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    Deutscher Bundestag 56. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1959 Inhalt: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fragen der Justizpolitik (Drucksache 569) Dr. Arndt (SPD) . . . . . 3047 B, 3118 B Schäffer, Bundesminister . . 3056 A, 3076 D, 3117 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler 3069 C, 3095 B Jahn (Marburg) (SPD) 3069 D Dr. Kanka (CDU/CSU) . . . 3077 D, 3114 D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . . 3082 A Dr. Schneider (Lollar) (DP) . . . 3086 D Rehs (SPD) 3091 B Benda (CDU/CSU) . . . . . . 3098 C Dr. Stammberger (FDP) 3106 A Wittrock (SPD) . . . . . . . 3107 C Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . 3110 D, 3114 A Dr. von Brentano, Bundesminister . 3113 B, 3114 C Dr. Schröder, Bundesminister . . . 3118 B Entwurf eines Gesetzes zu den Vereinbarungen mit den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Ver- einigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, der Republik Frankreich, des Königreichs Dänemark, des Königreichs der Niederlande und des Königreichs Belgien über gegenseitige Hilfe gemäß Art. 3 des Nordatlantik-Vertrages (Drucksache 47); Mündlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache 593) — Zweite und dritte Beratung Graf Adelmann (CDU/CSU) . . . 3123 D Erler (SPD) 3124 C Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) 3126 C Schultz (FDP) . . . . . . . . 3129 D Probst (Freiburg) (DP) . . . . . 3130 B Entwurf eines Gesetzes über das Europäische Währungsabkommen vom 5. August 1955 (Drucksache 541); Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 785, zu 785) — Zweite und dritte Beratung — 3130 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3131 C Anlagen 3133 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Januar 1959 3047 56. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9,03 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 55. Sitzung Seite 3002 D Zeile 11 statt „Rademacher". Ramms. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Januar 1959 3133 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 4.4. Altmaier* 23.1. Dr. Atzenroth 22.1. Dr. Bärsch 23.1. Baur (Augsburg) 23.1. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Birkelbach*- 23.1. Fürst von Bismarck* 23.1. Blachstein* 23.1. Frau Blohm 31.1. Diel (Horressen) 23.2. Dr. Eckhardt 10. 2. Eilers (Oldenburg) 23.1. Etzenbach 7.2. Frenzel 23.1. Dr. Furler* 23.1. Gedat 30. 1. Geiger (München) 23.1. Gerns* 23.1. D. Dr. Gerstenmaier 23.1. Gleisner (Unna) 20. 2. Graaff 23.1. Dr. Greve 7.2. Dr. Gülich 31. 1. Haage 23.1. Häussler 23.1. Heinrich 31.1. Heye* 23.1. Höfler* 23.1. Frau Dr. Hubert* 23.1. Jacobs 28. 2. Dr. Jaeger 26.1. Frau Kalinke 31.1. Kiesinger* 23.1. Dr. Kliesing (Honnef)* 23.1. Köhler 24.1. Dr. Kohut O 24.1. Dr. Kopf* 23.1. Kramel 16.2. Kriedemann 22.1. Kühn (Bonn) 26.1. Kühn (Köln)* 23.1. Kunst 31.1. Kurlbaum* 23.1. Dr. Leverkuehn* 23.1. Lücker (München)* 23.1. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30.1. Dr. Martin 26.1. Mank 24.1. Frau Dr. Maxsein* 23.1. Memmel 31.1. Dr. Mende* 23.1. Dr. Menzel 15.2. Metzger* 23.1. Dr. Meyer (Frankfurt)* 23.1. *für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaub bis einschließlich Müser 17.2. Dr. Oesterle 6.2. Paul' 23.1. Pelster 31.1. Pernoll 23.1. Pütz 14.2. Rademacher 24.1. Frau Dr. Rehling* 23.1. Dr. Reith 31.1. Rohde 31.1. Ruf 23.1. Dr. Schild 22.1. Dr. Schmid (Frankfurt)* 23.1. Schneider (Hamburg) 2.2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15.2. Schütz (München)* 23.1. Seidl (Dorfen)* 23.1. Dr. Serres* 23.1. Vogt 23.1. Dr. Wahl* 23.1. Walpert 31.1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 31.1. Weinkamm 23.1. Wullenhaupt 24.1. Dr. Zimmer* 23.1. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Verkehrs auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ritzel (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. 1. 1959, Drucksache 786, Frage 31) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um das neu eingerichtete Autotransportwesen der Bundesbahn mit wesentlich vermehrten Ein- und Ausladestationen auszustatten? Ist die Bundesregierung insbesondere bereit, die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn zu veranlassen, auf den bis jetzt für cien Autotransport erschlossenen Strecken eine vor Beginn der Bahnreise des Automobilisten stattfindende Verladung des Autos in geschlossenen oder offenen Güterwagen so rechtzeitig zu ermöglichen, daß der Reisende bei seiner Ankunft am ausländischen oder innerdeutschen Bestimmungsort seinen Wagen sofort zur Verfügung hat? Sieht die Bundesregierung auch die Möglichkeit, die Einrichtung des Autotransports von bundesdeutschen Stationen nach Berlin durchzuführen? Die Beförderung von Autos mit Reisezügen war 1958 noch auf die Sommersaison (Juni bis Oktober) beschränkt. Im vergangenen Jahre waren Autotransportwagen einmal zwischen Hamburg und Basel und zum andern in der Verbindung Ostende-München eingesetzt. Im kommenden Sommer sollen versuchsweise in zwei weiteren Zügen Autotransportwagen mitgeführt werden. Einer dieser Züge wird zwischen Mülheim (Ruhr)-Speldorf und München Ost verkehren. Kraftwagen können dabei auch in Düsseldorf Hauptbahnhof und in Köln-Deutz ein- und ausgeladen werden. Der andere Transportwagen wird von Großenbrode mit Verlademöglichkeit in Lüneburg nach München Ost und zurück verkehren. 3134 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Januar 1959 Zweck des seit einigen Jahren versuchsweise eingeführten Verfahrens ist es, die Reisenden, die am Tage ihren Kraftwagen benutzen, nachts mitsamt ihrem Fahrzeug über längere Strecken auf der Schiene zu befördern. Demgemäß sind jedem der genannten Züge Schlaf- und Liegewagen beigegeben. Eine Unterwegsbedienung ist im allgemeinen deswegen nicht vorgesehen, weil nach allen bisherigen Erfahrungen kein Interesse an einer Kurzstreckenbeförderung besteht und bei der bisherigen Fahrplangestaltung die Zwischenbahnhöfe zur Nachtzeit angelaufen werden. Die Beförderung von Kraftwagen in Tageszügen wurde bisher nicht gefordert. Sie ist deshalb bis auf weiteres auch nicht geplant. Zudem gibt es nur wenige Großstadtbahnhöfe, deren Bahnsteige ohne Schwierigkeit von Personenkraftwagen erreicht und befahren werden können. Die Bundesbahn prüft laufend die Möglichkeit, weitere Verbindungen dieser Art zu schaffen. Maßgebend für die Einrichtung weiterer Verkehre sind neben der Nachfrage die Einrichtung der Personenbahnhöfe mit Anfahrrampen und ausreichend breiten Bahnsteigen sowie das Vorhandensein entsprechend ausgerüsteter Transportwagen. Zur Zeit ist die Bundesbahn bemüht, die Konstruktion der Verladeeinrichtungen dieser Wagen zu verbessern, um die Aufenthalte der Züge abzukürzen. Bei dem heutigen Verfahren hat der Reisende seinen Wagen unmittelbar nach der Ankunft des Zuges zur Verfügung. Es ist deshalb nicht erforderlich, ihm eine vorausgehende Verladung zu ermöglichen, soweit die Beförderungsart „Auto im Zuge" eingeführt ist. Übrigens könnten normale Güterwagen, auf die der Reisende etwa vorher sein Fahrzeug verladen hat, deshalb nicht mit Schnellzügen befördert werden, weil sie für solche Geschwindigkeiten nicht geeignet sind und weil im allgemeinen auf den Personenbahnhöfen unterwegs . nicht die erforderliche Zeit für das Ein- und Ausrangieren vorhanden ist. In den Jahren vor dem letzten Krieg konnten Personenkraftwagen auf allen Güterabfertigungen gegen einen stark ermäßigten Beförderungspreis zur Beförderung mit Güterzügen nach allen Richtungen aufgegeben werden. Von dieser Einrichtung ist so gut wie kein Gebrauch gemacht worden, weil im Güterverkehr, der zum grollen Teil mit Bedarfsgüterzügen bedient wird, die Ankunftszeit im allgemeinen nicht mit völliger Sicherheit vorher angegeben werden kann. In gewissen Schnellzügen werden dagegen besonders eingerichtete Gepäckwagen mitgeführt, die der Autobeförderung dienen. Dabei handelt es sich einmal um Doppelstockgepäckwagen (DPw4üm) mit Schwenkhubbühne. Hier werden die Autos vom Bahnsteig aus durch die Seitentür verladen; Fassungsvermögen 8 Kraftwagen. Außerdem werden zukünftig — ohne Möglichkeit der Verladung an Zwischenstationen — Gepäckwagen mit Stirnwandtüren (MPw4i) verwendet, in denen zwei bis drei Kraftwagen unterzubringen sind. Bisher lief je einer der erwähnten Doppelstockwagen im Fernschnellzug „Komet" zwischen Hamburg und Basel. Der Verkehr wurde täglich bedient. An zwei Wochentagen liefen die Wagen bis Chiasso durch; jedoch soll diese Verlängerung nach Chiasso aufgegeben werden. Ferner gab es eine Verbindung Ostende—München, die an einzelnen Tagen, 1958 insgesamt 19mal, bedient wurde. Hier fanden belgische Spezialgüterwagen Verwendung, die für den Lauf in Schnellzügen geeignet sind. Die neugeplanten Verbindungen Mülheim (Ruhr)—München Ost und Großenbrode—München Ost sollen dreimal wöchentlich durchgeführt werden. Hier werden Gepäckwagen mit Stirnwandtür verwendet. Für die Beförderung der Pkw in Autotransport-wagen wird eine mäßige Fracht erhoben, die nicht vom Gewicht der Wagen abhängig ist. Unterschieden wird lediglich zwischen Pkw mit einer Länge von bis zu 4,42 m und größeren Wagen. Die Beförderungsart „Auto im Reisezug" hat im letzten Jahr recht lebhaften Zuspruch gefunden. Gezählt wurden in der Verbindung Hamburg—Basel 2535 Pkw und 6252 Reisende, auf der Strecke Ostende — München (an 19 Tagen) 865 Pkw und 2573 Reisende. Im Verkehr zwischen der Bundesrepublik und Westberlin kann eine Beförderung auf Autotransportwagen nur eingeführt werden, wenn die Deutsche Reichsbahn (Ost) diesem Verfahren zustimmt. Das ist kaum anzunehmen, um so mehr als gegenwärtig die Zahl der verkehrenden Reisezüge sehr gering ist und deswegen diese Züge schon heute bis an die Grenze des Möglichen mit Personenwagen ausgelastet sind. Dr.-Ing. Seebohm Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Felder (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. 1. 1959, Drucksache 786, Frage 37) : Welche Zeitspanne ist im Rahmen des Straßenbauprogramms des Bundesverkehrsministeriums für den Ausbau der Strecke vom Nürnberger Kreuz nach Tennenlohe und damit zum Anschluß an die bereits vierspurig befahrbare Bundesstraße 4 zwischen Tennenlohe und Erlangen vorgesehen? Ist bei den Planungen zum weiteren Ausbau der Bundesstraße 8 schon eine Entscheidung in der Frage der Ortsumgehungen von Langenzenn und Emskirchen getroffen worden? Die für den Vollausbau der Autobahnteilstrecke Nürnberger Kreuz — Tennenlohe erforderlichen Mittel stehen zur Verfügung. Die Arbeiten zur Herstellung des Fahnbahnunterbaues und eines Teiles der Fahrbahndecke sind vergeben. Der Rest der Deckenarbeiten ist ausgeschrieben; mit der Zuschlagserteilung ist in den nächsten Tagen zu rechnen. Mit der Durchführung der Arbeiten wurde im Herbst 1958 begonnen. Ich rechne damit, daß bis Ende dieses Jahres der gesamte Streckenabschnitt zweibahnig, d. h. vierspurig, dem Verkehr übergeben werden kann. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Januar 1959 3135 Im Wirtschaftsplan der Gemeinde Emskirchen ist bereits eine generelle Linienführung für die Ortsumgehung vorgesehen. Für Langenzenn soll ebenfalls die Trasse für eine spätere Umgehung im Wirtschaftsplan der Gemeinde berücksichtigt werden. Nachdem wir uns entschlossen haben, die Autobahn Frankfurt/M.—Würzburg—Nürnberg jetzt beschleunigt zu bauen, sind diese Umgehungen nicht mehr vordringlich. Der derzeitige starke und für die Gemeinden besonders lästige Durchgangsverkehr wird künftig von der Bundesstraße 8 abwandern und auf die neue Autobahn übergehen. In den generellen Planungen der beiden Ortsumgehungen und deren Aufnahme in die Wirtschaftspläne der Gemeinden sehe ich eine vorsorgliche Maßnahme, um die Mögkeit für spätere Umgehungen bei einer heute noch nicht voraussehbaren Verkehrsentwicklung offenzuhalten. Dr.-Ing. Seebohm
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    Rede von Dr. Ernst Benda


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    In der Tat, Herr Kollege Rehs, Sie haben es sich nicht sehr schwer gemacht. Sie haben gesagt — und ich habe es mir aufgeschrieben —: Die Einzelheiten des Prozesses — ich glaube, es war der „Fall Kilb", wenn ich ihn so nennen will — interessieren nicht; diese sind alle bekannt. Meine Damen und Herren, es ist gar nichts bekannt.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei der SPD.)

    Und der zweite Grundsatz, der in diesem Hause auch bis zum heutigen Tage noch gelten sollte — für mich jedenfalls steht er fest — ist der, daß ein Angeklagter, der vor Gericht steht, sei er, wer er wolle, bis zu dem Zeitpunkt seiner rechtskräftigen Verurteilung für alle Außenstehenden nicht als schuldig, sondern als unschuldig gilt.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ist das zu bestreiten? Ist das ein Grundsatz, zu
    dem wir uns bekennen wollen, oder ist es ein
    Grundsatz, den wir hier heute über Bord schmeißen?

    (Abg. Rehs: Binsenwahrheit, Herr Kollege Benda! — Lachen und Gegenrufe von der Mitte.)

    Damit darf ich zu meinem eigentlichen Thema kommen. Hierbei haben wir uns mit dem von mir, wie angekündigt, zu behandelnden Problem in einem ganz anderen Zusammenhang noch einmal zu beschäftigen.
    Die Sozialdemokratische Partei hat in Punkt 2 ihrer Großen Anfrage — der Punkt 3 gehört sachlich dazu — von der Besorgnis gesprochen, daß eine Reihe von Urteilen das Rechtsbewußtsein verletzten. Kollege Jahn hat dazu einiges gesagt. Kollege Dr. Arndt hat sich heute morgen in seiner Begründung mit diesen Fragen ausführlich beschäftigt.
    Der Kollege Jahn hat kritisiert, die Antwort des Herrn Bundesjustizministers habe nicht das zum Ausdruck gebracht, was man von ihm erwartet habe. Ich bin nicht dieser Auffassung. Ich bin schon der Meinung, daß es dem Bundesjustizminister wohl ansteht, bei Verfahren, die nicht zu seiner Zuständigkeit, sondern zur Zuständigkeit in erster Linie der Landesjustizverwaltungen gehören, behutsam zu reden und alles zu unterlassen — der Herr Minister hat es ja gesagt —, was als der Versuch aufgefaßt werden könnte, die Zuständigkeit der Landesjustizverwaltungen oder gar die im Grundgesetz verankerte Zuständigkeit der unabhängigen Richter in irgendeiner Form zu berühren.
    Die Kollegen der Sozialdemokratie haben selber gesagt, die Punkte ihrer Anfrage seien von verschiedener Wertigkeit, von verschiedenem Gewicht. Es war ein wenig schwer, das zu sehen. Insofern geht die Kritik des Herrn Kollegen Jahn etwas fehl.
    Aber es ist, glaube ich, richtig: der zentrale Punkt einer Justizdebatte, in der man sich nicht mit Fra-



    Benda
    gen der institutionellen Technik der Justiz allein beschäftigen möchte, ist das Problem des Konflikts zwischen dem Richterspruch und der öffentlichen Meinung, die legitimerweise in erster Linie in diesem Hohen Hause repräsentiert werden sollte. Es ist — so hat es Friedrich Sieburg in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung " genannt — das Problem der Entrüstung im Rechtsstaat.
    Wir haben heute Worte ehrlicher, und ich darf hinzufügen: gerechtfertigter Entrüstung gehört. Meine Damen und Herren, denken wir auch in diesem Zusammenhang einen Augenblick daran, daß es zum Wesen eines Rechtsstaates, um den wir hier streiten und sicher auch streiten müssen, auch gehört, daß eine Entrüstung überhaupt möglich ist. Im Unrechtsstaate ist Entrüstung nicht möglich. Im Rechtsstaate ist sie allerdings möglich, muß sich aber nach Inhalt und Form — nach beiden! — begrenzen. Die Begrenzung ist durch die formale Anerkennung des einmal geschaffenen Faktums Urteil geboten. Sie sollte aus dem Respekt vor dem Spruch eines unabhängigen Richters geboten sein.
    Herr Kollege Arndt, Sie haben sich heute morgen wieder wie so viele Ihrer Kollegen in zahlreichen Debatten, die wir in den letzten Monaten miteinander geführt haben, darüber beklagt, daß die Bundesregierung es angeblich an Respekt vor diesem Hause, also an Respekt vor der Volksvertretung fehlen lasse. Ich will mich nicht darauf einlassen, weil es vom Thema wegführt. Ich möchte aber soviel sagen: Der Respekt, den selbstverständlich — darüber sind wir uns einig — die Bundesregierung diesem Hause, der Vertretung des deutschen Volkes, schuldet, kann mit Fug und Recht von der dritten Säule unseres Staates, von der rechtsprechenden Gewalt, beansprucht werden. Sie kann beanspruchen, daß dieser Respekt ihr von uns, die wir hier beisammensitzen, entgegengebracht werde.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der frühere Reichsjustizminister Schiffer hat schon vor vielen Jahren in seinem Buche über die deutsche Justiz, das man vor der Erörterung eines Themas wie dieses schon einmal nachlesen mag, geschrieben — ich darf das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
    Der Selbstbeschränkung des Staates, die in der Unabhängigkeit der Richter liegt, muß die Selbstbeschränkung der politischen Parteien und anderweitigen Organisationen entsprechen; sie müssen es sich versagen, gegen jedes Ihnen mißfällige Urteil die Volksseele zum Kochen und die Volksmasse auf die Straßen zu bringen, um in schwebende Verfahren einzugreifen oder abgeschlossene Verfahren nicht zur Ruhe kommen zu lassen.

    (Zuruf von der SPD: Eben!)

    Meine Damen und Herren, das gilt für Lob und für Tadel. Es ist schon eine Weile her, daß Sie — meine Herren Kollegen von der SPD, Sie haben so selten Gelegenheit dazu, und deshalb haben wir Verständnis dafür — rühmend und mit viel Worten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dem
    Streit über die Parteispenden gepriesen haben. Ich nehme Ihnen das gar nicht übel; wie gesagt: Sie haben diese Gelegenheit bisher nicht sehr oft gehabt. Aber so gut wie für das Lob gilt dasselbe für den Tadel. Es dient nicht der Sache der Justiz, wenn Urteile über abgeschlossene Rechtsstreite dann, wenn es vermeidbar ist, in diesem Hause in Pro oder Kontra, in Lob oder Tadel diskutiert und im einzelnen untersucht werden.
    Ein Wort zur Form! Es gibt eine Reihe von Äußerungen, die allerdings bedenklich sind und die klar aufzeigen, wo die Grenzen der zulässigen Form einer Kritik an gerichtlichen Urteilen sind. Ich darf Ihnen auch — hier bitte ich um Ihre Genehmigung, Herr Präsident — einige wenige Stilblüten, so muß ich sie wohl nennen, vorlesen, die aus Ihren oder aus Ihnen nahestehenden Reihen gekommen sind, und zwar im Zusammenhang mit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die Sie alle sehr wohl kennen und die noch nicht alt ist. Was hat denn etwa der Parlamentarisch-Politische Pressedienst der SPD am 5. November 1958 zu diesem Urteil des Bundesarbeitsgerichts geschrieben? Ich darf es hier anführen: Mit Hilfe juristischer Fallstricke solle die Substanz der Gewerkschaften ausgehöhlt und ihre Rolle geschwächt, wenn nicht gar außer Kraft gesetzt werden.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    — Das steht zwar nicht in der Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts, und die Verfasser des Artikels hüten sich, es zu sagen. — Es geht dann weiter: Die eigentliche Stoßrichtung des Richterspruchs von Kassel lasse sich jedoch nicht verschleiern; sie ziele in den politischen Bereich.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Oder der Nachrichtendienst des Deutschen Gewerkschaftsbundes vom 6. November vorigen Jahres: Im Gewand juristischer Auslegungen liege ganz unzweifelhaft ein politisches Urteil vor.
    Oder der Vorsitzende der IG Metall, Herr Brenner, sagt am 14. November im Gewerkschaftsblatt, der „Welt der Arbeit", einer wohl unverdächtigen Quelle: Im Zusammenhang mit anderen beunruhigenden Ereignissen der jüngsten Zeit nennt er das Urteil ein verhängnisvolles Anzeichen für die fortschreitende Restauration. Natürlich darf die Frankfurter „IG Metall" in diesem tristen Reigen nicht fehlen, die am 16. November vorigen Jahres durch ihren Bezirksleiter Hans Eick verkünden ließ: Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts sei eine Fortsetzung der Nazi-Urteile gegen die deutsche Gewerkschaftsbewegung.

    (Hört! Hört! und Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, in diesen Äußerungen von Männern aus Ihren Reihen steckt nicht mehr und nicht weniger als der schlechthin unhaltbare Vorwurf der Rechtsbeugung, den wir, glaube ich — und insofern müssen wir uns schützend vor die deutsche Richterschaft stellen —, bei dieser Gelegenheit entschieden zurückweisen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Benda
    Meine Damen und Herren von der SPD, mit diesen naßforschen Tönen ist die Grenze der zulässigen Entrüstung über gerichtliche Entscheidungen bei weitem überschritten. Das ist erstens schlechtester Stil, und das ist zweitens das Ergebnis der Irrmeinung, daß Freiheit der Meinung ohne Bindung, ohne innere Disziplin, ohne Ordnung in einem Rechtsstaate überhaupt möglich sei.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun hat sich freilich in der deutschen Öffentlichkeit erneut die leidenschaftliche Diskussion über die Zulässigkeit und vielleicht sogar über die Notwendigkeit der „Urteilsschelte" durch das, was man den Fall Nieland nennt, entfacht. Mein Kollege Dr. Kanka hat bereits einiges darüber gesagt; ich will es nicht unnötig wiederholen. Aber ich will soviel sagen: ich habe den Eindruck, daß sich mancher von Ihnen, der sich geäußert hat, nicht sehr viel Gedanken über den zulässigen Inhalt und die notwendigen Grenzen der Urteilsschelte gemacht hat. Darf ich noch einmal grundsätzlich in Kürze das Problem anschneiden, ob eine solche Kritik am Richterspruch überhaupt zulässig ist!
    Wie schwierig das Problem ist, zeigt ein Zitat zum Problem der Unabhängigkeit der Rechtspflege, das schon einige Jahre alt ist und folgendermaßen lautet:
    Unabhängigkeit der Rechtspflege bedeutet, daß der Richter keinen Weisungen unterworfen ist, von wem auch immer sie kommen mögen, und daß er in seiner richterlichen Tätigkeit keiner Dienstaufsicht unterliegt. Als Anweisung stellen sich aber nicht nur Befehle oder unzulässige Verordnungen dar, sondern jedwede Kritik, die amtlich von einem anderen Staatsorgan an der Rechtspflege geübt wird, wenn sie auch nur geeignet ist, einen Druck auf die Rechtspflege auszuüben. Unzulässig ist also, wenn der Landtag
    — es handelte sich damals um einen Landtag —
    irgendwelche Urteile kritisiert. Unzulässig ist es, wenn von einem Richter gesagt wird, daß er hinter schwedische Gardinen gehöre. Auch der Justizminister
    — Herr Kollege Jahn —
    ist nicht berufen, Urteile auf ihre tatsächliche oder rechtliche Richtigkeit hin nachzuprüfen, sie zu loben oder zu tadeln. Es muß sogar mindestens sehr zweifelhaft erscheinen, ob und inwieweit er einer vermeintlichen Rechtsbeugung nachgehen kann.

    (Abg. Dr. Arndt: Damals war ich noch jünger!)

    Meine Damen und Herren, dieses Zitat ist deswegen so interessant, weil es aus dem „Archiv für öffentliches Recht" aus dem Jahre 1932 stammt und mit der Verfasserangabe überschrieben ist; Landrichter Dr. Adolf Arndt — unser geschätzter Kollege aus diesem Hause.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Dr. Arndt.)

    — Sie waren damals noch jünger, Herr Kollege. Sehen Sie, unser geschätzter Berliner Kollege
    Schröter im Rechtsausschuß und wir als Berliner würden da sagen: —

    (Abg. Wittrock: Hören Sie doch mit dem Wort „geschätzt" auf! Wenn man das aus Ihrem Munde hört, ist das direkt eine Infamie!)

    — Ach, Herr Wittrock, — — (Abg. Wittrock: Das ist doch Heuchelei!)

    — Über das Thema „Heuchelei" sage ich Ihnen nachher noch ein besonderes Wort, Herr Kollege Wittrock. Ich komme noch darauf zurück; falls ich es vergessen sollte, erinnern Sie mich bitte daran.

    (Weiterer Zuruf des Abg. Wittrock.)

    — Herr Kollege Wittrock, ich habe doch nicht Sie gemeint, wenn ich vom „geschätzten Kollegen" gesprochen habe. Warum fühlen Sie sich überhaupt getroffen? In Berlin würden wir zu dem Zitat und zu dem, was der Kollege Dr. Arndt heute gesagt hat — geschätzter Kollege Schröter, Sie werden es mir abnehmen —, sagen: Wie hast du dir gewandelt!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber, Herr Kollege Dr. Arndt, mir liegt es völlig fern — und ich hoffe das noch verständlicher zu machen —, Ihnen zu dem, was Sie heute gesagt haben, irgendeinen Vorwurf zu machen.

    (Abg. Metzger: Na also!)

    — Ja, Herr Kollege Metzger, ich will mit diesem Zitat nur einmal zeigen, wie schwierig die Probleme sind. Das, was der Kollege Dr. Arndt im Jahre 1932 gesagt hat, reicht eben deshalb nicht aus, weil es nicht nur um die von Ihnen besprochene äußere Unabhängigkeit des Richters geht, sondern ebensosehr — Sie oder Ihr Kollege Jahn haben das selber mit Recht gesagt — um die innere Unabhängigkeit des Richters. Und dem Recht des Richters auf Unabhängigkeit entspricht die Pflicht des Richters zur Unabhängigkeit. Dieser Pflicht zur inneren Unabhängigkeit genügt der Richter nicht allein dadurch, daß er, wenn er in einen Konflikt gerät, seine Versetzung betreibt oder um Polizeischutz nachsucht.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Das sind höchst unvollkommene, höchstunzulängliche Methoden, um einem solchen Konflikt auszuweichen, und wo die innere Unabhängigkeit etwa fehlen sollte, da wird dann aus der äußeren Unabhängigkeit auch eine leere Redensart.
    In diesem Sinne hat sich noch vor sehr viel längerer Zeit Karl Heinsheimer geäußert, einer der uns als ebenso eigenwillig wie liebenswert bekannten badischen Juristen. Im Jahre 1929 hat er gesagt — auch über das Thema „Kritik von Urteilen in Parlamenten" —:
    Wenn wir aber im Gegensatz hierzu sehen, daß die Justizminister in Reich und Ländern auf Vorwürfe, die wegen einseitiger politischer oder konfessioneller oder auch sozialer Einstellung von Gerichten erhoben werden, sachlich eingehen und antworten, sei es nun in die-



    Benda
    sem oder jenem Sinne, so liegt dem offenbar die Erkenntnis zugrunde, daß es sich hierbei um Fragen wesentlich anderer Art handelt als bei einfacher Kritik an sich indifferenter Urteile. Und diese Auffassung
    — sagt Heinsheimer
    ist völlig zutreffend. Vorwürfe jener Art enthalten nichts anderes als die Behauptung, daß die Gerichte es an der Unabhängigkeit, die nicht nur eine äußerliche, sondern auch eine innerliche sein muß und die nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht der Gerichte ist, nach einer bestimmten Richtung hin fehlen lassen. Weit entfernt, in die Unabhängigkeit der Gerichte einzugreifen, wollen solche Kritiken vielmehr gerade die Unabhängigkeit der Gerichte gegen diese selbst in Schutz nehmen. Und es kann nicht so sein, daß das Parlament hier nicht zu einer Erörterung befugt wäre, welche nur bezweckt, die konstitutionellen Grundlagen des gesamten Staatswesens zu wahren.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, in den „konstitutionellen Grundlagen des gesamten Staatswesens" liegt in der Tat der Kern und die Lösung unseres Problems. Es darf niemandem von uns — ich habe solche Fälle unzulässiger Urteilsschelte zitiert — in diesem Hause oder außerhalb dieses Hauses gestattet sein, aus seiner parteipolitischen Einstellung Urteile deswegen zu kritisieren, weil sie einer speziellen parteipolitischen oder speziell gewerkschaftlichen oder, wenn Sie wollen, auch Arbeitgebereinstellung nicht entsprechen. Wo es aber um die konstitutionellen Grundlagen unseres Staatswesens oder, um es mit einem modernen Ausdruck zu sagen, wo es um die freiheitlich-demokratische Grundordnung dieses unseres Staates geht und wo die Besorgnis besteht, daß diese Grundlagen gefährdet, ja sogar etwa angegriffen und verletzt werden, ist die Auseinandersetzung mit einer solchen Rechtsprechung, mit solchen Urteilen nicht nur ein Recht, sondern, ich möchte sagen, geradezu eine Pflicht dieses Hauses und eines deutschen Parlaments überhaupt.

    (Abg. Schröter [Berlin] : Na also, da sind wir endlich mal wieder beim Kern!)

    Das Problem der Urteilsschelte bedeutet also nicht nur — darüber sollte selbstverständlich Übereinstimmung bestehen —, daß man dem Richter keine Vorschriften machen oder ihn gar etwa unter Druck setzen sollte. Insofern bedaure ich — das muß einmal gesagt werden — die Forderung, die sich in der Hamburger Bürgerschaft erhoben hat, man solle von seiten der Justizverwaltung auf die Geschäftsverteilung der Hamburger Gerichte Einfluß nehmen. Das ist eine völlige Unmöglichkeit.
    Auf der anderen Seite kann der Richter aber nicht beanspruchen — ich möchte sagen: er kann nicht einmal wünschen —, in einem Elfenbeinturm seiner speziellen Fachwissenschaft zu arbeiten und zu entscheiden. Er, der Richter, der ja doch im Namen des Volkes urteilt, muß gerade die lebendige, sachliche und die selbstverständlich saubere Diskussion — nur um die kann es gehen — auch
    außerhalb seiner Gerichtskammer suchen und geradezu wünschen.
    Meine Damen und Herren, nach dem, was wir hinter uns haben, gewinnt der alte Rechtsspruch „Fiat iustitia, pereat mundus" ein recht fragwürdiges und recht zweifelhaftes Gewicht, jedenfalls dann, wenn er zu einem gleichgültigen Rechts- und Gesetzespositivismus führt.
    Über den Fall Nieland ist gesprochen worden. Dazu nur noch so viel: Es kann, glaube ich, nach den Fürchterlichkeiten der Vergangenheit niemand mehr irgendwo in Deutschland mit Recht sagen, daß es bei dem Problem des Antisemitismus um eine Bagatelle gehe.

    (Zuruf von der SPD: Also!)

    Es handelt sich nicht nur um den Schaden im Ausland, so wichtig dieser sein mag. Aber wenn wir das allein sehen wollten, wäre es ja ein nur zweckbestimmtes Denken. Es geht doch darum, daß wir in diesem Hause ganz einfach deswegen zur Besorgnis verpflichtet sind, weil wir hier die Sache des deutschen Landes besorgen und weil die innere Sauberkeit unseres Landes uns mindestens genauso viel wert sein soll wie das äußere Ansehen unseres Landes.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Na also! — Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

    Aber da so sehr viel kritisiert worden ist, ist es, glaube ich, notwendig, bei dieser Gelegenheit auch einmal auf positive Stimmen aus dem Ausland aufmerksam zu machen, die sich gerade mit diesem Thema beschäftigen. Ich entnehme einem Bericht, daß sich ein großer Teil der norwegischen Presse im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die KZ-Prozesse — die ja insbesondere hier in Bonn zum Teil noch anhängig sind und über die ich deswegen nichts sagen will, ich glaube, auch nichts zu sagen brauche — in einer sehr erfreulichen und positiven Weise über den Gang dieser Prozesse ausgelassen hat. So ist es z. B. in einem Leitartikel der immerhin größten norwegischen Zeitung „Aftenposten" vom 16. Oktober 1958 geschehen. Ich darf zitieren:
    Wir sind froh, daß die Bundesrepublik diese Prozesse gegen Kriegsverbrecher so tatkräftig führt und daß sie die Rechtsgrundsätze so energisch behauptet. Die Missetaten des Nazismus gegen Menschen sind so groß gewesen, daß sie nicht im Verlauf einiger Jahre aus der Erinnerung ausgelöscht sein können. Wie schwer auch das Erbe sein mag, es muß ans Tageslicht gezogen werden, und wir müssen das Gefühl erhalten, daß man in Deutschland den Willen und die Fähigkeit zeigt, das wiedergutzumachen, was an Schaden wiedergutgemacht werden kann.
    Bei anderer Gelegenheit hat einer der angesehensten Rechtslehrer der Universität Oslo anläßlich eines Besuchs deutscher Juristen in Oslo Anfang November 1958 erklärt, er sei von der Konsequenz, mit der diese Prozesse von den deutschen Justiz-



    Benda
    behörden durchgeführt würden, durchaus beeindruckt und glaube, dasselbe von der norwegischen Öffentlichkeit sagen zu können. Ich glaube, es ist ein Gebot der Fairneß und der Gerechtigkeit, das bei dieser Gelegenheit auch einmal zum Ausdruck zu bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Einzelnen Angehörigen der Bundesregierung — dem Herrn Bundesjustizminister, auch dem Herrn Bundeskanzler — sind Vorwürfe, zum Teil persönliche Vorwürfe gemacht worden. Daher darf in Erinnerung gerufen werden, was Ihnen, meine Damen und Herren, wohl bekannt ist: Es ist der deutsche Bundeskanzler, dieser Bundeskanzler dieser Bundesregierung gewesen, der in den vergangenen Jahren an erster Stelle dazu beigetragen hat, das Ansehen des deutschen Volkes, das vom verbrecherischen Nationalsozialismus unsäglich geschändet worden ist, im Ausland — soweit das überhaupt innerhalb dieser kurzen Zeit menschenmöglich ist — weitgehend wiederherzustellen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wer das bestreiten will, mit dem kann man, glaube ich, darüber einfach nicht mehr diskutieren. Das ist einfach unbestreitbar.

    (Abg. Schröter [Berlin] : Kommen Sie zum Thema, Kollege Benda!)

    — Ich komme sofort darauf, Kollege Schröter. Ich weiche bestimmt keiner Frage aus — so gut sollten wir uns kennen —, darauf können Sie sich verlassen. Sie brauchen mich nur darauf anzusprechen.
    Zum Problem des Antisemitismus muß ich doch noch etwas sagen. Ich spreche hier als Angehöriger einer Generation, der wohl unverdächtig ist, sich für sich oder seine Generation um ein Alibi bemühen zu müssen. Niemand in der Bundesrepublik, der Verantwortung trägt, niemand, der den Eid auf das Grundgesetz geschworen hat, wer immer und wo immer er sei, darf Recht anders sehen und anders auslegen als so, daß die Würde des Menschen, die in einer grausigen Weise verletzt worden ist, über allem steht. Niemandem darf gestattet werden, in Wort oder Tat Menschen zu schmähen, die Unvorstellbares gelitten haben, oder gar solche Verbrechen zu befürworten oder zu fördern. Wir sind es den Opfern dieser fürchterlichen Zeit schuldig, ihr Andenken sauberzuhalten und die Überlebenden, deren Wunden bis zum heutigen Tage kaum vernarbt, geschweige denn verheilt sind, vor neuen Angriffen zu schützen.
    Die große Mehrheit der Richter in Deutschland weiß das nach meiner Überzeugung. Sie weiß es selbstverständlich. In diesem Zusammenhang mag auch ein Wort dankbarer Erinnerung an eine sehr große Anzahl hervorragender Richter in hervorragenden Stellen gesagt werden, ein Wort dankbarer Erinnerung an Richter jüdischen Glaubens, die in der Zeit bis 1933 die deutsche Rechtswissenschaft und die deutsche Justiz in hervorragender Weise gefördert haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie kennen alle die Namen, ich will keine einzelnen sagen. Ich will, wenn über die deutsche Richterschaft gesprochen wird, auch an die leider allzu wenigen Überlebenden erinnern, die zum Teil wieder in verantwortlicher Stellung in unserer neuen deutschen demokratischen, rechtsstaatlichen Justiz arbeiten und sich unserem Land zur Verfügung gestellt haben. Wenn Sie die deutsche Richterschaft insgesamt kritisieren, dann denken Sie bitte auch an diese Menschen, die wir hier auf alle Fälle mit in Schutz nehmen müssen.

    (Abg. Metzger: Wer hat denn die deutsche Richterschaft insgesamt kritisiert? Das ist doch eine Unterstellung! Das ist doch nicht wahr!)

    — Ich komme . nachher noch darauf.
    Bei alledem ist die Entrüstung im Rechtsstaat nicht nur möglich, sondern — ich habe ,es gesagt — hier und da sogar notwendig. Es muß in der Tat — ich will das ganz deutlich sagen — Besorgnis erregen, wenn irgendwo geschehenes Unrecht keine Strafe findet, ja, wenn dem flüchtigen Leser ein solches Unrecht durch Richterspruch gerechtfertigt, manch-
    mal sogar belohnt erscheinen mag oder wenn, was noch schlimmer ist, weil ,es den Glauben an die Kraft des Rechts erschüttert, der Verurteilte sich der Strafe entziehen kann. Ein solches Ergebnis kann keine Befriedigung, sondern nur Besorgnis erwekken. Es sind die Fälle Eisele, Zind, Simon, Arnsberg, Nieland, Heydrich und eine ganze Reihe anderer solcher Entscheidungen zitiert worden. Der Kollege Jahn hat mir bestätigt, daß ich schon bei ,anderer Gelegenheit meine Auffassung zu dem Arnsberger Urteil deutlich genug gesagt habe. Das Gericht selber sagt von diesem Geschehen, daß es sich bemühen mußte, die gerechte Sühne für eine Tat zu finden, die in ihrer Art und in ihrem Ausmaß ,ein ungeheueres Unrecht dargestellt habe. Kollege Jahn, ich gehe auf die Einzelheiten auch von manchem, was Sie hier gesagt haben, aus zeitlichen Gründen, aber auch deswegen nicht ein, weil diese Urteile, das Arnsberger Urteil wie auch das Urteil, das sich mit dem Komplex Brettheim beschäftigt, nach den Erklärungen, die der Herr Minister abgegeben hat, beide noch nicht rechtskräftig sind. Deshalb wäre es nach dem, was ich einleitend gesagt habe, in der Tat nicht zweckmäßig, darüber zu sprechen.
    Ich darf aber allgemein sagen, daß es eine ganze Reihe Urteile gibt, die insofern Bedenken erregen, als man nicht den Eindruck hat, den man sicherlich von jenen Urteilen hat — ich beziehe mich, Kollege Jahn, auf Ihre Ausführungen hier; ich brauche das nicht zu wiederholen —, daß die Richter bestes Streben und ein sorgfältiges Bemühen gezeigt haben. Ob das immer der Fall ist, das allerdings ist eine Frage, die immerhin gestellt werden muß. Man ist gelegentlich versucht zu denken — um ein Wort des Herrn Bundespräsidenten zu zitieren —, daß hier und da die Technik des Vergessenkönnens mitspielen mag, die nach dem Wort des Herrn Bundespräsidenten eine Eigenschaft der moralisch Anspruchslosen ist. Das ist das Bedenkliche, meine Damen und Herren, daß jeder kleine Verkehrsoder Steuersünder von einer gleichmütigen Maschi-



    Benda
    nerie der Justiz zur Rechenschaft gezogen wird, daß aber alle äußeren Umstände zugunsten der Mörder mittels der Standgerichte, der KZ-Knechte, der Antisemiten zu arbeiten scheinen. Die Besorgnis ist deswegen notwendig und begründet, weil es manchmal in der Tat scheinen will, daß die Maßstäbe verrückt werden.
    Dabei ist es völlig unsinnig, etwa dem einzelnen Richter hier Vorwürfe zu machen. Es ist manches
    — Kollege Metzger, Sie haben den Zwischenruf, glaube ich, gemacht — von Ihrer Seite gesagt worden, was mindestens so klingen könnte — vielleicht war es nicht 'so gemeint — wie eine kollektive Verurteilung der deutschen Richterschaft.

    (Widerspruch bei der SPD. — Abg. Metzger: Nein, das wollten Sie so hören!)

    — Herr Kollege Metzger, ich wollte das gar nicht hören; aber ich freue mich, wenn Sie das hier bestätigen. Ich freue mich, wenn wir in ein sachliches Gespräch über die Dinge geraten und dabei vielleicht sogar zu einer gewissen Übereinstimmung kommen.

    (Abg. Rehs: Das ist aber in Ihrer Ausdrucksweise ein bißchen naßforsch, Herr Kollege Benda, was Sie da eben gesagt haben!)

    Der Generalbundesanwalt Dr. Güde, den Kollege Arndt bereits zitiert hat, hat in einem Vortrag vor der Evangelischen Akademie in Bad Boll über die vielen inneren und äußeren Schwierigkeiten, die sich der Justiz entgegenstellen, eine Menge gesagt; ich brauche das hier nicht zu wiederholen.
    Das Problem, meine Damen und Herren, liegt in Wirklichkeit viel tiefer. Es wird deutlich und erhellt an einem Punkte der Antwort des Herrn Bundesjustizministers auf Ihre Frage, in der der Herr Minister darauf hingewiesen hat, daß bei den Schwurgerichten das Rechtsbewußtsein des Volkes deswegen zur Geltung komme, weil diese Gerichte in der Mehrzahl mit Laienrichtern besetzt seien. Wenn Sie diese Äußerung — die an sich sicherlich richtig ist — mit den Ausführungen vergleichen, die Güde zu diesem Problem der Schwurgerichte — das wir alle kennen — gemacht hat, dann wird deutlich, welche wirklichen Schwierigkeiten bestehen.
    Ein Weiteres. Kollege Dr. Arndt, Sie haben in Ihren Ausführungen die Richter aufgefordert, mehr Mut zu haben. Ich habe gerade gestern den Artikel in der Hand gehabt, den unser und Ihr Kollege Dr. Heinemann in der neuesten Nummer der „Neuen Juristischen Wochenschrift" etwa zu der Frage der Auslegung des § 93 StGB geschrieben hat und in dem er der Richterschaft, den höchsten Richtern sogar, den Bundesrichtern, den Vorwurf macht, sie dehnten diese Bestimmung — bei einem anderen Personenkreis allerdings — und eine Reihe der Bestimmungen dieses Abschnittes unnötig weit und unangemessen weit entgegen der Zwecksetzung des Gesetzgebers aus.

    (Abg. Schröter [Berlin] : Das hat doch mit Mut nichts zu tun!)

    Auf der anderen Seite wird gefordert, daß dieser oder jener Richter — und Sie wissen, daß der § 93 etwa in Hamburg eine Rolle gespielt hat — mit mehr Mut an die Gesetzesauslegung herangehen müsse.

    (Abg. Dr. Arndt: Mehr Mut zum Herz, habe ich gesagt! Herrgott, sind Sie unreif! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Herr Kollege Arndt, Sie werden es nicht erleben
    — das darf ich Ihnen versprechen —, daß ich von dieser Stelle aus persönlich werde. Aber wenn Sie vorhin Ihre Äußerung, die Sie vor 25 Jahren getan haben, mit dem Hinweis erledigten, daß Sie damals sehr viel jünger gewesen seien, dann möchte ich mir doch in aller Form verbitten, daß Sie mich hier als unreif bezeichnen. Damals waren Sie so alt, wie ich es heute bin.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Rehs: Sie müssen aber bei der Auslegung der Ausführungen hier nicht Ihre Phantasie so frei walten lassen!)

    Es ist, meine Damen und Herren, wie mir scheint
    — und das hat Güde in aller notwendigen Klarheit gesagt —, sinnlos, dem einzelnen überhaupt Vorwürfe zu machen. Wir alle tragen Verantwortung, und ich würde doch wünschen, daß ein Wort von Güde aus jenem Vortrag, das ich noch zitieren darf, hier oben in diesem Saale hängen möge, das Wort:
    Ich sage unentwegt
    — sagt Güde
    „wir", weil jeder Vorwurf an einzelne, soll er nicht pharisäisch sein oder unfruchtbar bleiben, diese Einsicht in unser Gesamtversagen und unsere gemeinsame Schuld voraussetzt.
    Das sage ich denen von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, die vorhin von Phärisäern gesprochen haben. Diesen Satz überlegen Sie bitte einmal!
    In diesem Zusammenhang ein Wort zu dem Stil in unserem Hause. Ich habe eben gesagt, Sie werden so etwas von mir nicht hören; ich werde so etwas von hier aus nicht sagen. Ich höre manchmal
    — das ist auch heute wieder angeklungen —, daß über die Bewertung des Verhaltens des einen oder anderen Mitgliedes unseres Hauses oder auch des einen oder anderen Mitgliedes der Regierung hier Ausführungen gemacht werden, von denen ich wirklich nicht recht weiß, wie ich sie qualifizieren soll.

    (Zuruf von der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ich halte es wirklich nicht für zweckmäßig, und gerade Sie — ich will das nicht sagen — —

    (Abg. Heiland: Vorsicht!)

    — Ich habe speziell auch an Sie gedacht und das, was Sie hier einmal Mitgliedern der Regierung gesagt haben; ich habe speziell an den Ton gedacht, den Sie damals angeschlagen haben. — Wollen wir uns in diesem Hause immer und immer wieder in alle Zukunft hinein früheres Versagen, das es hier und da gegeben haben mag, gegenseitig vorrechnen? Meinen wir, wenn wir solche Vorwürfe erheben,



    Benda
    daß es notwendig ist, uns in unserer politischen Bedeutung dadurch zu erhöhen, daß wir andere Menschen niedriger setzen? Wollen wir wirklich vergessen — Herr Bucher hat es in einem anderen Zusammenhang und mit einem allerdings anderen Sinn gesagt —, daß die Ehre des Regierungschefs auch unsere Ehre ist?

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Wollen wir weiter fortfahren, uns in diesem Hause so zu begegnen, wie wir es doch, glaube ich, außerhalb dieses Raumes glücklicherweise bisher nicht tun?

    (Zuruf von der SPD: Wollen Sie das, was Sie jetzt sagen, bitte auch dem Kanzler sagen!)

    — Ach, Herr Kollege, ich richte meine Rede hier wirklich an alle. Ich habe keinen Bestimmten angesprochen. Ich sage bloß, wie ich die Dinge sehe, und dabei bleibe ich auch.

    (Zuruf von der SPD: Wir bedürfen nicht Ihrer Belehrungen!)

    Was also soll getan werden? Ich greife die Anregung auf, die von Ihrer Seite kam und die ich unterstütze: daß es Aufgabe der amtlichen Stellen, in erster Linie sicherlich der Landesjustizverwaltungen und der Bundesregierung, wäre, wichtiges Material, das sich in den sogenannten KZ-Prozessen, wie etwa in dem in Bonn laufenden SorgeSchubert-Prozeß, ergibt, in geeigneter Form zu verwerten, um die Wahrheit klarzustellen und zu verbreiten.
    Man sollte vielleicht untersuchen, ob es tatsächlich zutrifft, daß es — wie es hier und da, allerdings, wie mir scheint, bisher ohne nähere Anhaltspunkte, behauptet wird — geheime Verbindungen gibt, durch die sich Menschen vom Schlage eines Herrn Zind oder vom Schlage eines Herrn Eisele der verhängten Strafe entziehen können. Der Gesetzgeber muß überprüfen, ob hier von seiner Seite alles getan worden ist. Deswegen bedaure ich die Initiative, die die Bundesregierung in diesem Punkte ergriffen hat, nicht, sondern begrüße sie, nicht um damit — und ich glaube, das kann nicht mißverständlich sein — etwas, was vor einem Hamburger Gericht geschehen ist, zu rechtfertigen, sondern ganz einfach deswegen, um mit aller Deutlichkeit klarzustellen, daß es in Zukunft keine Möglichkeit eines Ausweichens — auch für den Richter — mehr geben kann. Wer wollte darüber böse sein? Ich will gern einräumen, daß man sich später noch über Einzelheiten dieses Gesetzentwurfs, der dem Hause bisher noch nicht vorliegt, unterhalten muß.
    Ich begrüße die Initiative der Justizverwaltung zur Erforschung einer Reihe bestimmter Straftaten. Einige schwere Fälle werden noch abgeurteilt werden müssen. Auf der anderen Seite wird allerdings auch Beschränkung notwendig sein, nicht deswegen. weil der Ruf nach Vergessen von den — ich habe sie vorhin so genannt — Technikern des Vergessens käme, sondern weil dieser Ruf — und das verdient hervorgehoben zu werden — auch etwa von dem Vorsitzenden des Verbandes der Juden in Deutschland, Herrn Dr. van Dam, in der Allgemeinen
    Wochenzeitung der Juden am 14. November laut geworden ist. Dort hat Herr Dr. van Dam gesagt, daß zum jetzigen Zeitpunkt nur noch besonders schwere Verbrechen zur Aburteilung kommen sollten, weil eine Inflation von Strafverfahren der Rechts- und Sittenordnung nichts nütze und das Übermaß an derartigen Verhandlungen die Wirkung eher aufheben könne, die solche großen Prozesse hervorgerufen hätten, weil das Zuviel hier häufig die gleiche Wirkung habe wie das Zuwenig.
    Aber all dies — das wissen wir alle — wird nur Stückwerk bleiben. Es ist die Sache der Justiz, in die Vergangenheit zu richten. Es ist unsere Sache und es ist Sache der Politik, die Zukunft zu gestalten. Wir müssen die Erfahrungen der Vergangenheit beachten, dürfen dabei aber sicherlich nicht stehenbleiben. Uns warnt der Unrechtsstaat des Nationalsozialismus, aber auch der Unrechtsstaat in einem anderen Teile Deutschlands.
    Kollege Dr. Arndt — um noch etwas aufzugreifen —, Sie haben, glaube ich, vorhin gesagt, daß wir uns darüber einig seien. Möchte das auch außerhalb dieses Hauses in Ihren Reihen überall ganz klar und eindeutig zu erkennen sein! Sie werden sagen, das sei selbstvertändlich. Ich habe — das muß ich einmal sagen — nur mit Bestürzung die Äußerungen lesen können, die ein früheres Mitglied dieses Hauses Ihrer Fraktion, Herr Staatssekretär Professor Dr. Brill , in einem Vortrag vor dem „Erweiterten Initiativausschuß für die Amnestie und die Verteidigung in politischen Strafsachen — ich habe nichts dagegen, da soll er gern reden — gemacht hat. In einem Vortrag über das Thema „Justiz und Rechtsstaat" am 10. Mai 1958, aus dem ich diesen einen Satz zitiere, hat Herr Dr. Brill wörtlich gesagt:
    Es hindert das Begreifen unserer Gegenwart, wenn der Stand der Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland als der vollendet demokratische und soziale Rechtsstaat hingestellt, die DDR aber mit derselben Beharrlichkeit als Unrechtsstaat denunziert wird.
    Ich wiederhole den letzten Halbsatz: die DDR aber mit derselben Beharrlichkeit als Unrechtsstaat denunziert wird. Eine dankbare Aufgabe, Herr Kollege Dr. Arndt! Das stammt aus Ihrer engeren Heimat.

    (Zuruf von der SPD: Das kapieren Sie nur noch nicht!)

    — Herr Kollege, ich begreife das sehr wohl, daß ein früherer Bundestagsabgeordneter irgendwo draußen in der Öffentlichkeit sich hinstellt und erstens von der DDR — nicht etwa in Anführungszeichen — spricht und dann sich darüber aufhält, daß dieser Unrechtsstaat als ein solcher nicht kritisiert, sondern „denunziert" werde. Infamer, meine Damen und Herren, geht es wirklich nicht mehr. Wir jedenfalls werden an der klaren Abgrenzung zwischen diesem Rechtsstaat und jenem Unrechtsstaat festhalten. — Kollege Döring, daß Sie mit lächelnder Miene ironisch sagen: „Das sind schreckliche Dinge", wundert mich wirklich nicht.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)




    Benda
    Für die Justiz — meine Damen und Herren, das als letztes — ein Schlußwort, das über dem stehen möge, was wir hier zu sagen versuchen, ein Schlußwort aus dem bereits bei anderer Gelegenheit zitierten Vortrag von Güde, in dem er sagte:
    Die deutsche Öffentlichkeit werden wir um Geduld, Verständnis und Einsicht bitten müssen, Verständnis vor allem dafür, daß eine angeschrieene und beschimpfte Justiz einer so schweren Aufgabe nicht gerecht werden kann, Verständnis dafür, daß in diesem Komplex Fragen der Schuld und des Unrechtsbewußtseins enthalten sind, die nicht mit Gewaltsamkeiten zu lösen sind, Verständnis aber vor allem dafür, daß der Richter nur nach seinem Gewissen und nach seiner Überzeugung urteilen darf und daß es das schlimmste wäre, wenn er sich etwa aus Angst vor einer erregten öffentlichen Meinung zu Urteilen gegen seine Überzeugung bestimmen ließe.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Stammberger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haben Sie keine Angst, ich möchte die Debatte nicht unnötig lange „ausstracken". Ich möchte auch der Bundesregierung weder weitere „Hallsteine" in den Weg legen, noch ihr zusätzliche „Blankenhörner" aufsetzen.

    (Heiterkeit.)

    Ich tue das allerdings nicht unter dem Eindruck der Ermahnung des Herrn Bundeskanzlers gegenüber meinem Freund Bucher, man dürfe so hochgestellte Persönlichkeiten nicht kritisieren. Diese Kritik, meine Damen und Herren, ist unser gutes Recht, und wir werden davon Gebrauch machen, wann immer, wie immer und wozu immer wir das für notwendig halten.

    (Beifall bei der FDP und SPD. — Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Dann muß sie aber fundiert sein!)

    Aber ich möchte — Herr Kollege Weber, beruhigen Sie sich nur — zu einem Punkt sprechen, der heute noch sehr wenig Beachtung gefunden hat. Das ist der Punkt 9 der Großen Anfrage der SPD, den die SPD leider nicht begründet, den aber der Herr Bundesjustizminister dennoch beantwortet hat.
    Der Herr Bundesjustizminister hat sich in seiner Beantwortung gegen den Vorwurf eines mangelnden rechtsstaatlichen Verhaltens verwahrt. Zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme von Geheimpatenten oder angeblichen Geheimpatenten hat er sich dabei auf die §§ 99 ff. des Strafgesetzbuches und vor allem auf den § 30 a des Patentgsetzes berufen. Nun, Herr Bundesjustizminister, Sie wissen genauso gut wie ich, daß § 30 a des Patentgesetzes nur gilt, wenn der Erfinder seine Rechte abtritt und der Bund dann der Anmelder ist, mit anderen Worten, wenn zwischen beiden vorher eine Einigung zustande gekommen ist.
    Was aber geschieht nun, meine Damen und Herren, wenn das nicht der Fall ist, wenn es zu einer solchen Einigung — aus welchen Gründen auch immer — nicht kommt? Wenn das alles richtig wäre, Herr Bundesjustizminister, was Sie hier vorhin gesagt haben, dann hätte es nicht des juristischen Schleichweges bedurft, den man zweifellos mit ministerieller Rückendeckung eingeschlagen hat, als der Herr Präsident des Deutschen Patentamts seine Mitteilung vom 14. August 1956 herausgegeben hat, die nunmehr eine dubiose, eine höchst dubiose Rechtsgrundlage für solche Verfahren ist; ich darf wohl annehmen, daß die erwähnte Mitteilung der Grund für diesen Teil der Großen Anfrage der SPD gewesen ist.
    Ich möchte hier einmal auf eine andere Bestimmung des Patentgesetzes, auf den § 8, zu sprechen kommen. Nach diesem Paragraphen hat die Bundesregierung die Möglichkeit, in die Lizenzrechte vor allem hinsichtlich der Ausschließlichkeit einzugreifen, wenn ihr dies im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt oder der Sicherheit des Bundes als notwendig erscheint. Das ist insofern bemerkenswert, als hier die Rechte des privaten Schutzrechtinhabers soweit wie möglich auf rechtsstaatlicher Grundlage gewahrt werden. Dort ist nämlich die Anfechtung einer solchen Anordnung vor den jeweiligen Verwaltungsgerichten vorgesehen; es ist vorgesehen der Anspruch auf eine Vergütung, also eine Entschädigung für die Benutzung, die notfalls im Streitfalle durch Anrufung der ordentlichen Gerichte eingeklagt werden kann.
    Die Mitteilung des Präsidenten des Bundespatentamts vom 14. August 1956 geht weit über das hinaus. Sie entspricht vielmehr der seinerzeit im Entwurf der Bundesregierung im 1. Bundestag vorgesehenen Fassung eines § 30 a Abs. 2, wonach auch Patente Dritter als Geheimpatente behandelt werden können, wenn dies der Präsident des Patentamts auf Weisung einer obersten Bundesbehörde mit Rücksicht auf die Sicherung des Staates anordnet. Diese Bestimmung war im Gesetz von 1936 nicht enthalten; sie ist vielmehr erst durch eine Kriegsverordnung im Jahre 1939 eingeführt worden, und im Jahre 1953 hielt es der 1. Bundestag — aus welchen Gründen auch immer — nicht für erforderlich, diese kriegsbedingte Maßnahme als Dauervorschrift in das geltende Recht aufzunehmen. Er glaubte, daß, wenn es notwendig sei, ein Patent als Geheimpatent zu behandeln, der Bund die Erfindung erwerben und nach § 30 a in seiner jetzt geltenden Fassung als eigenes Geheimpatent anmelden könne. So der damalige Wille des Gesetzgebers!
    Meine Damen und Herren, über alles das setzt sich die Exekutive einfach hinweg, und man hat das Gefühl, daß hier nach dem Grundsatz gehandelt wird: Wenn nicht mit dem Parlament, dann ohne das Parlament, notfalls auch gegen das Parlament! Man kann es auch etwas kürzer sagen: Hier wird nach dem Motto gehandelt: „La loi c'est moi." Hierfür gibt es ja bereits eine regierungsamtliche Übersetzung. Sie stammt vom Herrn Bundespressechef von Eckardt und lautet: Das Kabinett kann das. Der Herr Kollege Rehs hat soeben schon gesagt: das



    Dr. Stammberger
    Kabinett kann das nicht, und ich möchte hier erklären: Das Kabinett kann auch d a s nicht;

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    denn diese Praxis ist nicht nur contra legem, sie ist auch contra constitutionem. Sie kommt praktisch einer Enteignung gleich, und die weisen Väter des Grundgesetzes, wie man sie immer so schön zu nennen pflegt, haben in Art. 14 GG bestimmt, daß eine Enteignung nur erfolgen kann auf Grund eines Gesetzes, das gleichzeitig auch die Entschädigungsansprüche regelt.
    An dieser gesetzlichen Grundlage fehlt es hier. Das hat auch der Herr Bundesjustizminister in seinen Worten ganz offen und mit der ihm eigenen Ehrlichkeit durchblicken lassen.

    (Lachen bei der SPD.)

    Während im § 8 des Patentgesetzes, den ich vorhin bereits erwähnt habe, alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, findet man nichts davon in der Mitteilung des Bundespatentamtes vom 14. August 1956, obwohl hier die Eingriffe in die Rechte einer Privatperson bedeutend schwerer sind, so schwer, daß damals der Bundestag diesem Vorschlag der Bundesregierung seine Zustimmung versagen zu müssen glaubte.
    Wir Freien Demokraten verkennen durchaus nicht, daß sich die Situation heute gegenüber der Situation im 1. Bundestag politisch und insbesondere militärpolitisch geändert hat. Ich darf heute schon namens meiner Fraktion erklären, daß wir einem Änderungsvorschlag, wie ihn der Herr Bundesjustizminister bereits angekündigt hat — wenn auch mit sehr vagen und zaghaften Worten —, im Grundsatz zustimmen werden. Aber was wir hier verlangen, ist eine klare Entscheidung durch don Gesetzgeber, um die sich die Bundesregierung längst hätte kümmern können, falls sie diese Regelung für notwendig erachtet.
    In dieser Mitteilung des Patentamtes wird von einem Staatsnotstand gesprochen. Das ist ein Wort, das augenblicklich sehr beliebt ist. Ein solcher Notstand liegt im Augenblick zumindest nicht in einer solchen zeitlichen Bedrängnis vor, daß nicht der Gesetzgeber längst hätte Klarheit schaffen können. Was uns aber eher als ein Notstand erscheint, ist der bedenkliche Mangel an rechtsstaatlichem Einfühlungsvermögen bei den für diese Handlungsweise verantwortlichen Ressorts der Bundesregierung. Wir wollen nur hoffen, daß die Bundesregierung wenigstens in diesem Punkte aus dieser Debatte die Konsequenzen zieht und uns sobald wie möglich einen Gesetzentwurf vorlegt, der an Stelle der Besetz- und verfassungswidrigen Mitteilung vom 14. August 1956 und der daraus entwickelten Praxis einwandfreie gesetzliche Voraussetzungen schafft, um die Sicherheit unseres Staates zu gewährleisten, auch ohne den dadurch betroffenen Bürgern dieses Staates ihre verfassungsmäßigen Rechte zu nehmen.

    (Beifall bei der FDP.)