Rede von
Thomas
Ruf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion ist damit einverstanden, daß das Kindergeld von 30 auf 40 DM, also um ein volles Drittel, erhöht wird. Die CDU/ CSU-Fraktion begrüßt es auch, daß das Kindergeld wie bisher vom dritten Kinde an bezahlt werden soll und daß sich die Regierung, wie es in der Begründung ausdrücklich heißt, damit zum Gedanken der Selbstvorsorge und der Selbstverantwortung bekennt. Ich freue mich, daß der Herr Bundesarbeitsminister dieses unser Grundprinzip soeben erneut bekräftigt hat.
Das Ziel dieses Gesetzentwurfes ist es, die wirtschaftliche Lage der kinderreichen Familien weiter zu erleichtern. Wir sind überzeugt, daß wir mit dieser Erhöhung des Kindergeldes um ein volles Drittel eine wirksame Hilfe leisten, so daß wohl niemand mehr, meine Damen und Herren von der Opposition, sagen kann, auf diesem Gebiet geschehe viel zuwenig.
Wir werden uns allerdings nicht der Illusion hingeben, daß damit alle zufrieden seien. Unzufriedene wird es immer gehen. Es wird uns auch mit der Familienpolitik wie mit der Sozialpolitik nicht gelingen, den Zustand der Zufriedenheit aller herzustellen.
Wir geben uns auch nicht dem Irrtum hin, daß wir uns heute oder nach der endgültigen Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs zum letztenmal über die Frage, ob das Kinderdgeld vom zweiten oder vom ersten Kind ab gewährt werden soll, unterhalten haben. Diese Frage wird sicherlich auch später wieder auftauchen, und wir werden uns mit ihr später in aller Ruhe, in aller Sachlichkeit und mit dem nötigen Verantwortungsbewußtsein auseinandersetzen.
Dieses Verantwortungsbewußtsein unterstellen wir selbstverständlich auch Ihnen von der Opposition; ich möchte es Ihnen in keiner Weise 'abstreiten. Aber sich bitte Sie um Verständnis dafür, daß wir als Regierungspartei eine Verantwortung besonderer Art tragen, daß wir viel mehr als Sie gezwungen sind, die Dinge im Rahmen des Ganzen zu sehen und die Grenzen zu bedenken, die uns gesetzt sind. Wenn Sie meinen, daß 'auf dem Gebiet des Familienlastenausgleichs noch viel mehr geschehen müsse, so wollen Sie bedenken, Frau Kollegin Döhring, daß man den Familienlastenausgleich nicht für sich allein betrachten und daß man sein Blickfeld nicht verengen und nur auf das Kindergeld blicken darf. Man muß auch auf die übrigen Anstrengungen unserer Politik hinweisen, auf die Steuerpolitik und auf die allgemeine Wirtschaftspolitik, deren Erfolge nunmehr auch von Ihnen nicht mehr bestritten werden. Wir haben in unserer Steuergesetzgebung die Familie mit Kindern immer mehr berücksichtigt. Das ist eine Tatsache, an der auch Sie nicht vorbeigehen können. Die allgemeine Wirtschaftspolitik, der wirtschaftliche Aufschwung, die Hebung des allgemeinen Lebensstandards, sind auch den Familien mit Kindern zugute gekommen. Daß schließlich Kinder wirtschaftlich gesehen eine Belastung bedeuten und daß sie von den Eltern Einschränkungen und auch Opfer verlangen, ist eine Tatsache, die weder wir noch Sie aus der Welt schaffen können. Das liegt in der Natur der Dinge, das kann niemand ändern und sollte auch niemand ändern wollen.
Wenn wir von der CDU/CSU-Fraktion aus den vorliegenden Gesetzentwurf bejahen und begrüßen, so sagen wir damit noch lange nicht, daß wir uns dann auf unseren Lorbeeren ausruhen dürften; aber wir sagen damit: wir haben dadurch das Notwendige und gleichzeitig das heute Mögliche getan. Es wird -- machen wir uns nichts vor — auch in Zukunft so sein, wie es bisher war: der überwiegende Teil der Empfänger von Kindergeldleistungen wird den Gesetzentwurf dankbar begrüßen. Diejenigenaber, die bezahlen müssen und jetzt mehr bezahlen müssen, werden nichtgerade beglückt sein. Wir werden auch in Zukunft wieder in unseren Versammlungen feststellen können, daß die Empfänger des Kindergeldes schweigen und daß sich lediglich die Beitragszahler zu Worte melden und klagen. Auch das ist verständlich und wohl niemandem zu verübeln. Die Klagen kommen in der Hauptsache — da sind wir mit Ihnen einig — aus den Kreisen der Selbständigen, der freien Berufe und aus den lohnintensiven kleinen und mittleren Betrieben unserer Wirtschaft. Uns — das möchte ich besonders Ihnen sagen, Herr Spitzmüller — ließen diese Klagen
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 50. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1958 2815
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selbstverständlich nicht kalt und gleichgültig. Wir haben uns in unserer Fraktion damit mehr als einmal in intensiven Beratungen auseinandergesetzt und haben uns mit allem Ernst und allein Nachdruck darüber Gedanken gemacht, inwieweit diese Beschwerden und Klagen berechtigt sind und inwieweit es möglich ist, ihnen ,abzuhelfen.
— Lassen Sie mich dazu etwas in Erinnerung bringen, Herr Dr. Bucher. Auch Ihnen ist bekannt, daß unsere Konzeption des Familienlastenausgleichs ursprünglich allein für die in der Wirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer gedacht war. Da die Betriebe nur nach Leistung bezahlen und den Familienstand der einzelnen Arbeitnehmer nicht genügend berücksichtigen können, haben wir es als notwendig angesehen, diesen Leistungslohn überbetrieblich zu ergänzen durch die Schaffung von Familienausgleichskassen. Dieses System hätte ausgezeichnet funktioniert, wenn nicht die Selbständigen hineingekommen wären,
wenn man nicht die Selbständigen in dieses ursprünglich nur für die Arbeinehmer gedachte System hineingepreßt hätte. Darüber sind wir uns einig. Aber wie war es damals? Ich höre es ja noch wie heute. Damals haben sich die Selbständigen zu Worte gemeldet und gesagt: Wir wollen auch Kindergeld haben, wir wollen dieses Mal sozialpolitisch nicht überrundet werden. Dadurch sind die eigentlichen Schwierigkeiten entstanden. Es ist nun einmal so: wer haben will, muß auch bezahlen.
Nun wurde gesagt, die Schwierigkeiten wären nicht entstanden, wenn man damals von vornherein die „staatliche Lösung" gewählt hätte. Ich will jetzt die Gründe nicht im einzelnen aufführen, die uns seinerzeit veranlaßt haben, die staatliche Lösung abzulehnen. Sie sind Ihnen bekannt, wir haben in diesem Saal oft genug darüber diskutiert, und ich erwarte auch nicht, daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition von rechts und von links —, heute diese Gründe akzeptieren. Aber ich meine, Sie sollten, auch wenn wir uns in dieser Sache noch so sehr auseinandergeredet haben sollten, wenigstens bereit sein, unsere Argumente und unsere Gesichtspunkte zu respektieren. Nur so können wir für die Zukunft zu einem sachlichen Gespräch kommen.
Selbstverständlich machen wir uns darüber Gedanken, wie das System geändert und verbessert werden kann. Wir haben das, was unser Kollege Winkelheide in unserem Namen laut Ausschußdrucksache 3657 — die Herr Kollege Spitzmüller soeben zitiert hat — ausgeführt hat, nicht vergessen, wir stehen nach wie vor dazu; aber wir sind mit der Regierung der Ansicht, daß die jetzige Leistungserhöhung und die damit verbundene Mehrbelastung kein Grund sein können, an dem bisherigen System des Familienlastenausgleichs im jetzigen Augenblick etwas zu ändern, und darum geht es.
Wir sollten daher diesen Gesetzentwurf jetzt nicht allzusehr an der Frage des Systems aufhängen, sondern dafür sorgen, daß der Entwurf möglichst rasch behandelt und verabschiedet wird. Wir schließen uns insofern der Auffassung des Bundesrates an.
Daß der Herr Bundesarbeitsminister in seiner Begründung soeben das Problem der lohnintensiven Betriebe so deutlich angesprochen hat, dafür sind wir ihm ganz besonders dankbar. Wir machen uns diesbezüglich schon seit langer, langer Zeit ernsthafte Sorgen. Wir bitten ihn dringend, den Fortgang der von ihm bereits eingeleiteten Untersuchungen nach Möglichkeit zu beschleunigen und alles zu tun, um Mittel und Wege zu finden, wie die besondere Lage der lohnintensiven Betriebe bei unserer sozialen Gesetzgebung in Zukunft besser berücksichtigt werden kann.
Ich bitte im Namen der CDU/CSU-Fraktion, den Gesetzentwurf wie vorgeschlagen an die Ausschüsse zu überweisen.