Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Krammig, zuerst ein Wort zu Ihren Ausführungen. Ich werde mich mit dam Bericht, den Sie erstattet haben, auseinandersetzen und hoffe, Sie damit zu beruhigen. Wenn Sie hier die Anträge der FDP angreifen, so möchte ich Ihnen sagen, daß auch Abgeordnete Ihrer Partei Beschlüsse, die vorher gefaßt worden sind, nachher nicht immer einhalten. Ich möchte sogar hoffen, daß durch meine Ausführungen auch eine Anzahl Ihrer Kollegen überzeugt werden und sich von den von Ihnen vorgetragenen Argumenten absetzen.
Eben!
Nun, Herr Kollege Krammig, Sie haben hier von dem Geist der Verträge gesprochen. Ich glaube, es muß an dieser Stelle einmal gesagt werden, daß es gerade auch Ihre Kollegen waren, die in der ersten Lesung im Parlament diese Frage aufgeworfen haben.
Auf die Ausfallbeträge werde ich im einzelnen noch zu sprechen kommen.
Als wir die letzte Sitzung des Finanzausschusses verließen, sagte mir einer Ihrer Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion: „Frau Kollegin, Sie hatten die bessere Position, Sie hatten die besseren Argumente."
— Herr Schlick, der Betreffende, der es mir gesagt hat, wird es wissen. Machen Sie nicht so ein entsetztes Gesicht!
Ich bin mir allerdings bewußt, daß ich mich jetzt in einer sehr schwachen Position befinde, und zwar nicht wegen der Argumente, sondern weil ich weiß, daß Sie sich festgelegt haben und über die absolute Mehrheit verfügen, so daß Sie dieses Gesetz annehmen oder ablehnen können. Auf der anderen Seite frage ich mich, welchen Sinn alle Debatten im Ausschuß und im Plenum haben sollen, wenn man sich nicht einmal durch gute Argumente überzeugen läßt. Ich habe, wenn ich so sagen darf, den Mut, im Auftrage meiner Fraktion den Versuch zu unternehmen, Sie umzustimmen, weil ich auf Ihre Aufgeschlossenheit vertraue. Die letzten Monate haben bewiesen, daß sich ein Teil von Ihnen guten Argumenten gegenüber aufgeschlossen zeigt und auch einmal gegen einen Fraktionsbeschluß stimmt,
sich also nicht nur von fiskalischen Erwägungen leiten, sondern auch gesamtpolitische und volkswirtschaftliche Argumente gelten läßt.
2956 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1958
Frau Beyer
In den letzten Tagen hat sich noch eine Fülle von Material ergeben, das beweist, daß Ihre Argumente nicht ganz stichhaltig sind. Dieses Material steht auch Ihnen zur Verfügung, wenn Sie darauf Wert legen.
— Zum Teil ja. — Ich hoffe deshalb, daß sich wenigstens ein Teil Ihrer Kollegen von diesen Argumenten beeindrucken läßt.
Ich gehe nun von Ihrem Bericht aus, Herr Kollege Krammig. Es heißt dort unter Ziffer 16:
Die Mehrheit im Ausschuß hält es im Hinblick auf die Unsicherheit einer Konsumausweitung, die den Ausfall vermeiden würde, nicht für vertretbar, auf die Steuererhöhung zum Ausgleich des Finanzsollausfalles zu verzichten.
Hier spricht man bereits von der Unsicherheit, und dieser Unsicherheitsfaktor kommt in dem ganzen Bericht zum Ausdruck.
Bevor ich mich mit den zwei wesentlichen Punkten auseinandersetze, darf ich zunächst noch einige allgemeine Bemerkungen machen. Im Zusammenhang mit dem Zolltarifgesetz — Drucksache 595 —, mit dem die Zollsenkung beschlossen wurde, und den heute zur Debatte stehenden Verbrauchsteuererhöhungen — Drucksachen 596 und 597 — wurde von der Regierung und auch von einer Anzahl von Kollegen der Regierungsparteien immer wieder auf die Diskriminierung der deutschen Häfen hingewiesen. Man sprach von Verkehrsverlagerungen. Man sagte: Wenn die Gesetzentwürfe — und hier sprach man nicht nur von einer, sondern jeweils von allen drei Drucksachen — nicht angenommen werden, entgeht den Häfen der Kaffeeimport wie auch die Bearbeitung, also Rösten und Verpacken. Auf meine Frage im Ausschuß wurde eindeutig festgestellt, daß der Ausfall durch die Verkehrsverlagerungen nichts mit den Verbrauchsteuern zu tun hat, sondern daß dieses Argument einzig und allein für die Maßnahme Gültigkeit hat, den Außen- wie den Binnenzoll in gleicher Höhe festzusetzen. Das ist sehr wesentlich für die Beurteilung des Gesamtproblems.
Von seiten der Regierungsparteien und auch der Regierung selbst wird allgemein behauptet, daß die gesamte Zollsenkung, die in dieser Woche mit der Annahme des Entwurfs Drucksache 595 beschlossen worden ist, einen Steuerausfall von insgesamt 175 Millionen DM erbringe. Nun, es ist eine Tatsache, daß diese Zollsenkung auf eine große Anzahl weiterer Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs Anwendung findet. Ich habe im Ausschuß gefragt, wie sich die Zollsenkungen auf die Preise auswirken, also vom Verbraucher erkannt werden können. In dem Protokoll wird diese Frage unter Hinweis auf den scharfen Konkurrenzkampf für einige Wirtschaftszweige bejaht. Wie ist es in Wirklichkeit? Ich habe darüber das Ministerium befragt, und das Ministerium sah sich nicht in der Lage, darauf eine konkrete Antwort zu geben.
Einige Mitglieder des Ausschusses haben jedoch auf die schwierige Lage der Textilwirtschaft hingewiesen und gesagt, auf Grund des scharfen Konkurrenzkampfes, der im Augenblick im Textilsektor bestehe, werde sich bestimmt in einem Jahr eine Preissenkung ergeben. Ich glaube, wir als Abgeordnete müssen aber immerhin auch darauf sehen, daß dieser verbraucherpolitische Gesichtspunkt nicht außer Betracht bleibt. Er soll auch bei der Verwirklichung der EWG-Verträge maßgebend sein. Ich muß hier noch einmal auf den Art. 2 des EWG-Vertrages zurückkommen, den ich schon in der ersten Lesung anführte. Hier heißt es ausdrücklich, daß es die Aufgabe der Gemeinschaft ist, eine beschleunigte Hebung des Lebensstandards für alle zu fördern, die in der Gemeinschaft zusammengeschlossen sind.
In dem ersten Bericht des Binnenmarkt-Ausschusses des Europäischen Parlaments, der uns — allerdings in französischer Sprache — vorliegt und den der Franzose Lapie erstattet hat, finden wir auf Seite 18 und folgende eine Anzahl Bemerkungen. Ich darf von diesen Bemerkungen in deutscher Übersetzung wenigstens einen kleinen Auszug bringen. Es heißt hier wörtlich:
Die Exekutive sollte sich nicht darauf beschränken, nur die Verwaltungserfahrungen der sechs Mitgliedsstaaten zu sammeln. Sie sollte auch auf die Beschwerden und Reklamationen der Produzenten und Verbraucher achten, welche die ersten sind, die diese Maßnahmen auszuhalten haben. Nicht der Buchstabe des Gesetzes, sondern der Geist sollte beachtet werden.
Es heißt weiter:
Insbesondere soll die Aufgabe der Zollrechte den Verbrauchern die Produkte liefern, die sie benötigen, wenn möglich, zu besseren Bedingungen und zu besseren Preisen. Die Einführung einer Innensteuer auf den Kaffee in Deutschland würde die Wirkung des Gemeinsamen Marktes annullieren, und wir würden natürlich das europäische Integrationswerk in den Augen der Bevölkerung eines Mitgliedstaates diskreditieren.
Das würde ein böses Beispiel für das Endresultat geben. Bitte, das ist wörtlich aus diesem französischen Bericht entnommen.
— Bitte, inzwischen hat ja auch im BinnenmarktAusschuß des EWG-Parlaments eine Diskussion stattgefunden, Herr Krammig, und da haben sogar Ihre Kollegen, d. h. die Kollegin der christlichen Richtung innerhalb des Europäischen Parlaments, die gleiche Auffassung vertreten. Hier wird ausdrücklich gesagt: Wenn man den Art. 17 Abs. 3 anwendet, dann diskriminiert man an sich den Vertrag. Gewiß, das ist das Loch im Vertrag. Aber, Herr Kollege Krammig, die Frage ist, ob wir das wollen. Ich habe hier schon einmal darauf hingewiesen, daß der erste Schritt, den wir tun, nicht gleich zur Anwendung dieses Passus führen sollte.
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Frau Beyer
Was ist nun, unabhängig von diesem Passus der Vertragswerke, überhaupt noch wesentlich? Hier darf ich den Vierten Teil der Verträge anführen. Er befaßt sich mit der Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete. Hierzu wird u. a. folgendes gesagt:
Ware, die aus den überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten stammt, sollte genauso behandelt werden, als ob sie aus dem Mutterland käme.
Was bedeutet das? Das bedeutet eine Vorzugsstellung dieser Länder gegenüber anderen Ländern, gegenüber Drittstaaten. Diese Länder, die nicht unmittelbar, aber mittelbar zur EWG gehören, sollen also gleich behandelt werden. Wenn wir uns diesen Vierten Teil des Vertrages vor Augen halten, brauchen wir uns nicht zu wundern, daß heute z. B. aus Belgien und aus den Beneluxstaaten Stimmen laut werden, die behaupten, wir handelten mit dieser Maßnahme gegen den Geist der Vertragswerke.
Herr Kollege Krammig, hier würde ich der Regierung und auch Ihnen recht geben und in diesem Zusammenhang das Argument der Diskriminierung der Häfen anwenden. Das heißt, wenn unser Zoll gegenüber den EWG-Staaten zusammen mit dem Zoll, der in den EWG-Staaten erhoben wird, niedriger wäre als unser Außenzoll, wäre eine Diskriminierung vorhanden; denn dann wäre die Ware billiger. Aber, meine Damen und Herren, es muß natürlich auch gesagt werden, das könnte sogar verbraucherpolitisch wichtig sein. Hier aber träte dann eine Benachteiligung unserer Verarbeitungsindustrie und unserer Häfen ein, und das wollen wir nicht. Aber es muß noch ein anderer Gesichtspunkt berücksichtigt werden, nämlich der: Was geschieht z. B. mit der Importindustrie, wenn einmal das ganze Vertragswerk bis zum Schluß durchgesetzt ist? Ich will darauf noch in einem besonderen Teil meiner Ausführungen zu sprechen kommen. Lassen Sie mich aber in diesem Zusammenhang noch einige wesentliche Punkte ansprechen, von denen ich hoffe, daß sie auch bei Ihrer Schlußabstimmung von Bedeutung sein können.
In der Etatrede am Dienstag dieser Woche hat Herr Etzel mit Recht auf die Notwendigkeit der Unterstützung der Entwicklungsländer hingewiesen. Er führt an, daß bereits in den vergangenen Jahren 150 Millionen DM zur Verfügung gestellt wurden und daß weitere 50 Millionen DM für dieses Jahr gegeben werden. Trotz alledem — und darüber müssen wir uns einig sein — sind diese Beträge für die Größe der Aufgabe ein Tropfen auf den heißen Stein, auch, wenn ich die Bürgschaftsverpflichtungen von 1 Milliarde DM noch hinzunehme. Wir sind uns doch darüber klar, daß alle Kredite, die wir geben, nur eine begrenzte Wirkungsmöglichkeit haben. Die Maßnahmen, die wir treffen, können nur dann vollkommen sein, wenn wir diesen Ländern auch die Möglichkeit geben, ihre Rohprodukte in größerem Umfang in den Industrieländern abzusetzen. Es ist doch ein Widerspruch, wenn man diesen Ländern auf der einen Seite Kredite und auf der anderen Seite nicht die Möglichkeit gibt, ihre Produkte mehr und besser abzusetzen. Ich finde, das ist ein wichtiger allgemeinpolitischer Gesichtspunkt, und er sollte auch von wirtschaftspolitischem Interesse sein. Hier haben vor allen Dingen die Industrieländer eine besonders dankenswerte und wichtige Aufgabe. In der ersten Lesung habe ich bereits auf eine Verlautbarung aus Genf hingewiesen und möchte das in diesemZusammenhange nur noch einmal erwähnen.
Ein weiteres Argument der Bundesregierung war — das hat auch soeben Kollege Krammig gesagt —, daß eine Verbrauchsausweitung kaum noch möglich sei; so ähnlich hat sich Kollege Krammig auch im Bericht ausgedrückt. Lassen Sie mich hierzu einige Zahlen nennen. Wir hatten im Jahre 1952/53 nach den Statistiken eine Einfuhr von 56 000 t. 1954 waren es rund 84 000 t. Die Einfuhr ist dann sukzessive gestiegen, so daß wir 1955/56 bereits 137 000 t und 1957/58 153 717 t hatten. Diese Zahlen stammen aus den Etatdarstellungen der Bundesregierung.
Nun sagt Herr Kollege Krammig — und das trifft sich wieder mit seinem Bericht —, gegenüber 1954 sei insgesamt eine Steigerung von 41,5 % feststellbar; mithin die gleiche Steigerung, jetzt nur in Prozenten ausgedrückt, die ich soeben angeführt habe. Nun komme ich auf den Einwand, den Frau Kollegin Diemer-Nicolaus soeben gemacht hat, zurück, worauf Herr Kollege Krammig antwortete, ihm sei das sehr fraglich, daß im Jahre 1958 die Steigerung nur so gering sein solle. Er führt im Bericht nämlich weiter an, daß im Jahre 1957 noch eine Steigerung von 13% vorhanden war und im Jahre 1958 — und hier bezieht er sich nur auf die Zahlen bis September — lediglich noch 3,84 % übriggeblieben sind. Wenn man das letzte Vierteljahr noch mit 1 % aussetzt, dann bedeutet es 4,84 oder rund gerechnet 5 % Steigerung für 1958. Herr Kollege Krammig, es ist wichtig, Ihnen das jetzt zu sagen.
Dieser Prozentsatz steht im Gegensatz zu den Angaben, die Sie auf Seite 1 des Berichtes gemacht haben. Auf Seite 1 des Berichtes sagen Sie unter Ziffer 6, daß die Bundesregierung von einer Schätzung von 170 000 t Rohkaffe und 6000 t Tee für das Rechnungsjahr 1958 ausgegangen ist. Ich will einmal von dieser Schätzung ausgehen. Wenn ich 153 000 t für das Jahr 1957 und 170 000 t für das Jahr 1958 zugrunde lege, bleibt eine Differenz von, rund gerechnet, 17 000 t oder sagen wir: 16 000 t, denn es waren 1957 genau 153 717 t. Wenn Sie diese 16 000 t zu 153 000 1 ins Verhältnis setzen, müssen Sie sagen: es sind nicht 5, sondern wiederum 11 %. Herr Kollege Krammig, Sie müssen aufpassen, daß Sie sich im Bericht nicht selbst widerrufen.
Nun werden Sie mir vielleicht sagen: Schön, das sind die Schätzungen, aber effektiv sehen die Zahlen anders aus. Das können Sie wahrscheinlich einwenden. Ich muß hierzu einiges ergänzend ausführen. Auch dem Kollegen Krammig ist nicht unbekannt, daß gerade im letzten Vierteljahr eines jeden Jahres am meisten Kaffee getrunken wird. Im Winter wird viel mehr Kaffee getrunken als zu anderen Zeiten. Er wird auch im Weihnachsgeschäft zu Geschenkzwecken verkauft. Das haben Sie, wenn Sie nur 1 %
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Frau Beyer
dazunehmen, einfach unberücksichtigt gelassen. Das ist das erste Argument. — Doch, Herr Kollege Pelster, das ist ganz sicher so, und das hat auch Herr Kollege Krammig bereits zugegeben. Sie müssen meinen Gedankengängen richtig folgen, dann werden Tauch Sie zu dieser Überzeugung kommen.
— Ich will ja nur versuchen, Ihnen das klarzumachen. Ich hoffe immer noch, daß Sie Einsicht haben werden.
Es ist uns allen bekannt — ich habe mich durch eine Rückfrage dieser Auffassung versichert —, daß wir am Anfang dieses Jahres eine starke Arbeitslosigkeit hatten, die weit höher war als in anderen Jahren und die eine Verbrauchsminderung mit sich brachte. Wir wollen nicht hoffen, daß sich das in diesem Jahr wiederholt. Nun, Kollege Pelster, das ist entscheidend gerade beim Kaffeeverbrauch. Leute, die vorher Kaffee kaufen, werden. wenn sie plötzlich Arbeitslosenunterstützung beziehen, als erstes auf den Kaffee verzichten. Das ist doch klar.
— Es wäre wichtig, Herr Kollege Pelster, wenn Sie sich in Ihrem eigenen Gebiet, wo Sie wohnen, dafür interessierten. Sie brauchen nur zu einem befreundeten Unternehmen zu gehen; dann werden Sie das selbst feststellen. Ich wende mich an Sie, weil Sie mit dem Kopf schütteln. Sie dürfen nicht vergessen, daß wir im Laufe dieses Jahres, gerade in den letzten Monaten, im Ruhrgebiet viele Feierschichten und damit auch Einnahmeausfälle hatten. Auch diese Tatsache wirkt sich auf den Verkauf von Kaffee aus. Im rheinisch-westfälischen Gebiet ist festgestellt worden, daß gerade in diesen Monaten weniger Kaffee getrunken worden ist. Das läßt sich klar und eindeutig beweisen.
Wir wollen nicht, daß dieser Zustand weiter aufrechterhalten bleibt. Es werden, so hoffen wir, alle Möglichkeiten ausgeschöpft, damit dieser Zustand beseitigt wird, und da wir weiter hoffen, daß eine Arbeitslosigkeit wie im vergangenen Winterhalbjahr in diesem Jahr nicht wieder eintritt, können wir damit rechnen, daß nicht 5 %, Herr Kollege Krammig, wie Sie angenommen haben, sondern ein höherer Prozentsatz herauskommt.
Berücksichtigen wir aber, daß es nicht 5 % sind,
— Ja, Herr Kollege, ich muß das tun, und ich hoffe immer noch, daß Sie durch die Länge meiner Ausführungen überzeugt werden.
— Ich versuche doch, die Argumente zu bringen. Deshalb sollten Sie nicht auf die Uhr sehen.
Wenn Sie diese Punkte berücksichtigen, müssen Sie mir, glaube ich, zugeben, daß die Ausfallberechnungen, wie sie von der Regierung gemacht worden sind und wie sie von Herrn Krammig unterstützt wurden, nicht aufrechterhalten werden können. Das sollte bei der Beurteilung wenigstens überlegt werden. Ich werde mich nachher noch mit der materiellen Seite auseinandersetzen.
Ich bin soeben aus dem Kollegenkreis, als der Kollege Krammig wiederum von den Jahren 1913, 1914 und 1918 sprach, auf folgendes aufmerksam gemacht worden. Es ist doch wirklich fehl am Platze, heute noch die Jahre 1913, 1914 und 1918 zum Vergleich heranzuziehen.
— Bitte, das ist geschehen. Herr Dr. Hellwig und nun auch der Kollege Krammig haben es getan. —Damals trank nur eine kleine Gruppe von Einwohnern Kaffee, ebenso wie es damals nur wenige waren, die Benzin verbrauchten. Wir können die Entwicklung nicht einfach übersehen. Wir sollten uns mit Argumenten auseinandersetzen, die den Tatsachen Rechnung tragen, und nicht von der Vergangenheit ausgehen. Sie müssen doch zugeben, daß sich gerade seit 1913/14 viele Lebens- und Verbrauchsgewohnheiten geändert haben.
Ich kann hier von einer interessanten Aufstellung berichten, die man vor einiger Zeit in Amerika gemacht hat. Amerika wird ja immer gern als Beispiel angeführt, und in diesem Zusammenhang ist das auch berechtigt. Diese Aufstellung macht deutlich, an welcher Stelle die Bundesrepublik im Verbrauch steht. Man hat nämlich, um festzustellen, wieviel Kaffee in Europa importiert wird, untersucht, wieviel pro Kopf getrunken wird. Berechnungseinheit ist das englische Pfund zu 465 Gramm. Ich bitte das bei den Zahlen zu berücksichtigen; ich habe sie nicht alle umgerechnet. — In Schweden werden — obwohl man in Schweden und Dänemark bekanntlich sehr viel Milch trinkt — 17,23 englische Pfund Kaffee pro Jahr und Kopf verbraucht, in Dänemark 16,33, in Belgien/Luxemburg 12,16, in der Schweiz 9,66, in Frankreich 9,57, in den Niederlanden 7,87 und in Deutschland sind es 6,20 englische Pfund, also 2,81 kg oder 5,62 Pfund.
Diese Zahlen gelten für das Jahr 1957. Die Angaben decken sich mit unseren Darstellungen. — Da also Deutschland den niedrigsten Kaffeeverbrauch pro Kopf unter den angeführten europäischen Ländern hat, ist es völlig fehl am Platze, wenn man, wie es die Bundesregierung getan hat, von einer Sättigung spricht.
Ein deutsches Meinungsforschungsinstitut, daß auch Ihnen gut bekannt ist, hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wer in Deutschland Kaffee trinkt und wer nicht. Dabei ist festgestellt worden, daß die Hälfte der deutschen Bevölkerung noch keinen Kaffee trinkt. Warum trinkt diese Hälfte der Bevölkerung keinen Kaffee?
— Sicher, aber das ist zweitrangig.
— Richtig, die Bayern trinken Bier. Aber Sie können Bier nicht mit Kaffee vergleichen, das werden Sie mir zugeben. Worauf es mir hier ankommt, ist,
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Frau Beyer
zu zeigen, daß mit den Zahlen, die Amerika errechnet hat, und mit den Zahlen des deutschen Meinungsforschungsinstituts bewiesen werden kann, daß der Kaffeebedarf in Deutschland noch nicht gesättigt ist.
Wenn heute noch so wenig Kaffee in Deutschland getrunken wird, dann hegt das in hohem Maße an der hohen fiskalischen Belastung, der der Kaffee bei uns unterliegt. Ein Kilogramm Rohkaffee ist fiskalisch mit 5 DM belastet. Dieser Betrag geht also beim Verkauf jedes Kilogramms Kaffee automatisch an den Fiskus. Dabei sind in diesen 5 DM noch nicht die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer eingerechnet, sondern dieser Betrag enthält neben Verbrauchsteuern den Zoll und die Umsatzausgleichsteuer.
Nun wendet man zum Teil ein, die Preisermäßigung von 80 Pfennig pro Kilogramm, die hier in Frage komme, wäre kaum spürbar, d. h. sie würde vom größten Teil gar nicht beachtet werden. Man sollte sich in diesem Zusammenhang vor Augen halten, daß jede Zoll- und Steuerermäßigung bisher auch dem Verbraucher zugute gekommen ist. Man kann an Hand der Zahlen nachweisen, daß jedesmal auch eine Verbrauchssteigerung damit verbunden war. Jede Preisermäßigung hat ihre Wirkung. Wir sollten das sowohl vom volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt aus wollen, wenn wir an die Lebenshaltungskosten insgesamt denken, als auch im Hinblick darauf, daß wir damit dem europäischen Gedanken dienen.
Nun muß ich auch einiges über die unsoziale Wirkung der Verbrauchsteuern schlechthin sagen. Ich weiß, daß Kaffee heute in erster Linie von denen getrunken wird, die das nötige Geld dazu haben, — ich darf jetzt scherzhafterweise hinzufügen: mit Ausnahme der Familie des Kollegen Dr. Hellwig, der gesagt hat, bei ihm trinkt man nur Ersatzkaffee. Aber wir können doch nicht wollen, daß ein großer Teil der Bevölkerung einfach auf Grund seiner finanziellen Situation vom Kaffeeverbrauch ausgeschlossen ist. Wir dürfen doch dieser Gruppe das Trinken von Kaffee nicht verweigern oder erschweren. Ich habe bereits in der ersten Lesung gesagt: es gibt eine Menge medizinische Gründe, die für den Kaffeekonsum sprechen; ich denke an die große Gruppe derer in Deutschland, die Blutunterdruck haben, ich denke an die älteren Menschen, und ich denke auch besonders an die Frauen; für die Männer ist es der Alkohol, für die Frauen ist es der Kaffee.
— Wollen Sie das bestreiten?
Lassen Sie mich meine Familie als Beispiel bringen. Ich habe einen 5-Personen-Haushalt und brauche so etwa 90 bis 100 Mark die Woche für Lebensmittel. Darunter fallen etwa 1 Pfund bis 1 1/4 Pfund Kaffee, das sind 9,60 bis 12 DM.
— Wenn Sie dreimal am Tag Kaffee trinken, müssen Sie 1 1/4 Pfund rechnen. Nun, nehmen Sie nur 1 Pfund!
— Ich weiß doch, was ich verbrauche, Herr Pelster! — Wenn Sie 1 Pfund Kaffee nehmen, — —
— Also, meine Herren, ich glaube, Sie können gar nicht darüber urteilen,
weil Sie gar nicht wissen, wieviel Ihre Frauen für Kaffee ausgeben; davon bin ich überzeugt!
Sie wissen nur, was Sie für Bier und Sonstiges ausgeben, aber nicht, was in Ihrer Familie an Kaffee verbraucht wird.
Wenn Sie einen Lebensmittelverbrauch von 100 DM in der Familie zugrunde legen und nur rund 10 DM für Kaffee rechnen, sind das 10%. Wenn aber für den Lebensmittelverbrauch nur 60 DM zur Verfügung stehen, sind es schon 15 %. Je niedriger also der Lebensmittelverbrauch bzw. das zur Verfügung stehende Haushaltsgeld, je niedriger also das Einkommen, um so höher ist die prozentuale Belastung. Sie werden mir doch nicht bestreiten können, daß unter Umständen gerade diese Familien den Kaffee am ehesten brauchen. Gehen Sie bitte einmal in das Kohlenrevier! Dort wird man mehr Kaffee brauchen; das liegt an der ganzen Belastung, das liegt an vielem anderem mehr. Mit anderen Worten: Der Verbrauch ist unterschiedlich entsprechend der Struktur unserer Länder und unserer Belastungen. Jedenfalls sollte man nicht unberücksichtigt lassen, daß auch eine Familie mit kleinem Einkommen den Kaffee genauso nötig hat wie eine Familie mit hohem Einkommen.
Wir haben in der letzten Woche — das haben Sie ja alle gelesen — eine Pressekonferenz gehabt. Ein Pressevertreter machte am Schluß die Bemerkung: Wäre es nicht möglich, die Belastung für diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen Kaffee trinken müssen, irgendwie rezeptmäßig abzufangen?
— Urteilen Sie darüber nicht gar so abfällig! Ich glaube, für viele dieser Leute wäre Kaffeetrinken besser, als irgendwelches Gift zu schlucken, von dem man nicht weiß, was es ist.
— Ja, es ist die Frage, in welcher Dosis Sie ihn trinken.
— Wenn Sie aber Tabletten nehmen, wissen Sie oft gar nicht, wie sie wirken; bei Kaffee merken Sie es schon. — Aber Scherz beiseite! Ich will diesen Vor-
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Frau Beyer
schlag ja gar nicht aufgreifen. Ich will nur sagen: ein Problem, mit dem man sich in der Öffentlichkeit so stark auseinandersetzt, sollte man hier nicht einfach mit einer Handbewegung abtun.
Ein weiteres Argument in der Ausschußdebatte war — und dieses Argument ist mir besonders wichtig —, es handele sich um einen Personenkreis, der aus der direkten Besteuerung, nämlich aus der Lohn- und Einkommensteuer, herausfalle. Dieses Argument wird gern gebracht. Herr Dr. Dresbach, jetzt werden Sie sich angesprochen fühlen, denn Sie haben darüber schon geschrieben. Aber ich führe es deshalb an, weil es ein Politikum ist und weil ich der Meinung bin: wenn ein Personenkreis in Deutschland keine Lohn- oder Einkommensteuer zahlt, dann gehört er doch zu den Personengruppen, die das niedrigste Einkommen haben, oder zu denen, die sehr viel Kinder haben und auch nur auf einen Mindestlohn zurückgreifen können. Aber es ist doch völlig fehl am Platze, in diesem Zusammenhang immer wieder das staatsbürgerliche Verantwortungsgefühl anzusprechen und in Frage zu stellen.
Wie ist es denn wirklich? Wir haben jetzt die Etatrede hinter uns. In dieser Rede hat der Bundesfinanzminister gesagt: Die Umsatzsteuer ist das Rückgrat des Bundeshaushalts. Die Umsatzsteuer macht die Hälfte der ordentlichen Einnahmen aus. Alle diese Personengruppen, von denen Sie sprechen, zahlen Umsatzsteuer, zahlen also ihren Teil zu dem Rückgrat des Haushalts. Sie zahlen alle, ob kleine oder hohe Einkommen, diese Umsatz- und Verbrauchsteuern - natürlich nach Maßgabe ihres Einkommens — für die Waren, die sie notwendig brauchen. Das ist auch dem letzten Staatsbürger inzwischen eingegangen, und in Versammlungen wird Ihnen, wenn Sie ein solches Argument gebrauchen, dieser Einwand bestimmt gebracht werden. Also sollten wir endlich diese 4 1/2 Millionen, die wir mit Rücksicht auf ihre niedrigeren Einkommen von der direkten Besteuerung ausgenommen haben, aus einer solchen Diskussion herauslassen.
Nun komme ich zu den Steuerausfällen — und zwar im Zusammenhang mit der Steigerung des Verbrauchs —, auf die ich vorhin bereits hingewiesen habe, und damit zugleich auch zurück auf Ihre Bemerkung, Herr Krammig, am Anfang dieser Debatte und auf Ihren Bericht. Es wird nicht bestritten, Herr Kollege Krammig — das sage ich auch der Bundesregierung —, daß die Senkung der Verbrauchsteuer im Jahre 1953 von 10 auf 3 DM je Kilo Kaffee Verbrauchsteuerausfälle mit sich gebracht hat; das ist ganz klar. Wenn man aber nur von Ausfällen spricht, Kollege Krammig, und nicht darauf hinweist, daß noch mehr Belastungen auf dem Kaffee liegen, dann ist diese Aussage effektiv falsch,
und zwar deshalb falsch, weil man nicht sagen kann, daß der Bundesfinanzminister aus dem Kaffee heute noch geringere Einnahmen hat. Ich habe bereits auf die steigende Einfuhr von Kaffee hingewiesen.
Lassen Sie mich darüber hinaus noch einige Zahlen nennen. Im Haushaltsjahr 1952/53 wurden an
Kaffeesteuer 560 Millionen eingenommen, an Zöllen 89,6 Millionen und an Umsatzausgleichsteuer 38,3 Millionen. Somit wurden im Haushaltsjahr 1952/53 insgesamt 687,9 Millionen vom Finanzministerium nach seinen eigenen Zahlen vereinnahmt. Es hat sich dann, wie ich vorhin an Zahlen bewiesen habe, der Verbrauch laufend gesteigert. Wir haben im Haushaltsjahr 1957/58 Eingänge aus der Kaffeesteuer in Höhe von 461,2 Millionen zu verzeichnen, also trotz der Senkung. An Zöllen haben wir nicht mehr nur 89, sondern 246 Millionen eingenommen und an Umsatzausgleichsteuer nicht 38,3, sondern 66,1 Millionen. Das ergibt für das Jahr 1957/58 eine Einnahme von 773,3 Millionen DM und mithin eine effektive Mehreinnahme — das sage ich jetzt dem Bundesfinanzministerium und Ihnen, meine Damen und Herren — von über 100 Millionen DM. Kommen Sie also jetzt nicht mehr mit Einnahmeausfällen! Hier ist nachgewiesen, daß schon im Jahre 1957 mehr als 100 Millionen DM mehr eingenommen wurden.
Hinzu kommt noch, wie ich vorhin schon zum Ausdruck gebracht habe, daß die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer noch außerhalb dieser Betrachtung stehen, sie kommen noch hinzu. Ich bitte, diese Gesichtspunkte in Ihre Beurteilung mit einzubeziehen.
Man könnte davon ausgehen, daß 10 % — eigentlich 11 % — mehr Kaffee getrunken worden ist. Ich habe das vorhin schon gesagt. Gehen wir davon aus, daß 10 % mehr Kaffee getrunken wird — oder auch nur 8 %, das ist ganz gleich —, kommen wir auf etwa 77 Millionen DM. Bei 8 % Mehrverbrauch wären es 2 % weniger, mithin 60 Millionen DM. Ein Mehrverbrauch von 7 bis 8 % wird bestimmt erreicht. Das bedeutet, daß wir im nächsten Jahr schon wieder 50 bis 60 oder sogar 70 Millionen DM mehr einnehmen.
— Jawohl, Herr Kollege Krammig, das Rechenexempel stimmt.
— Schön! Aber, Herr Kollege Krammig, Sie können doch nicht hingehen und immer das niedrigste nehmen. Sie selber geben eine Zunahme von 5 % zu.
— Aber Sie haben mir soeben zugegeben, Herr Kollege Krammig, daß Sie das Weihnachtsgeschäft und das vierte Vierteljahr nicht richtig berücksichtigt haben. Sie haben genau denselben Prozentsatz wie für die ersten drei Vierteljahre angenommen, obwohl Sie genau wissen, daß im letzten Vierteljahr mehr Kaffee verbraucht wird als in einem der anderen drei Vierteljahre; das haben Sie durch Kopfnicken zugegeben.
— Nein, Sie haben nur 1 % angenommen. Wenn Sie für das übrige Jahr 3,84 % nehmen, dann ist 1 % viel zu wenig; dann müssen Sie mindestens über
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Frau Beyer
2 % ansetzen. Denn 3,84 % durch 3 ergibt schon mehr als 1 %.
— Nein, das ist nicht wahr. Sie haben von Januar bis September gerechnet.
— Schön, Sie müssen mir aber doch zugeben, daß Ihre Berechnungen — ich habe soeben auf Ihren Bericht Bezug genommen — nicht objektiv sind. Hier ist ein Widerspruch in Ihren Darlegungen, und den können Sie nicht bestreiten.
Es kommt mir darauf an, hier folgendes nachzuweisen. Nehmen wir an, daß es nur 6 bis 7% sind, dann sind das immerhin — wenn ich von 770 Millionen DM ausgehe — gegenüber 1957 noch 40 bis 50 Millionen DM mehr. Infolge dieser Mehreinnahme von 40 bis 50 Millionen DM können wir nicht von einem Gesamtausfall im Jahre 1959 von 122 Millionen DM sprechen, sondern höchstens von 60 bis 70 Millionen DM. Bei diesen Zahlen sind aber dann, Herr Kollege Krammig, alle Unsicherheitsfaktoren bereits einbezogen. Wenn Sie berücksichtigen, daß es sich um einen Ausfall von nur 60 bis 70 Millionen DM handelt, müssen Sie erkennen, daß wir im übernächsten Jahr schon wieder über diesen Minusbetrag in der Steuereinnahme völlig hinweg wären, und in den darauf folgenden Jahren könnte das Bundesfinanzministerium bestimmt schon wieder Steuermehreinnahmen verzeichnen.
In der Diskussion bei der ersten Lesung habe ich bereits von der günstigen Weltmarktsituation gesprochen. Ich darf darauf hinweisen, daß mir bekanntgeworden ist, daß in Brüssel im Zusammenhang mit dem Europamarkt ein besonderes Kaffeebüro errichtet worden ist. Dieses Kaffeebüro hat besonders den Auftrag, eine Werbung für Kaffee in den europäischen Ländern durchzuführen. Man will hier versuchen — ich habe soeben die amerikanische Statistik aufgezeigt —, im Interesse der unterentwickelten Gebiete den Kaffeeverbrauch mächtig zu heben. Da wir den niedrigsten Kaffeeverbrauch haben, können wir uns darauf gefaßt machen, daß eine entsprechende Werbung einsetzen wird. Die Damen und Herren der CDU/CSU-Fraktion, die in der Wirtschaft tätig sind, wissen doch ganz genau, was eine gute Werbung vermag. Ein amerikanischer Werbepsychologe hat gesagt, man sollte bei einer guten Werbung die Menschen immer mit dem, was sie besitzen, unzufrieden machen.
Wenn wir bedenken, daß Kaffee-Ersatz, weiß Gott, nicht das beste ist und daß die Menschen alle lieber echten Kaffee trinken, werden wir einsehen, daß mindestens in Deutschland eine gute Werbung den Kaffeeverbrauch steigern wird; auf diese Steigerung kommt es letzten Endes an. Ich sage das alles nur, weil ich versuchen möchte, auch die kleinsten Unsicherheitsfaktoren auszuräumen.
Ich darf noch eine Bemerkung zu den Ausfallberechnungen im allgemeinen machen. Meine Damen und Herren, lesen Sie dazu einmal die Etatrede von Herrn Etzel nach! Sie finden da auf Seite 21 folgende Ausführungen: Die Auswirkungen der 9. und 10. Durchführungsverordnung zum Umsatzsteuergesetz und insbesondere die Wiedereinführung der Organschaft am 1. April des Jahres führen nicht — auf das „nicht" kommt es an — zu einem Ausfall von 450 Millionen DM jährlich, wie vorausberechnet worden war.
In der letzten Sitzung des Ausschusses — ich glaube, Herr Kollege Krammig, Sie waren nicht da — haben wir festgestellt, daß auch die Ausfallberechnungen des Bundesfinanzministeriums hinsichtlich der Lohn- und Einkommensteuer, für die am 1. September die neuen Tarife in Kraft getreten sind, nicht zutrafen. Ein Vertreter des Ministeriums mußte auf eine dahingehende Frage zugeben, daß auch im Oktober mehr an Lohn- und Einkommensteuer einging, als man vorausberechnet hatte. Diese Ausfallberechnungen haben also wiederum nicht gestimmt. Wir erkennen daraus, daß vom Ministerium der Ausfall immer höher geschätzt wird, als er wirklich ist. Ich muß hier bemerken, daß es in Kreisen der Arbeitnehmer längst heißt, mit der Steuerreform vorn 1. September 1958 habe der Finanzminister noch ein Geschäft gemacht; es gibt ja, wie wir alle wissen, viele, die jetzt mehr Steuern zahlen müssen. Die Übersichten, die wir für September und Oktober erhalten haben, machen das sehr deutlich. Nachdem wir diese Beweise haben, sollten wir endlich den Mut haben, uns über die Vorausschätzungen des Bundesfinanzministeriums hinwegzusetzen; sie hier zugrunde zu legen, ist fehl am Platze. Ich mache dem Finanzminister gar keinen Vorwurf daraus, daß er solche Zahlen bringt. Aber wir haben die Verpflichtung, objektiv zu sein und unseren Entschlüssen Zahlen zugrunde zu legen, von denen wir annehmen dürfen, daß sie am ehesten zutreffend sind.
Zu Beginn meiner Ausführungen habe ich auf die Verhältnisse in der Importindustrie hingewiesen. Ich möchte dazu einige Ergänzungen bringen. Auch im Interesse der Importindustrie sollten wir durch Annahme dieser Anträge den Gesetzentwurf ändern. Auf Grund des EWG-Vertrages wird im Laufe der nächsten zwölf Jahre die Steuer in den sechs Vertragsstaaten völlig wegfallen. Nach diesen zwölf Jahren wird der deutsche Importhandel der starken Konkurrenz kapitalkräftiger Importeure der Benelux-Staaten gegenüberstehen, vor 'allem in den EWG-Ländern. Wenn sich bis dahin unsere Importindustrie nicht entsprechend gefestigt hat, wird sie diesem starken Druck nicht gewachsen sein. Dann würde den Häfen wirklich Schaden zugefügt. Diese Umstände sollten wir recht erkennen und bei Beurteilung der Lage und bei unseren Entschlüssen berücksichtigen.
Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen. Der Herr Bundesfinanzminister hat anläßlich der 100-
Jahr-Feier einer Weinbrennerei interessante Ausführungen gemacht, die im Bulletin vom 21. November 1958 abgedruckt sind. Der Artikel ist im Bulletin mit „Steigerung des Lebensstandards im Gemein-
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Frau Beyer
samen Markt" überschrieben. Erlauben Sie mir, Herr Präsident, zwei Sätze daraus zu zitieren.
Er sagt darin:
Ein so verstandener Gemeinsamer Markt heißt aber eine ständige Steigerung des Lebensstandards. Eine ständige Steigerung des Lebensstandards bedeutet weiter eine ständige Ausweitung der mit der nötigen Kaufkraft ausgestatteten Nachfrage, d. h. die Möglichkeit der Konsumenten, mit dem verdienten Einkommen mehr Güter zu kaufen und damit auch die Bedürfnisse zu befriedigen, die bisher nur latent vorhanden waren.
Er sagt weiter:
Wir Europäer hoffen, daß die durch den größeren Wirtschaftsraum ermöglichte Steigerung des allgemeinen Wohlstands sogar so groß sein wird, daß durch sie auch die Wirtschaften unserer anderen europäischen Nachbarn außerhalb der EWG und alle mit uns in Handelsbeziehungen stehenden Länder der Welt wichtige Impulse erhalten werden.
Nun, meine Damen und Herren, wenn wir von „Steigerung des Lebensstandards im Gemeinsamen Markt" sprechen, dann müssen wir hier auch einmal den Beweis erbringen.
Er sagte hier in seiner Etatrede:
Durch diese Hilfestellung des Bundes sollen vor allem Investitionen deutscher Unternehmen in Entwicklungsländern gefördert werden, indem das besondere politische Wagnis derartiger Kapitalanlagen zum größten Teil vom Bund übernommen wird. Niemand kann die Größe dieses Bürgschaftswagnisses vorhersehen. Alle diese Maßnahmen sind weitgehend ein Weg ins Dunkle, der dennoch aus überragenden politischen Gründen, aber mit Vorsicht beschritten werden muß.
Meine Damen und Herren, wenn das vom Bundesfinanzminister selber gesagt wird, haben Sie jetzt alle Veranlassung, diese Steuererhöhung abzusagen. Denn letzten Endes ist kein Wagnis darin enthalten; es würde sogar in zwei, drei Jahren noch zu Steuererhöhungen führen. Das käme sehr auf unser Handeln an. Wir helfen doch letzten Endes — ich habe das vorhin schon gesagt — den Menschen mehr, wenn wir ihnen ermöglichen, ihre Rohprodukte abzusetzen, und wir verringern damit unser eigenes Risiko.
Eine weitere Bemerkung zu der Frage der Glaubwürdigkeit. Ich habe schon einmal im Ausschuß dieses Wort benutzt, und da wurde gesagt, es sei ein schlechtes Wort. Ich weiß, dieses Wort ist unangenehm. Aber ich muß Sie doch fragen: Machen Sie sich, oder: Machen wir uns — ich will hier von „wir" sprechen, für Europa — nicht wirklich unglaubwürdig, wenn wir, wie eben der Bundesfinanzminister, sagen: „Wir Europäer", „wir wollen Europa", wenn wir uns zu verbraucherpolitischen Maßnahmen bekennen, wenn wir Reisen machen wie der Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn wir große Erklärungen über die Unterstützung der hilfsbedürftigen Gebiete abgeben und hier bei der ersten besten Gelegenheit versagen? Dabei habe ich Ihnen an Hand von Tatsachen nachgewiesen, daß die Ausfallberechnungen mit einem sehr, sehr großen Fragezeichen zu versehen sind. Niemand kann bestreiten, daß diese Wenigereinnahmen in zwei, höchstens drei Jahren längst überwunden sein werden. Das sind doch fadenscheinige Erklärungen, nicht nur uns gegenüber, sondern auch gegenüber Europa. Wir widersprechen damit dem Europagedanken — jawohl, das tun wir — sehr eindeutig.
Ich will jetzt noch einmal zusammenfassen, und ich bitte Sie wirklich herzlich: Nehmen Sie sich diese Argumente doch bei Ihrer Urteilsfindung noch einmal zu Herzen! Die Verbrauchsteuererhöhung steht in keinem Zusammenhang mit der Diskriminierung der deutschen Häfen. Im Gegenteil, jede Verringerung der fiskalischen Belastung kann sie nur stärken und auch auf der Verarbeitungsstufe helfen.
Wir sollten weiter ein Interesse daran haben, daß wir nicht bei der ersten Maßnahme den Artikel 17 Nr. 3, den wir selber in dem Umfang gar nicht gewollt haben — dieses Loch, wie Herr Dr. Hellwig sagte —, anwenden. Es sollte doch unser Bestreben sein, den entwicklungsfähigen Ländern zu helfen. Wir sollten nicht nur Kredite geben, sondern durch Hebung ihres Absatzes zu einer Besserung ihrer wirtschaftlichen Situation beitragen. Wir sollten weiter erkennen, daß eine Verbrauchsteuer unsozial ist, wenn sie auf Artikel erhoben wird, die Gruppen aus allen Einkommenschichten aus bestimmten Gründen haben müssen und bei denen es keine Ausweichmöglichkeiten gibt. Meine Damen und Herren, Sie können Ersatzkaffee nicht als Ausweichmittel bezeichnen.
— Darf ich Ihren Zwischenruf noch einmal hören?
— Das ist eine Frage! Das kommt darauf an, ob Sie Unterdruck oder Überdruck haben oder normal sind.
— Das wissen Sie gar nicht; ich kann Ihnen das Gegenteil beweisen.
Daß schon eine Verbrauchsausweitung erfolgt ist, habe ich anhand von effektiven Zahlenbeispielen nachgewiesen, und sie kann nicht mehr bestritten werden. Die Ausfallberechnungen mit 122 Millionen DM sind nur als fiktiv anzusehen. Tatsache ist, daß die Steigerung im Jahre 1958 wiederum eine echte Zunahme bedeutet und daß ein bis spätestens zwei Jahre später bereits wieder Mehreinnahmen verzeichnet werden können.
In dem Zusammenhang sollten dann auch die Lage des Importhandels nach Abschluß der zwölf Jahre und die Diskriminierung, die dann für die
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deutschen Häfen und die deutschen Importeure eintreten könnte, gesehen werden.
Als siebtes und letztes möchte ich sagen: Wir sollten den Vertrag wirklich erfüllen. Wir sollten nicht nur Bekenntnisse ablegen, uns als Europäer nicht nur bekennen. Und wir sollten nicht immer sagen: „Wir brauchen verbraucherpolitische Maßnahmen", und uns dann letzten Endes nur durch fiskalische Erwägungen beeinflussen lassen.
Wenn Sie diese Punkte richtig betrachten, meine Damen und Herren, müßten Sie zu einer Ablehnung der Gesetzentwürfe und damit auch zu einer Annahme der Anträge der FDP kommen.
Ich habe keine besonderen Ausführungen zur Teesteuer gemacht, habe den Tee zum Teil mit erwähnt. Es sind praktisch die gleichen Begründungen wie beim Kaffe, obwohl Sie selber, Herr Kollege Krammig, mir zugegeben haben, daß Tee für Ostfriesland sogar ein Nahrungsmittel sein könnte.
Meine Damen und Herren! Es ist die letzte Sitzung vor Weihnachten.
Wir sind vor Weihnachten alle gebefreudiger,
— doch, doch! Sie nicht? Ach, Herr Dr. Schmidt, das glaube ich Ihnen nicht — — und wir sind damit auch bereiter. Sie sollen ja gar nicht gebefreudiger sein um des Weihnachtsfestes willen, sondern auf Grund des Materials, daß ich Ihnen dargelegt habe. Wir sollten gegenüber solchen Argumenten aufgeschlossener sein. Wir würden sehr vielen Menschen eine Freude machen. Zudem würden wir — ich habe das in der ersten Lesung gesagt —, wenn wir das richtig anpacken, auch für Europa werben. Wenn wir sagen können: „Infolge der Verträge ist diese Verbesserung eingetreten!", werben wir beim Staatsbürger für den Europagedanken. Wenn dann noch das Brüsseler Büro für Kaffee wirbt und die Industrie, dann werden, dessen bin ich sicher, die Ausfälle in ein, zwei, höchstens drei Jahren längst ausgeglichen sein.
Deshalb bitte ich Sie, nicht, wie vorher von Herrn Kollegen Krammig beantragt, die Gesetzentwürfe anzunehmen, sondern sie abzulehnen und damit den Anträgen der FDP zuzustimmen.
Ich danke Ihnen.