Rede:
ID0305001400

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
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    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Schellenberg.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 50. Sitzung Bonn, den 26. November 1958 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Friedensburg, Kinat und Gibbert . . 2765 A Begrüßung von Abgeordneten des englischen Unterhauses . . . . . . . . 2774 D Überweisung der Zusammenstellung über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im 1. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1958 — Drucksache 639 — an den Haushaltsausschuß . . . 2765 B a) Entwurf eines Ersten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1958 (1. Rentenanpassungsgesetz — 1. RAG) (Drucksache 665) — Erste Beratung b) Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der Rentenversicherungen (Sozialbericht 1958) (Drucksachen 568, zu 568) — Beratung — c) Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung zur Abgeltung der Rentenanpassung für das Jahr 1958 (SPD) (Drucksache 619) —Erste Beratung —Entwurf eines Gesetzes über die gegenseitige Auswirkung des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung und der Krankenversicherung der Rentner im Saarland und im übrigen Bundesgebiet einschließlich des Landes Berlin (Auswirkungsgesetz) (Drucksache 607) — Erste Beratung — 2765 D Blank, Bundesminister . . . 2766 B, 2785 C Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . 2770 B Horn (CDU/CSU) 2775 A Dr. Schellenberg (SPD) . . 2778 C, 2805 A Frau Friese-Korn (FDP) . . . . . 2786 B Frau Kalinke (DP) . . . . 2790 A, 2804 B Walpert (SPD) . . . . . . . . . 2798 A Dr. Atzenroth (FDP) . . . . . . . 2801 A Stingl (CDU/CSU) . . . . . . . 2802 C Schüttler (CDU/CSU) . . . . . . 2803 C Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Kindergeldgesetze (Drucksache 666) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . 2805 C Blank, Bundesminister 2805 D Frau Döhring (Stuttgart) (SPD) . . 2808 A Dr. Wuermeling, Bundesminister . 2811 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . . 2811 D Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . . 2814 B Regling (SPD) . . . . . . . . . 2815 C Dr. Schild (DP) 2817 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2819 C Anlage 2821 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1958 2765 50. Sitzung Bonn, den 26. November 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 15.01 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 11. Dr. Bergmeyer 27. 11. Frau Dr. Bleyler 30. 11. Engelbrecht-Greve 28. 11. Gibbert 26. 11. Jahn (Frankfurt) 31. 12. Frau Keilhack 26. 11. Keuning 26. 11. Kiesinger 26. 11. Knobloch 26. 11. Dr. Königswarter 26. 11. Kühn (Bonn) 26. 11. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 11. Dr. Martin 27. 11. Mattick 28. 11. Mauk 29. 11. Mengelkamp 15. 12. Neubauer 28. 11. Neumann 28. 11. Dr. Oesterle 28. 11. Paul 28. 11. Dr. Preusker 28. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Rademacher 28. 11. Frau Dr. Rehling 5. 12. Reitzner 31. 12. Scheel 26. 11. Schneider (Bremerhaven) 28. 11. Dr. Schneider (Lollar) 28. 11. Dr. Schneider (Saarbrücken) 31. 12. Schütz (Berlin) 28. 11. Schütz (München) 28. 11. Frau Wolff (Berlin) 28. 11. b) Urlaubsanträge Dr. Brecht 6. 12. Dr. Dittrich 31. 12. Frau Eilers (Bielefeld) 31. 12. Gedat 6. 12. Kramel 31. 12. Müller-Hermann 15. 12. Neuburger 6. 12. Dr. Preiß 31. 12. Pütz 6. 12. Scharnberg 6. 12. Schlee 6. 12. Dr.-Ing. Seebohm 10. 12. Seuffert 6. 12. Dr. Seume 6. 12. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 16. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Peter Horn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Aussprache sind die von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwürfe unter Ziffer 1 a und b der Tagesordnung über die Rentenanpassung und der von ihr dem Parlament vorgelegte Sozialbericht gemeinsam zu behandeln. Als ich mir heute morgen einige Gedanken über den Ablauf der heutigen Debatte machte, habe ich auch noch einmal flüchtig in den Stenographischen Berichten über die erste und die weiteren Lesungen unserer damaligen Rentenreform geblättert. Als ich dabei meine eigenen Ausführungen las, stellte ich fest, daß etwa an der Spitze ein Satz stand, den ich auch heute wieder an die Spitze meiner kurzen Ausführungen stellen möchte: Ich möchte Sie bitten, doch daran zu denken, daß das Plenum keine Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses ist.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Wir sollten uns deshalb auch wirklich darauf beschränken, hier nur die Dinge vorzutragen, die mit den Grundsätzen in Zusammenhang stehen. Die vielen, vielen Einzelheiten, die beispielsweise dei Sozialbericht enthält und uns zur Prüfung und näheren Überlegung an die Hand gibt, sollten wir tatsächlich den Beratungen des Ausschusses überlassen. Diese Bemerkung wollte ich vorausschicken.
    Vor wenigen Wochen sind der Bundesregierung von dieser Stelle aus ziemlich massive Vorwürfe gemacht worden, weil sie den Sozialbericht dem Hohen Hause nicht präzis am 30. September vorgelegt hat. Der Sozialbericht, den uns die Regierung nun unterbreitet hat, trägt das Datum vom 15. Oktober 1958. Ich möchte, wie ich glaube, auch in voller Übereinstimmung mit meinen politischen Freunden — es wäre schön, wenn ich sagen könnte: mit dem ganzen Hause —, der Bundesregierung sehr herzlich dafür danken, daß sie uns zum 15. Oktober diesen so tiefgründigen Sozialbericht vorgelegt hat, der wirklich echtes Verantwortungsbewußtsein bei dem Zustandekommen dieses Berichts zeigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich will gleich auf einige Fragen eingehen, die in die Debatte der ersten Lesung hineingehören.
    Die Bundesregierung hat den Sozialbericht vorgelegt, ohne daß sie gleichzeitig damit auch das Gutachten des Sozialbeirats hätte vorlegen können. Der Beirat ist zur Vorlegung dieses Gutachtens nicht gekommen — wir alle kennen die Gründe —, weil er bei dem Bemühen, eine Begründung dafür schriftlich festzulegen, keine Einigung erreichen konnte. Daraus hat er die Konsequenz der Demission gezogen. Im Augenblick ist die Situation so, wie sie der Herr Minister Blank vorhin gekennzeichnet hat. Ich will auf die Zusammenhänge nicht näher eingehen.
    Der Herr Minister hat gesagt, er sei der Auffassung, man solle den Beirat erneut berufen und ihm
    in der zuversichtlichen Erwartung, daß er dann damit, auch mit der Begründung, vollständig zu Rande kommt, den Auftrag für das nächste Jahr wieder geben. Der Herr Minister ist also der Meinung, daß bei einer Wiederholung des Auftrags die Panne vermieden würde, die in diesem Jahr leider eingetreten ist. Ich persönlich bin in dieser Frage zwar etwas skeptisch. Aber ich glaube, daß ich namens meiner Freunde erklären kann: Wenn der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung der Überzeugung ist, daß man es bei den derzeitigen Gesetzesbestimmungen bezüglich der Zusammensetzung und der Berufung des Beirats noch einmal versuchen sollte, dann in Gottes Namen. Wir wünschen von vornherein viel Glück auf den Weg und wollen sehen, was im nächsten Jahr daraus wird.
    Als der Sozialbericht in der Öffentlichkeit bekannt wurde, gab es fast die gleichen Meinungsverschiedenheiten und Stellungnahmen wie bei der Diskussion um die Rentenversicherung bei den Neuregelungsgesetzen. Ich habe mich auch in manchen Unterredungen mit anderen interessierten Persönlichkeiten darüber unterhalten. Dabei wurden u. a. Meinungen geäußert, die ungefähr dahin gingen: Nachdem uns der Sozialbericht nun eine solche Lage der Rentenversicherungen offenbart hat, gibt es gar nichts Vordringlicheres und nichts Eiligeres, als an die Reform der Reform heranzugehen und dafür zu sorgen, daß das, was man damals nicht gemacht hat, jetzt nachgeholt wird. Darunter waren auch Stimmen, die dahin gingen: wenn wir aus dieser Geschichte herauskommen wollen, geht es gar nicht anders, als daß wir jetzt a tempo die Beiträge zu den Rentenversicherungen erhöhen.
    Meine verehrten Damen und Herren! Solche Auffassungen, dieser Schrei nach der Reform der Reform sind in der derzeitigen Situation vollkommen fehl am Platze. Ich glaube, man muß in diesem Zusammenhang der Öffentlichkeit ,auch sagen, daß, bevor es zu einer Novelle der Neuregelungsgesetze kommen kann, erst noch eine ausgedehnte Zeit abgewartet werden muß, um genügend Erfahrungen zu sammeln, daß all die Dinge, in denen sich Korrekturen als notwendig ergeben, erst bei der Bundesregierung gesammelt werden müssen, um dann zum gegebenen Zeitpunkt verwertet zu werden. Man muß, glaube ich, mit allem Nachdruck sagen, daß heute die Voraussetzung für eine Novellierung der damaligen Neuregelungsgesetze noch keineswegs gegeben ist.
    Selbstverständlich waren die Gesetze damals keine hundertprozentigen Treffer. Das konnten sie auch nicht sein. Wir alle, sowohl die Regierungsparteien als auch die Opposition, waren uns damals darüber klar, daß sie das nicht sein konnten, daß wir Neuland beschritten, daß dieses Neuland sehr vorsichtig beschritten werden mußte, daß dann erst einmal abgewartet werden muß, wie die Saat, die man hier in den Boden gelegt hat, sich auf dem neuen Ackerboden, auf dem neuen Lande entwikkeln würde, in jedweder Beziehung, und daß dann zu irgendeinem Zeitpunkt auch eine Korrektur die-



    Horn
    ser und jener Vorschriften erforderlich sein würde. Darüber waren wir uns — ich wiederhole es — damals alle klar.
    Meine verehrten Damen und Herren! Wir haben auch in dieser Stunde zu erklären: Es geht bei der Gesetzesvorlage, die uns hier beschäftigt, einzig und allein um die Anpassung der Renten um 6,1 % ab 1. Januar 1959, so, wie es die Gesetzesvorlage vorsieht. Es geht aber in diesem Zusammenhang, auch wenn wir über den Sozialbericht diskutieren, nicht darum, nun aus diesem Sozialbericht einzelne Korrekturwünsche und -forderungen hier vorzubringen und zu verwirklichen.
    Meine Damen und Herren! Den Rentnern draußen — und damit komme ich ungefähr auch schon zu der Begründung, die Herr Kollege Meyer hier für den sozialdemokratischen Gesetzentwurf gegeben hat —, den immer wieder von Herrn Meyer erwähnten Millionen armer Menschen kommt esdarauf an, ihnen die Garantie zu geben, daß das, was wir mit Wirksamkeit ab 1. Januar 1957 geschaffen haben, auch in die fernere Zukunft hinein gesichert und erhalten bleibt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das ist das entscheidende Anliegen der Millionen Rentner draußen. Es ist gar nicht so, wie Herr Meyer das hier hingestellt hat, als ob nun draußen unter den Millionen Gott weiß was für ein Notschrei losginge.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Der wird hochgezüchtet! — Lachen bei der SPD.)

    3) Wo solche Dinge vorkommen, da sind sie gemacht, da sind sie konstruiert, da hat man die Menschen dahingebracht, daß sie einer solchen angeblichen Unzufriedenheit Ausdruck geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Lebhafte Zurufe von der SPD: Unerhört!)

    — Jawohl, dabei bleiben wir!
    Herr Meyer hat gesagt, es geht hier um Treu und Glauben.

    (Zuruf von der SPD: Ihre Rentenfibel!)

    Selbstverständlich geht es um Treu und Glauben, aber in der Richtung, die ich soeben hier geäußert habe: daß wir den Menschen die Garantie und die Beruhigung geben, die sie auch ruhig schlafen läßt, daß wir ihnen die neue Konzeption, die wir zum 1. Januar 1957 verwirklicht haben, auch für die Zukunft garantieren und sichern.

    (Abg. Meyer [Wanne-Eickel] : Das wollen auch wir!)

    — Verehrter Herr Meyer, wenn Sie sich schon hier so hinstellen, wie Sie das soeben getan haben, und wenn Sie hier wiederholt von „Betrügenwollen" gesprochen haben, dann ist das ein so unerhörter Vorwurf

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    sowohl an die Adresse der Bundesregierung als auch an die Adresse derer, die hinter dieser Vortage stehen,

    (Abg. Arndgen: Die sie selbst mitbeschlossen haben!)

    daß man diesen Vorwurf und diese Beleidigung nicht energisch genug zurückweisen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn Sie so kommen, Herr Meyer, und wenn Sie hier von Treu und Glauben und von all diesen Dingen reden, dann muß ich jetzt doch einmal etwas aussprechen, was ich eigentlich nicht vorhatte zu sagen. Wie können Sie sich hier hinstellen und so sprechen, während Sie doch bei der Rentenreform durch Ihre Zustimmung in der dritten Lesung die Mitverantwortung für dieses Gesetz übernommen haben!

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Von dieser Verantwortung vor den Rentnern kann Sie kein Mensch befreien. Sie sollten den Mut haben, diese Ihre Verantwortung auch draußen den Leuten zu erklären. Wenn Sie das nicht selber tun, werden wir dafür sorgen, daß die Rentner in zunehmendem Maße daran erinnert werden, daß auch die sozialdemokratische Fraktion die Verantwortung in dritter Lesung gemeinsam mit uns übernommen hat. Wenn Sie das so wollen, warum haben Sie dann damals nicht den Mut aufgebracht -sicherlich auch mit einem Blick auf den 15. September 1957 —, zu einer Gesetzesvorlage, die Sie für so verderblich halten, wie Sie das hier dartun, einmal ein mannhaftes Nein zu sagen und die Vorlage in dritter Lesung abzulehnen? Dazu hat es nicht gereicht. Das muß man hier heute einmal erklären.

    (Abg. Stingl: Man braucht immer nur die Rosinen! — Abg. Baur [Augsburg] : Reden Sie nicht einen solchen Unsinn!)

    — Wir stehen zu dem, Herr Baur — und dann sagen Sie bitte noch einmal, ob das Unsinn ist —, was damals in dieser neuen Konzeption von der Regierung hier vorgelegt und von uns verabschiedet worden ist, nämlich daß den Rentnern und den versicherten Menschen, wenn sie das entsprechende Alter erreicht haben und Rentenbezieher werden, die Alterssicherung garantiert ist, wie sie dem Grunde nach in diesen Gesetzen verankert wurde.
    Herr Kollege Meyer hat geglaubt — ich kann nicht auf alle Dinge eingehen —, uns mit dem Organ der Sozialausschüsse christlich-demokratischer Arbeitnehmer gewissermaßen unseren eigenen Spiegel vorhalten zu sollen, und er hat hinzugefügt, seine Fraktion habe aus der in diesem Organ niedergeschriebenen Auffassung die Konsequenzen gezogen und diesen Gesetzentwurf eingebracht. Meine Damen und Herren, es wäre eine komische Sache, wenn man an Meinungsäußerungen in diesem und jenem Organ — die genannte Zeitschrift ist ja kein parteiamtliches Organ der CDU — Sozialbeirat oder Bundesregierung und Parlament binden und uns verpflichten wollte, nun solchen Auslassungen auch bei unseren Entscheidungen hier im Hause zu folgen. Das kann doch ernsthaft niemand verlangen. Man wird uns vielmehr nach wie vor für verpflichtet halten, allen Einzelheiten verantwortungsbewußt nachzugehen, sie zu prüfen und danach unsere Entscheidungen zu treffen. In diesem Falle steht fest, daß Sozialbeirat, Bundesregierung und Bundesrat in dem Ziel, das der Gesetzentwurf



    Horn
    anstrebt, einer Meinung gewesen sind. Alle drei Instanzen haben der Größenordnung, also den 6,1 %, und auch dem Zeitpunkt des Inkrafttretens zugestimmt.
    Herr Kollege Meyer, wir haben bei den damaligen Beratungen niemals einen Zweifel darüber gelassen, daß wir die von Ihnen geforderte absolute Automatik - wie sie auch Ihr Gesetzentwurf damals verlangte — ablehnen. Diese Automatik lehnen wir heute genauso ab. Die Dinge waren doch damals so: Weil wir nicht einfach automatisch ab 1. Januar 1958 — um bei diesem Beispiel zu bleiben - bei veränderter allgemeiner Bemessungsgrundlage die automatische Anpassung vornehmen wollten — das hätte unserer Verantwortung widersprochen —, haben wir die „Bremse" in die Gesetze eingebaut, die uns die Möglichkeit läßt, die volkswirtschaftliche, finanzpolitische und währungspolitische Lage und die Finanzlage der Rentenversicherungsträger zu prüfen und danach zu entscheiden. Ich glaube, das allein und gar nichts anderes entspricht der wirklichen Verantwortung, die dieses Parlament hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die vorläufigen Erkenntnisse, die wir aus dem Sozialbericht zu ziehen haben, sind, glaube ich, primär folgende. Aus dem Sozialbericht wird erkennbar, daß nicht alle Auffassungen, die wir damals gehabt haben, hundertprozentig zutreffend waren oder zutreffen. Dieser Sozialbericht sagt uns, daß wir im Rahmen des Möglichen zwar anpassen sollen, daß wir aber aufs Ganze gesehen mit dem, was uns hier zur Betreuung und zur Verantwortung in die Hand gegeben ist, sehr behutsam umgehen müssen, damit wir nicht eines Tages in Schwierigkeiten hineinkommen, die jeder von uns, jeder in diesem Hause unter allen Umständen vermieden sehen möchte.
    Deshalb, glaube ich, ist es richtig, die Anpassung, wie die Regierung vorschlägt, mit Wirkung vom l Januar 1959 vorzunehmen. Den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, der auch für 1958 anpassen will, werden wir ablehnen müssen, weil er uns an die Automatik heranbringt und weil wir diese zusätzliche Belastung von 650 bis 700 Millionen DM, die die Annahme dieses Antrags zur Folge haben würde, einfach nicht verkraften können — wir können das den Rentenversicherungsträgern einfach nicht zumuten —, wenn wir nicht für die künftigen Jahre von vornherein eine gewisse Blockierung, zum mindesten aber eine zusätzliche Erschwerung herbeiführen wollen. Ich glaube, das müssen wir sehr wohl beachten. Deshalb können wir diesem Antrag nicht folgen.
    Ich will hier nicht des näheren auf die verschiedenen Abschnitte des Sozialberichts als solchen eingehen. Ich kann nur wiederholen, daß er nach meiner Überzeugung mit sehr großem Verantwortungsbewußtsein erarbeitet und zusammengestellt worden ist. Der volkswirtschaftliche Teil läßt entsprechende Ausblicke in die nächsten Jahre zu. Er ist, glaube ich, eine Untermauerung der Annahme, daß wir aus gutem Grund und mit ausreichender Begründung die jetzige Anpassung vornehmen dürfen.
    Wenn wir von der Finanzlage der Rentenversicherungsträger und den Möglichkeiten künftiger Entscheidungen sprechen wollen, sollten wir das nicht hier, sondern im Ausschuß tun. Man sollte insbesondere die Möglichkeiten, die von der Bundesregierung auf den Seiten 31 ff. des Sozialberichts und auch schon vorher aufgezeigt worden sind, einer sorgfältigen Prüfung unterziehen. Auf Seite 27 des Berichts wird ja auch im einzelnen dargelegt, welchen Finanzbedarf eine Anpassung ab 1. Januar 1958 insgesamt erforderlich macht. Das kommt den Dingen nahe, die im sozialdemokratischen Entwurf gefordert sind. Ich meine also, daß wir uns im Sozialpolitischen Ausschuß schon die Zeit nehmen müssen, uns auch mit diesen Einzelfragen des Sozialberichts auseinanderzusetzen, damit wir hier zu vernünftigen Erkenntnissen und Entscheidungen kommen. Mehr möchte ich im Augenblick dazu nicht sagen.
    Lassen Sie mich abschließend noch zwei Fragen ansprechen. Bei der Darstellung der finanziellen Situation der einzelnen Rentenversicherungsträger wird dargetan, wie unterschiedlich die Finanzlage der Arbeiterversicherung und die der Angestelltenversicherung sind. Hier wird darauf hingewiesen, daß man, wenn man entsprechend diesen Möglichkeiten anpaßt, bei der Angestelltenversicherung weniger anpassen kann als bei der Arbeiterrentenversicherung. Meine verehrten Damen und Herren, wir haben damals die Angestelltenversicherung und die Arbeiterrentenversicherung weitgehend über einen Leisten geschlagen. Ob das nun der Weisheit letzter Schluß war, mag dahingestellt bleiben. Aber ich halte es angesichts dieser Tatsache für sehr schlecht, wenn wir in der Arbeiterrentenversicherung zu häufigeren, in der Angestelltenversicherung jedoch zu weniger häufigen Anpassungen kommen wollten.
    In dem Bericht wird u. a. gesagt, daß bei dieser unterschiedlichen Finanzlage zu beachten bleibt, daß zugunsten der Angestelltenversicherung ein über die bisherigen Rentenerstattungen hinausgehender Finanzausgleich wegen der Rentenleistungen an Wanderversicherte noch durchgeführt werden muß, weil man von 1945 bis zur Rentenneuregelung gegenseitige Erstattungen nicht mehr vorgenommen hat. Dieser Finanzausgleich — so sagt der Bericht — würde die Finanzlage der Angestelltenversicherung bessern. Ohne Zweifel wird er das tun. Aber im vorigen Jahr haben sich die Rentenversicherungsträger über eine Quote, die im Jahre 1957 zu zahlen war, verständigt, und eine Verständigung für das Jahr 1958 steht noch aus. Man darf auch von dieser Stelle aus die Beteiligten im Verband Deutscher Rentenversicherungsträger sehr herzlich darum bitten, sich, bei dem wünschenswerten gegenseitigen Verständnis, auch über den weiteren Finanzausgleich in Sachen Wanderversicherte tunlichst zu einigen; denn wenn das nicht geschieht, muß letzten Endes ein Appell an die Bundesregierung ergehen, von sich aus, etwa durch Rechtsverordnung, diesen Ausgleich festzulegen. Ich hoffe, daß es den Beteiligten bald gelingen wird, für das .Jahr 1958 und vielleicht auch für die folgenden Jahre zu einem Ausgleich zu kommen.
    2778 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Mittwoch. den 26. November 1958
    Horn
    Die letzte Frage, die ich ansprechen möchte, wird wahrscheinlich ohnehin im Verlauf dieser Debatte hochkommen: die Erstattungen nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes an die Rentenversicherungsträger. Wir haben schon damals in einem Beschluß die Bundesregierung ersucht, den Finanzbedarf dafür festzustellen und beim nächsten Haushalt dann auch konkrete Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Inzwischen ist unbestritten, daß der Anspruch nach § 90 BVG ganz nahe an die 2-Milliarden-DM-Grenze herankommt. Das wiegt sehr schwer angesichts der Lage unseres Bundeshaushalts. Aber man kann ja nicht Jahr für Jahr hier theoretische Forderungen aufstellen, ohne daß das Verlangen irgendwie und irgendwann realisiert wird und sich in unserem Haushalt niederschlägt. Deshalb kann ich nur an die Bundesregierung und insbesondere an den Herrn Bundesfinanzminister die nachdrückliche Bitte richten, bei den weiteren Überlegungen, wie man nun, trotz aller Schwierigkeiten mit dem Bundeshaushalt, irgendwie zurechtkommen kann, endlich auch bei dieser Frage erkennen zu lassen, daß man an die Realisierung herangeht, wenn auch verteilt auf mehrere Haushaltsjahre. Denn die Rentenversicherungsträger sind auf diese Erstattungen unbedingt angewiesen. Das muß bei dieser Gelegenheit noch einmal ausgesprochen werden.
    Sicher werden Sie sich erneut mit unserer Auffassung auseinandersetzen — das wird wahrscheinlich Herr Schellenberg als nachfolgender Debatteredner noch besorgen — und sie als falsch hinstellen. Vorhin wurde schon Verschiedenes zitiert. Herr Meyer, Sie haben den Professor von Nell-Breuning genannt und sich immer wieder auf die Zeitschrift der Sozialausschüsse bezogen. Ich habe hier gerade die Ausführungen in der Hand, die ein Professor gemacht hat, der nicht zu meiner Partei gehört. Aber, ich glaube, er steht Ihnen (zur SPD) näher als uns. Es ist Professor Bogs, der auch dem Sozialbeirat als Mitglied angehört hat. Dieser sicherlich sehr prominente Sachverständige hat in der Februar/März-Nummer 1957 der Zeitschrift für Sozialreform, nachdem wir damals die Rentenreform verabschiedet hatten, u. a. geschrieben —ich bitte, wenn Sie so freundlich sein wollen, einmal genau hinzuhören —:
    Die neuen Rentengesetze haben uns gezeigt, daß auch unsere Zeit zu schöpferischen Gesetzgebungswerken fähig ist. Wir dürfen froh und auch ein wenig stolz darauf sein, daß die „umfassende Sozialreform" mit einem im ganzen so glücklichen Entwurf begonnen wurde. Sie auch auf anderen Gebieten der sozialen Leistungen und der Fürsorge gleich mutig und glücklich fortzusetzen ist die Aufgabe, die vor uns liegt.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, ein besseres Prädikat, ein besseres Zeugnis über das, was wir damals in diesem Hause verabschiedet haben und — ich kann es nur wiederholen — wofür Sie letzten Endes die Mitverantwortung durch Ihre Zustimmung übernommen haben, ein besseres Lob,
    als es uns hier aus diesem Munde zuteil geworden ist, kann kaum ausgesprochen werden.
    Ich kann abschließend noch einmal sagen: wir werden der Regierungsvorlage unsere Zustimmung geben, wir stimmen der Rentenerhöhung, der Anpassung um 6,1 % und dem Wirksamwerden am 1. Januar 1959 zu. Im übrigen sind wir im Sozialpolitischen Ausschuß jeder Diskussion offen, die uns der Sozialbericht nahebringen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schellenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Horn, ich kann Ihnen in einem zustimmen: daß wir uns heute bei der ersten Lesung nicht sehr mit Details, sondern mit grundsätzlichen Fragen beschäftigen sollen. Auf ein Detail sind Sie eingegangen, das nicht zur Materie gehört, nämlich auf die Stellungnahme von Herrn Professor Bogs, der, wie ich heute zum erstenmal höre, uns nahesteht. Ich werde ihm einen Aufnahmeschein für die Sozialdemokratische Partei demnächst anbieten.
    Wenn wir heute dein Sozialbericht der Bundesregierung beraten und die erste Lesung des Ersten Rentenanpassungsgesetzes und des Gesetzentwurfs der Sozialdemokraten über die Gewährung einer Sonderzulage zur Abgeltung der Anpassung für 1958 durchführen, dann ist es im Rahmen einer grundsätzlichen Debatte notwendig, daß wir uns kurz der Kritik erinnern, die bei den Beratungen der Renten-Neuregelungsgesetze gegen den Grundsatz der Rentenanpassung, um den es heute geht, erhoben wurde. Damals wurde behauptet, die Dynamisierung der Renten würde verhängnisvolle volkswirtschaftliche Auswirkungen haben. Herr Dr. Hellwig, ich komme gleich zu einem Bereich, der Sie sehr interessieren wird. Aus den vielen kritischen Stimmen möchte ich hier nur nine Äußerung zitieren, nämlich die Äußerung eines der Sozialpartner, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände — Herr Dr. Hellwig spitzt schons einen Bleistift, um darauf zu antworten; ich freue mich auf eine Aussprache hierüber — hat nämlich im April 1956 in ihrer Denkschrift „Probleme der Sozialreform " sich eingehend mit der Rentendynamik beschäftigt. Die Bundesvereinigung sprach im Zusammenhang mit der Rentenanpassung von zwangsläufigen Auswirkungen auf die Lohn- und Preis-Spirale und von einer — ich zitiere wörtlich - „sich dann selbst beschleunigenden, kaum aufzuhaltenden inflatorischen Bewegung".

    (Zuruf des ,Abg. Dr. Atzenroth.)

    - Ich werde dieser Behauptung die Tatsachen noch
    gegenüberstellen. — Weiter behauptete die Bundesvereinigung, die Einführung der dynamischen Rente würde die Kapitalbildung beeinträchtigen und — man höre! — die soziale Marktwirtschaft schwer erschüttern. So wörtlich zu leisen.



    Dr. Schellenberg
    Diese Ausführungen haben den Herrn Bundeswirtschaftsminister seinerzeit offenbar so stark beeindruckt, daß er ,bekanntlich erklärte, das „Gift" — die Rentendynamik — müsse aus den Rentenreformgesetzen heraus. Schließlich behauptete die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in der Denkschrift: „Die dynamische Rente mit den geschildertem Auswirkungen muß gleichzeitig auch den Anreiz und Willen zum privaten Sparen und zur Eigenvorsorge ertöten."
    Heute steht fest — darin kann ich dem Herrn Bundesarbeitsminister zustimmen —, daß diese düsteren Prognosen sich nicht bewahrheitet haben. Im ersten Jahr der Rentenneuregelung wurde nach den Feststellungen der Deutschen Bundesbank ein Höhepunkt in der Spartätigkeit erreicht. Die Sparquote der privaten Haushaltungen hat ,sich im Jahre 1957 gegenüber 1956 um etwas über 40 % erhöht. Der Herr Bundesarbeitsminister hat erwähnt — ich möchte es durch Zahlen unterstreichen —, daß der Verband der Lebensversicherungsunternehmungen bekundet hat, im Jahre 1957 war ein außergewöhnlicher Aufschwung der Eigenvorsorge im Bestand des Abschlusses von Lebensversicherungen zu verzeichnen.

    (Abg. Stingl: Wegen der Befreiung!)

    Die Beitragseinnahmen der Lebensversicherungen haben sich im Jahre 1957 um über 300 Millionen DM erhöht und die Rekordhöhe von über 2 Milliarden DM erreicht. Das sind die Tatsachen.
    Dennoch ist die, wie wir heute feststellen müssen, ungerechtfertigte und zum Teil unsachliche Kritik an der Rentendynamik nicht ohne Auswirkungen auf die Gesetzgebung über die Anpassung geblieben. Herr Kollege Horn hat davon gesprochen, daß eine Bremse 'eingebaut wurde. Jene systematisch organisierte — so muß man .schon sagen — Kritik an der Rentenanpassung hat damals die Mehrheit des Hauses veranlaßt, in die Rentenneuregelungsgesetze die widerspruchsvollen und nicht gut ausgewogenen — um mich sehr vorsichtig auszudrükken — Vorschriften über die Anpassung der lauf enden Renten aufzunehmen. Die Tatsache, daß wir heute darüber vom Grundsätzlich en her diskutieren müssen, ist eine Konsequenz der damaligen — und ich Glaube Ihnen das beweisen zu können —, nicht glücklichen Vorschriften über die Methode, nach der die Anpassung insbesondere der laufenden Renten vorzunehmen ist.
    Ich möchte das im einzelnen belegen. Erstens. Durch die Rentenneuregelungsgesetze, zu denen wir im Grundsatz selbstverständlich stehen, Herr Kollege Horn, wurde gegen unsere Stimmen eine unterschiedliche Handhabung zwischen der Anpassung der Neurenten — die automatisch der Lohn
    und Gehaltsentwicklung angepaßt werden — und der Anpassung der Altrenten festgelegt. Dadurch wurde der Grundsatz der gleichen Rentenberechnung bei gleicher Beitragszahlung verletzt. Bei Neurenten und Altrenten werden unterschiedliche Systeme angewandt, und die Anpassung hängt lediglich davon ab, ob der einzelne am 31. Dezember 1957 oder am 1. Januar 1958 zur Rente kommt.
    Die zweite Schwierigkeit besteht darin, daß durch die Vorschriften über die Anpassung der laufenden Renten — § 1272 Abs. 1 RVO — einerseits festgelegt wurde, die Renten sind bei Veränderung der Bemessungsgrundlage, also der durchschnittlichen Löhne und Gehälter, anzupassen. Andererseits wurde gleichzeitig bestimmt, daß bei der Anpassung auch anderen Momenten Rechnung zu tragen ist, die mit der Lohn- und Gehaltsentwicklung keineswegs konform gehen. Daraus ergeben sich außerordentliche Schwierigkeiten, um nicht zu sagen: Widersprüche in dem gesamten System der Rentenanpassung.

    (Abg. Stingl: Das haben wir doch bewußt gemacht! — Abg. Arndgen: Das ist der grundsätzliche Unterschied zwischen Ihrer 'und unserer Auffassung!)

    — Meine Damen und Herren, ob nicht einmal unser höchstes Gericht dahin entscheiden wird, daß es eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ist, wenn man bei gleicher Beitragszahlung unterschiedliche Rentenleistungen erhält, das steht noch dahin.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Drittens. Eine weitere sehr unglückliche Regelung sehen wir darin, daß die volkswirtschaftlichen Begriffe, die eingeführt wurden — nämlich Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der Produktivität, Veränderung des Volkseinkommens je Beschäftigten — sehr vieldeutig sind und daß auch die Entwicklung dieser volkswirtschaftlichen Tatbestände durchaus unterschiedlich verläuft.
    Schließlich wurde — viertens — dem durch das Gesetz geschaffenen Sozialbeirat die Funktion zugewiesen, ein objektives Urteil über Fragen zu fällen, die, wie die der Festsetzung der Rentenhöhe, in den Bereich politischer Entscheidungen fallen. Dem Beirat wurde — das ist das Problem — eine Aufgabe übertragen, die ein solches Gremium von Sachverständigen einfach nicht meistern kann. Ich stimme in dieser Hinsicht dem Herrn Bundesarbeitsminister nicht zu, der die Schwierigkeiten mit dem Beirat mit einer hoffnungsvollen Bemerkung abtun zu können glaubte. Die Problematik des Beirats liegt viel, viel tiefer. Wenn Sie das aus der Krise um den Beirat noch nicht erfahren haben, werden Sie es in der nächsten Zeit erfahren müssen. Das liegt in den Problemen, die durch diesen Beirat überhaupt geschaffen worden sind.
    Meine Damen und Herren, die Sie hier trotz aller Erfahrungen immer noch den Gedanken des Beirats so lebhaft verteidigen, ich frage Sie: weshalb treten Sie nicht eigentlich auch für einen Beirat bei der Anpassung der Beamtengehälter und der damit zusammenhängenden Pensionen ein?

    (Beifall bei der SPD.)

    Die grundsätzliche Fragestellung ist wohl die gleiche wie bei der Rentenanpassung. Ein Unterschied liegt nur darin, daß die Anpassung der Renten überwiegend aus Beiträgen der Versicherten und ihrer Arbeitgeber, die Anpassung der Be-



    Dr. Schellenberg
    amtengehälter und der Pensionen aber ausschließlich aus dem Steueraufkommen finanziert wird. Wer hier so nachdrücklich für den Beirat eintritt, müßte daher eigentlich sagen: Wir wünschen auch für die Anpassung anderer Bezüge ein ähnliches Gremium mit jener Funktion der Gutachtertätigkeit einzuschalten.
    Zur Problematik des Beirates möchte ich noch folgendes sagen. Bitte, prüfen Sie, ob man nicht durch den Beschluß, einen Beirat dieser Art zu schaffen, das Ausmaß der politischen Verantwortung bei der Entscheidung über die zukünftige Höhe der Renten verringern wollte. Wollten sich nicht diejenigen, die für den Beirat eintreten, gewissermaßen ein wissenschaftliches Alibi für die politische Entscheidung verschaffen, die nun einmal dieses Haus zu fällen hat? Auf jeden Fall sollte durch das Gutachten des Beirates — das war doch der Sinn Ihrer Beschlüsse — die Entscheidung dieses Hauses über die Anpassung der laufenden Renten in dieser oder jener Weise präjudiziert werden. Wenn der Beirat sagt, eine Anpassung von 6,1 % sei wissenschaftlich begründet, wer wollte dann hier erklären: Nein, statt 6,1 % müssen es nur 4 % oder 8 % sein! Das war doch der Sinn der Entscheidung, die Sie getroffen haben.
    All das hat sehr bedenkliche Auswirkungen gehabt; ich meine damit nicht den Grundsatz der Anpassung, sondern, wie ich immer wieder sagen muß, die Methode, die Sie gewählt haben.
    Ich möchte Ihnen das an drei Beispielen verdeutlichen. Erstens: Die Schwierigkeit begann, als im Dezember vergangenen Jahres die Bemessungsgrundlage für 1958 bekanntgemacht wurde. Nahezu die gesamte Presse und damit auch die Rentner nahmen an, es handle sich um eine Anpassung aller Renten vom 1. Januar 1958 an. Die sieben Millionen Rentner, die laufende Renten erhalten, sind damals schwer enttäuscht worden; denn sie entnahmen den Mitteilungen, daß die laufenden Renten angepaßt würden.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Schmid.)

    Meine Damen und Herren, es steht im Zusammenhang mit dieser unglücklichen Konstruktion der Rentenanpassung, daß der Bundesarbeitsminister den Sozialbericht nicht, wie vorgeschrieben, am 30. September vorgelegt hat. Die Regierung hat den Bericht nicht pünktlich vorgelegt. Ein weiterer Tatbestand ist, daß der Arbeitsminister am gleichen Tage, an dem die Sache zur Erörterung im Parlament anstand, in eine Pressekonferenz ging und über die Rentenanpassung berichtete. Ich verstehe es nicht, Herr Kollege Horn, wie Sie es fertigbringen können, diese Umstände zum Anlaß zu nehmen, der Regierung noch den Dank auszusprechen.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Wir sollten uns doch alle darin einig sein, daß dies ein Vorgehen war, das nicht der Würde des Parlaments entsprach, sondern eine Brüskierung des Hauses bedeutete. Auch Sie, Herr Kollege Horn, sollten nicht so weit gehen, ein solch unerfreuliches
    Verhalten durch eine Danksagung nachträglich sinnvoll gestalten zu wollen; das sind Sie dem Ansehen dieses Hauses schuldig.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die weitere unglückliche Konsequenz des Beirats ist folgende. Dem Beirat wurden Funktionen für die Bestimmung der Einkommenshöhe von Menschen — nämlich der Rentner — zugewiesen, die jetzt nicht mehr dem Arbeitsleben angehören. Diese Aufgabenstellung hat zwangsläufig dazu geführt, daß das Klima zwischen den Sozialpartnern nicht verbessert, sondern im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen über den Beirat verschlechtert wurde. Ich glaube, diese Tatsache kann man nicht leugnen. Meine Damen und Herren, das sind Unerfreulichkeiten über Unerfreulichkeiten.

    (Abg. Dr. Hellwig: Dafür sind Sie den Beweis schuldig geblieben!)

    — Herr Kollege Hellwig, auch Sie haben doch davon Kenntnis erhalten, zu welch grundlegenden Meinungsverschiedenheiten es im Beirat über die Frage der weiteren Anpassung der Renten gekommen ist. Im Beirat waren praktisch die Vertreter der Versicherungsträger, Repräsentanten der Arbeiter und Angestellten sowie der Arbeitgeber. Eine solche Situation kann das Klima unter den Sozialpartnern nicht verbessern und hat es nicht verbessert.

    (Abg. Dr. Hellwig: Den Beweis bleiben Sie schuldig!)

    — Herr Kollege Hellwig, ich würde Ihnen empfehlen, über diese Frage einmal mit denjenigen zu sprechen, die die Arbeitgeber repräsentieren, nicht nur im Beirat. Denn die Schwierigkeiten haben nicht darin bestanden, daß man sich im Beirat in Formen, die einer solchen Aufgabe gemäß sind, unterhalten hat. Die Problematik ist vielmehr die, daß die Spannungen des Beirats auf die Sozialpartner draußen ausstrahlten und sich auswirken mußten.
    Deshalb kann ich weder Herrn Bundesarbeitsminister Blank noch Herrn Kollegen Horn zustimmen, die sagten, man solle die Angelegenheit mit dem Beirat erst einmal so lassen, wie sie ist; das werde sich mehr oder weniger einspielen. Herr Kollege Horn, Sie haben dabei — das war wohl der einzige Punkt, in dem Sie von der Bundesregierung etwas abgewichen sind — etwas größere Zweifel darin gesetzt, ob der Beirat in der Tat in der Lage ist, seine Aufgaben zu lösen.
    Wir müssen feststellen, daß wir uns heute in einer unerfreulichen, um nicht zu sagen: verfahrenen sozialpolitischen Situation befinden, was den Beirat und damit die ganze Rentenanpassung angeht. Das ist wegen der großen sozialen Bedeutung der Rentenversicherung für die Sicherung des Lebensabends von Millionen von Menschen und wegen der volkswirtschaftlichen Auswirkungen -Leistungsausgaben von 14 Milliarden DM - Anlaß zu einer großen Sorge.
    Als Sprecher der Sozialdemokraten möchte ich mich heute nicht darauf beschränken, das System zu



    Dr. Schellenberg
    kritisieren, sondern ich will gleichzeitig darlegen, I welche Möglichkeiten wir sehen, die Schwierigkeiten zu überwinden oder wenigstens zu mildern. Dabei muß man nach unserer Auffassung zweierlei unterscheiden, erstens Sofortmaßnahmen — ich werde das im einzelnen erläutern — und zum anderen Regelungen, durch die auf die Dauer die Rentenanpassung sinnvoller gestaltet werden kann. Sofort muß unseres Erachtens erstens über die Rentenanpassung 1958 und zweitens über die Rentenanpassung 1959 eine Entscheidung getroffen werden.
    Zuerst zur Rentenanpassung 1958! Ein wesentlicher Grund für uns, eine Regelung für die Rentenanpassung 1958 zu erstreben, ist nicht nur die Zusage, die bei der Rentenneuregelung gegeben wurde — und die mein Kollege Meyer hier mehrfach zitiert hat —, sondern vor allen Dingen der Umstand, daß die Gleichheit unter den Rentnern durch die Methoden der gegenwärtigen Rentenanpassung verletzt ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist ein schwerwiegender Tatbestand.
    Wir sind der Auffassung, daß es ein unmöglicher Zustand ist, wenn die Rente der Neurentner bereits für 1958 der Lohn- und Gehaltsentwicklung angepaßt wird — das ist geschehen — und die Bundesregierung jetzt vorschlägt, die Anpassung 1958 für die Altrentner gewissermaßen unter den Tisch fallenzulassen. Mit diesem bedenklichen Tatbestand muß man sich sehr ernsthaft auseinandersetzen.
    Wir legen unseren Gesetzentwurf über eine einmalige Sonderzahlung auch deshalb vor — und ich bitte Sie, das sehr ernsthaft zu prüfen —, um künftigen Entscheidungen über die Gestaltung der Rentenanpassung nicht unbedingt vorzugreifen. Im Gegenteil, unser Vorschlag, jetzt eine Übergangsregelung — wenn Sie so sagen wollen — für 1958 zu treffen, erleichtert weitere Überlegungen über die zukünftige Gestaltung der Rentenanpassung. Ich gebe deshalb die Hoffnung nicht auf, daß wir ungeachtet der sehr eindeutigen Ablehnung des Kollegen Horn bei den Ausschußberatungen darüber zu einem sinnvollen Gespräch kommen.
    Der Herr Bundesarbeitsminister war in seinen Ausführungen über die Anpassung für 1958 widerspruchsvoll. Auf der einen Seite hat er eine günstige gesamtwirtschaftliche Entwicklung geschildert. Bei den Folgerungen für die Rentenanpassung 1958 kam er aber zu einer Verneinung der Grundsätze, die in den §§ 1272 und 1233 der RVO festgelegt sind.

    (Zuruf des Abg. Ruf.)

    — Herr Kollege Ruf, man wird unglaubwürdig, (Sehr wahr! bei der SPD)

    wenn man als Minister auf der einen Seite in einer Rede die hervorragende wirtschaftliche Entwicklung preist und auf der anderen Seite die Anpassung der laufenden Renten, die im Grundsatz vorgeschrieben ist — und zwar hat sie jährlich zu erfolgen —, verweigern will.
    Über die finanziellen Zusammenhänge werden wir noch zu sprechen haben. Ich darf Sie aber bitten, meine Damen und Herren, Ihre Stellungnahme über die Anpassung 1958 doch zu überprüfen, wobei ich sage: Durch die Regelung, die wir jetzt vorschlagen, sollen die weiteren Entscheidungen für die nächsten Jahre nicht präjudiziert werden.
    Nun komme ich zu einem zweiten Bereich, der geregelt werden muß — und zwar als Sofortmaßnahme —, zu der Anpassung 1959. Hierüber liegt der Gesetzentwurf der Regierung vor. Seiner Konzeption können wir grundsätzlich zustimmen, wenn eine Regelung für 1958 in dieser oder jener Form getroffen wird. Das ist allerdings die Voraussetzung dafür,

    (Beifall bei der SPD)

    daß man eine Regelung für 1959 treffen kann. In diesem Zusammenhang muß ich aber darauf aufmerksam machen, daß der Gesetzentwurf der Regierung, wonach ah 1. Januar 1959 angepaßt werden soll, eine Reihe von Vorschriften enthält, die ich als ungerecht bezeichnen muß.
    Die erste Ungerechtigkeit liegt darin, daß der Sonderzuschuß von 14 bzw. 21 DM von der Anpassung ausgeschlossen werden soll. Auf die versicherungstechnischen Zusammenhänge komme ich noch zu sprechen. Aber was bedeutet der Ausschluß des Sonderzuschusses von der Anpassung? Er bedeutet, daß zwei Millionen Menschen, die die allerkleinsten Renten erhalten, für einen Teil ihrer ohnehin schon niedrigen Rente keine Anpassung erhalten sollen. Man begründet das mit den Vorschriften der Rentenneuregelungsgesetze. Aber ist denn nicht der Sinn der Rentenneuregelungsgesetze entscheidend, daß nämlich die Renten der Lohn- und Gehaltsentwicklung und der Preisentwicklung angepaßt werden sollen? Die Lebenshaltungskosten für die unteren Verbrauchergruppen haben sich in den letzten zwei Jahren — ich gebe Ihnen die genauen Zahlen — um sechs Punkte erhöht, nämlich von 116 auf 122.

    (Zuruf des Abg. Dr. Atzenroth.)

    — Wenn die erste Anpassung nach der Vorstellung der Regierung 1959 erfolgt, liegen zwei Jahre seit der Rentenneuregelung zurück, Herr Kollege Atzenroth. — Zumindest dieser Preisentwicklung muß bei der Rentenanpassung insbesondere für die kleinsten Renten Rechnung getragen werden. Wenn Sie das nicht tun, sondern den Sonderzuschuß ausnehmen, werden die kleinsten Renten praktisch nicht um rund 6, sondern nur um rund 4 % erhöht. Das wäre eine außerordentliche Härte gegenüber den Menschen, die — das müssen Sie doch zugeben — von der Rentenreform — ob versicherungstechnisch gerechtfertigt oder nicht, das sei dahingestellt — enttäuscht waren.
    Frau Kollegin Friese-Korn, Ihre Zwischenbemerkung war sehr ungerecht. Sie haben davon gesprochen, daß die Menschen selbst Schuld an der niedrigen Rente trügen. Meine Damen und Herren, worum handelt es sich denn bei diesen Gruppen? Es handelt sich in erheblichem Umfang um Rentner, die unter das Fremd- und Auslandsrentengesetz fallen, unter jene Tabellen, die nach den Rentenneuregelungsgesetzen biss zum 30. Juni 1957 den Vorschriften der Rentenreform anzupassen waren, was bis heute noch nicht durchgeführt worden ist. — Herr Kollege Atzenroth, Sie schütteln den Kopf. Ich



    Dr. Schellenberg
    muß Ihnen leider sagen: Sie kennen die Praxis der Rentenversicherung nicht so genau. Denn wer seine Versicherungsunterlagen durch Kriegiseinwirkung verloren hat, dem wird heute noch als Arbeiter bei der Rentenberechnung ein Arbeitsverdienst von 240 Mark unterstellt. Wenn Sie mit einer solchen Grundlage eine Rente mit 40 Jahren Arbeitsleben errechnen, kommen Sie auf eine Rente, die nicht den Lebensbedarf deckt. Man sollte hier nicht solche Worte in die Debatte werfen, wie es die verehrte Frau Kollegin Friese-Korndurchihre Zwischenbemerkung getan hat. Das wird dem Ernst der Sachlage nicht gerecht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Eine andere Frage, die in ,dem Anpassungsgesetz für 1959 auch geregelt worden muß, ist die Frage der Anrechnung auf sonstige Sozialleistungen. Wenn das Gesetz in der jetzigen Fassung angenommen wird, dann bleibt nur eine Nachzahlung für zwei Monate anrechnungsfrei. Alle anderen Erhöhungen der Leistungen werden den Kriegsbeschädigten, den Lastenausgleichsempfängern und den sonstigen Gruppen voll angerechnet. Wir sind der Auffassung, daß eine solche volle Anrechnung nicht den Grundsätzen der Rentenneuregelung entspricht. Denn ,der Lebensstandard dieser Menschen wird damit praktisch nicht der wirtschaftlichen Entwicklung angeglichen, sondern sinkt in Zusammenhang mit der Preisentwicklung ab.
    Mein Kollege Meyer hat mit Recht darauf hingewiesen: Was der Herr Bundeskanzler vor der Bundestagswahlerklärt hat, das muß immer wieder wörtlich zitiert werden. Der Herr Bundeskanzler sagte damals: „Es muß unter ,allen Umständen vermieden werden, daß die vorgesehenen Verbesserungen durch eingehende Anrechnungsvorschriften in vielen Fällen kaum zur Auswirkung kommen." Seitdem ist aber nichts geschehen, um die durch die Anrechnungsvorschriften sich ergebenden Härten auch nur zu mildern, und ,deshalb müssen wir bei den Anpassungsgesetzen beantragen, daß wenigstens neue Härten bei der weiteren Anpassung durch Aufrechterhaltung jener Anrechnungs- und Kürzungsvorschriften vermieden werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn man immer vom Rentenaufwand spricht, dann soll sich die Bundesregierung einmal darüber äußern, wieviele Millionen DM durch die Anrechnungs- und Kürzungsvorschriften in anderen Bereichen der Sozialleistungen eingespart wurden. Der Betrag liegt weit über 500 Millionen DM.
    Nun einige Bemerkungen zur Frage der Finanzierung. Aus dem Finanzteil des Rentenberichts ergibt sich, daß die Finanzlage in den letzten Jahren — über die hier tauch berichtet wird — weit günstiger war, als die Bundesregierung ursprünglich behauptet hatte. — Herr Dr. Atzenroth, Sie wollen es nachsehen. Ich möchte es Ihnen erleichtern, indem ich es an zwei Beispielen erläutere.
    Bei der Rentendebatte ,in diesem Hause hat uns am letzten Tage, am 23. Januar 1957, die Bundesregierung eine Aufstellung gegeben, in der Einnahmen der Rentenversicherung für 1956, also für
    ein Jahr, das gerade schon beendet war, aufgeführt waren. In dieser Aufstellung der Bundesregierung wurden die Einnahmen der Rentenversicherung für 1956 mit 9,96 Milliarden DM angegeben. Aus dem jetzt vorgelegten Bericht entnehmen wir die erstaunliche Tatsache, daß die Einnahmen 1956 tatsächlich 10,61 Milliarden DM betragen haben. Die Bundesregierung hat also zu einem Zeitpunkt, in dem das Jahr 1956 bereits beendet war, über die Höhe der Einnahmen der Rentenversicherung für das Jahr 1956 Angaben gemacht, die um 650 Millionen DM zu niedrig waren.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das hat nichts zu tun mit den sehr schwierigen Problemen der versicherungsmathematischen Vorausberechnung für künftige Zeiträume. Wenn sich die Bundesregierung schon — ich will mich wiederum vorsichtig ausdrücken — in einem solch klar nachprüfbaren Tatbestand, bei dem nur die Monate November und Dezember 1956 noch in der Schwebe sein konnten, um solche Größenordnungen irrt, dann muß man starkes Mißtrauen in die Zuverlässigkeit der finanziellen Mitteilungen der Bundesregierung überhaupt setzen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Und ,ich möchte Ihnen ein zweites Beispiel geben. Die Bundesregierung hat bei der Verabschiedung der Gesetze den Überschuß der Rentenversicherung — Arbeiter und Angestellte — für 1957 mit 189 Millionen DM angegeben. Damals habe ich bereits bei der Beratung der Gesetze erklärt: der Überschuß ist zu niedrig angesetzt. Im August 1957 habe ich, gestützt auf Mitteilungen der Deutschen Bundesbank, in der Öffentlichkeit erklärt, der Überschuß für 1957 würde wahrscheinlich in die Größenordnung von einer Milliarde kommen. Was hat die Bundesregierung darauf geantwortet? Am 16. August 1957 im Bulletin: „Die von der Bundesregierung mitgeteilte Höhe des Rentenaufwandes wird bestimmt erreicht, wenn nicht gar überschritten werden." So dementierte die Bundesregierung die Mitteilungen, daß der Überschuß etwa 1 Milliarde betragen werde. Tatsächlich ist der Überschuß jetzt 1748 Millionen. Man kann nun hin- und herrechnen und sagen: Da gibt es noch Rückstände, die zusätzlich hinzugekommen sind. Auch dann kommt man auf einen Überschuß von über 1,3 Milliarden.

    (Zuruf der Abg. Frau Kalinke.)

    — Frau Kollegin Kalinke, damit Sie nachher keinen falschen Zungenschlag tun,

    (Heiterkeit)

    möchte ich Ihnen folgendes sagen, damit Sie nicht behaupten, es kämen noch die vielen Rentenrückstände hinzu und dann stimme die Berechnung über den Überschuß von 1957 nicht. Wenn Sie von dem Überschuß von 1957 wegen der Rentenrückstände Beträge abziehen würden, kommen Sie nämlich mit dem Überschuß für 1958 ins Schwimmen, er wird dann entsprechend höher. Aber darüber können wir uns vielleicht im Ausschuß unterhalten. Es ist eine Detailfrage. Nur weil Sie sich offensichtlich eine Bemerkung aufschrieben, wollte ich Sie darauf auf-



    Dr. Schellenberg
    merksam machen, damit ich nicht nachher noch einmal darauf einzugehen brauche.
    Es muß also festgestellt werden, daß die Vorausschätzungen der Bundesregierung bei Verabschiedung der Rentenreform, und zwar auch die Zahlenangaben, die die Bundesregierung im ersten Jahr, im August 1957 über die Entwicklung des Jahres 1957 gemacht hat, nicht der Wirklichkeit entsprochen haben, sondern daß das Ergebnis weit günstiger war. Auf Grund der Erfahrungen, die wir alle an Hand des Sozialberichts nachprüfen können — man muß nur mit dem Sozialbericht die Angaben vergleichen, die die Bundesregierung uns seinerzeit gemacht hat; diese fehlen im Sozialbericht —, muß man in die Vorausschätzungen der Bundesregierung bis zum Jahre 1966 einige Zweifel setzen.
    Meine Damen und Herren, nun zu den Dingen, die weiter zu gestalten sind. Ich habe von den Sofortmaßnahmen gesprochen. 1958 und 1959 ist unseres Erachtens eine Regelung zu treffen. Und dann muß der Sozialpolitische Ausschuß sehr grundsätzliche Überlegungen bezüglich des Beirates und der weiteren Anpassung der Renten anstellen. Dazu möchte ich eine Bemerkung machen.
    Wir sollten uns nach den Erfahrungen seit der Rentenreform gemeinsam darüber im klaren sein, daß jede Änderung der gegenwärtigen gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich des Verfahrens der Anpassung genau überlegt werden muß. Ich sage das wahrlich nicht deshalb, weil ich die gegenwärtige Regelung für gut oder zweckmäßig halte, sondern weil, nachdem die Lage so verfahren ist, meines Erachtens unüberlegte Beschlüsse unbedingt vermieden werden müssen. Wenn — das ist unser Ziel — vorweg die Anpassung für 1958 und 1959 geregelt und damit ausgeklammert ist, haben wir Zeit für gründliche Überlegungen über die weitere Gestaltung des Beirates und alle Fragen der Rentenanpassung. Deshalb treten wir so nachdrücklich dafür ein: jetzt eine Übergangsregelung für 1958 und 1959 und dann eingehendste Beratung der gegenwärtigen Methoden der Rentenanpassung.
    Namens meiner Fraktion beantrage ich, den Sozialbericht sowie das Schreiben über das Rücktrittsangebot der Mitglieder des Beirats dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Wir Sozialdemokraten werden im Ausschuß für Sozialpolitik vorschlagen, die zurückgetretenen Mitglieder des Beirats zu einer Aussprache über ihre Erfahrungen in der Beiratsarbeit zu bitten. Nachdem dieser Beirat durch Gesetz — gegen unsere Stimmen — geschaffen worden ist, muß sich das Parlament von denjenigen, die in diesem Gremium wichtige Arbeiten geleistet und dann ihre Ämter zur Verfügung gestellt haben, genau über die mit der Beiratsarbeit zusammenhängenden Probleme und Schwierigkeiten unterrichten lassen. Das sind wir nicht nur den Persönlichkeiten schuldig, die sich für diese schwierige Aufgabe zur Verfügung gestellt haben und deren Sachkenntnis — das wollen wir ungeachtet der Probleme und Schwierigkeiten, die sich ergeben haben, feststellen — allgemeine
    Wertschätzung verdient, sondern das gebietet das Ansehen des Parlaments.

    (Beifall bei der SPD. — Zustimmung des Abg. Dr. Hellwig.)

    Namens meiner Fraktion erkläre ich, daß wir alles unternehmen werden, um auf Grund der Erfahrungen, die die Mitglieder des Beirats gewonnen haben, eine vorurteilsfreie Klärung aller Zusammenhänge zu erreichen. Ich sage dies, obwohl nach unserer Auffassung eine Wiederbelebung des Beirats — der nach unserer Meinung auf einer fehlerhaften Konzeption beruht — den größten Schwierigkeiten begegnen wird oder vielleicht überhaupt nicht möglich ist. Daß die Konzeption nicht glücklich ist, muß jeder zugeben. Meine Damen und Herren, Sie wollen es doch würdigen, wenn ich hier erkläre: wir wollen gemeinsam mit den Herren, die im Beirat gearbeitet haben, die Probleme vorurteilslos prüfen und uns bemühen, es an dem guten Willen in keiner Hinsicht fehlen zu lassen. Dies auch deshalb, weil — und das ist unsere grundsätzliche Auffassung — eine Sicherung des Lebensbedarfs der Menschen, die nicht mehr arbeiten können, erfolgen muß. Die wirtschaftliche Lage der Rentner muß der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt werden und bleiben. Diese Anpassung muß sinnvoller geregelt werden. Es darf nicht wieder eintreten, daß diese Menschen nach einem Leben der Arbeit zurückbleiben hinter der Entwicklung der Wirtschaft, hinter der Entwicklung der Löhne und Gehälter und auch hinter der Entwicklung der Preise. Weil das für uns eine große Verpflichtung ist, sind wir bereit, alle Vorschläge zur sinnvollen Gestaltung der Methoden der Rentenanpassung sorgfältig zu prüfen und uns durch bessere Argumente überzeugen zu lassen. Meine Damen und Herren, es liegt an Ihnen, bessere Argumente zu bringen. Heute habe ich sie leider weder vom Bundesarbeitsminister noch vom Kollegen Horn hier vernommen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Noch etwas muß der Sozialpolitische Ausschuß tun. Er muß so weit wie möglich Klarheit über den zukünftigen Finanzbedarf der Rentenversicherung, vor allem auch unter dem Gesichtspunkt der weiteren Rentenanpassung, zu erreichen versuchen. Wir alle wissen, daß das eine sehr komplizierte Angelegenheit ist, und wir wissen auch, daß man dabei vielen Unbekannten und vielen Unwägbarkeiten Rechnung tragen muß und daß jede Vorausschätzung mit vielen Fragezeichen belastet ist. Aber gerade deshalb kann ich es nicht hinnehmen, daß der Herr Bundesarbeitsminister und Herr Kollege Horn von der Vorausschätzung bis zum Jahre 1966 hier so gesprochen haben, als handelte es sich um unwiderlegbare Tatbestände.
    Selbstverständlich ist es sehr zu begrüßen, wenn uns die Regierung möglichst frühzeitig über ihre Auffassung hinsichtlich der weiteren Finanzentwicklung der Rentenversicherung unterrichtet. Aber wir müssen verlangen, daß derartige Zahlenangaben über die zukünftige Finanzgestaltung bis zum Jahre 1966, durch die offensichtlich — das klingt



    Dr. Schellenberg
    doch in allem, was im Sozialbericht steht, durch, und das wurde hier auch ausgesprochen — die Entscheidung des Gesetzgebers bezüglich der Rentenanpassung 1958 beeinflußt werden soll, entsprechend fundiert sind. Meine Damen und Herren, an diesen Zahlenangaben haben wir allerdings sehr erhebliche Zweifel. Was uns in dieser Hinsicht dargeboten wurde, wird der Forderung nach gründlicher Aufklärung über die Schätzung — und diese Forderung müssen wir doch zumindest erheben —in keiner Weise gerecht.
    Die Vorausschau, die hier für den Zeitraum bis 1966 angestellt ist, kann von keinem Sachverständigen auf ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit nachgeprüft werden. Es fehlen dazu insbesondere die folgenden Unterlagen. Zunächst fehlen Zahlen über den Zu- und Abgang der nächsten Jahre. Nur wenn man diese kennt, kann man beurteilen, ob das, was die Bundesregierung über den zukünftigen Stand der Renten sagt, der Wahrscheinlichkeit vielleicht nahekommt. Es fehlt weiter etwas, was an sich selbstverständlich ist, wenn man das Zahlenmaterial überprüfen und durchdenken will, nämlich jede Angabe über die durchschnittliche Höhe der einzelnen Rentenarten. Nur bei Kenntnis der angenommenen durchschnittlichen flöhe der einzelnen Rentenart kann man überhaupt eine Schätzung vornehmen. Schließlich ist aus dem Zahlenmaterial ein sehr wichtiger Tatbestand nicht ersichtlich, daß nämlich nach dem jetzt geltenden Gesetz am 31. Dezember 1961 die Übergangsregelung der doppelten Berechnung der Renten ein Ende nehmen soll. Dabei wissen wir alle — das hat die Regierung hier noch nicht mitgeteilt —, daß über 60 % der Rentner auf Grund dieser zweifachen Berechnung der Renten eine höhere Rente erhalten als nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes, die allein nach 1961 gelten sollen. Das ist doch ein wichtiger Tatbestand. Wenn man hier eine Berechnung bis 1966 anstellt, muß aus dieser Berechnung zum mindesten hervorgehen, wie sich die Änderung der Rechtslage nach dem 31. Dezember 1961 finanziell auswirkt.
    Aus diesen und vielen anderen Gründen, die wir im einzelnen natürlich im Ausschuß erörtern werden, kann niemand feststellen — um nur eine Zahl zu nennen —, weshalb die Bundesregierung den Aufwand für die Rentenversicherung der Arbeiter für 1962 mit rund 10 Milliarden DM angibt. Niemand kann sagen, weshalb sie nicht 9 Milliarden oder 11 Milliarden DM eingesetzt hat. Das bleibt ein Rätsel; diese Zahlen werden von der Bundesregierung in keiner Weise erklärt, erläutert oder begründet. Wenn man hier mit solchen Unterlagen operiert und dadurch die Entscheidung des Hauses in die ganz bestimmte Richtung lenken will — im Interesse der zukünftigen finanziellen Sicherheit —, für 1958 keine Anpassung vorzunehmen, dann müssen wir sagen: das ist kein zulässiges Verfahren.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wir müssen das vor allen Dingen deshalb beanstanden, weil sich die bisherigen Berechnungen der Bundesregierung, die jetzt an der Wirklichkeit kontrolliert werden können, als stark überhöht erwiesen haben. Das gibt ein Recht, die Berechnungen für die Zukunft in Zweifel zu ziehen. Auch in dieser
    Hinsicht muß der Sozialpolitische Ausschuß erst gründliche Beratungen und Untersuchungen anstellen. Wir sind dabei bereit, uns von allen belehren zu lassen, die mehr wissen als wir; aber dann sind die Karten auf den Tisch zu legen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Deshalb werden wir weiter vorschlagen, zu den Beratungen über die Vorausschätzungen bis 1966 alle Sachverständigen, die zu der Materie etwas zu sagen haben, in den Ausschuß zu bitten. Gerade deshalb wollen wir uns von der Tagesfrage, die Anpassung 1958 und 1959, lösen und die Probleme der zukünftigen Gestaltung sehr gründlich durchdenken. Wir wollen alle Sachverständigen laden. — Selbstverständlich wollen wir auch, Frau Kollegin Kalinke, die Sachverständigen des Schutzverbandes der Sparer zu uns bitten; aber ich muß sagen: die finanziellen Berechnungen, die von dieser Seite aufgestellt worden sind, sind noch viel weniger begründet als die Berechnungen der Bundesregierung. Das schließt aber nicht aus, daß wir auch die Argumente dieses Verbandes hören.
    Noch etwas anderes ist wichtig, wenn man sich über die weitere Entwicklung klarwerden will. Wir müssen für die weiteren Beratungen die versicherungstechnische Bilanz zu Rate ziehen können. Zwar soll diese versicherungstechnische Bilanz per 1. Januar 1959 erstellt werden, doch möchte ich hier erklären: Wir wollen in dieser Hinsicht keinen zeitlichen Druck auf die Regierung ausüben; denn die versicherungstechnische Bilanz muß wohlbegründet sein. Bei der Vorlage ist uns wichtiger, die Zahlen sind fundiert und begründet, als daß sie einige Wochen oder Monate früher vorgelegt werden. Es handelt sich um eine höchstwichtige Grundlage für die weiteren Entscheidungen, die wir zu treffen haben. — Sie nicken, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien; aber deshalb müssen wir die Sofortmaßnahmen für 1958/59 durchführen!

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn Sie sagen — der Herr Minister hat das gesagt und Kollege Horn hat gesagt —: „Im Interesse der Garantie für die Zukunft und der weiteren Sicherheit können wir für das Jahr 1958 nicht anpassen", so ist das eine ganz schlechte Begründung. Meine Damen und Herren, dazu muß man erst einmal einigermaßen sichere und klare Rechnungsunterlagen für die spätere Zeit haben. Auf Grund der gegenwärtigen Finanzlage erkläre ich: Die Überschüsse für 1957 und 1958 werden etwa das Doppelte dessen ausmachen, was für eine Anpassung für 1958 und 1959 benötigt wird. Das ist die Sachlage. — Bitte, Frau Kollegin!