Rede:
ID0304402200

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Metadaten
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    Vokabeln: 8
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter: 1
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    8. Zwischenfrage?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 44. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1958 Inhalt: Nachruf auf S. H. Papst Pius XII. Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 2475 A Grußworte an den wiedergenesenen Abg. Schoettle . . . . . . . . . . 2477 D Zur Tagesordnung Dr. Schellenberg (SPD) . . . . . 2475 D Horn (CDU/CSU) . . . . . . . 2476 C Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 2477 B Entwurf eines Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung (Drucksache 416) — Erste Beratung —, Entwurf eines Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln (Drucksache 417) — Erste Beratung — Etzel, Bundesminister . . . . . . 2478 B Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) . . . . 2480 B Dr. Harm (SPD) . . . . . . . . 2481 D Dr. Atzenroth (FDP) . . . . . . 2486 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 2487 D Kurlbaum (SPD) . . . . . . . . 2489 C Dr. Hellwig (CDU/CSU) . . 2493 A, 2505 D Dr. Starke (FDP) . . . . 2496 D, 2504 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . . 2498 A Entwurf eines Gesetzes über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank (Drucksache 533) — Erste Beratung — . . . . . . 2506 D Entwurf eines Gesetzes über die Bildung von Rückstellungen in der Umstellungsrechnung der Geldinstitute, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen und in der Altbankenrechnung der Berliner Altbanken (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 514) — Erste Beratung — 2506 D Entwurf eines Gesetzes über „unveränderte Rohmilch" (FDP) (Drucksache 421) — Erste Beratung — Köhler (FDP) 2507 A Bauknecht (CDU/CSU) 2507 D Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (Drucksache 525) — Erste Beratung — Dr. Strauß, Staatssekretär . . . . 2508 A Dr. Dehler (FDP) . . . . . . . . 2509 A Lange (Essen) (SPD) . . . . . . 2510 B Dr. Winter (CDU/CSU) . . . . . 2510 D Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) (Drucksache 530) — Erste Beratung — 2511 B Erklärungen nach § 36 GO Dr. Schellenberg (SPD) . . . . . 2511 C Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . . 2512 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2512 C Anlage 2513 A 44. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Altmaier* 19. 10. Bauer (Wasserburg) 15. 10. Bauer (Würzburg)* 19. 10. Dr. Becker (Hersfeld)* 19. 10. Berkhan 30. 10. Birkelbach* 19. 10. Dr. Birrenbach 15. 10. Fürst von Bismarck 17. 10. Blachstein 18. 10. Conrad 15. 10. Demmelmeier 15. 10. Diel (Horressen) 15. 10. Frau Döhring (Stuttgart) 18. 10. Dowidat 18. 10. Eilers (Oldenburg) 15. 10. Engelbrecht-Greve 4. 11. Etzenbach 15. 10. Even (Köln)* 19. 10. Frehsee 5. 11. Dr. Furler* 19. 10. Gerns* 19. 10. Frau Geisendörfer 18. 10. Goldhagen 15. 10. Dr. Gossel 15. 10. Dr. Gülich 18. 10. Günther 15. 10. Hansing 15. 10. Heye* 19. 10. Dr. Höck (Salzgitter) 16. 10. Höfler' 19. 10. Frau Dr. Hubert* 19. 10. Hübner 15. 10. Jacobi 15. 10. Jacobs* 19. 10. Jahn (Stuttgart) 17. 10. Keuning 15. 10. Kiesinger* 19. 10. Frau Kipp-Kaule 17. 10. Dr. Kopf* 19. 10. Frau Dr. Kuchtner 17. 10. Kühlthau 15. 10. Kühn (Bonn) 15. 10. Kühn (Köln)* 19. 10. Dr. Leverkuehn* 19. 10. Dr. Löhr 17. 10. Lücker (München)* 19. 10. Maier (Freiburg) 22. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Frau Dr. Maxsein* 19. 10. Meitmann 15. 10. Dr. Mende* 19. 10. Dr. Menzel 16. 10. Metzger* 19. 10. Müller (Worms) 17. 10. Neuburger 17. 10. Nieberg 15. 10. Paul* 19. 10. Dr. Preusker 15. 10. Rasner 28. 10. Frau Dr. Rehling* 19. 10. Scharnberg 15. 10. Dr. Schmid (Frankfurt)* 19. 10. Frau Schmitt (Fulda) 17. 10. Schmitt (Vockenhausen) 15. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 1. 11. Schütz (München)* 19. 10. Dr.-Ing. Seebohm 17. 10. Seidl (Dorfgin)* 19. 10. Dr. Serres* 19. 10. Dr. Stammberger 18. 10. Stauch 15. 10. Stenger 17. 10. Varelmann 15. 10. Wagner 17. 10. Dr. Wahl* 19. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 19. 10. Frau Welter (Aachen) 15. 10. Frau Wessel 15. 10. Dr. Zimmer* 19. 10. b) Urlaubsanträge Graf Adelmann 31. 10. Dr. Baade 30. 10. Dr. Böhm 2. 11. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 24. 10. Giencke 25. 10. Frau Herklotz 23. 10. Jahn (Frankfurt) 31. 12. Lenz (Trossingen) 9. 11. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 11. Niederalt 10. 11. Rehs 22. 10. Reitzner 31. 12. Scheel 4. 11. Spitzmüller 30. 10. Dr. Steinmetz 10. 11. Dr. Stoltenberg 10. 11. Dr. Vogel 10. 11. Dr. Wolff (Denzlingen) 31. 10. für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Fritz Hellwig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige abschließende Bemerkungen zu dem bisherigen Stand der Diskussion über dieses Thema. Ich möchte anknüpfen an Ausführungen, die der Kollege Kurlbaum soeben gemacht hat. Der Kollege Kurlbaum hat das Problem der Publizität in einer Weise ausgeweitet, die über das bei der aktienrechtlichen Problematik zunächst gegebene Maß erheblich hinausgeht.

    (Abg. Kurlbaum: Wir sind nicht so bescheiden!)

    — Das ist verständlich. Wir sind ja auch nicht prüde, 'aber wir möchten doch dringend bitten, die Fragen der Markttransparenz, der Publizität über Vorgänge am Markt von den gesellschaftsrechtlichen Publizitätsvorschriften zu trennen. Das eine gehört in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und unterliegt insbesondere auch der aktiven Mitarbeit der Kartellbehörde, und das andere sind zunächst Angelegenheiten, die im Gesellschaftsrecht geregelt waren und weiter zu regeln sein werden. Auch die Zielsetzung ist ja wohl eine andere.

    (Abg. Kurlbaum: Herr Dr. Hellwig, bitte denken Sie an die Mitwirkung der Öffentlichkeit!)

    — Ich komme gleich darauf zurück. — Die Publizitätsvorschriften im Gesellschaftsrecht dienen doch zunächst einmal der Sicherstellung des Informationsrechts des Aktionärs, und damit ist natürlich auch 'ein öffentliches Interesse gegeben, den Aktionär vor einer Übervorteilung zu schützen; daher auch die Prüfungsbestimmungen und die weitgehende Festigung des öffentlichen Interesses durch die Entwicklung der Pflichtprüfungen und ähnliche Dinge. Weiterhin ist für einen Kapitalmarkt, der sich gesund entwickeln soll, ein Mindestmaß an Publizität unbedingterforderlich. Daß hier in der Vergangenheit längst nicht alles in Ordnung war, wurde ja nicht bestritten. Ich komme aber nachher auf diesen Punkt nochmals zurück.
    Davon zu unterscheiden sind zweifellos die Publizitätsbegehren, wie sie von Ihnen zur Sprache
    gebracht worden sind, die etwa auf die Offenlegung der jeweiligen Marktposition des Unternehmens hinauslaufen. Wenn Sie etwa bedauern, daß nur ein Bruttoumsatz genannt wird oder genannt werden soll, aber nicht eine Spezifizierung des Umsatzes nach einzelnen Artikeln erfolgen soll, dann wollen Sie in Wirklichkeit doch die Offenlegung der Marktposition der Unternehmungen, und das hat mit gesellschaftsrechtlicher Publizität zum Schutze dies Aktionärs nichts mehr zu tun.
    Man mag sich nun an anderer Stelle darüber unterhalten, ob es zur Förderung der Markttransparenz für die Durchführung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen noch weiterer Mittel und weiterer Maßnahmen bedarf. Ich möchte gerade in diesem Zusammenhang einmal auf folgendes aufmerksam machen. Herr Kurlbaum, Sie haben davor gewarnt, daß das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vor allem den mittleren und kleineren Unternehmungen unbequem werden könnte. Ich könnte Ihnen das genauso zurückgeben: die von Ihnen geforderte erweiterte Publizität könnte vor allem mittleren und kleineren Unternehmungen wegen der Offenlegung ihrer Marktposition gefährlich werden. Ich glaube, man sollte hier wenigstens erkennen, daß die beiden Dinge nicht über einen Leisten geschlagen werden dürfen, da als Ergebnis unter Umständen sehr wohl das Gegenteil herauskommen kann.
    Ich darf Ihnen nun einige Illustrationen zu dem Ausmaß der derzeitigen Publizität in den deutschen Kapitalgesellschaften geben. Es stehen mir eine Reihe von Untersuchungen über das Ausmaß der Publizität bei den deutschen Aktiengesellschaften, bei den industriellen Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bei den amerikanischen Aktiengesellschaften und eine Untersuchung über die Börsenzulassungsprospekte in beiden Ländern zur Verfügung, außerdem einige Arbeiten, die der Öffentlichkeit und damit auch Ihnen nunmehr wohl zugänglich sind. Was zunächst den vielbeschworenen Vergleich mit den USA betrifft, so ist ziemlich unbestritten, daß die Publizität der großen amerikanischen Gesellschaften auf dem Gebiet der Vermögenslage, der Vermögensnachweisung, also der Bilanz, wesentlich bescheidener ist als diejenige der deutschen Gesellschaften und daß man sich dort im allgemeinen darauf beschränkt, Globalzahlen über die Aktiven zu nennen ohne die weitgehende Aufgliederung, die die deutsche Bilanz zeigt. Umgekehrt sind die amerikanischen Publikationen über die Gewinn- und Verlustrechnung im allgemeinen reichhaltiger als die deutschen Publikationen. Ich darf aber daran erinnern, daß eine Gewöhnung der Offentlichkeit an die Tatsache, daß es nicht unmoralisch ist, Gewinne zu erzielen, in Amerika das Klima für die Publizität gerade auf diesem Gebiete wesentlich mehr begünstigt hat, als es bei uns der Fall ist. Aber selbst wenn man die Gewinn- und Verlustrechnungen bei uns mit denen der amerikanischen Gesellschaften vergleicht, so ist auch hier schon an vielen Stellen deutlich, daß gerade die großen Unternehmungen weit über das gesetzlich vorgeschriebene Minimum hinausgegangen sind.



    Dr. Hellwig
    Bei der Untersuchung, deren Ergebnisse mir vorliegen, mußten natürlich im wesentlichen die großen Gesellschaften herangezogen werden, weil hier eine detaillierte Publizität entwickelt worden ist. Die Untersuchung umfaßt über 85 % des Aktienkapitals der deutschen Aktiengesellschaften. Bei nicht weniger als etwa 60 % des Aktienkapitals geht die Publizität erheblich über die Mindesterfordernisse hinaus, und bei rund der Hälfte des in der Industrie arbeitenden Aktienkapitals wird auch bereits der Umsatz in absoluten Zahlen angegeben. Das ist doch immerhin ein erheblicher Fortschritt.
    Aber nun kann natürlich sofort das Argument von Ihnen kommen: Diese Zahl bezieht sich im wesentlichen auf die großen Aktiengesellschaften und die bei ihnen entwickelte Publizität mit Umsatzzahlen und ähnlichen Dingen. Dabei wird aber schon deutlich, was ich vorhin sagte: Der Mangel an Publizität ist viel stärker bei den kleineren und mittleren Gesellschaften zu beklagen, insbesondere dann, wenn es sich um einen relativ geringen Kreis von Aktionären, um Familiengesellschaften usw. handelt, als bei den großen Publikumsgesellschaften. Wir müssen also bei Ihren Forderungen nach noch weitergehender Publizität sehr genau prüfen, was die Stellung der großen gegenüber den mittleren und kleineren Unternehmen unter Umständen noch begünstigt.

    (Abg. Kurlbaum: Sehr richtig!)

    Hier ist also irgendwo eine Grenze. Ich freue mich,
    daß Sie gesagt haben, wir wollten uns noch über
    die Abgrenzung nach unten ausführlich unterhalten.
    Nun zur Frage der Börsenpublizität in den USA und bei uns. Wir haben die Börsenzulassungsprospekte miteinander verglichen. In folgenden Punkten gehen die amerikanischen Börseneinführungsprospekte über das deutsche Publizitätsmaß hinaus. Sie müssen enthalten: Angaben über die Börsenkurse der letzten Jahre, Ertragsrechnungen für fünf Jahre, genaue Angaben über die Bezüge der Direktoren und deren Aktienbesitz, über die beabsichtigte Verwertung des Erlöses aus den neuen Aktien, über die Aktionäre, die mehr als 10 % aller Aktien besitzen, sowie einen Bilanzstichtag bringen, der 'nicht weiter zurückliegen darf als 90 Tage. Diese Unterschiede zwischen den amerikanischen und unseren Vorschriften gehen vor allem darauf zurück, daß es in Amerika nicht die aktienrechtliche Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat wie bei uns gibt und daß die Vereinigung von Vorstandsfunktion, also von Management und Aufsichtsratsfunktion eines der wesentlichen Merkmale der amerikanischen Management-Position ist. Bestimmte Unterschiede sind hier eben strukturell bedingt. Man kann das nicht einfach auf uns übertragen.
    Hinsichtlich des internationalen Vergleichs sollten wir uns nunmehr vor allem auch bemühen, den Vergleich mit den anderen Ländern innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu entwikkeln. Wir müssen uns darüber klarwerden, daß, je mehr man in Richtung auf den Gemeinsamen Markt unter Abbau von diskriminierenden Bestimmungen, unter Anpassung von verschiedenen
    steuerrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Tatbeständen Fortschritte macht, um so mehr natürlich auch die Publizität einer Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung bei uns eine Publizität für den Konkurrenten im Gemeinsamen Markt unter gleichen Bedingungen ist. Daß hier eine Verständigung über ein gewisses Gleichmaß der anzustrebenden Publizität notwendig ist, wird wohl von niemandem bestritten werden.
    Noch ein Wort zur Frage der marktbeherrschenden Unternehmungen. Herr Kollege Kurlbaum, wir haben bei dem Bericht, den wir in Berlin im Bundeskartellamt gehört haben, wohl alle sehr deutlich verspürt, daß die Bestimmungen über die Zusammenschlüsse und die Meldung, die auf diesem Gebiet zu erstatten ist, nur ein sehr bescheidener Anfang sind. Mehr konnten und sollten sie nicht sein. Sie wissen aus der damaligen Diskussion ganz genau — ich darf hier wohl die Ausführungen des Staatssekretärs des Bundesjustizministeriums im Wirtschaftspolitischen Ausschuß in Ihre Erinnerung zurückrufen —, daß es sich für das deutsche Recht hier um Neuland handelt und daß man zunächst besser behutsam mit Anfangsbestimmungen arbeitet, durch die eine Berichterstattung oder eine Beobachtung eingeleitet wird, ehe man mit massiven Zwangsvorschriften und Sanktionen operiert. Hier ist also das letzte Wort keinesfalls gesprochen, und diese Lücke in der Gesetzgebung über den Wettbewerb wird unumwunden zugegeben. Sie war aber aus einer vorsichtigen Anfangshaltung diesem Problem gegenüber gewollt.
    Nun darf ich noch eine Bemerkung zu dem wirtschaftspolitischen Zusammenhang dieses Problemkreises überhaupt machen. Es kommt nicht so plötzlich, wie Herr Dr. Harm vorhin meinte, daß hier eine „erneute Begünstigung für bestimmte Aktionäre" geschaffen wird. Auch diese Vorlage ist Teil eines ganz bestimmten wirtschaftspolitischen Programms, dessen Zielsetzung es ist, die Aktie als Finanzierungsinstrument nicht nur wieder in ihren früheren Rang zurückzubringen, sondern sie darüber hinaus auch als eine Form der Vermögensbildung und Spartätigkeit der breiten Masse zu popularisieren. Daß dieses Werk mit einer ganzen Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen verbunden sein muß, versteht sich von selbst. Es ist auf der einen Seite die Senkung des Körperschaftsteuersatzes für ausgeschüttete Dividenden zu nennen — das Gesetz ist im Sommer verabschiedet worden —, und nunmehr folgen die Bestimmungen, die die Umwandlung der bisher aus — wohlgemerkt versteuerten — Gewinnen gebildeten Rücklagen in echtes haftendes Kapital anstreben. Gerade in Zusammenhang mit der Frage der Machtkonzentration und -expansion sollte eigentlich die Umwandlung von Rücklagen in haftendes Kapital, über das die Aktionäre mit zu beschließen haben, Ihre Unterstützung finden, denn dieses Anliegen ist ja auch von Ihnen stark unterstrichen worden. Je größer die Rücklagen und damit die Vermögensmassen, über die das Management gewissermaßen autonom beschließen kann, im Verhältnis zu dem Aktienkapital sind, um so stärker ist die Macht des Management gegenüber den Aktionären, um so größer ist seine Unabhängigkeit

    Dr. Hellwig
    gegenüber den Aktionären in der Hauptversammlung.
    Hier liegt doch ein Problem, das nicht nur bei uns besteht — das etwa durch die Selbstfinanzierung entstanden wäre —, sondern das in allen Ländern bei der Entwicklung der modernen Aktiengesellschaft aufgetreten ist. Auch die Amerikaner haben dieses Problem, daß sich durch Selbstfinanzierung — selbstverständlich wohl auch aus versteuerten Gewinnen heraus — die Machtposition, die Autonomie des Management gegenüber den Eigentümern genährt hat, so daß jetzt eine Korrektur anzustreben ist. Daß diese Korrektur bei uns begünstigt und gefördert werden soll, gehört in unsere wirtschaftspolitische Gesamtvorstellung.
    Noch etwas zu der Finanzierung unserer Aktiengesellschaften oder überhaupt unserer Wirtschaft! Das Bild ist ja längst nicht mehr so, wie es noch vor einigen Jahren bei der Diskussion über Selbstfinanzierung, insbesondere Selbstfinanzierung über den Preis, war, sondern hier liegen nach der Neuberechnung der Vermögensbildung, des Sozialprodukts und seiner Verwendung erhebliche Korrekturen vor. Die Deutsche Bundesbank hat in ihrer jüngsten Untersuchung über die Finanzierung der Vermögensbildung der Unternehmungen nachgewiesen, daß seit Jahren die Finanzierung der Vermögensbildung aus nicht entnommenen Gewinnen rückläufig ist, daß sie für das vergangene Jahr 1957 wohl kaum mit mehr als einem Drittel angesetzt werden kann, wobei diese Größen nur rechnerisch gegenübergestellt werden, ohne daß unterschieden werden könnte, ob diese nicht entnommenen Gewinne, in denen ja auch die nicht entnommenen Gewinne bzw. die entsprechenden Einkommensteile der Selbständigen, der Landwirtschaft, des mittelständischen Gewerbes usw., enthalten sind, wirklich der Finanzierung der Sachvermögensbildung in der Wirtschaft gedient haben. Diese einfache Gegenüberstellung ist also auch noch problematisch.
    Aber wenn es so ist, daß im Jahre 1956 65 % und im Jahre 1957 67 % der Vermögensbildung der Unternehmen durch Kreditaufnahme finanziert werden mußten und auf die Ausgabe von Aktien zu dieser Finanzierung in dem einen Jahr nur 5,6 % und in dem anderen Jahr nur 4,6 % der Vermögensbildung entfallen, dann ist hier doch etwas nicht in Ordnung, dann ist doch der Anteil des haftenden Kapitals an der Finanzierung der Vermögensbildung einfach zu gering geworden. Gerade im Zusammenhang mit dieser Aufgabe sollte man auch die jetzige Vorlage sehen, der Aufgabe, die Aktie wieder als Finanzierungsinstrument in ihren Rang hineinzubringen und das auch für die Vergangenheit nachzuholen, insbesondere in der Abgrenzung zwischen dem haftenden Kapital und dem Aktienkapital und den anderen Bilanzpositionen.
    Nun hat Kollege Dr. Harm darauf hingewiesen, daß doch schon jetzt durch diese Diskussion eine ganze Reihe unerwünschter Entwicklungen ausgelöst worden seien. Insbesondere hat er auf die Entwicklung von Börsenkursen hingewiesen. Herr Dr. Harm, daß an der Börse spekulative Erwartungen, gleichgültig was für ein Gesetz im Bereich der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik gemacht wird, ihren Niederschlag finden, ist unbestritten. Was wollen Sie dagegen tun? Wollen Sie für die Dauer der Beratung eines solchen Gesetzes, das irgendwelche spekulative Erwartungen weckt, Stoppkurse für die Aktie einführen? Wollen Sie den Börsenhandel ausschalten? Sie können mit dieser Spekulation nichts anderes machen, als sie sich eben in ihrem eigenen Risiko gewissermaßen totlaufen zu lassen. Das ist, glaube ich, auch in der Spekulation auf Gratisaktien erheblich darin: die Chance, sich im eigenen Risiko totzulaufen.


Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Dr. Hellwig, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Fritz Hellwig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte sehr!