stellen, scheint mir auf alle Fälle vernünftiger zu sein als eine obrigkeitliche Planung der Kohleneinfuhren mit allen ihren unabsehbaren Risiken und Konsequenzen.
    Ich möchte schließlich darauf hinweisen, daß sich aus der Mitgliedschaft zur Montanunion auch Auswirkungen auf die Kohleneinfuhrpolitik ergeben. Der Fortfall der inneren Zollgrenzen im Gemeinsamen Markt macht den gegenwärtigen Beistand der Partnerstaaten notwendig, um Einfuhrbeschränkungen eines Mitgliedstaates wirksam werden zu lassen. Darüber hinaus fordert das Vorhandensein des Gemeinsamen Marktes von den Regierungen, bei der Gestaltung ihrer Einfuhrpolitik auf die Belange der Gemeinschaft Rücksicht zu nehmen. Die Bundesregierung kann und will sich diesen Gegebenheiten nicht entziehen.
    Frage 5 lautet:
    Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um eine planmäßige Entwicklung der verschiedenen Zweige der Energiewirtschaft — insbesondere des Kohlenbergbaus, der Mineralölwirtschaft und der Atomenergie — zu sichern?
    Seitdem die deutsche Kohle im 01 und in der amerikanischen Kohle dauerhafte Konkurrenten erhalten hat, ist eine einheitliche Energiepolitik notwendig geworden, die auf das Zusammenwirken aller Energieträger ausgerichtet ist. Diese Notwendigkeit bedeutet aber keineswegs, daß nunmehr die Entwicklung der einzelnen Sektoren auf dem Energiegebiet staatlich geplant werden mußte. Der energiewirtschaftliche Strukturwandel, der durch das Auftreten mehrerer, in weitem Umfang austauschbarer Energieträger gekennzeichnet ist, schafft vielmehr die entscheidende Voraussetzung für eine optimale Gewährleistung unserer Energieversorgung unter dem Ordnungsprinzip des Wettbewerbs.
    Auf solchen Überlegungen beruht auch die Entschließung der Außenminister der Mitgliedstaaten der Montanunion vom März 1957, wodurch die Hohe Behörde beauftragt wurde, dem Ministerrat Vorschläge über Methoden zu unterbreiten, die zur Erzielung einer koordinierten Energiepolitik der sechs Mitgliedstaaten geeignet sind. Demzufolge hat der Ministerrat im Oktober 1957 mit der Hohen



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Behörde vereinbart, daß der aus Vertretern der Hohen Behörde und der Regierungen der Mitgliedstaaten zusammengesetzte Gemischte Ausschuß mit der Ausarbeitung dieser Vorschläge beauftragt wurde. Die Arbeiten dieses Ausschusses sind noch im Gange.
    Das Hauptaugenmerk der Bundensregierung im Hinblick auf eine gedeihliche Entwicklung der verschiedenen Energieträger gilt der Herstellung und Erhaltung eines möglichst unverfälschten Wettbewerbs auf der Grundlage der natürlichen Erzeugungs- und Verteilungsbedingungen. Wenngleich bereits eine Reihe von Maßnahmen zur Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen auf dem Energiegebiet getroffen wurden, verkenne ich nicht, daß hier noch schwierige Aufgaben vor uns liegen. Wir werden sie nach und nach lösen und dabei um so eher Erfolg haben, je mehr das Bewußtsein der veränderten Energiesituation auch im Denken der traditionellen heimischen Energieerzeuger Eingang findet und ihr Handeln bestimmt. Das geht nicht von heute auf morgen, dafür sind die Anpassungsprobleme zu groß. Die Bundesregierung sieht es als ihre Pflicht an, einen kontinuierlichen Anpassungsprozeß zu ermöglichen, der frei von Störungen ist, die zu ernsten wirtschaftlichen und sozialen Erschütterungen führen könnten. Was ich damit im Hinblick auf unseren Steinkohlenbergbau meine, habe ich bereits bei der Beantwortung der Frage 2 ausführlich dargelegt.
    Die Entwicklung der Mineralölindustrie in der Bundesrepublik steht im Zeichen von auf lange Sicht geplanten Erweiterungen der Raffineriekapazitäten, wobei die Dynamik in erster Linie beim Heizöl liegt. Der künftige Raffinerieausstoß wird heute zu einem Teil bereits durch die Einfuhr von Fertigprodukten vorweggenommen. Die Expansion des Heizöls, dessen Anteil an der Energieversorgung der Bundesrepublik heute noch beträchtlich unter dem Anteil an der Energieversorgung anderer Industriestaaten auch mit reichen Kohlenvorkommen liegt, kann und darf grundsätzlich nicht aufgehalten werden. Im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie kommt es im Gegenteil immer stärker auf die Nutzung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts an, den das Heizöl in manchen Verwendungsrichtungen zweifellos darstellt. Auch hier gilt es aber, eine überstürzte Entwicklung zu vermeiden. Es läßt sich unschwer nachweisen, daß die gegenwärtigen Absatzschwierigkeiten des Bergbaus nur zum kleinen Teil durch das Vordringen des Heizöls verursacht sind. Andererseits läßt sich nicht wegdiskutieren, daß der Bergbau in seiner augenblicklichen schwierigen Lage durch eine heftige Konkurrenz des Öls überbelastet wird. Aus diesem Grunde habe ich mich für einen begrenzten Zeitraum mit der bereits genannten Regelung einer Ausrichtung der Preise für schweres Heizöl am Weltmarktpreis einverstanden erklärt, die jene Beruhigung schaffen soll, die für die Lösung der Anpassungsprobleme des Bergbaus erforderlich ist. Selbstverständlich soll der technische Fortschritt, der in manchen Verwendungsgebieten mit dem Verbrauch von Öl verbunden ist, nicht gehindert werden.
    Die Entwicklung auf dem Atomgebiet ist allgemein bereits aus dem Stadium der Forschung in den Bereich der technisch-wirtschaftlichen Nutzung eingetreten, jedoch leistet die Atomenergie in der Bundesrepublik bislang noch keinen Beitrag zur Energieversorgung. Der erste kleinere Versuchsreaktor, der in der Bundesrepublik der Elektrizitätserzeugung dienen soll, ist im Bau, und einige weitere große Atomkraftwerke befinden sich im Stadium der Projektierung. Bei diesen Anlagen handelt es sich noch um Entwicklungsprojekte, bei denen heute noch nicht endgültig gesagt werden kann, ob sie bereits zu wirtschaftlichen Bedingungen Strom erzeugen werden.
    Die Bundesregierung hält es nach wie vor für erforderlich, daß die technisch-wirtschaftliche Entwicklung auf dem Atomgebiet in der Bundesrepublik beschleunigt in Gang kommt. Bei der Beurteilung dieser Frage kann die derzeitige energiewirtschaftliche Situation, die weitgehend auch durch kurzfristige und vorübergehende Elemente bestimmt ist, keinen Einfluß haben. Es wäre ein völlig falscher Standpunkt, wollte man im Hinblick auf die Haldenbestände an der Ruhr die Entwicklungsarbeiten auf dem Atomgebiet abbremsen. Zwar arbeitet heute noch kein Atomkraftwerk in der Welt zu wirtschaftlichen Bedingungen, die Kostenkurve der Atomenergie weist aber bei allen technischen Neuerungen eine stark sinkende Tendenz auf. Die energiepolitische Entscheidung muß für das Atomgebiet daher trotz der derzeit gegebenen Situation dahin gehen, die mühsam in Gang gebrachte Entwicklung weiter zu fördern, um einen neuen wirtschaftlichen Energieträger zu gewinnen, der bereits in absehbarer Zeit zu einer Versorgung der deutschen Wirtschaft mit preisgünstiger Energie beitragen wird.
    Es kommt hinzu, daß die atomtechnische Entwicklung nicht allein unter energiewirtschaftspolitischen Gesichtspunkten betrachtet werden darf. Die von ihr ausgehenden Wirkungen erstrecken sich auf weite Bereiche der gesamten industriellen Technik. Von der Nutzung der hier sich eröffnenden Möglichkeiten wird es in der Bundesrepublik wesentlich abhängen, ob die deutsche Volkswirtschaft im Wettbewerb mit anderen bestehen kann oder nicht.
    Die gegenwärtigen Pläne zur Förderung der atomtechnischen Entwicklung in der Bundesrepublik sind maßgeblich von diesen Überlegungen bestimmt, kurzfristige energiepolitische Erwägungen spielen dabei keine Rolle. Das vom Bundesministerium für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft im Zusammenwirken mit der Deutschen Atomkommission aufgestellte Programm hat die Errichtung von fünf größeren Atomkraftwerken mit verschiedenartigen Reaktoren deutscher Konstruktion zum Ziel. Damit soll der deutschen Industrie die Möglichkeit gegeben werden, eigene Ideen auf dein Atomgebiet zu verwirklichen. Daneben werden Reaktoren für den Schiffsantrieb entwickelt. Außerdem werden im Rahmen bestehender internationaler Verträge zunächst ein oder zwei größere Atomkraftwerke mit Reaktoren ausländischer Konstruktion gebaut, um so bald wie möglich praktische Erfahrungen über den Bau, Betrieb und die Wirtschaftlichkeit von Atomkraftwerken zu gewinnen.



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Die Durchführung dieser Vorhaben soll grundsätzlich der privaten Wirtschaft überlassen bleiben, da sich auch die Atomwirtschaft in die marktwirtschaftliche Ordnung einfügen muß. Auf diese Weise wird sich die Atomenergie ohne dirigistische staatliche Planung auf sinnvolle und wirtschaftlichste Weise in die Gesamtenergiewirtschaft einordnen. Für die Anlaufzeit werden Starthilfen des Staates erforderlich sein. Die Grundsätze hierfür sind von der Bundesregierung bereits entwickelt worden. Sie sehen vor, den Investitionsträgern einen Teil eines möglicherweise bei den Erstanlagen noch entstehenden Verlustes abzunehmen, um so das heute noch bestehende übergroße Investitionsrisiko auf ein angemessenes Maß zurückzuführen.
    Ferner sollen zur Erleichterung der Baufinanzierung Bundesbürgschaften für aufzunehmendes Fremdkapital sowie langfristige ERP-Kredite gewährt werden.
    Es kann erwartet werden, daß nach Durchführung der in Aussicht genommenen Vorhaben die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind, um in größerem Stil mit dem Bau wettbewerbsfähiger Atomkraftwerke beginnen zu können. Ab 1965 etwa wird die Atomenergie dann als neuer, besonders dynamischer Energieträger an den Markt treten. Auch dann wird es sicherlich nicht zu überstürzten, das Gefüge der Energiewirtschaft störenden oder gar revolutionierenden Entwicklungen kommen, sondern es ist davon auszugehen, daß die Aufgabe der Atomenergie darin bestehen wird, in steigendem Maße einen Anteil an der laufenden
    3) Zuwachsrate der elektrischen Gesamtleistung einschließlich des Ersatzbedarfs zu übernehmen.
    Zu Punkt 6: Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich nicht nur im Kohlenbergbau, sondern auch in der Stahlindustrie und in wichtigen Zweigen der Verbrauchsgüterindustrie bedenkliche Schwächeerscheinungen zeigen?
    Wie beurteilt die Bundesregierung unter diesen Umständen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung? Hat sie Vorsorgegetroffen, um möglichen Verschlechterungen der Wirtschaftslage entgegenzutreten?
    Die Bundesregierung beschäftigt sich seit Beginn der Schwächeerscheinungen, die in der Eisen- und Stahlindustrie und in einzelnen Zweigen der Verbrauchsgüterindustrien entstanden sind, mit den damit zusammenhängenden Problemen. Sie schenkt der Entwicklung in diesen Bereichen besondere Beachtung. So wurden namentlich mit Vertretern der Textilindustrie in einer Reihe von Gesprächen Möglichkeiten erörtert, die Situation in den Branchen, in denen die Entwicklung ungünstig verläuft, zu verbessern.
    Ob man von einer „Verschlechterung der Wirtschaftslage" allgemein sprechen kann, scheint mir angesichts der unbestreitbaren Fakten mehr als zweifelhaft. Die Beschäftigtenziffer in der Bundesrepublik ist so hoch wie nie zuvor.
    Von der Seite der Zahlungsbilanz her sind wir keinesfalls zu einer restriktiven Wirtschafts- oder Handelspolitik gezwungen. Ganz im Gegenteil, unsere großen Währungsreserven sind ein besonders wichtiger Faktor für eine organische Weiterentwicklung unserer Wirtschaft.
    Die Preise haben eine erfreuliche Stabilität erreicht. Das Sozialprodukt zeigt gesundes Wachstum. Die gesunde Gesamtentwicklung erlaubt uns eine fühlbare Aufbesserung der Renten.
    Wenn dann in einzelnen Zweigen, wie in der Kohle, in Teilbereichen der Textilindustrie, ja vielleicht auch in der Eisen- und Stahlindustrie partielle Schwächeerscheinungen sichtbar werden, so verdienen sie selbstverständlich unsere ganze Aufmerksamkeit und Sorge. Aber ich möchte mit meinem Hinweis doch verhüten, daß diese Schatten uns die Sonnenseite der guten Konjunktur ganz verdunkeln.
    Die Absatzschwierigkeiten in den erwähnten Bereichen sind überwiegend auf vorangegangene Übersteigerungen zurückzuführen, die wiederum den Handel und die Verarbeiter zu überhöhten Lagerdispositionen veranlaßt haben. In den vergangenen Jahren habe ich häufig zum Maßhalten aufgefordert und vor diesen zu erwartenden Rückschlägen gewarnt.
    Auf den Konsumgütermärkten sind Wandlungen in der Struktur der Nachfrage eingetreten zugunsten der langlebigen Gebrauchsgüter wie Kraftfahrzeuge, Fernsehempfänger und elektrische Haushaltsgeräte. Außerdem nahmen die Ausgaben der Verbraucher für Urlaubsreisen und andere Dienstleistungen einen erhöhten Teil des Einkommens in Anspruch, — eine Entwicklung, die sich auch in anderen Ländern gezeigt hat und weitgehend auf die Erhöhung des Lebensstandards der Bevölkerung zurückzuführen ist. So konnte trotz des Anstiegs der Masseneinkommen um 8 % gegenüber 1957 nicht ausbleiben, daß die Nachfrage nach Textilien und Bekleidung weniger lebhaft war, zumal da wiederum mehr gespart wurde, was in einem Anstieg des Spareinlagenbestandes im Jahre 1958 um rund 23 % auf rund 36 Milliarden DM zum Ausdruck kommt. Das ist eine Entwicklung, die wir wohl alle nur begrüßen können.
    Soweit es in einzelnen Industrien zu Beschäftigungsrückgängen gekommen ist, sind diese von anderen Bereichen mehr als ausgeglichen worden. Dadurch hat sich die Gesamtbeschäftigung, von jahreszeitlich bedingten Schwankungen abgesehen, sogar weiter verbessert. Im Herbst des abgelaufenen Jahres erreichte die Zahl der Beschäftigten mit rund 19,4 Millionen den bisher höchsten Stand. Sie lag damit um 2 % höher als im Herbst 1957. Die Zahl der Arbeitslosen war um 11 % geringer. Von Kurzarbeit waren lediglich 0,3 % der Beschäftigten betroffen. Begünstigt durch die milde Witterung, überschritt die Beschäftigtenzahl Ende Dezember 1958 das entsprechende Vorjahresniveau um 3 %, die Zahl der Arbeitslosen war dagegen um 23 % niedriger.
    Trotz der Abschwächung der Weltkonjunktur, die bei der starken außenwirtschaftlichen Verflechtung der Bundesrepublik nicht ohne Einfluß auf die binnenwirtschaftliche Entwicklung bleiben konnte, hat



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    das gesamtwirtschaftliche Wachstum im vergangenen Jahr angehalten. Eine reale Steigerung des Sozialprodukts um rund 3% im Jahre 1958 kann unter den gegebenen Wachstumsbedingungen als ein gutes Ergebnis bezeichnet werden, das deutlich über dem internationalen Durchschnitt liegt. Die Entwicklung ist um so bemerkenswerter, als im Verlauf des Vorjahres der Preisauftrieb zum Stillstand gekommen ist.
    Seit dem Herbst machen sich in der Wirtschaft erneute Auftriebskräfte deutlich bemerkbar, und alle Anzeichen sprechen für eine Fortdauer der guten Konjunktur. Die bewußte Politik zur Senkung der Zinssätze, die gemeinsam von Bundesbank und Bundesregierung verfolgt wurde, hat dazu wesentlich beigetragen. In der gleichen Richtung wirkte sich der fortschreitende Abbau der Kassenreserven des Bundes aus.
    Die schon bisher von der Nachfrage besonders begünstigten Wirtschaftszweige wie die Bauwirtschaft und die Investitionsgüterindustrie werden voraussichtlich einen stimulierenden Einfluß auf weitere Bereiche ausüben. Auch der private Verbrauch und die öffentlichen Ausgaben werden zur Ausweitung der Nachfrage beitragen.
    Von der Außenwirtschaft dürften im Laufe dieses Jahres ebenfalls leichte Anregungen auf die Binnenkonjunktur ausgehen. Die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten erholt sich zunehmend, und auch in Europa sind die Voraussetzungen für eine baldige Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Wachstums günstiger geworden.
    Außerdem bietet die zunehmende Ergiebigkeit des Kapitalmarktes bessere Voraussetzungen für die Verwirklichung von weiteren Investitionen. Es ist anzunehmen, daß die gesamte Investitionstätigkeit im Jahre 1959 stärker zunehmen wird als im Vorjahr. Das gilt auch vor allem für die besonders kredit- und zinsabhängigen Bauinvestitionen, aber auch für die übrigen Investitionsbereiche.
    Schließlich lassen auch die Lagerbewegungen auf den Konsumgütermärkten erwarten, daß sich die zum Teil überhöhten Halb- und Fertigwarenbestände, die zu einer Zurückhaltung in der Auftragserteilung führten, in absehbarer Zeit weitgehend normalisiert haben. Durch die Anpassung der Produktion an die Marktbedingungen wird sich das Marktgleichgewicht im Verlauf dieses Jahres wohl wieder annähernd einstellen. Das gilt insbesondere auch für Eisen und Stahl. Hier ist der Abbau der überhöhten Walzstahlbestände beim Handel und bei den Verarbeitern ebenfalls in vollem Gange. Da die Zunahme des inländischen Stahlverbrauchs hei der lebhaften Investitionstätigkeit nach wie vor anhält, können die Aussichten für einen Wiederanstieg der Nachfrage nach Stahlerzeugnissen zuversichtlich beurteilt werden. Auch werden sich die Maßnahmen der Bundesregierung zur Belebung des Steinkohlenabsatzes wie das Vorziehen von Aufträgen der Bundesbahn auf die Beschäftigungslage der Stahlindustrie günstig auswirken.
    Die Bundesregierung ist nach eingehender Prüfung der allgemeinen konjunkturellen Situation der Auffassung, daß ein anhaltendes gesamtwirtschaftliches Wachstum bei weiterer Vollbeschäftigung als gesichert angesehen werden kann. Sie befindet sich darin in Übereinstimmung mit der Ansicht der Deutschen Bundesbank und der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute. Unter diesen Umständen halte ich es zur Zeit weder für erforderlich noch für zweckmäßig, der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit über die Anregungen hinaus, die von der Kapitalmarkt- und Zinsentwicklung ausgehen, durch konjunkturpolitische Maßnahmen zusätzliche Anreize zu geben. Derartige Maßnahmen würden mit hoher Wahrscheinlichkeit in den ohnehin kräftig expandierenden Zweigen unerwünschte Spannungen auslösen und die erfreulicherweise gewonnene Stabilität des Preisniveaus gefährden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)