Rede:
ID0305006400

insert_comment

Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3050

  • date_rangeDatum: 26. November 1958

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 15:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:57 Uhr

  • fingerprintRedner ID: Nicht erkannt

  • perm_identityRednertyp: Präsident

  • short_textOriginal String: Vizepräsident Dr. Becker: info_outline

  • record_voice_overUnterbrechungen/Zurufe: 0

  • subjectLänge: 10 Wörter
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. Ich: 1
    2. eröffne: 1
    3. die: 1
    4. Aussprache.: 1
    5. Das: 1
    6. Wort: 1
    7. hat: 1
    8. Frau: 1
    9. Abgeordnete: 1
    10. Döhring.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 50. Sitzung Bonn, den 26. November 1958 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Friedensburg, Kinat und Gibbert . . 2765 A Begrüßung von Abgeordneten des englischen Unterhauses . . . . . . . . 2774 D Überweisung der Zusammenstellung über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im 1. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1958 — Drucksache 639 — an den Haushaltsausschuß . . . 2765 B a) Entwurf eines Ersten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1958 (1. Rentenanpassungsgesetz — 1. RAG) (Drucksache 665) — Erste Beratung b) Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der Rentenversicherungen (Sozialbericht 1958) (Drucksachen 568, zu 568) — Beratung — c) Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung zur Abgeltung der Rentenanpassung für das Jahr 1958 (SPD) (Drucksache 619) —Erste Beratung —Entwurf eines Gesetzes über die gegenseitige Auswirkung des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung und der Krankenversicherung der Rentner im Saarland und im übrigen Bundesgebiet einschließlich des Landes Berlin (Auswirkungsgesetz) (Drucksache 607) — Erste Beratung — 2765 D Blank, Bundesminister . . . 2766 B, 2785 C Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . 2770 B Horn (CDU/CSU) 2775 A Dr. Schellenberg (SPD) . . 2778 C, 2805 A Frau Friese-Korn (FDP) . . . . . 2786 B Frau Kalinke (DP) . . . . 2790 A, 2804 B Walpert (SPD) . . . . . . . . . 2798 A Dr. Atzenroth (FDP) . . . . . . . 2801 A Stingl (CDU/CSU) . . . . . . . 2802 C Schüttler (CDU/CSU) . . . . . . 2803 C Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Kindergeldgesetze (Drucksache 666) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . 2805 C Blank, Bundesminister 2805 D Frau Döhring (Stuttgart) (SPD) . . 2808 A Dr. Wuermeling, Bundesminister . 2811 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . . 2811 D Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . . 2814 B Regling (SPD) . . . . . . . . . 2815 C Dr. Schild (DP) 2817 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2819 C Anlage 2821 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1958 2765 50. Sitzung Bonn, den 26. November 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 15.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 11. Dr. Bergmeyer 27. 11. Frau Dr. Bleyler 30. 11. Engelbrecht-Greve 28. 11. Gibbert 26. 11. Jahn (Frankfurt) 31. 12. Frau Keilhack 26. 11. Keuning 26. 11. Kiesinger 26. 11. Knobloch 26. 11. Dr. Königswarter 26. 11. Kühn (Bonn) 26. 11. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 11. Dr. Martin 27. 11. Mattick 28. 11. Mauk 29. 11. Mengelkamp 15. 12. Neubauer 28. 11. Neumann 28. 11. Dr. Oesterle 28. 11. Paul 28. 11. Dr. Preusker 28. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Rademacher 28. 11. Frau Dr. Rehling 5. 12. Reitzner 31. 12. Scheel 26. 11. Schneider (Bremerhaven) 28. 11. Dr. Schneider (Lollar) 28. 11. Dr. Schneider (Saarbrücken) 31. 12. Schütz (Berlin) 28. 11. Schütz (München) 28. 11. Frau Wolff (Berlin) 28. 11. b) Urlaubsanträge Dr. Brecht 6. 12. Dr. Dittrich 31. 12. Frau Eilers (Bielefeld) 31. 12. Gedat 6. 12. Kramel 31. 12. Müller-Hermann 15. 12. Neuburger 6. 12. Dr. Preiß 31. 12. Pütz 6. 12. Scharnberg 6. 12. Schlee 6. 12. Dr.-Ing. Seebohm 10. 12. Seuffert 6. 12. Dr. Seume 6. 12. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 16. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Theodor Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der zweite Deutsche Bundestag hat mit der Verabschiedung des Kindergeldgesetzes erstmalig in der Bundesrepublik eine Materie geregelt, die als ein neuer Zweig der sozialen Sicherheit anzusehen ist, aber in engem Zusammenhang mit der Lohnfrage betrachtet werden muß. Die damals gefundene Regelung beruhte auf dem Gedanken, daß grundsätzlich der einzelne seine Familie aus seinem Arbeitseinkommen selbst unterhalten soll und die soziale Hilfe der Gemeinschaft erst einsetzen soll, wenn die Familienlast überdurchschnittlich groß wird.
    Zu diesem Gedanken bekennt sich die Bundesregierung auch mit der vorliegenden Novelle, wie sie überhaupt dem Prinzip der Selbstverantwortung und der Eigenvorsorge in unserer Wirtschafts- und Sozialordnung eine hohe Bedeutung beimißt. Die Bundesregierung sieht es dementsprechend als Hauptaufgabe an, durch geeignete wirtschafts-, sozial- und steuerpolitische Maßnahmen auf einen Lebensstandard hinzuwirken, der den Unterhalt der Familie aus eigenen Kräften ermöglicht.
    Die Entwicklung der Reallöhne und sonstigen Realeinkommen in den letzten Jahren spricht dafür, daß sich dieses Ziel, soweit es sich um Familien mit weniger als drei Kindern handelt, erreichen läßt. Der Durchschnitt der Stundenverdienste der Industriearbeiter einschließlich der Bergarbeiter hat

    Bundesarbeitsminister Blank
    sich von August 1954, dem Zeitpunkt der letzten Erhebung vor der Verabschiedung des Kindergeldgesetzes, bis zum August 1958 nominell um 36 %, real um 23 % erhöht. Infolge der Verkürzung der Arbeitszeit sind die Wochenverdienste allerdings geringer, nämlich nominell um 27 % und real um 15 % gestiegen. Die Entwicklung der Bruttolöhne in den anderen Wirtschaftszweigen einschließlich der Landwirtschaft und im öffentlichen Dienst ist ähnlich verlaufen.
    Soweit die Familienlast überdurchschnittlich groß ist und eine Hilfe durch die Gemeinschaft geboten erscheint, soll wirksam geholfen werden. Aus diesem Grunde sieht der Entwurf eine Erhöhung des Kindergeldes von 30 DM auf 40 DM, also urn ein Drittel der derzeitigen Leistungen, vor. Gemessen an dem vor vier Jahren vom Deutschen Bundestag beschlossenen Kindergeld von 25 DM, das bis zum 30. September 1957 gegolten hat, bedeutet dies eine Steigerung um 60 %. Der Gesamtaufwand an Kindergeld im Jahr wird damit etwas über 3/4 Milliarden DM erreichen. Im einzelnen darf ich auf den finanziellen Teil der Begründung der Regierungsvorlage verweisen. Das Kindergeld muß im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen gesehen werden, die ebenfalls einen Ausgleich der Familienlasten bewirken. Dazu gehören die Freibeträge bei der Lohnsteuer, die Aufwendungen der öffentlichen Hand für die Ausbildung der Jugend, der Familienwohnungsbau und die Leistungen für Familienangehörige in der Krankenversicherung bei gleichem Beitrag für Ledige und Kinderreiche.
    Die Bundesregierung hat geprüft, ob — wie es auch aus Kreisen der Familienverbände vorgeschlagen wurde — an Stelle einer Erhöhung des Kindergeldes von 30 DM auf 4013M ein Kindergeld für die zweiten Kinder in Drei- und Mehrkinderfamilien eingeführt werden sollte. Bei einer solchen Regelung wäre aber allen Drei- und Mehrkinderfamilien ohne Rücksicht auf die Zahl der Kinder nur der gleiche zusätzliche Betrag, nämlich das Kindergeld für das zweite Kind, zugute gekommen, so daß den Großfamilien, die es am nötigsten haben, nicht entsprechend geholfen worden wäre.
    An dem bisherigen System des Kindergeldgesetzes, für das sich seinerzeit nach eingehenden Erörterungen die Mehrheit des Bundestages entschieden hat, ändert die Novelle nichts. Die Bundesregierung achtet durchaus die Gründe der Kreise, die heute wie damals einer staatlichen Lösung des Familienlastenausgleichs den Vorzug geben. Sie halt aber an der Selbstverwaltung fest, solange diese in der Lage ist, die ihr übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Daß dies möglich ist, haben die Familienausgleichskassen in den letzten Jahren bewiesen. Der von ihnen geleisteten Arbeit spricht die Bundesregierung ihre Anerkennung aus. Daß es gelungen ist, wenn auch nach Auseinandersetzungen, die Frage des Spitzenausgleichs der unterschiedlichen Belastung bei den Familienausgleichskassen der verschiedenen Wirtschaftszweige auf freiwilliger Basis zu lösen und einen Eingriff des Gesetzgebers zu vermeiden, zeigt, wie lebendig der
    Gedanke der Selbstverwaltung trotz aller Zweifel, die immer wieder aufgeworfen werden, ist.
    Auch die Erwartungen, daß es gelingen werde, durch die Selbstverwaltung, die Angliederung der Familienausgleichskassen an die Berufsgenossenschaften und die Mitarbeit der Betriebe bei der Auszahlung des Kindergeldes die Verwaltungskosten niedrig zu halten, sind nicht enttäuscht worden. Im Durchschnitt aller Familienausgleichskassen betrugen 1957 die Verwaltungskosten 3,1 v. H. der Gesamtleistungen an Kindergeld, womit die Kosten sowohl der Beitragserhebung einschließlich der Beitreibung wie der Bearbeitung der Anträge und der Auszahlung des Kindergeldes gedeckt werden konnten.
    Für die Beibehaltung des jetzigen Systems des Kindergeldgesetzes spricht auch der Umstand, daß alle anderen Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Familienzulagen ebenfalls durch Beiträge und nicht durch Steuern finanzieren.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Von wem?)

    - Von den Beteiligten aus der Wirtschaft, Herr
    Kollege Atzenroth. Ich bin sicher, daß sie auch
    weiterhin gern bereit sind, diese Beiträge zu zahlen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Der Entwurf ,siehteine Erhöhung das Kindergeldes vor für Berechtigte nach dem Kindergeldgesetz und dem Kindergeldergänzungsgesetz, ferner für die Bezieher von Arbeitslosengeld oder Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe sowie für Empfänger von Ausgleichsrente in der Kriegsopferversorgung. Von einer Erhöhung der Kinderzuschüsse in den Rentenversicherungen soll nach Auffassung der Bundesregierung, an der sie trotz eines gegenteiligen Vorschlages des Bundesrates festhält, abgesehen werden. In den Rentenversicherungen beträgt der Kinderzuschuß ein Zehntel der allgemeinen Bemessungsgrundlage. Infolge der Erhöhung dieser allgemeinen Bemessungsgrundlage werden für die Versicherungsfälle des Jahres 1959 und der folgenden Jahre die Kinderzuschüsse die Höhe des Kindergeldes überschreiten. Die Kinderzuschüsse zu den laufenden Renten werden allerdings nach dem Entwurf des Ersten Rentenanpassungsgesetzes zunächst noch urn ungefähr 2 DM unter dem Kindergeld nach dem Kindergeldgesetz liegen. Die Bundesregierung hält diesen Unterschied laber nicht für so erheblich, daß er einen Eingriff in die Systematik der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze rechtfertigt. Hinzu kommt, daß die Kinderzuschüsse dort in Voller Höhe bereits vorn ersten Kind an gewährt werden.
    In der Unfallversicherung sieht der im Bundesrat bereits beratene Entwurf eines UnfallversicherungsNeuregelungsgesetzes — Bundesrats-Drucksache 208 58 vor, daß die Kinderzulagen für dritte und weitere Kinder mindestens den Betrag des Kindergeldes erreichen. Im Hinblick darauf glaubt die Bundesregierung, bei der Kindergeldnovelle auf eine Anderung des Unfallzulagengesetzes, das eine Kinderzulage für die dritten und weiteren Kinder in der Unfallversicherung von 30 DM vorsieht, verzichten zu können. Der Bundesrat ist demgegenüber der Auffassung, es sei auch für eine kürzere Übergangs-



    Bundesarbeitsminister Blank
    zeit nicht vertretbar, da in der Unfallversicherung für die dritten und weiteren Kinder geringere Kinderzulagen als das Kindergeld gezahlt werden. Man kann zweifeln, ob solche vorübergehenden Unterschiede ein so großer Nachteil sind, daß ,ein Gesetz wie das Unfallzulagengesetz, dessen Aufhebung in dem vorerwähnten Ergänzungsentwurf bereits vorgesehen ist, zuvor noch einmal geändert werden sollte. Vom Standpunkt der Gesetzestechnik erscheint dies unerfreulich; doch dieses Bedenken braucht nicht so schwer zu wiegen, daß ein Widerspruch gegen den Wunsch ,des Bundesrates ,auf eine Regelung für die Zwischenzeit erforderlich wäre.
    Unverändert läßt die Novelle auch. die Kinderzuschläge des öffentlichen Dienstes, wo zur Zeit Kinderzuschläge je nach dem Alter der Kinder zwischen 30 und 40 DM gezahlt werden. Wenn diese danach auch bei den dritten und weiteren Kindern im Durchschnitt unter dem Kindergeld liegen, so ist doch zu berücksichtigen, daß die Kinderzuschläge im öffentlichen Dienst ebenso wie die Kinderzuschüsse in den Rentenversicherungen vorn ersten Kind an gewährt werden. Der Bundesrat hatte insoweit grundsätzlich auch keine Bedenken, aber er wünscht, daß eine kleine und nicht sehr bedeutende Lücke zwischen der Kinderzuschlagsregelung des öffentlichen Dienstes und der Kindergeldgesetzgebung geschlossen wird. Während das Kindergeld in der privaten Wirtschaft auch bei längerer Krankheit des Arbeitnehmers weiter zu zahlen ist, wird im öffentlichen Dienst bei längerer Dauer der Arbeitsunfähigkeit die Zahlung der Kinderzuschläge mit der Lohn- oder Gehaltszahlung eingestellt. Nachdem die Versuche, diese Lücke durch eine entsprechende Gestaltung der Tarifverträge zu schließen — was wohl sicher die beste Lösung gewesen wäre —,

    (Abg. Winkelheide: Das kann man wohl sagen!)

    bisher zu keinem Erfolg geführt haben, sprechen in der Tat manche Gründe für eine gesetzliche Regelung im Sinne des Vorschlags des Bundesrates, obwohl ,damit eine weitere Komplizierung des Kindergeldgesetzes verbunden ist.
    Der Bundesrat hat im übrigen zu diesem Gesetzentwurf folgende Entschließung gefaßt:
    Die Bundesregierung wird gebeten, im weiteren Gang des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Beitragserhebung nicht so gestaltet werden kann, daß lohnintensive Betriebe geringer belastet werden, als es bei einer Erhebung der Beiträge nach der Lohnsumme oder nach der Kopfzahl der Beschäftigten der Fall ist.

    (Beifall bei einzelnen Abgeordneten in der Mitte und rechts.)

    Diese lockere Form der Entschließung darf uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieser Vorschlag wesentliche Grundsätze nicht nur des derzeitigen Systems des Kindergeldgesetzes, sondern auch der klassischen Zweige der Sozialen Sicherheit in Frage stellt. Auch in anderen Zweigen der Sozialen Sicherheit ist der Lohn bekanntlich die Beitragsbemessungsgrundlage, so daß auch hier lohnintensive Betriebe stärker belastet werden als andere.
    Der relativ höheren Belastung der lohnintensiven Betriebe mit Beiträgen steht allerdings gegenüber, daß den Arbeitnehmern dieser Betriebe auch entsprechend mehr Leistungen aus den verschiedenen Zweigen der Sozialen Sicherheit einschließlich des Kindesgeldes zufließen. Trotzdem ist die Sorge uni die Lage der lohnintensiven Betriebe berechtigt,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    da die Spanne zwischen den Lohnanteilen in den verschiedenen Wirtschaftszweigen infolge der unterschiedlichen technischen Entwicklung nicht nur in der Vergangenheit immer größer geworden ist, sondern sich infolge der Automatisierung voraussichtlich noch weiter verstärken wird. Schon jede Lohnerhöhung, jede Verbesserung der allgemeinen Arbeitsbedingungen — ob es sich nun um Urlaub, um Arbeitszeitverkürzung, um Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle handelt — bringt für die lohnintensiven Betriebe sehr viel größere Belastungen als für kapitalintensive Betriebe. Das Problem der lohnintensiven Betriebe in der modernen, strukturell veränderten Wirtschaft bedarf gerade im Hinblick auf die Belastung mit lohnbezogenen Sozialabgaben dringend einer grundsätzlichen Untersuchung.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und rechts.)

    Die ersten Schritte hierzu sind eingeleitet. Ein wissenschaftliches Gutachten über „die wirtschaftlichen Auswirkungen der gesetzlichen Sozialabgaben auf lohnintensive Klein- und Mittelbetriebe" läßt die Bundesregierung ausarbeiten. Sobald das Gutachten vorliegt, wird sich ein interministerieller Arbeitskreis mit diesem Problem befassen. Solche Untersuchungen werfen aber sehr schwierige Fragen auf und müssen naturgemäß längere Zeit in Anspruch nehmen. Die Verstärkung der Hilfe für kinderreiche Familien erscheint aber so wichtig und dringend, daß die Verabschiedung des Entwurfes nicht von der Durchführung dieser Untersuchungen abhängig gemacht werden kann.
    Dies gilt um so mehr, als sich die Mehrbelastung durch die Novelle in engen Grenzen hält. Ich darf auf den eingehenden finanziellen Teil der Regierungsvorlage verweisen. Die Belastung der Lohnsumme wird, wenn man die Lohnsumme des Jahres 1958 zugrunde legt, im Durchschnitt aller Familienausgleichskassen 1,1 % nicht überschreiten und sich bei steigender Lohnsumme in den nächsten Jahren entsprechend ermäßigen. Sie liegt also nur ganz gering über dem Satz von 1 %, mit dem bei Einführung des Kindergeldes allgemein gerechnet worden war und der im ersten Jahr der Kindergeldgesetzgebung durchschnittlich auch als Beitrag erhoben worden ist, wenn auch zugegeben werden muß, daß inzwischen auf Grund der gestiegenen Lohnsummen die Beiträge etwas gesenkt werden konnten. Dabei ist zu berücksichtigen — und bei den Berechnungen der Belastungen bereits einkalkuliert —, daß die Kindergeldgesetzgebung durch Beitragsbefreiungsvorschriften der Lage der wirtschaftlich schwachen Beitragspflichtigen des Mittelstandes im Rahmen des Möglichen Rechnung zu tragen sucht. Auf Grund der Novelle 1957 sind mit Wirkung vom 1. Januar 1958 an die Unternehmer von der Beitragspflicht für ihre Arbeitnehmer befreit, wenn die Lohnsumme im



    Bundesarbeitsminister Blank
    Jahre 6000 DM nicht übersteigt. Der Entwurf sieht vor, daß — neben einer gewissen Erhöhung der Freigrenze in der Landwirtschaft — die Selbständigen in der gewerblichen Wirtschaft und in den freien Berufen künftig von der Beitragspflicht für die eigene Person befreit sein werden, wenn ihr Jahreseinkommen 6000 DM — bisher 4800 DM — nicht übersteigt. Damit werden annähernd 3/4 der Selbständigen, die ja durchweg zum Mittelstand gehören, keine Beiträge für die eigene Person mehr zu zahlen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Döhring.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Clara Döhring


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Zu dem vorliegenden Gesetzentwurf, den der Herr Arbeitsminister soeben begründet hat, möchte ich namens der SPD-Fraktion unser großes Bedauern darüber aussprechen, daß die Bundesregierung auch jetzt wieder versäumt hat, eine grundlegende Änderung des Kindergeldgesetzes vorzunehmen, obwohl sie schon vor mehr als drei Jahren durch Beschlüsse des Bundestages ausdrücklich dazu verpflichtet worden ist. Die Bundesregierung hat nicht einmal den Versuch unternommen, ernsthaft zu prüfen — wenn auch der Herr Arbeitsminister einige Ausführungen dazu gemacht hat —, ob sich das Prinzip der unglückseligen Verbindung zwischen Kindergeld und Berufsunfallgenossenschaft bewährt hat oder nicht. Nach unserer Auffassung wären Sie, Herr Bundesarbeitsminister, angesichts der vielen Mängel und Ungerechtigkeiten, die in der Konzeption des Kindergeldgesetzes liegen, zu dieser Prüfung verpflichtet gewesen.
    Es nimmt daher nicht wunder, daß der vorliegende Entwurf erneut eine Welle heftiger Kritik an der Kindergeldgesetzgebung hervorgerufen hat. Nicht nur die Kreise der Klein- und Mittelbetriebe sowie des Einzelhandels und auch der Landwirtschaft erheben ernsthafte Einwendungen, sondern weit darüber hinaus auch manche andere Kreise, weil es immer offensichtlicher wird, wie verkehrt es war — nach unserer Auffassung, und auch draußen ist das inzwischen bekanntgeworden —, daß die CDU/CSU-Fraktion, die ja allein die Verantwortung für dieses mangelhafte Kindergeldgesetz hat, hierbei Sozialpolitik nicht mit Sachverstand, sondem mit Ideologie gemacht hat.
    Man weiß auch zur Genüge, daß selbst innerhalb der CDU/CSU-Fraktion viele Bedenken gegen dieses Gesetz vorhanden waren; denn schließlich ist es nicht gerecht, daß der finanzschwache Selbständige und die finanzschwachen Kreise der Landwirtschaft Mittel aufbringen sollen für Personenkreise, die, wie z. B. Generaldirektoren, das vielfache Einkommen haben.
    Wovor meine Fraktion schon bei der Beratung des ersten Kindergeldgesetzes und auch bei den weiteren Kindergeldgesetzen in diesem Hause sehr eindringlich gewarnt hat, das ist in der Praxis leider
    eingetreten. Der horizontale Familienlastenausgleich auf berufsständischer Basis hat zu einer recht unterschiedlichen Beitragsbelastung der einzelnen Familienausgleichskassen geführt.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich kann Ihnen nicht beistimmen, Herr Arbeitsminister, wenn Sie diese Dinge so sehr bagatellisieren. Auch die Heranziehung der Selbständigen zur Aufbringung der Mittel hat außerordentliche Schwierigkeiten verursacht. Das ist doch kein Geheimnis!

    (Zustimmung links und rechts.)

    Auch der Bundesrat hat bei der Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs im federführenden Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik diese Mängel aufgezeigt. Er hat darauf hingewiesen, daß alle diese und andere Schwierigkeiten vermieden werden können, wenn die Finanzämter, wie die SPD-Fraktion von Anfang an vorgeschlagen hatte, mit der Durchführung der Kindergeldgesetze beauftragt werden.
    Ich darf hier einmal daran erinnern, daß meine Fraktion die Bundesregierung im November 1956 mit einer Kleinen Anfrage erneut gemahnt hat, die Neufassung der drei Kindergeldgesetze - inzwischen sind es schon vier geworden, und heute beraten wir das fünfte — auf Grund der Beschlüsse des Bundestages vom Dezember 1955 und vom Juni 1956 vorzulegen. Der damalige Bundesarbeitsminister, Herr Anton Storch, beantwortete unsere Anfrage seinerzeit in der Form, „daß bezüglich der vom Bundestag beschlossenen Neufassung der Kindergeldgesetze bald eine Klärung erzielt sein und der Entwurf einer Neuordnung des gesamten Kindergeldrechts dann unverzüglich vorgelegt werde." Es ist jedoch nichts in dieser Hinsicht geschehen, und aus dem „unverzüglich" sind inzwischen zwei weitere Jahre geworden, in denen die Bundesregierung jene vom Bundestag beschlossene Neufassung des Kindergeldrechts unbedingt hätte vorlegen müssen. Statt dessen müssen wir uns heute mit einem fünften Kindergeldgesetz beschäftigen.
    Die bei den früheren Beratungen zu den vier Kindergeldgesetzen aufgezeigten Härten und Unbilligkeiten, die sich insbesondere für die bereits genannten Personenkreise bei der unterschiedlichen Aufbringung der Mittel ergeben, sollen also weiterhin bestehen, wie es der Herr Bundesarbeitsminister hier ausgeführt hat. Daran ändern auch die Heraufsetzung der Beitragsfreigrenze für die kleineren Betriebe und die Erhöhung der Freigrenze für die Landwirtschaft grundsätzlich nicht viel. Auf diesen unzulänglichen Teil des Kindergeldrechts wird jedoch mein Fraktionskollege Regling noch besonders eingehen. Ich mache diese Bemerkungen nur am Rande, des Zusammenhangs wegen.
    Nun zu dem Kernpunkt der ganzen Angelegenheit. Die Bundesregierung will nach dem vorliegenden Gesetzentwurf auch weiterhin Kindergeld nur an Familien mit drei und mehr Kindern gewähren und für diese Kinder eine Erhöhung von 30 auf 40 DM vornehmen. Selbstverständlich begrüßen auch wir diese Erhöhung. Schließlich wird man ja,



    Frau Döhring (Stuttgart)

    was sozialpolitische Dinge anbetrifft, in diesem Hause bescheiden.

    (Beifall bei der SPD. — Oho-Rufe von der CDU/CSU.)

    — Ich sage noch einmal: Was sozialpolitische Dinge anbetrifft, wird man, gemessen an anderen Forderungen, in diesem Hause bescheiden.
    Immerhin bringt die Erhöhung für die Familien mit drei und mehr Kindern eine kleine Erleichterung. Wir halten jedoch die vorgesehene Regelung, bei der wiederum die Zweitkinder unberücksichtigt bleiben sollen, nicht für ausreichend, insbesondere auch im Hinblick auf das im Saarland bereits bestehende Recht.
    Wir sind der Auffassung, daß der Zeitpunkt gekommen ist, zu dem mindestens der nächste Schritt auf dem Wege zur Gleichheit im Kindergeldrecht getan werden muß, nämlich die Familien mit zwei Kindern zu berücksichtigen. Wir können und sollten nicht weiterhin stur darauf beharren, daß rund 88 bis 90 % aller Kinder in der Bundesrepublik beim Kindergeld ausgeschlossen bleiben. Schon im Hinblick auf unsere Nachbarländer, die der Montan-Union angehören, sollten wir wenigstens die Zweikinderfamilie jetzt einbeziehen. Wie sehr die Bundesrepublik hier im Rückstand liegt, beweisen die folgenden wenigen Zahlen aus den Ländern der Montan-Union:
    Für die Zweikinderfamilie werden in Luxemburg 74 DM gezahlt, in Italien 53 DM, in Frankreich 58 DM — gestaffelt nach dem Alter etwas weniger —, in Belgien 48 DM, in den Niederlanden 29 DM, jedoch in der Bundesrepublik soll weiterhin für die Zweikinderfamilie nichts gewährt werden.
    Nach der vorliegenden Novelle ist die Bundesregierung noch nicht einmal bereit, für Zweitkinder in den Mehrkinderfamilien ein Kindergeld zu gewähren. In dieser Richtung hat sich zwar der Herr Familienminister dankenswerterweise sehr bemüht, nachdem er zusammen mit einer kleinen Gruppe innerhalb der CDU/CSU-Fraktion vergeblich versucht hatte, den auch von meiner Fraktion vertretenen Standpunkt durchzusetzen, für die Zweitkinder wenigstens ein Kindergeld in der seitherigen Höhe von 30 DM zu gewähren.
    Ich muß weiter daran erinnern, daß auch der Herr Bundeskanzler ein Versprechen in dieser Richtung abgegeben hat, und zwar schon vor 17 Monaten. Am 30. Juni 1957 hat er in Dortmund u. a. erklärt, daß sich die Bundesregierung der Familienfrage, die in den kommenden Jahren noch größere Bedeutung gewinnen werde, in besonderer Weise widmen werde. Die Bundesregierung werde bei ihrer Arbeit auch das zweite Kind in Familien mit drei und mehr Kindern mehr bedenken müssen als bisher.
    Freilich ist das eine Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, die er vor der letzten Bundestagswahl abgegeben hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zu dem Vorschlag, auch weiterhin nur vom dritten Kind an das Kindergeld zu gewähren, gibt die
    Bundesregierung folgende Begründung: Damit bekenne sich der Entwurf „zu dem Gedanken einer größtmöglichen Selbstverantwortung und Eigenvorsorge". Es heißt weiter:
    Nach diesem Gedanken muß es das Ziel sein, den einzelnen in die Lage zu versetzen, aus eigenen Kräften eine Familie unterhalten zu können, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.
    Diese Begründung zu dem Entwurf klingt sehr schön, Herr Bundesarbeitsminister. Wie aber, meine Herren und Damen, steht es um das Maß der eigenen Kräfte? Die Relationen, die von der Bundesregierung und von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, die Sie diesen Gesetzentwurf wahrscheinlich mit vertreten werden, für die Kindergeldgesetze von jeher zugrunde gelegt wurden, waren für mich schon immer eine fragwürdige Angelegenheit. Es wird doch niemand in diesem Hause behaupten wollen, daß bei einem derzeitigen monatlichen Durchschnittseinkommen von 400 DM — bekanntlich sinkt dieses Durchschnittseinkommen auch ab und geht nicht nur nach oben — der Lebensunterhalt und die Kosten für die Erziehung von zwei Kindern auch nur einigermaßen ausreichend bestritten werden können.
    In diesem Zusammenhang kann ich es mir nicht versagen, einmal kurz darauf hinzuweisen, daß hier der wahre Grund dafür zu suchen ist, warum so viele Mütter, die nach der Geburt des ersten Kindes ganz gern aus dem Beruf ausscheiden, nach dem zweiten Familienzuwachs oft wieder erwerbstätig werden. An der Tatsache kommt doch niemand vorbei, daß sich die Preissteigerungen bei dem notwendigen täglichen Bedarf gerade für die Familien mit den kleinen Einkommen am empfindlichsten auswirken und sich jeweils mit der Kopfzahl multiplizieren. Was haben wir nicht alles in den letzten Monaten auf diesem Gebiet erlebt! Erhöht haben sich die Brotpreise, die Neubaumieten, auch die Altbaumieten wurden erhöht, desgleichen der Preis für Hausbrand, die Verkehrstarife usw. Schließlich handelt es sich hierbei ja um feststehende Kosten für jede Familie, ob groß oder klein.
    Das hat auch der Herr Familienminister einmal sehr richtig herausgestellt. Ich bin ihm dankbar dafür, daß er im Bulletin Nr. 1 vom Januar 1958 diese Ausführungen hat veröffentlichen lassen. Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich diese wenigen Zeilen zitiere:
    Erhöhungen der Preise für die lebensnotwendige Ernährung und sonstige unvermeidbare Ausgaben, wie z. B. Verkehrsmittel, multiplizieren sich bei der Familie weithin mit der Zahl ihrer Köpfe. Die globale Rechnung, daß die neue Brotpreiserhöhung bei 80 kg durchschnittlichem Brotverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung nur reichlich drei Mark jährlich ausmacht, ignoriert einfach die Situation unserer Familien mit heranwachsenden Kindern. Bei ihnen erreicht der Brotverbrauch schon je Kopf ein Mehrfaches des Durchschnittsatzes und



    Frau Döhring (Stuttgart)

    muß darüber hinaus mit der Zahl der Köpfe multipliziert werden, und das gilt auch für die meisten anderen Preisentwicklungen.
    Wir sind hierbei, wie gesagt, Herr Familienminister, mit Ihnen völlig einer Meinung. Aber was nützt das Jammern, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist! Man muß den Deckel vorher schließen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Hier, meine Herren von der Regierung, wäre es Ihre Aufgabe gewesen, Ihr wohlklingendes Vor-Wahlversprechen zu halten und die Preissteigerungen zu verhindern. Das haben Sie nicht getan. Die am meisten Betroffenen sind die Familien mit den bescheideneren Einkommen. Diesen Familien nützen, wenn sie drei Kinder haben, auch die jetzt zusätzlich vorgesehenen 10 DM nicht allzuviel. Ich sagte schon, es ist eine kleine Erleichterung. Aber sicherlich wäre auch diesen Familien weit besser geholfen, wenn sie nunmehr auch für ihre zweiten Kinder etwas bekämen. Denn schließlich dezimiert sich ja der Mehrbetrag pro Monat bei der Dreikinderfamilie auf 3,33 DM je Kind. Günstigstenfalls reicht das für ein Paar Kinderstrümpfe, oder, wenn der Herr Bundesarbeitsminister seinen Plan der Selbstkostenbeteiligung in der Krankenversicherung durchführt, reicht es vielleicht für einen Arztschein und für eine Arzneikostenbeteiligung, wenn ein Kind krank wird.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Die von Ihnen gebrachte weitere Begründung, „daß die Erhöhung des Kindergeldes auf 40 DM in Verbindung mit den Entlastungen, zu denen das Steuerreformgesetz 1958 für die Familien geführt hat, als wirksame Hilfe anzusehen sein dürfte", ist nach meiner Auffassung nicht stichhaltig. Eine solche wirksame Hilfe ist doch nur den Beziehern höherer und höchster Einkommen gegeben worden. Das läßt sich leicht nachweisen. Ich will mich dabei jetzt nur auf die Zweikinderfamilie beziehen, einmal um es kurz machen zu können und zweitens weil es ja diese Familie ist, die nach Ihrer Vorlage wiederum kein Kindergeld bekommen soll. Bei einem Monatseinkommen von beispielsweise 2000 DM beträgt die Steuerersparnis in der Steuerklasse III monatlich 62 DM oder 31 DM je Kind. Bei 1000 DM ist sie auch noch ganz ordentlich, nämlich 43 DM oder 21,50 DM je Kind.
    Wie sieht es aber bei einem Monatseinkommen von 400 DM in der Zweikinderfamilie aus? Hier beträgt die Steuerersparnis für einen Familienvater oder eine Familienmutter nur 4 DM im Monat, bei einem Einkommen von 385 DM im Monat sogar nur 1 DM im Monat oder 50 Pfennig je Kind.

    (Abg. Ruf: Sagen Sie doch auch, was ein solcher Einkommensempfänger an Steuern bezahlt!)

    — Ich sage es Ihnen gleich.
    Danach dürfte sicherlich von niemandem die Tatsache bestritten werden können, daß die Steuerklasse III wohl für die höheren und höchsten Einkommen sehr fühlbare Steuerersparnisse ergibt — Herr Ruf, für die höheren und höchsten Einkommen! -, daß sie aber für die niedrigeren Einkommen nur unzureichende Hilfe oder gar keine Hilfe bringt, weil eben das Einkommen dort zu niedrig ist.

    (Abg. Pelster: Also kann doch keine Steuer erlassen werden, da ja keine bezahlt wird!)

    — Aber, Herr Pelster, ist denn diesen Menschen, die nach der Erklärung des Herrn Bundesarbeitsministers die Kinder aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ernähren sollen, damit geholfen, daß andere Familien mit höherem Einkommen eine Kinderermäßigung nach der Steuerklasse III erhalten, während sie selbst nichts bekommen, weil ihr Verdienst zu niedrig ist? Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
    Zu dieser Benachteiligung kommt die weitere gravierende Tatsache, daß die finanzschwachen Familien durch hohe Verbrauchsteuern sehr stark belastet sind. Es wäre also nur ein Akt der Gerechtigkeit, wenn der Staat wenigstens einen Teil dieser ungerechten Belastung durch die indirekte Besteuerung jenen Familien in Form von Kindergeld wieder zurückzahlte.
    Aus all dem Vorhergesagten kann es doch für jeden, der die gute Einsicht walten läßt, nur die eine Schlußfolgerung geben, daß ein echter Familienlastenausgleich nur durch eine grundsätzliche Neuregelung des Kindergeldrechts erreicht werden kann, bei der die Gewährung von Kindergeld zu einer Aufgabe der Allgemeinheit gemacht wird und die Mittel aus dem Steueraufkommen bereitgestellt werden. Deshalb tritt die sozialdemokratische Fraktion mit vollem Recht und aus guten Gründen dafür ein, daß jetzt zumindest alle Zweitkinder ein Kindergeld erhalten. Schließlich haben auch sie ein Anrecht auf einen angemessenen Lebensstandard, genauso wie die Dritt- und weiteren Kinder und genauso wie die Kinder der Arbeiter, Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst, wo ganz zu Recht — das betone ich — seit eh und je Kinderzuschüsse vom ersten Kind an gegeben werden.
    Der Zeitpunkt zu einer Ausweitung des Kindergeldrechts wäre eigentlich längst gegeben gewesen; zumindest glauben wir, daß sie jetzt richtig und notwendig wäre. Bekanntlich muß die Bundesregierung bis Ende des nächsten Jahres die Rechtsangleichung mit dem Saarland vornehmen. Im Saarland wird das Kindergeld bekanntlich schon vom ersten Kind an gewährt. Natürlich gibt es zwei Wege: entweder müßte die Saar von ihren höheren Familienleistungen herunter, oder wir müßten hinauf. Ich darf aber wohl annehmen, daß niemand in diesem Hause dem Saarland zumuten will, sein Kindergeldrecht zu verschlechtern. Das geht schon aus politischen wie aus sozialen Gründen nicht, zumal da alle Länder der Montan-Union und des Gemeinsamen Marktes — wie ich vorhin schon kurz erwähnte — längst ähnliche Regelungen haben.
    Zu dem Gesetzeswirrwarr auf dem Gebiet des Kindergeldrechts kommt nun auch noch der Wirrwarr der Auffassungen zu dieser Frage innerhalb des Bundeskabinetts. Herr Bundesarbeitsminister Blank sagte kürzlich in Bonn — und er hat es heute



    Frau Döhring (Stuttgart)

    wiederholt —, daß das Kindergeld so wie bisher nur an Familien mit drei oder mehr Kindern gewährt werden soll. Im Gegensatz dazu stellte der Herr Bundesfamilienminister die Notwendigkeit der Einbeziehung der Zweitkinder heraus. Herr Familienminister, Sie sind schon in Ihrer Denkschrift vom November 1955, also vor genau drei Jahren, für Kindergeld vom zweiten Kind an eingetreten. Im Januar dieses Jahres haben Sie laut Bulletin wiederum verkündet, das Kindergeld für das zweite Kind müsse die Parole für 1958 sein. Ich habe mich sehr darüber gefreut, als ich das seinerzeit las; das darf ich Ihnen ruhig sagen.
    Aber wie sieht es aus? Sie haben dann versucht, wenigstens die Zweitkinder in den Mehrkinderfamilien zu berücksichtigen. Sie konnten sich aber, wie die Vorlage zeigt, leider nicht durchsetzen, obgleich es sich doch — gemessen an den Milliardenbeträgen, die andere Bundesminister bei ihren Zukunftsplanungen einsetzen — um einen bescheidenen Betrag für diese sozialpolitische Aufgabe handelt. Ich bedauere diesen Ausgang Ihres Bemühens, Herr Familienminister, außerordentlich. Wohl einige Hunderttausende Familien, die zwei Kinder haben, werden nun abermals um ihre berechtigten Hoffnungen gebracht.
    Wenn Sie sich, Herr Familienminister, auch jetzt nicht durchsetzen konnten, nachdem die Notwendigkeit der Gesetzesangleichung mit dem Saarland besteht, muß ich schon sagen, daß Ihr Rücktrittsgesuch nun eigentlich fällig wäre.

    (Heiterkeit.)

    Was meine Fraktion schon bei der Errichtung des Familienministeriums gesagt hat, nämlich daß es überflüssig ist, muß ich heute wiederholen. Dieses Ministerium ist überflüssig, denn die Meinung des Herrn Familienministers ist in der Familie der Bundesregierung nicht gefragt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die sozialdemokratische Fraktion ist also nach wie vor der Auffassung, daß die Gewährung von Kindergeld keine berufsständische Angelegenheit ist, sondern eine Aufgabe der Allgemeinheit. Deshalb werden wir in den Ausschußberatungen erneut für ein Kindergeld aus allgemeinen Steuermitteln und für die organisatorische Durchführung über die Finanzämter eintreten.
    Wir halten nach wie vor an unserem Standpunkt fest, daß Kindergeld grundsätzlich für alle Kinder zu ,gewähren ist, weil jedes Kind das gleiche Lebensrecht und die gleichen Ansprüche hat. Dabei sind wir uns darüber klar, daß bei der gegenwärtigen Gesamtpolitik der Bundesregierung dieses Ziel jetzt nicht zu verwirklichen ist. Wir werden uns aber aufs neue dafür einsetzen, daß wenigstens der nächste Schritt getan wird und die Zweitkinder einbezogen werden, selbst wenn auch zunächst nur in den Mehrkinderfamilien. Ich hoffe dabei auf Ihre Unterstützung, Herr Familienminister, und ich hoffe, daß Sie künftig in den Sozialpolitischen Ausschuß kommen, wenn es um die Beratungen über das Kindergeld geht. Noch einmal: wir Sozialdemokraten sind
    der Auffassung, daß die Zweitkinder jetzt endlich Berücksichtigung finden sollten.

    (Beifall bei der SPD.)