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ID0305601600

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    Deutscher Bundestag 56. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1959 Inhalt: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fragen der Justizpolitik (Drucksache 569) Dr. Arndt (SPD) . . . . . 3047 B, 3118 B Schäffer, Bundesminister . . 3056 A, 3076 D, 3117 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler 3069 C, 3095 B Jahn (Marburg) (SPD) 3069 D Dr. Kanka (CDU/CSU) . . . 3077 D, 3114 D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . . 3082 A Dr. Schneider (Lollar) (DP) . . . 3086 D Rehs (SPD) 3091 B Benda (CDU/CSU) . . . . . . 3098 C Dr. Stammberger (FDP) 3106 A Wittrock (SPD) . . . . . . . 3107 C Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . 3110 D, 3114 A Dr. von Brentano, Bundesminister . 3113 B, 3114 C Dr. Schröder, Bundesminister . . . 3118 B Entwurf eines Gesetzes zu den Vereinbarungen mit den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Ver- einigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, der Republik Frankreich, des Königreichs Dänemark, des Königreichs der Niederlande und des Königreichs Belgien über gegenseitige Hilfe gemäß Art. 3 des Nordatlantik-Vertrages (Drucksache 47); Mündlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache 593) — Zweite und dritte Beratung Graf Adelmann (CDU/CSU) . . . 3123 D Erler (SPD) 3124 C Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) 3126 C Schultz (FDP) . . . . . . . . 3129 D Probst (Freiburg) (DP) . . . . . 3130 B Entwurf eines Gesetzes über das Europäische Währungsabkommen vom 5. August 1955 (Drucksache 541); Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 785, zu 785) — Zweite und dritte Beratung — 3130 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3131 C Anlagen 3133 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Januar 1959 3047 56. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9,03 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 55. Sitzung Seite 3002 D Zeile 11 statt „Rademacher". Ramms. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Januar 1959 3133 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 4.4. Altmaier* 23.1. Dr. Atzenroth 22.1. Dr. Bärsch 23.1. Baur (Augsburg) 23.1. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Birkelbach*- 23.1. Fürst von Bismarck* 23.1. Blachstein* 23.1. Frau Blohm 31.1. Diel (Horressen) 23.2. Dr. Eckhardt 10. 2. Eilers (Oldenburg) 23.1. Etzenbach 7.2. Frenzel 23.1. Dr. Furler* 23.1. Gedat 30. 1. Geiger (München) 23.1. Gerns* 23.1. D. Dr. Gerstenmaier 23.1. Gleisner (Unna) 20. 2. Graaff 23.1. Dr. Greve 7.2. Dr. Gülich 31. 1. Haage 23.1. Häussler 23.1. Heinrich 31.1. Heye* 23.1. Höfler* 23.1. Frau Dr. Hubert* 23.1. Jacobs 28. 2. Dr. Jaeger 26.1. Frau Kalinke 31.1. Kiesinger* 23.1. Dr. Kliesing (Honnef)* 23.1. Köhler 24.1. Dr. Kohut O 24.1. Dr. Kopf* 23.1. Kramel 16.2. Kriedemann 22.1. Kühn (Bonn) 26.1. Kühn (Köln)* 23.1. Kunst 31.1. Kurlbaum* 23.1. Dr. Leverkuehn* 23.1. Lücker (München)* 23.1. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30.1. Dr. Martin 26.1. Mank 24.1. Frau Dr. Maxsein* 23.1. Memmel 31.1. Dr. Mende* 23.1. Dr. Menzel 15.2. Metzger* 23.1. Dr. Meyer (Frankfurt)* 23.1. *für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaub bis einschließlich Müser 17.2. Dr. Oesterle 6.2. Paul' 23.1. Pelster 31.1. Pernoll 23.1. Pütz 14.2. Rademacher 24.1. Frau Dr. Rehling* 23.1. Dr. Reith 31.1. Rohde 31.1. Ruf 23.1. Dr. Schild 22.1. Dr. Schmid (Frankfurt)* 23.1. Schneider (Hamburg) 2.2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15.2. Schütz (München)* 23.1. Seidl (Dorfen)* 23.1. Dr. Serres* 23.1. Vogt 23.1. Dr. Wahl* 23.1. Walpert 31.1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 31.1. Weinkamm 23.1. Wullenhaupt 24.1. Dr. Zimmer* 23.1. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Verkehrs auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ritzel (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. 1. 1959, Drucksache 786, Frage 31) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um das neu eingerichtete Autotransportwesen der Bundesbahn mit wesentlich vermehrten Ein- und Ausladestationen auszustatten? Ist die Bundesregierung insbesondere bereit, die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn zu veranlassen, auf den bis jetzt für cien Autotransport erschlossenen Strecken eine vor Beginn der Bahnreise des Automobilisten stattfindende Verladung des Autos in geschlossenen oder offenen Güterwagen so rechtzeitig zu ermöglichen, daß der Reisende bei seiner Ankunft am ausländischen oder innerdeutschen Bestimmungsort seinen Wagen sofort zur Verfügung hat? Sieht die Bundesregierung auch die Möglichkeit, die Einrichtung des Autotransports von bundesdeutschen Stationen nach Berlin durchzuführen? Die Beförderung von Autos mit Reisezügen war 1958 noch auf die Sommersaison (Juni bis Oktober) beschränkt. Im vergangenen Jahre waren Autotransportwagen einmal zwischen Hamburg und Basel und zum andern in der Verbindung Ostende-München eingesetzt. Im kommenden Sommer sollen versuchsweise in zwei weiteren Zügen Autotransportwagen mitgeführt werden. Einer dieser Züge wird zwischen Mülheim (Ruhr)-Speldorf und München Ost verkehren. Kraftwagen können dabei auch in Düsseldorf Hauptbahnhof und in Köln-Deutz ein- und ausgeladen werden. Der andere Transportwagen wird von Großenbrode mit Verlademöglichkeit in Lüneburg nach München Ost und zurück verkehren. 3134 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Januar 1959 Zweck des seit einigen Jahren versuchsweise eingeführten Verfahrens ist es, die Reisenden, die am Tage ihren Kraftwagen benutzen, nachts mitsamt ihrem Fahrzeug über längere Strecken auf der Schiene zu befördern. Demgemäß sind jedem der genannten Züge Schlaf- und Liegewagen beigegeben. Eine Unterwegsbedienung ist im allgemeinen deswegen nicht vorgesehen, weil nach allen bisherigen Erfahrungen kein Interesse an einer Kurzstreckenbeförderung besteht und bei der bisherigen Fahrplangestaltung die Zwischenbahnhöfe zur Nachtzeit angelaufen werden. Die Beförderung von Kraftwagen in Tageszügen wurde bisher nicht gefordert. Sie ist deshalb bis auf weiteres auch nicht geplant. Zudem gibt es nur wenige Großstadtbahnhöfe, deren Bahnsteige ohne Schwierigkeit von Personenkraftwagen erreicht und befahren werden können. Die Bundesbahn prüft laufend die Möglichkeit, weitere Verbindungen dieser Art zu schaffen. Maßgebend für die Einrichtung weiterer Verkehre sind neben der Nachfrage die Einrichtung der Personenbahnhöfe mit Anfahrrampen und ausreichend breiten Bahnsteigen sowie das Vorhandensein entsprechend ausgerüsteter Transportwagen. Zur Zeit ist die Bundesbahn bemüht, die Konstruktion der Verladeeinrichtungen dieser Wagen zu verbessern, um die Aufenthalte der Züge abzukürzen. Bei dem heutigen Verfahren hat der Reisende seinen Wagen unmittelbar nach der Ankunft des Zuges zur Verfügung. Es ist deshalb nicht erforderlich, ihm eine vorausgehende Verladung zu ermöglichen, soweit die Beförderungsart „Auto im Zuge" eingeführt ist. Übrigens könnten normale Güterwagen, auf die der Reisende etwa vorher sein Fahrzeug verladen hat, deshalb nicht mit Schnellzügen befördert werden, weil sie für solche Geschwindigkeiten nicht geeignet sind und weil im allgemeinen auf den Personenbahnhöfen unterwegs . nicht die erforderliche Zeit für das Ein- und Ausrangieren vorhanden ist. In den Jahren vor dem letzten Krieg konnten Personenkraftwagen auf allen Güterabfertigungen gegen einen stark ermäßigten Beförderungspreis zur Beförderung mit Güterzügen nach allen Richtungen aufgegeben werden. Von dieser Einrichtung ist so gut wie kein Gebrauch gemacht worden, weil im Güterverkehr, der zum grollen Teil mit Bedarfsgüterzügen bedient wird, die Ankunftszeit im allgemeinen nicht mit völliger Sicherheit vorher angegeben werden kann. In gewissen Schnellzügen werden dagegen besonders eingerichtete Gepäckwagen mitgeführt, die der Autobeförderung dienen. Dabei handelt es sich einmal um Doppelstockgepäckwagen (DPw4üm) mit Schwenkhubbühne. Hier werden die Autos vom Bahnsteig aus durch die Seitentür verladen; Fassungsvermögen 8 Kraftwagen. Außerdem werden zukünftig — ohne Möglichkeit der Verladung an Zwischenstationen — Gepäckwagen mit Stirnwandtüren (MPw4i) verwendet, in denen zwei bis drei Kraftwagen unterzubringen sind. Bisher lief je einer der erwähnten Doppelstockwagen im Fernschnellzug „Komet" zwischen Hamburg und Basel. Der Verkehr wurde täglich bedient. An zwei Wochentagen liefen die Wagen bis Chiasso durch; jedoch soll diese Verlängerung nach Chiasso aufgegeben werden. Ferner gab es eine Verbindung Ostende—München, die an einzelnen Tagen, 1958 insgesamt 19mal, bedient wurde. Hier fanden belgische Spezialgüterwagen Verwendung, die für den Lauf in Schnellzügen geeignet sind. Die neugeplanten Verbindungen Mülheim (Ruhr)—München Ost und Großenbrode—München Ost sollen dreimal wöchentlich durchgeführt werden. Hier werden Gepäckwagen mit Stirnwandtür verwendet. Für die Beförderung der Pkw in Autotransport-wagen wird eine mäßige Fracht erhoben, die nicht vom Gewicht der Wagen abhängig ist. Unterschieden wird lediglich zwischen Pkw mit einer Länge von bis zu 4,42 m und größeren Wagen. Die Beförderungsart „Auto im Reisezug" hat im letzten Jahr recht lebhaften Zuspruch gefunden. Gezählt wurden in der Verbindung Hamburg—Basel 2535 Pkw und 6252 Reisende, auf der Strecke Ostende — München (an 19 Tagen) 865 Pkw und 2573 Reisende. Im Verkehr zwischen der Bundesrepublik und Westberlin kann eine Beförderung auf Autotransportwagen nur eingeführt werden, wenn die Deutsche Reichsbahn (Ost) diesem Verfahren zustimmt. Das ist kaum anzunehmen, um so mehr als gegenwärtig die Zahl der verkehrenden Reisezüge sehr gering ist und deswegen diese Züge schon heute bis an die Grenze des Möglichen mit Personenwagen ausgelastet sind. Dr.-Ing. Seebohm Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Felder (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. 1. 1959, Drucksache 786, Frage 37) : Welche Zeitspanne ist im Rahmen des Straßenbauprogramms des Bundesverkehrsministeriums für den Ausbau der Strecke vom Nürnberger Kreuz nach Tennenlohe und damit zum Anschluß an die bereits vierspurig befahrbare Bundesstraße 4 zwischen Tennenlohe und Erlangen vorgesehen? Ist bei den Planungen zum weiteren Ausbau der Bundesstraße 8 schon eine Entscheidung in der Frage der Ortsumgehungen von Langenzenn und Emskirchen getroffen worden? Die für den Vollausbau der Autobahnteilstrecke Nürnberger Kreuz — Tennenlohe erforderlichen Mittel stehen zur Verfügung. Die Arbeiten zur Herstellung des Fahnbahnunterbaues und eines Teiles der Fahrbahndecke sind vergeben. Der Rest der Deckenarbeiten ist ausgeschrieben; mit der Zuschlagserteilung ist in den nächsten Tagen zu rechnen. Mit der Durchführung der Arbeiten wurde im Herbst 1958 begonnen. Ich rechne damit, daß bis Ende dieses Jahres der gesamte Streckenabschnitt zweibahnig, d. h. vierspurig, dem Verkehr übergeben werden kann. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Januar 1959 3135 Im Wirtschaftsplan der Gemeinde Emskirchen ist bereits eine generelle Linienführung für die Ortsumgehung vorgesehen. Für Langenzenn soll ebenfalls die Trasse für eine spätere Umgehung im Wirtschaftsplan der Gemeinde berücksichtigt werden. Nachdem wir uns entschlossen haben, die Autobahn Frankfurt/M.—Würzburg—Nürnberg jetzt beschleunigt zu bauen, sind diese Umgehungen nicht mehr vordringlich. Der derzeitige starke und für die Gemeinden besonders lästige Durchgangsverkehr wird künftig von der Bundesstraße 8 abwandern und auf die neue Autobahn übergehen. In den generellen Planungen der beiden Ortsumgehungen und deren Aufnahme in die Wirtschaftspläne der Gemeinden sehe ich eine vorsorgliche Maßnahme, um die Mögkeit für spätere Umgehungen bei einer heute noch nicht voraussehbaren Verkehrsentwicklung offenzuhalten. Dr.-Ing. Seebohm
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    Rede von Dr. Ewald Bucher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Ohne Gerechtigkeit sind Staaten nichts als große Räuberbanden."

    (Oh! bei der CDU/CSU.)

    — In meinen Notizen steht hier bereits: Unruhe bei der CDU.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD. — Zurufe.)

    - Ich möchte deshalb das Zitat im Originaltext
    wiedergeben, und da lautet es: Remota justitia quid sunt regna, nisi magna latrocinia?
    Es steht im „Gottesstaat" des heiligen Augustinus.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dieser Kernsatz gilt heute ebenso wie zu der Zeit, als er verfaßt wurde, und die jüngste Vergangenheit zeigt es uns, wie sehr er noch gilt. Gerade diese jüngste Vergangenheit sollte uns auch dazu veranlassen, daß auf jeden Fall die Justitia, die Gerechtigkeit als Grundlage der Staaten die gesamte Politik durchdringt.
    Nun, wie ist es bei uns? Es gibt bei uns zum Beispiel ein Wirtschaftskabinett, einen Verteidigungsrat; ich will keineswegs eine Lanze dafür einlegen, daß es ein Justizkabinett geben sollte. Denn es liegt nicht an fehlenden Institutionen, wenn etwas nicht stimmt, sondern es liegt dann am fehlenden rechtlichen Geist.
    Es ist die Aufgabe des Justizministers, nicht nur technisch die Gesetzgebung zu überwachen, sondern überall da seine Stimme zu erheben, wo es um das Recht geht. In diesem Sinne möchten wir eigentlich weniger gern die Ergebnisse der „Feierabendbeschäftigung" des Herrn Justizministers hören, als da sind Lex Soraya und Wiedereinführung der Todesstrafe,

    (Beifall bei der SPD)

    sondern wir möchten gern feststellen, daß eben überall das Recht durchgesetzt wird, das bei uns doch manchmal zur Magd der Politik zu werden droht. Die Richtlinien der Politik gibt der Bundeskanzler, auch die Richtlinien der Justizpolitik. Ich bedauere, daß der Herr Bundeskanzler im Augen-
    blick nicht mehr hier ist. Wir durften uns ja darüber freuen, daß er heute früh da war, und ich hoffe, daß er doch noch mal kommen wird.

    (Abg. Rösing: Er hat noch mehr zu tun!)

    — Ich glaube, mehr, als sich um die Justizpolitik zu kümmern, gibt es im Augenblick nicht zu tun.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das können Sie doch nicht behaupten!)

    Ich hoffe, daß sich die bewundernswerte Durchhaltefähigkeit des Herrn Bundeskanzlers in vielen außenpolitischen Debatten, vor der wir immer größten Respekt hatten, auch in einer solchen Sache bewährt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich bedauere es deshalb, weil ich hier das Verhalten des Herrn Bundeskanzlers ansprechen muß in einem Falle, der zwar schon zurückliegt, der aber eben für seine Einstellung zum Recht typisch war. Es war der bekannte Fall Schmeißer. Damals wurde hierüber eine Große Anfrage beraten, und in seiner Antwort auf diese Große Anfrage hat der Herr Bundeskanzler uns zunächst ausführlich erklärt, daß das alles nicht nichtig sei, was ihm da vorgeworfen wurde, — etwas, was sich ja niemand in diesem Hause zu eigen gemacht hat, sondern es ging damals um sein Verhalten gegenüber der Justiz und darum, wie er es verantworten konnte, sich als Regierungschef nicht der Justiz zu stellen und dafür zu sorgen, daß seine Beleidiger und Verleumder zur Verantwortung gezogen werden, sondern diese Sache mit einem ziemlich faulen Vergleich abzuschließen. Er hat uns damals erklärt, das sei deshalb geschehen, weil der Fall Ziebell ja viel interessanter sei.
    Es heißt hier im Protokoll:
    Die bedeutendste Rolle spielte Herr Ziebell, und dieses Verfahren interessierte mich am meisten und wird mich auch in Zukunft interessieren.
    Er sagte dann -- das war am 7. Dezember 1955 — In dem Strafverfahren gegen Ziebell, das ja noch aussteht und das durchgeführt werden wird, wird diese Sache eine Rolle spielen.
    Er schloß mit dem Satz:
    Ich darf wiederholen, daß diejenigen, die eine gerichtliche Feststellung und Aufklärung noch wünschen, eine solche in dem Verfahren gegen Ziebell erhalten werden.
    Eine solche Aufklärung haben wir in der Folgezeit nicht erhalten, sondern mit. Herrn Ziebell wurde ebenfalls ein Vergleich abgeschlossen. Ich habe damals in einer Fragestunde gefragt, wie denn das mit der früheren Erklärung zu vereinbaren sei, und dann antwortete mir der Herr Stellvertreter des Herrn Bundeskanzlers, — es war nicht ganz so schlimm wie umgekehrt, wenn sich der Herr Bundeskanzler auf das Gebiet der Wirtschaftspolitik begibt.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Er sagte mir, das Verfahren sei doch durchgeführt
    und abgeschlossen worden, eben mit einem Vergleich. Natürlich ist auch ein Verfahren, das mit



    Dr. Bucher
    einem Versäumnisurteil endet, durchgeführt und abgeschlossen. Aber der Bundeskanzler hat ja gerade selber in Gegensatz gestellt: hie Vergleich Schmeißer, dort durchgeführtes Verfahren Ziebell.
    Warum wärme ich diese alte Sache nochmals auf? Nicht aus Freude am Skandal, sondern deswegen, weil der Regierungschef sich nicht wie ein Privatmann benehmen kann. Dieser ist frei, über seine Ehre zu verfügen. Aber die Ehre des Regierungschefs ist nicht seine Ehre, sie ist unsere Ehre; er ist unser Regierungschef.

    (Zurufe von der CDU/CSU.) — Ja, unser Regierungschef!


    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Bedenken Sie das nur! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    Man darf deshalb nicht mit Vertuschung arbeiten, wenn solche schwerwiegende Vorwürfe erhoben werden; denn die Folge davon ist: es bleibt immer etwas hängen, und es rumort immer weiter.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Wenn Sie es heute nicht aufgewärmt hätten, wäre es längst vergessen!)

    — Herr Weber, ich meine, es ist viel besser, das wird hier gesagt. Ich rumore ja nicht; ich sage es offen vor dem Deutschen Bundestag.
    Vertuschung haben Diktaturen nicht nötig. Da wird nicht vertuscht, sondern da wird einfach unterdrückt. Deswegen gibt es da scheinbar keine Skandale. Aber es dürften ja nur harmlose Gemüter sein, die glauben, in Diktaturen gäbe es wirklich
    keine Skandale.
    In der Demokratie dagegen ist Vertuschung möglich. Aber sie ist äußerst gefährlich und sie sollte nie angewandt werden. Skandale können vorkommen. Dadurch wird kein Staat gefährdet. Sie sind nicht zu vermeiden, solange es Menschen gibt. Wenn gegen Skandale durchgegriffen wird, steht der Staat sauber da.
    Nun, es wird durchgegriffen, so zum Beispiel in Koblenz, und es muß durchgegriffen werden, nach dem Grundsatz von der Gleichheit aller vor dem Gesetz. Aber wie wird dieser Grundsatz bei uns angewendet? Er wird nach dem Satz von Orwell in seiner „Animals'Farm" angewendet: „All animals are equal, but some animals are more equal than others." In der Übersetzung von Reinhold Maier: „Allerhöchste Personen dürfen höchste Personen schützen."

    (Große Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Dieses Verfahren haben wir nun schon öfters erlebt. Wir haben es im Vulkan-Prozeß erlebt. Wohl sind dort diejenigen, die geschädigt waren, entschädigt worden, aber aus der Staatskasse. Ich möchte einmal sehen, ob sich der Staat in einem Falle, wo ein kleiner Beamter so grobfahrlässig handelt, nicht auf § 78 des Bundesbeamtengesetzes besinnt und Rückgriff nimmt.
    Ich will hierzu nichts weiter sagen, weil es sonst so aussieht, als seien hier persönliche Gefühle vorhanden. Sie sind bestimmt nicht da. Aber in diesen
    und in anderen Fällen wurde nach dem Grundsatz gehandelt: Was die eigenen Beamten und Minister machen, ist a priori richtig und muß verteidigt werden. Nebenbei: ein gutes Musterbeispiel dafür war ja auch die Behandlung des Falles John, die Art und Weise, wie der Herr Bundesinnenminister als einziger in der ganzen Bundesrepublik bis zuletzt mit bemerkenswerter Hartnäckigkeit die Entführungsthese vertrat, obwohl dieser Schutz an einem nicht gerade sehr würdigen Subjekt praktiziert wurde.
    Auch der Fall Kilb lag so; Kilb wurde zunächst in Schutz genommen. Man hat sich vor ihn gestellt. Vor kurzem noch hat der Herr Bundeskanzler einen Brief an das Gericht geschrieben und Korrekturen an der Anklageschrift verlangt. Erfreulicherweise hat sich der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen sehr energisch gegen diesen Eingriff gewendet; denn auch das ist ein Eingriff. Man ist heute der Ansicht — wenigstens ist das die Ansicht aller Richter —, daß die Staatsanwälte in vielen Punkten den Richtern gleichgestellt sein sollten. Deshalb darf man sich auch von Regierungsseite aus nicht in der Weise gegen eine fertiggestellte Anklageschrift wenden.
    Im Falle des Ministerialrats Kilb sind wir nun aber an einer gewissen Grenze angelangt. Hier etwa scheint die Grenze zwischen den höchsten Personen und den weniger hohen Personen, die nicht mehr schutzwürdig sind, zu verlaufen; denn ein anderer Ministerialrat, Herr Strack, wurde von der Bundesregierung nicht in Schutz genommen, sondern im Gegenteil sehr schnöde behandelt. Ich will den Fall Strack hier nicht in extenso erläutern. Er hat ja so ausgiebig die gesamte Presse — nicht nur die Inlandspresse, sondern sogar auch die Auslandspresse — beschäftigt, daß sich das erübrigt. Außerdem ist Glas Parlament kein Gericht; dem Gericht kann nicht vorgegriffen werden. Das Verfahren schwebt ja, es schwebt leider sehr lange. Es geht auch nicht um den Fall als solchen, sondern ausschließlich um die Einstellung der Bundesregierung zu diesem Falle.
    Ich darf nur in Erinnerung bringen, daß es sich hier um eine Anklage gegen die Herren Hallstein, Blankenhorn und Maltzan handelt, die Herrn Ministerialrat Strack der passiven Bestechung verdächtigt haben sollen. Die Quellen dieser Verdächtigung sind sehr ungeklärt; jedenfalls haben sich diejenigen ausländischen Stellen, die man zunächst dafür in Anspruch genommen hat — ägyptische und türkische —, davon distanziert. Nun, das sind alles Dinge, die vermutlich in der Anklageschrift stehen, die den drei Beteiligten vorgeworfen werden und die also, wenn man ganz genau sein will, bis jetzt noch nicht feststehen, die ich also auch nicht als feststehend behandle, um in keiner Weise dem Gericht vorzugreifen.
    Fest steht nur das eine: Ministerialrat Strack wurde damals auf Grund der Beschuldigungen als Leiter der Nahost-Abteilung abgesetzt, und fest steht ein Zweites: sicher ist Herr Strack nicht bestochen worden, sonst wäre er ja heute nicht mehr im Amte; außerdem hat ihm ein interministerieller



    Dr. Bucher
    Ausschuß im Jahre 1953 bestätigt, daß die Vorwürfe gegen ihn unberechtigt seien.
    Was tut nun die Bundesregierung in diesem Falle? Setzt sie alle Hebel in Bewegung a) zur Rehabilitierung des Herrn Strack, b) zur Bestrafung der Schuldigen? Nein! Sie tut aber auch nicht gar nichts. Im Gegenteil: Sie tut alles, um die der Verleumdung Beschuldigten und dringend Verdächtigen zu schützen. Das rollt sich in verschiedenen Etappen ab.
    Zunächst erhebt Herr Strack eine Verleumdungsklage gegen jenen Ägypter, von dem dieses Geschwätz ausgegangen sein soll; Galal heißt er. In diesem Verfahren besorgt die Bundesregierung ein Gutachten des Herrn Mosler, damals Leiter der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts, das dem Gericht vorgelegt wird. In diesem Gutachten wird nun gesagt, daß aus internationaler Courtoisie diesem Mann Exterritorialität zugebilligt werden müsse. Der Prozeß verlief also im Sande.
    Zweite Etappe: Strafanzeige des Herrn Strack zunächst gegen Unbekannt, dann umgewandelt in ein Verfahren gegen Hallstein und Genossen. Hier erbittet der Oberstaatsanwalt am 25. März 1954 die Aussagegenehmigung. Sie wird zunächst verweigert und dann nach 11/4 bzw. 11/2 Jahren erteilt, und zwar am 4. Juni und 24. September 1955, zu entnehmen der Drucksache des 2. Bundestags Nr. 2427 Ziffer 4.
    Damit bin ich an dem Punkt: Erteilung von Aussagegenehmigungen. Herr Kanka hat gesagt, daß da oft höhere Interessen, auswärtige Beziehungen usw. obwalteten. Nun, welche höheren Interessen können in diesem Fall verletzt werden, wenn — nehmen wir den schlimmsten Fall an — festgestellt wird, daß sich diese hohen Beamten tatsächlich einer Verleumdung gegenüber einem anderen deutschen Beamten schuldig gemacht haben? Welche außenpolitischen Interessen sind damit berührt?
    Dieses Verhalten bei der Erteilung von Genehmigungen wirkt natürlich auch als böses Beispiel nach unten. Ich darf Ihnen hier ein solches Beispiel zur Kenntnis bringen, einen Fall, der vor dem Verwaltungsgericht Freiburg verhandelt wurde, nachzulesen in der „Neuen Juristischen Wochenschrift" von 1956, Seite 1941. Der Sachverhalt war ganz kurz folgender. Polizeirat R. leitete ein Verfahren ein gegen ein 18jähriges Mädchen mit der Behauptung, sie habe abgetrieben. Die amtsärztliche Untersuchung ergab, daß dieses Mädchen virgo intacta war. Das Verfahren wurde eingestellt. Daraufhin erstattete der Vater dieses Mädchens Anzeige wegen Beleidigung und übler Nachrede gegen den Polizeirat. Die Behörde lehnte die Erteilung von Aussagegenehmigungen für andere Polizeibeamte, die als Zeugen dafür benannt waren, daß der Polizeirat die Behauptung einfach von sich aus aufgestellt hatte, ab mit der Begründung, daß hier höhere Interessen des Staates auf dem Spiele ständen. Das Verwaltungsgericht hat, Gott sei Dank und eigentlich selbstverständlich, diese Entscheidung der Verwaltungsbehörde aufgehoben.
    Aber man braucht sich ja, wenn man in dem einen Fall von auswärtigen Beziehungen spricht, die auf dem Spiele stehen, nicht zu wundern, wenn dann eine untergeordnete Behörde eben sagt: Hier stehen Interessen unserer Behörde auf dem Spiel. Sie sehen also, wie sich solche Vorbilder auswirken. Wir werden ja noch Gelegenheit haben, uns die Frage der Aussagegenehmigungen genau zu überlegen, und man wird vielleicht nicht daran vorbeikommen, den Verwaltungsakt, der die Aussagegenehmigung verweigert, justitiabel zu machen. Man wird sich das überlegen müssen. Ich sage ganz offen: ich bin gar kein Freund davon; denn eigentlich sollte das unnötig sein. Aber wenn sich die Behörden, höchsten Beispielen folgend, so verhalten, dann wird gar nichts anderes übrigbleiben.
    Ich gebe zu: naturgemäß ist es in einem solchen Fall wie dem hier behandelten immer möglich, daß sich ein Verfahren verzögert. Es ist schwierig, Zeugen zu erreichen, die vielleicht als Politiker unterwegs sind. Aber es wird nun nicht das geringste getan, um das Verfahren zu beschleunigen. Die Regierung sagt natürlich: Das ist Sache der Prozeßbeteiligten, Sache der hier Beschuldigten; wir können sie nicht zwingen. Wir können auch nicht verhindern, so sagt man, daß zwei dieser Herren Amnestieanträge stellen. Ich glaube aber doch, daß eine Bundesregierung Möglichkeiten hat, auf ein solches Verhalten einzuwirken. Man stelle sich einmal vor, was es bedeutet, wenn ein so hoher Beamter einen Amnestieantrag stellt, der nachher vom Gericht abgelehnt wird mit der Begründung, es sei vermutlich eine Strafe von mehr als drei Monaten zu erwarten. Das ist doch ein höchst peinliches Ergebnis.
    Ich darf noch darauf hinweisen, daß in dem § 17 des Amnestiegesetzes wie wohl in fast jedem Amnestiegesetz bei uns die Möglichkeit gegeben wird, eine Anklage zu erzwingen. Das ist für ganz empfindliche Naturen gedacht. Wenn jemand zunächst angeklagt ist und es wird dann das Verfahren vom Gericht auf Grund der Amnestie eingestellt, so kann er sagen: Nein, ich will nicht amnestiert sein; ich will meine Unschuld festgestellt haben; das Verfahren muß durchgeführt werden.
    Nun, eine solche mimosenhafte Empfindlichkeit können wir also von den beteiligten Herren offenbar nicht erwarten. Nein, sie bedienen sich der Amnestie, und die Bundesregierung sagt, sie habe keine Möglichkeit, darauf einzuwirken. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte genügt für die Entlassung eines einfachen Arbeiters manchmal schon der Verdacht einer strafbaren Handlung. Bei uns genügt er zur Ernennung zum Botschafter oder zur Präsentierung für den höchsten Posten in der europäischen Behörde.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Beim Botschafter ist es nicht so schlimm, weil der Vorgänger ja auch beteiligt war.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD.)




    Dr. Bucher
    Aber trotzdem: Ist das nun internationale Courtoisie, und ist das die Achtung, die man einer solchen Behörde entgegenbringen sollte?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Auch Herr Kilb war bei Euratom. Offenbar betrachtet man das bei uns als irgendwelchen Abladeplatz.
    Dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn der Sprecher des Justizministeriums in jener Pressekonferenz die merkwürdige Erklärung gab, daß man auch pflichtgemäß und zugleich strafbar handeln könne, was, wie bereits erwähnt, der Herr Bundesjustizminister zurückgewiesen hat. Aber der Mann war natürlich in einer wirklichen Verwirrung; denn er hatte wohl selber das Gefühl: Es ist schon etwas Strafbares daran. Gleichzeitig hat er aber von der Bundesregierung gehört, daß es pflichtgemäß sei.

    (Lachen bei der SPD.)

    Wie soll er sich nun auf einer Pressekonferenz ausdrücken?

    (Heiterkeit bei der FDP und der SPD.)

    Daß es pflichtgemäß gewesen sei, hat Staatssekretär van Scherpenberg in der 51. Sitzung auf die
    Frage des Kollegen Schröter ausdrücklich gesagt.
    Im Parlament wurde die Sache auch schon behandelt. Die FDP hat sechs Kleine Anfragen eingebracht, auf die sie sechs kleine Antworten bekam.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Die Bundesregierung wußte auch, daß einige dieser Antworten nicht richtig waren, siehe Drucksache 3134 Ziffer 1.
    Dann hat, wie schon erwähnt, der Herr Kollege Schröter noch gefragt, wie das mit dem Disziplinarverfahren sei. Darauf bekam er zunächst die Antwort, ein Disziplinarverfahren sei nicht eingeleitet. Das widersprach nun der Auskunft in der Drucksache 552 A c, die, glaube ich, auf eine umfassende Anfrage der SPD ergangen war, wo es hieß, ein Disziplinarverfahren sei eingeleitet. Herr van Scher-penberg sagte nachher, es sei nicht eingeleitet, sondern nur die Vorermittlungen seien geführt worden, die Verfügung über die Einleitung des förmlichen Verfahrens sei nicht zugestellt; denn es sei eben nicht pflichtwidrig.
    Ich erinnere mich an einen „Hofbericht" in der „Frankfurter Allgemeinen" vom 6. Januar aus dem Palais Schaumburg.

    (Lachen bei der FDP und der SPD.)

    Dort hieß es, der Herr Bundeskanzler habe vom Herrn Ministerialdirektor Jantz, der gerade in diesem Komplex auch eine Rolle spielt, eine Ausgabe des Buches „Der Fürst" von Machiavelli erhalten. Ich weiß nun nicht, ob es zum Handbuch für die Bundespolitik geworden ist.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Aber ich hoffe wenigstens, daß aus diesem Buch nicht nur die folgende Stelle gelesen wird, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitiere:
    Er tat und sann nichts anderes, als die Menschen zu hintergehen, und er fand auch immer Objekte, die sich hintergehen ließen. Trotzdem gelangen ihm seine Betrügereien stets nach Wunsch; so gut kannte er die schwache Seite der Menschen.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Es ist unwürdig, was Sie sich da erlauben!)

    — Warten Sie doch ab, was ich sage!

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Unwürdig! Frechheit! — Gegenruf von der SPD: Hören Sie doch genau zu!)

    — Warten Sie doch ab, Herr Kollege Weber. Ich sagte ja, ich hoffe, daß nicht nur diese Stelle gelesen wird, die sich auf Alexander VI. bezieht,

    (Beifall und Heiterkeit bei der FDP und der SPD)

    sondern auch die andere, zwei Seiten vorher, wo
    nämlich der wahre Machiavelli zur Geltung kommt.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Sie wollen hier wohl eine Büttenrede halten! Das ist doch unwürdig, was Sie sich hier erlauben!)

    Dort heißt es:
    Ihr müßt euch nämlich darüber im klaren sein, daß es zweierlei Arten der Auseinandersetzung gibt: die mit Hilfe des Rechts und die mit Gewalt. Die erstere entspricht dem Menschen, die letztere den Tieren.
    Ich wollte das nur zitieren, um den wahren Machiavelli zu zeigen.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Was hat das hiermit zu tun?!)

    Lassen Sie mich zurückkommen zur Beantwortung dieser Anfragen im Bundestag; denn gerade diese Beantwortung zeigt doch, wie, mit welcher Einstellung man solchen ernsten Rechtsfragen gegenübersteht.

    (Sehr richtig! bei der FDP und SPD.)

    Da wurde von uns gefragt, warum ein offener Brief nicht beantwortet worden sei, den der Kollege Kramel namens des Deutschen Beamtenbundes an die Bundesregierung gerichtet habe. Die Antwort in Drucksache 3348 Ziffer 3 lautete: „Auf den Brief ist geantwortet worden."
    Wir stellten dann fest, daß auf diesen Brief eine Empfangsbescheinigung erteilt worden war, und fragten in der nächsten Anfrage, ob eine Empfangsbescheinigung eine Antwort sei. Jetzt lautete die Antwort in Drucksache 3734 Ziffer 3: „Die Bundesregierung habe ja nicht gesagt, es sei abschließend geantwortet worden."

    (Lachen bei der FDP und SPD.)

    Ich muß doch sagen, das ist nun unwürdig, Herr Kollege Weber;

    (Zustimmung bei der FDP und SPD — Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Sie wollen wohl Narrenfreiheit beanspruchen? Sie sei Ihnen gewährt!)




    Dr. Bucher
    denn hier dreht man doch dem Parlament einfach eine lange Nase und lacht es doch richtiggehend aus!

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und SPD.)

    Autorität besteht nicht in Überheblichkeit. Wer das glaubt, der verwechselt sie mit einem Prestige, das auf jeden Fall gewahrt werden muß, indem man glaubt, man könne seitens der Bundesregierung nicht auch einmal dem Parlament gegenüber Fehler zugeben, die sie macht, wie wir sie ja auch machen.
    Welches sind die Schlußfolgerungen hieraus? Ich habe schon auf die Auswirkungen auf die Rechtsprechung hingewiesen. Heute sind schon eingehend Beispiele aus der Rechtsprechung behandelt worden, die bedenklich stimmen. Ich bin nicht der Ansicht, daß grundlegende Sorgen wegen unserer Rechtsprechung bestünden. Es mag durchaus sein, daß die vorgekommenen Einzelfälle in der Darstellung etwas zu sehr aufgebauscht worden sind. Es sind Einzelfälle. Unsere Justiz als solche ist intakt. Das ist zweifellos der Fall. Aber daß solche Einzelfälle vorgekommen sind und ihre Zahl in der letzten Zeit größer geworden ist, muß uns natürlich zu denken geben.
    Nun läßt gerade das politische Strafrecht einen großen Spielraum für den Richter in der Beurteilung, und der Richter sucht verständlicherweise wenn er einen solchen politischen Fall zu beurteilen hat, nach Vorbildern oder, sagen wir, weniger pädagogisch ausgedrückt, nach Leitbildern. Er schaut dann natürlich hierher nach Bonn, er schaut auf die Bundesregierung, er schaut auf uns. Ich kann mir dann z. B. vorstellen, daß die Richter, die an diesem Hamburger Fall beteiligt waren, wenn sie vielleicht in einer noch nicht entnazifizierten Ecke der Gerichtsbücherei den Kommentar zu den Rassegesetzen von Herrn Globke vorfinden,

    (Beifall bei der FDP und SPD) in Verwirrung geraten.


    (Lachen bei der FDP und SPD.)

    Ich sage kein Wort gegen die Person von Herrn Globke. Ich habe nichts gegen Herrn Globke. Ich bin der Ansicht, daß Herr Globke ein tüchtiger Beamter ist, daß er Stadtkämmerer, Regierungsrat, Ministerialrat sein kann und soll. Aber er kann nicht Staatssekretär im Bundeskanzleramt sein.

    (Erneuter Beifall bei der FDP und SPD.)

    Ich halte jenen Kommentar für ein gewichtigeres Druckerzeugnis als das abstruse Pamphlet des Holzhändlers aus Hamburg.

    (Sehr gut! bei der FDP und SPD. — Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Fragen Sie mal Herrn Menzel, der kann Ihnen Bescheid sagen darüber!)

    — Herr Menzel hat mir bereits Bescheid gesagt, deshalb habe ich mich auch sehr zurückhaltend ausgedrückt. Es ist nicht sosehr notwendig, — —

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Aber Sie müssen Ihren Spott und Hohn über alles ausgießen!)

    – Über alles nicht; über Herrn Globke habe ich keinen Spott und Hohn ausgegossen.
    Es ist nicht sosehr notwendig, einen neuen § 130 zu schaffen,

    (Sehr richtig! bei der FDP und SPD)

    sondern es ist notwendig, den Geist, die Einstellung zu den rechtlichen Dingen von oben herunter zu ändern.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Dann wird sich das von selbst ergeben.
    Es mag auch ein Zufall sein, daß gerade antisemitische Äußerungen in letzter Zeit besonders stark geworden sind. Ich möchte weder das Auftreten dieser Erscheinung übertreiben noch möchte ich behaupten, daran sei die Bundesregierung schuld. Aber das Recht ist unteilbar.
    Lassen Sie mich deshalb mit einem anderen Zitat schließen, das allerdings nicht von einem Kirchenvater stammt, sondern nur von Erich Kästner, aber immerhin von Herrn Justizminister Flehinghaus am 13. Januar 1959 vorgetragen worden ist:
    Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen; später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muß den rollenden Schneeball zertreten; die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat. Das ist die Lehre, das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr; das ist der Schluß, den wir aus unseren Erfahrungen ziehen müssen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der FDP.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Lollar).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Schneider


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit langer Zeit stehe ich heute zum erstenmal wieder an diesem Rednerpult. Ich habe mich wirklich sehr gefreut über das Niveau und die Sachlichkeit der heutigen Auseinandersetzung; Ausnahmen gibt es immer.
    Aber eine Bemerkung darf ich mir noch erlauben, bevor ich zur Sache komme. Herr Kollege Jahn, Sie haben heute morgen den Herrn Bundesjustizminister ein wenig mit Worten bestraft, indem Sie gesagt haben, seine Ausführungen seien so langatmig und so trocken gewesen. Ja, wenn Sie neun dezidierte Fragen über alle möglichen Gebiete stellen, dann dürfen Sie sich natürlich nicht wundern, wenn der Herr Justizminister Ihnen Ihre sämtlichen neun Fragen so umfangreich beantwortet, wie er glaubt, sie beantworten zu müssen.

    (Zurufe von der SPD.)

    Wenn Sie wollten, daß man heute nur auf die Kernfrage, nämlich die Justizpolitik, eingehen sollte, dann hätten Sie Ihre Anfrage entsprechend einengen müssen. Das vorweg.



    Dr. Schneider (Lollar)

    Ich will nun der Reihe nach vorgehen. Ich will das Gemeinsame, vielleicht das Entscheidende nicht an den Anfang, sondern an den Schluß meiner Ausführungen stellen.
    Zuerst fragen Sie, wann das Oberste Bundesgericht nach Art. 95 GG endlich konstituiert wird. Ja, das haben wir schon vor zwei Jahren hier behandelt. Damals wurde gesagt, es käme möglichst bald. Aber dieses Oberste Bundesgericht ist doch eine Folge der Regelung in Art. 96 des Grundgesetzes, die ich noch nie für sehr klug und für sehr gut gehalten habe. Auch andere Kollegen in diesem Hause waren immer der gleichen Meinung. Diese Konstruktion in unserer Verfassung „jedem Minister sein oberstes Gericht" halte ich nicht für die klügste Lösung. Wäre man wenigstens noch einen Schritt weitergegangen und hätte sie, was die Aufsicht anbelangt, alle einem Rechtsprechungsministerium, oder wie man das nennen möchte, unterstellt!
    Nun besteht kein Zweifel, daß wir nach dem Verfassungsbefehl verpflichtet sind, das Oberste Bundesgericht einzurichten, und daß der Parlamentarische Rat auch die Vorstellung hatte, daß das eine eigene konstitutionelle Einrichtung sein müsse. Aber, meine Damen und Herren, das hindert uns ja nicht, nachdem wir jetzt acht, neun Jahre Erfahrung haben, einmal zu überprüfen, ob sich die Sorge des Parlamentarischen Rats, daß durch die fünf oberen Bundesgerichte sehr bald eine Rechtszersplitterung eintreten könnte, wirklich in diesem Umfang als begründet erwiesen hat. Ich meine, nach der Beantwortung durch den Herrn Bundesjustizminister kann man das wirklich nicht sagen. Wenn es bis jetzt nur auf vier Grundprobleme, wenn ich so sagen darf, im zivilen Sektor und auf fünf, die das Bundesverfassungsgericht in letzter und höchster Instanz zu entscheiden hat, angekommen ist, so sollten wir alle miteinander doch wirklich Überlegungen anstellen, ob man bei einer solchen rechtspolitischen Sachlage wirklich eine neue Institution dieses Umfangs, ein Oberstes Bundesgericht, errichten sollte, wie der Verfassunggeber es befiehlt, oder ob wir den gleichen Zweck nicht auf eine einfachere Weise erreichen könnten. Ich will das nur streifen; ich glaube, man kann das von hier aus nicht abschließend beurteilen.
    Nun zur Frage 4 — die Fragen 2 und 3 übergehe ich vorläufig — betreffend die Dauer der Verfahren. Ja, meine Damen und Herren, solange es Gerichtsverfahren gibt, haben sie manchmal sehr lange gedauert. Damit vielleicht auch einmal etwas Humor in die Sache kommt, darf ich eine Anekdote ' erzählen, die ich schon geerbt habe. Sie wissen doch: ein Rechtsanwalt hatte jahrelang einen Prozeß am Kammergericht. Dann kam sein Sohn, der neuer Assessor war. Den schickt er hin. Der Sohn kommt nach Hause und sagt: „Vater, ich habe endlich diesen Prozeß beendet!" Da sagt der Vater: „Da hast du eine schöne Klugheit bewiesen! Mit diesem Prozeß habe ich euch alle miteinander erernährt und studieren lassen!" Ich erzähle das hier natürlich nur am Rande, um Ihnen klarzumachen,
    meine Damen und Herren, daß es schon damals
    manchmal sehr lange gedauert hat.

    (Abg. Dr. Stammberger: Sie kennen die Rechtsanwaltsgebührenordnung nicht!)

    Ich bin kein Verteidiger dieser Länge, und ich bin der Meinung, daß, wie auch der Herr Kollege Arndt es heute morgen gefordert hat, namentlich die Strafprozeßordnung möglichst bald in verschiedenen Punkten geändert werden sollte. Ich will heute nicht die Einzelheiten erörtern; ich sage nur das. Wort „Untersuchungshaft", ich sage nur das Wort „Stellung des Verteidigers im Vorverfahren"; um nur zwei Punkte anzureißen.
    Aber auf eines gehe ich nicht ein, Herr Bundesjustizminister: auf Ihre Empfehlung, den Eröffnungsbeschluß wieder abzuschaffen. Dagegen werde ich mich mit Händen und Füßen wehren, wenn auch die Literatur und die Lehre heute schon wieder von uns fordern, das sollten wir tun. Wir haben ihn ja gerade erst eingeführt; im Jahre 1950 war es wohl, Herr Kollege Arndt? Wir haben uns doch gerade das so sehr überlegt. Wir haben damals gesagt: „wir müssen diese Station im Ablauf eines Strafverfahrens wieder einschalten", weil wir nämlich damals alle miteinander der Auffassung waren: in einem demokratischen Rechtsstaat ist allein schon das Versetztwerden in den Anklagezustand für einen Menschen ein derart entscheidender Eingriff in seine menschliche und Rechtssphäre, daß der Fortgang nicht ohne richterliche Nachprüfung vor sich gehen sollte. Aus diesen Überlegungen haben wir damals den Eröffnungsbeschluß wieder eingeführt. Ich meine, diese Überlegungen sind auch heute noch am Platze. Wenn von der Wissenschaft eingewandt wird, das wäre eine Belastung des Angeklagten, weil nämlich die drei Richter, die darüber zu befinden haben, gleichzeitig auch die Spruchrichter seien, so gebe ich die theoretische Möglichkeit dieser Belastung zu. Aber dann können wir doch auf das gute alte Prinzip zurückgehen und das Gesetz insofern ändern; bestimmen wir entsprechend dem, was früher Rechtens war — früher durften nur zwei von den fünf Richtern aus der Strafkammer, die den Eröffnungsbeschluß gefaßt hatte, in der Hauptverhandlung mitwirken —, daß nur einer von den dreien, die den Eröffnungsbeschluß gefaßt haben, in der Hauptverhandlung mitwirken darf. Das ist eine Kleinigkeit. Das ist eine Gleichstellung.
    Das wollte ich Ihnen nur gesagt haben, Herr Bundesjustizminister, weil ich der Meinung bin, daß das nicht ein Rückschritt, sondern wirklich ein Fortschritt war, und zwar eine entscheidende Rechtsgarantie. Wir alle, die wir in der Praxis stehen — ich stehe jetzt 30 Jahre in der Praxis —, haben es doch oft genug erlebt — ich will deswegen niemandem einen Vorwurf machen; das ist doch einfach eine Folge der Arbeitsüberlastung der Staatsanwälte —, daß mehr oder weniger schnell entworfene Anklageschriften die zwingende Grundlage dafür waren, daß die Hauptverhandlung und damit das Verfahren stattfinden mußte und daß sich hinterher herausstellte: wenn man das etwas sorgfältiger geprüft hätte, wäre es überhaupt nicht zu diesem Verfahren gekommen.



    Dr. Schneider (Lollar)

    Aber nun zu der Hauptfrage, die hier heute morgen auch behandelt wurde: Eingriffe von seiten der Bundesregierung in schwebende Verfahren. Ich will mich damit im einzelnen nicht befassen, darüber ist hier schon genug gesagt worden. Ich will darüber auch kein Urteil fällen. Der Herr Kollege Kanka hat dargelegt, daß eine Regierung pflichtgemäß zwischen den Rechtsgütern abwägen müsse, die in Frage stünden. Ich will nicht verschweigen, daß auch mich die Stellungnahme eines Beamten des Bundesjustizministeriums — ich glaube, es war wohl der Pressereferent — in der damaligen Pressekonferenz außerordentlich betroffen hat, der auf eine ausdrückliche Frage sagte: Ein Beamter kann pflichtgemäß handeln und dadurch trotzdem mit dem Strafgesetz in Konflikt kommen. Das hat mich stark betroffen, und ich habe mich sehr gefreut, daß der Herr Bundesjustizminister das sofort hinterher richtiggestellt hat. Es wäre doch merkwürdig, wenn gerade derjenige, der über das Recht wachen soll, der Meinung wäre, ein Beamter könne gegen irgendeinen Paragraphen des Strafgesetzbuches verstoßen und trotzdem noch pflichtgemäß gehandelt haben. Es gibt natürlich einige Grenzfälle, ich will sie hier nicht anrühren. Sie sind durchaus denkbar. Aber als Norm kann man so etwas selbstverständlich nicht aufstellen, namentlich nicht in einer Pressekonferenz.
    Ich habe aus der Antwort des Herrn Justizministers ersehen, daß in dem Verfahren hier in Bonn zuerst zweifellos ein gewisser Aufschub dadurch erreicht wurde, daß man die Aussagegenehmigung nicht gleich gab. Aber das scheint nicht der einzige Grund zu sein, weshalb dieses Verfahren bis heute immer noch nicht abgeschlossen ist. Denn inzwischen sind ja schon wieder drei Jahre vergangen. Ich kann nicht beurteilen, woran es liegt. Die Staatsanwaltschaft hat im vorigen Jahr mitgeteilt, die Erhebung der Anklage stehe kurz bevor. Der Eröffnungsbeschluß ist erst jetzt ergangen, also wiederum ein Jahr später. Man braucht sich dann natürlich nicht zu wundern, wenn daraufhin draußen irgendwelche Vermutungen angestellt werden: Aha, das dauert nur deswegen so lange, weil es sich um Allerhöchste handelt; da werden sie nicht vorwärts gehen wollen..
    Deshalb sollten wir alles tun, damit ein solcher Schein nach außen vermieden wird. Denn wenn ein Verfahren relativ einfacher juristischer Art — und das ist es doch wohl hier; es handelt sich um die §§ 164 und 185 StGB; so schwierige Dinge sind das doch gar nicht, höchstens vielleicht wegen der Zeugen, die in aller Welt verstreut sind — fünf Jahre dauert, dann ist das doch immerhin bedenklich.
    Nun zu der gesamten justizpolitischen oder rechtspolitischen Lage.. Der Herr Kollege Arndt hat heute morgen gesagt, er habe das Gefühl oder die Befürchtung, daß es bei uns doch immer noch manche Kreise, auch Richterkreise, gebe, die mit der Vergangenheit noch nicht fertig geworden seien, und daß das auf ihre Urteilsfindung ausstrahle. Der Herr Kollege Jahn hat das dann an Hand einzelner Beispiele, an Hand der Urteile, die er vorgetragen hat, zu erläutern und zu untermauern versucht.
    Die Sachverhalte, die diesen Urteilen zugrunde liegen, sind doch grauenhaft, das wollen wir alle zugeben; denn etwas anderes wäre Lüge. Aber die Folgerungen, die man daraus zu ziehen hat, das ist allerdings eine andere Frage. Herr Kollege Jahn, wenn Sie dann gesagt haben, die Richter hätten versucht — und das sei der Hauptfehler —, zu relativieren, die Tat in die Zeit hineinzustellen, in der sie geschah, sie hätten zu formaljuristisch, zu positivistisch geurteilt, sie hätten den politischen Gehalt — ich habe es mir mitgeschrieben — vermissen lassen, dann finde ich, daß dies eine sehr gefährliche These ist. Denn wie soll denn der Richter eine Tat und die Täter beurteilen, wenn nicht aus der Situation der Zeit, in der die Tat Wirklichkeit wurde? Denn die subjektive Seite der Täter ist doch überhaupt nur aus der Zeit verständlich.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Eine Zwischenfrage!)

    — Bitte!